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Pitcairns Reise 2012 - Teil 37 - Vietnam: In der DMZ-Hölle

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DMZ 1
Vietnam hält den erschütternden Rekord, das am meisten bombardierte und vergiftete Land der Weltgeschichte zu sein. Im Stop & Go Café in Hue – wir kennen das zuverlässige Reisebüro und Restaurant von seiner Niederlassung in Dalat - buchten wir eine Privattour mit Wagen, Fahrer und Guide. Hier weichen wir wohlweislich und bewusst von unseren Prinzipien ab, alles selber organisieren zu wollen. Das ist der berühmte Regelverstoss. Absolut sicher sind wir allerdings nicht, ob die Leute dem erfolgreichen Reisebüro in Dalat nicht einfach den Namen abgekupfert haben. Das ist hier in diesem Lande nämlich gang und gäbe und kein Mensch schert sich um Urheberrechte. Aber solange LP den Laden empfiehlt, machen wir uns keine weiteren Gedanken; meist sind wir damit gut gefahren.

Wir wollen in das ehemalige Vorzimmer des Todes, in die DMZ-Zone, der früheren Grenze zwischen Nord- und Südvietnam am 17. Breitengrad. Während des Vietnamkrieges war das Gebiet südlich der DMZ Schauplatz der blutigsten und dramatischsten Schlachten des Konflikts; viel wurde darüber geschrieben und gefilmt. Wer schon einige Jahre auf dem Zähler hat, erinnert sich vielleicht noch an die Tagesschau-Berichte in Schwarz-Weiss. Der Vietnamkrieg war der erste Konflikt, der täglich life und aktuell über die Bildschirme in den Wohnstuben flimmerte. Tag für Tag erhielten wir eine Dosis Body-Count and Combat. Namen wie Nixon, Kissinger, Westmoreland, McNamara, Saigon, Nha Trang, Danag, Quang Tri, Hue, Khe Sanh waren uns seit früher Jugend an vertraut.


Wir haben speziell Wert darauf gelegt, einen Kriegsveteranen als Führer zugeteilt zu bekommen. Dieser heisst Chim, ist Vietnamese, 64 Jahre alt und pünktlich mit seinem Fahrer und Wagen zur Stelle. Er beherrscht sie noch, die amerikanische Kriegs-Vulgärsprache, die man auch in den Filmen We were soldiers mit Mel Gibson, The Dear Hunter mit Robert de Niro, Hamburger Hill, Full metal Jacket oder in der berühmten Kanonenbootszene von Apocalypse Now, etc. hört. Sein amerikanisches Englisch ist für einen Vietnamesen überdurchschnittlich gut und auch auf Französisch versteht er wenn nötig zu parlieren; untrügliche Indizien von ausreichend Hirnschmalz und Bildung. Er war Offizier im Grad eines Second Lieutnant und im Einsatz zusammen mit Special Forces der GI’s und gehörte somit nicht der regulären Südvietnamesischen Armee an. Das Schicksal hatte ihn dazu verdammt, seine besten Jahre in der DMZ-Hölle zu verbringen.
Was er uns auf der Tour über sein Leben berichtet, ist schwer zu verdauen. Vom Regen kam er in die Traufe. Noch schlimmer erging es ihm später als gefangener POW unter den Nordvietnamesen.

Wie du dir vorstellen kannst, unterscheidet sich seine Version des Krieges stark von der offiziellen Regierungsversion. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes habe ich seinen Namen geändert. Jetzt führt er im Auftrag eines Reisebüros, Touristen in die DMZ. Pro Tour und Tag erhält er US $ 15.—von seinem Auftraggeber. Während der Saison hat er genügend Arbeit. In der Lowseason kann es Monate mit nur einem einzigen Auftrag geben. Er hadert mit seinem ungerechten Schicksal. "Wenn ich mein Haus in Danang noch hätte, könnten wir besser leben und hätten mehr zu essen", sagt er. Seine Familie ist Fünfköpfig. Er darf für alle zusammen täglich nicht mehr als US $ 10 verbrauchen, damit sie in den schwachen Verdienstmonaten auch etwas zu Beissen haben.

Nach der Wiedervereinigung 1975 wurde sein Vermögen beschlagnahmt. Als Offizier der US-Army hatte er einen adäquaten Sold. Hinzu kamen zwielichtige Verdienste, aus dem Weiterverkauf von Waren, die er in seiner Funktion verbilligt beziehen konnte. Selten standen ihm pro Monat weniger als US $ 5'000 zur Verfügung.
Er gönnte sich ein Leben in Saus und Braus: d.h. heisst in Kriegszeiten Alkohol, Frauen, Drogen. Wer denkt schon an Sparen, Familie, Zukunft, wenn er dem Tod täglich in die Augen blickt. Immer hatte er zu vergegenwärtigen, dass er allenfalls den nächsten Tag nicht überlebt
. "Just wanna have fun, before pushing up the daisies," wie er zu sagen pflegte.
Nach der Wiedervereinigung war er über Nacht völlig mittellos geworden und arbeitete später 19 Jahre als Cyclo-Fahrer. Aus Sicht des heutigen Regimes, stand er während des Krieges auf der falschen Seite.

