Fortsetzung
Ich machte mich also auf den Weg nach Montpellier. Internet gab es, aber nicht für mich. Bis heute besitze ich nur ein museumsreifes Mobilfunkgerät; meine Tochter will mir die moderne digitale Welt als 9 Jährige erklären und ich lehne (noch) beharrlich und dankend ab...ein Wunder, dass ich es schaffe hier zu schreiben und ich bin kein Opa!
Also damals behalf ich mir auf einem großen Platz wo es viele Studenten gab die draussen herum saßen und heisse Baguettes mit Ziegenkäse und Tomaten aßen, dazu einen Rosé...also ich habe begonnen die zu fragen.
Aus einer Gruppe junger Frauen stach eine langhaarige flotte dunkle Studentin heraus. Später erfuhr ich, dass sie marokkanische Wurzeln hatte.
Sie blinzelte mich an: "Ich schwöre, die Disko "..." ist ein echt cooler Laden, ich schwöre!"
Warum arabisch stämmige Menschen egal in welcher Sprache immer sofort schwören müssen, weiss ich nicht. macht meine jetzige Freundin auch und die ist auch aus einem arabischen Land. Das hat anscheinend entgegen der häufigen Annahme nicht mal was mit dem Bildungsstand zutun.
In deutsch kennen wir das: "Isch schwöre Alta!"
In französisch: "je te jure sur la tête de ma mère"...also auf den Kopf meiner Mutter.
Ich musste lachen. "Aha! Auf den Kopf Deiner Mutter!. So ist das. Und weiss Deine Mutter, dass du da rein gehst? Hä? Weiss sie nicht! Die Klamotten die Du zu Hause anziehst, die sind da in Deinem Rucksack und vergiss nicht Dich abzuschminken bevor Du wieder nach Hause gehst!"
"Eh! Was fällt Dir ein? Wer glaubst Du wer Du bist mir sowas zu sagen eh man - ca va la tête pauv con?!!"
"Also ich heisse C. Ich bin aus Berlin und Du bist aus Montpellier.
Ich schwöre bei deinem hübschen Kopf, dass du mir den Laden zeigen wirst weil ich dich hiermit höflich darum bitte, inshallah!"
"Lass den Quatsch. Dein doofes inshallah ist einfach überflüssig, eh! Aber wenn du brav bleibst, nehmen wir dich mit. Berlin? Is ja cool. Wo ist das genau? In England?"
"Ähm nein. Nicht so direkt. Es ist etwas nördlich von hier, aber auch östlich".
"Wie bitte? Und warum sprichst Du so französisch wie wir? Willst Du mich verarschen? Zeig mal Deine ID man eh".
Ich antworte ihr in d e u t s c h : "mach ich nicht. Du bist zwar zuckersüß, aber das kannste vergessen.
Also nimmst Du mich nun mit? Ach Du bist echt zum Anbeissen. Ich habe hier eine orientalische wütende Prinzessin gefunden!"
Die junge Frau kniff die Augen zusammen.
Ein Feuerblick mit Schmollmund. "Was sagst Du? Hast Du mich beleidigt? Was soll das?"
Ich entgegne wieder in französisch: "Ich hab nur gesagt, dass ich dich süß finde und mich absolut freue, wenn ich von dir ausgeführt werde. Ob ich mich bei deiner Gegenwart auf was anderes als auf dich konzentrieren kann, wage ich zu bezweifeln. Da fahre ich Auto wie ein Betrunkener. Laufen wir besser!"
Wir gingen los. Die Studentin hatte die Augen mit einem dicken Kajalstrich heraus geputzt. Sah aus wie Kleopatra.
Bombenfihur, so 165 cm groß. 20 - 25 Jahre alt.
Braun war sie. Es war ja zuvor Sommer. Ein figurbetonter enger Hosenanzug und ein knallbuntes Hemd. Die Farben brachten mitsamt dem dicken etwas übertriebenen Ohrring die orientalische Note noch mehr zum Ausdruck. Nennen wir das Mädchen Fatima.
Fatima liess sich nun alles erklären. Wo Berlin lag, warum ich hier sei usw usw...sie studierte Landschaftsplanung. GENIAL! genau sowas suchte ich. Integration von Mühlen in das Landschaftsbild. Es war aber irgendwie fast unmöglich, ihr die Zusammenhänge zu erklären, zumindest an diesem Abend. Sie wollte deutsche Sätze nachsprechen.
Ich sprach vor, sie wiederholte. "Eins zwei drei vier fünf ..." Sehr putzig, absolut niedlich!
Sie mühte sich immer mehr und brach sich total einen ab. Ich war hingerissen. Ich schlug vor, sie solle ein deutsches Lied nachsingen. Um es noch idiotischer zu machen, sang ich vor: "Fuchs <du hast die Gans gestohlen..."
Ich lachte eine Menge, sie beim Nachsingen noch mehr.
"Gehen wir erst einmal in eine Chichabar. On y va? Es ist noch zu früh."
Wir gingen. Fatima ging zielstrebig in eine Bar. Der duft der Wasserpfeifen war weithin zu riechen. Machotypen aus dem Maghreb luderten sich in breite Sessel. Fatima nahm sich einen Sessel und raunzte einen arabischen Bärentypen mit Tatoos , Muskeln und Bart an: "Ey Du Elephant! Hast du kein zu Hause? Was willste hier? Schau mal was ich mitgebracht habe, einen Deutschen, einen echten Deutschen! Und hör mal wie die da französisch lernen, perfekt und nicht so wie Du fauler Sack! heissen wir ihn willkommen!"
Ich wurde adoptiert. Von einer Art Gang, die ausgesprochen freundlich zu mir war. Einer der Jungs hatte ein Essen vor sich, wobei er den Reis mit bloßen Händen griff und mir etwas anbot. Ich tat es ihm gleich. Die gruppe raunzte anerkennend: "Du bist nicht wie die doofen Franzosen. Du zeigst uns Respekt!"
"Was? Ich bin ich und ich freue mich!"
"Der Typ ist cool", Fatima wieder. Sie gab mir vor den Jungs einen Kuss auf die Wange, schnell und fast scheu. Die Jungs schauten mich einen Moment unfreundlich an, dann lockerte sich die Miene wieder.
Der Grizzly fragte mich mit tiefer Brummstimme: "Magst Du Faudel?"
(Faudel ist berühmt macht Rai Musik und ich mag ihn, was ich damals aber nicht wusste!)
"Faudel? Ist das Dein Kumpel?"
"Der Typ ist echt cool! Hahahaha.... Fatima, pass auf Dein Findelkind gut auf. Ziehen wir los und an Dich Du Deutscher: Du bist eingeladen. Im Laden ist der Türsteher mein Cousin, Du zahlst nix, hast mich verstanden? Wenn Dich einer dumm anspricht, sag mir bescheid. Ok?"
Wir zogen los. Die Meute setzte sich in Bewegung. der arabische Grizzly wankte bei jedem Schritt mal nach links mal nach rechts. Er schien vor Kraft kaum gehen zu können. Die Gesellschaft war mir etwas unheimlich. Kam mir vor als habe man Berlin-Neukölln ans Mittelmeer verfrachtet, aber warum nicht...
Fatima hielt in Gegenwart der Meute (es waren so etwa 4 Jungs und 2 weitere junge Frauen die so furchbar aufgekratzte kreischende Stimmen hatten) leicht Abstand zu mir aber jedes mal wenn ich ein Gespräch mit einer der beiden anderen Frauen beginnen wollte, kam sie auf mich zugeschossen und ergriff das Wort.
Bei Laufen berührte ihre Hand die meine 2-3 mal so quasi "rein zufällig".
Ich war gespannt bis zum Platzen....
Der Eingang wies eine gewaltige Schlange auf...wir durften vor, der Grizzly drückte alle einfach weg. "Platz da Du Penner, spuck schon mal hin wo Du liegen willst, mach dich dünn..." Wir waren schnell drinnen und ich hatte ein Pfefferminzgetränk in der Hand mit Eis; der orientalisch gestaltete Eingangsbogen war passiert.
In einem offenen Hof tanzte der Orient. Fatima sprang urplötzlich auf einen Tisch, wischte die Flaschen von der Tischplatte zog mich rauf und begann zu tanzen....
Wo bin ich hier gelandet? Mama Mia!
Sie schaute mich an, lächelte frech und ihr Körper bewegte sich 1a zum Rai. ich war unsicher...aber es ging mir gut. ich war angekommen.
Ich war da, wo es mir richtig gut ging! Ich war begeistert...
Hört euch das an....es fängt es perfekt ein...
Fortsetzung folgt
P.S. Exkurs: Nehmt es mir bitte nicht übel, aber ich bin hier nicht für politische Diskussionen zu haben. Dennoch und das erlaube ich mir zu sagen:
Damals gab es in Frankreich auch schon Vorbehalte gegen Araber, keine Frage. Aber die Atmosphäre war wesentlich entspannter und der FN (Front National) war sichtbar, hatte aber nicht viel (!) zu melden. Deutschland war AFD und Pegidafrei und irgendwie kann ich aus meiner Sicht schon sagen: Die gute alte Zeit...
Bitte nicht übel nehmen. Ich bin manchmal total traurig wenn ich mich heute so umsehe und umhöre und zwar in beide Richtungen...
Kopftücher spielten so gut wie keine Rolle, Köln war undenkbar und die braune Sauce gab es erst im Embryozustand in der Öffentlichkeit, wenn überhaupt. So kam mir das damals jedenfalls vor...1998 hatte la France mit Zidane die WM gewonnen, Joschka Aussenminister und Windparkplanung war politisch wirklich gewollt und nicht nur als Marketinggag der Bundesregierung angepriesen... die Welt war harmonischer und weniger Hass geladen...