Im neuen sozialistischen Vietnam muss er und seine Familie nun Nachteile hinnehmen. Er ist de facto ein Bürger zweiter Klasse geworden. Seine Papiere hat er damals im Krieg aus triftigen Gründen vernichtet. Heute wollen die Amerikaner sich nicht mehr an ihn erinnern, ihm keine Green Card ausstellen und ihn nicht in die USA einreisen lassen, wie sie es bei vielen anderen kooperierenden Vietnamesen getan haben; diese sind in der Zwischenzeit längst US-Bürger geworden und kehren als Besucher in ihre ehemalige Heimat zurück. Wie eine heisse Kartoffel liessen sie ihn aus den Händen fallen. In der eigenen Familie muss Chim mit unbedachten Äusserungen aufpassen. Seine Augen sind feucht, als er sagt, dass ihn seine eigene Tochter nach einer Hirnwäsche als schlechten Mann bezeichnet hat. "So etwas schmerzt mich mehr als die Folter im Umerziehungslager", berichtet er uns. Dort wurde er nach Ende des Krieges als POW in der DMZ für 2 ½ Jahre festgehalten. Mit blossen Händen mussten er und die anderen Gefangenen nach Landminen und Booby traps rund um die ehemaligen US-Basen suchen. Zu Essen gabs 500 g Reis pro Tag und Wasser. Zur Nahrungsergänzung hat er allerlei Blätter gesammelt und gegessen und sich dadurch den Magen für das restliche Leben kaputtgemacht. Er verträgt seither praktisch nur noch schleimige Reissuppe. Trotzdem hat ihm die Preisgabe seiner Kenntnisse um die amerikanische Verteidigung in der DMZ, Vorteile verschafft. Andere POW wurden in Hanoi gefangen gehalten, was als wesentlich schlechtere Option galt. Die letzten Gefangenen, auch amerikanische Staatsbürger, kamen erst 1985, zehn Jahre nach Ende des Krieges frei.

Wir fahren den Highway 1 hoch, nach seinerzeitigem offiziellem BBC-Jargon, der Highway to hell, die zweispurige Nationalstrasse entlang der Küste die von Süden nach Norden führt und halten an mehreren geschichtsträchtigen Orten; so können wir uns langsam auf den Krieg einstimmen. An mehreren Stellen gibt es noch immer gigantische Mengen Sand – praktisch wie Dünen – der zum Abfüllen in Säcke, gelagert wurden. Tretminen können hochgehen und ich habe einen richtigen Bammel, dem Guide hinterher zu laufen, obschon er mir versichert, dass keine Gefahr bestehe. Vielliebchen bleibt auf sicherer Distanz beim Wagen und beobachtet uns; erst gestern hat sie ihre Pedicure gemacht.

Es gibt Friedhöfe zu sehen und auch die zusammengeschossene
Long Hung CatholicChurch. Hier haben sich die GI's und der Vietcong einmal ein nachhaltiges Scharmützel geliefert und das Gotteshaus auf ihre Art saniert. Wie ein durchlöcherter Emmentaler Käse steht es verlassen neben dem Highway. Der zuständige Pfaffensohn wurde stellenlos. Bei Dong Ha beginnt der parallel laufende Highway 9 von der Küste bis zur laotischen Grenze. Dort kann man auch offiziell nach Laos einreisen. Visa gibt’s on Arrival. Wenn du dort raus willst, darfst du nicht vergessen, zwei Passfotos einzupacken. Am 17. Breitengrad wurde 1954 die Demilitarised Zone installiert und trennte bis 1975 Nord- von Südvietnam. Hier fanden die heftigsten Kämpfe während des gesamten Krieges statt. Wir biegen Richtung Westen ab, Dong Ha heben wir uns für die Rückkehr auf.

Hier folgt ein erster Überblick:

Am Highway 9 (Quoc Lo 9)oder nicht weit davon entfernt, von Ost nach West gesehen, ausgehend von Dong Ha, liegen folgende Stützpunkte und Ortschaften: Cam Lo, Camp Carroll, The Rockpile, Ca Lu, Von der Dakrong Brücke geht die Abzweigung Richtung Hamburger Hill und das A Shau-Tal. Fährst du auf dem Highway weiter, folgt Khe Sanh Village und das kurze Stück Strasse führt zur Khe Sanh Combat Base. Zurück auf dem Highway 9 ist es nicht mehr weit zum ehemaligen Long Vei Special Forces Camp und dann zur laotischen Grenze. Die Con Tien Firebase befindet sich abseits weiter nordöstlich und war nächstgelegener Stützpunkt zur DMZ und dem Ben Hai Fluss. Diese Reihe von Stützpunkten errichteten die Amerikaner, um Infiltrationen und das Eindringen von Truppen und Material über den Ho-Chi-Minh-Pfad oder der DMZ zu vereiteln. Der Pfad, den die Vietnamesen Duong Truong Son nennen, setzt sich in Realität aus einer Reihe von Strassen, Wegen und Pfaden zusammen und führt von Nordvietnam nach Süden durch das Truong Son-Gebirge und West-Laos: im rechten Winkel zum National Highway 9.

Offensichtlich mochten die GI's die Farbe grün nicht besonders. Die Hügel in der DMZ wurden mit Agent Orange entlaubt, damit sich die Gegner nicht verstecken konnten. Heute ist alles wieder mit Bäumen und Büschen bewachsen und die Bauern versuchen den verseuchten Boden langsam für die Landwirtschaft zurückzugewinnen. Alles ist schön grün, wenn nur die gefährlichen Landminen nicht wären. Man muss peinlich darauf achten, nicht von den Trekkingpfaden abzuweichen. Die netten runden Tellerchen sind noch immer allgegenwärtig und wenn man Pech hat, benötigt man keine Teva-Sandalen mehr. Trotz des hohen Risikos, graben verarmte Bauern nach Metallresten, die sie als Schrott verkaufen. Der Grossteil von Stahl, Aluminium und Messing, gelangt zur Wiederaufbereitung nach Japan.

DMZ 2
Wir klappern sie alle ab, die geschichtsträchtigen Orte, besichtigen Erinnerungsmonumente und kleine Museen. Ich kenne mich in der Gegend aus und bringe bei Chim Sonderwünsche an. Vielliebchen ist hochinteressiert, die vietnamesische Geschichte an diesen Originalschauplätzen aufzuarbeiten, zumal unser Guide sehr wirklichkeitsnah zu erzählen versteht; kein Wunder, wenn er selber dabei war. Manchmal stockt seine Stimme, er dreht sich um, schneuzt seine Nase und trocknet seine Augen, bevor er mit den Ausführungen weiterfährt. Meine Geliebte ist erst nach Ende des Vietnamkonfliks auf den Philippinen geboren. Sie kann sich aber noch gut an die vielen Boatpeople erinnern, die in Palawan strandeten.

Heute ist von den ehemaligen Militärbasen an der DMZ nicht mehr viel zu sehen, aber ich war damals indirekt mit dem Krieg konfrontiert und er ist Teil meines Reiselebens geworden, habe mehr Bezug dazu als andere Leute. Die vietnamesische Geschichte schreit uns weiterhin an!

Auf dem Weg liegt das Dorf Cam Lo, benannt nach dem gleichnamigen Fluss. Der Ort war zu bestimmten Zeiten unter extremen Beschuss und wurde von den GI's verteidigt. Dann folgt bald die Abzweigung nach Süden und wir folgen dem kurzen Weg zum ehemaligen Camp Carroll. Gummibaum-Plantagen säumen den Weg. Einmal abgesehen von einem Einheimischen, sind wir alleine unterwegs. An die ehemalige Basis erinnert ein Denkmal. Chim hat hier mit Unterbrüchen immer wieder gedient. Die Firebase war einer von neun Stützpunkten entlang der DMZ mit 80 Feld-Artilleriegeschützen, diversen Maschinengewehrstellungen.

Im Camp waren stets rund 600 GI’s in Warteposition. Nach einer Combat-Phase machten die Soldaten hier 5 – 10 Tage Pause, bevor sie wieder ins Kampfgebiet zurückflogen. Chim weiss zu berichten, dass es in den Bunkern bis zu 45° heiss werden konnte. Aber es war immer noch besser zu schwitzen und zu schmachten, als von einer feindlichen Granate zerfetzt zu werden. Nahrungsprodukte für die Marines wurden von Basen aus den Philippinen, Korea und Honolulu eingeflogen. Beliebteste Lebensmittel waren Hamburger, Pommes, Ice Cream. Im Kampfeinsatz gab es nur Büchsennahrung. Das dürfte den amerikanischen kulinarischen Banausen nicht viel ausgemacht haben.
Zu Ehren des gefallenen Commanders Captain J.J. Carroll aus Miami, wurde der Stützpunkt nach seinem Namen umbenannt. Er wurde von einem Granatsplitter tödlich getroffen, als er ausserhalb der schützenden Bunkeranlage und ohne Helm seinen Kaffee kochte. Unser Führer Chim kam zehn Minuten später hinzu. „Noch heute, wenn ich Kaffee koche, muss ich manchmal weinen“, sagte er zu uns. Carroll wurde eine glänzende Militärlaufbahn vorausgesagt.
Das ehemalige Camp ist heute eine Gummibaumplantage. Wenige Utensilien wie verrottete Sandsäcke oder freie zementierte Stellen erinnern an die Vergangenheit. An der Strasse beim ehemaligen Maingate steht ein Denkmal. Ausserhalb des Camps gibt es noch vereinzelt Tretminen und Sprengfallen.


Wir kehren von Camp Carroll auf den Highway 9 zurück. Bald sehen wir den Rockpile stolz aufragen. Er gilt als höchster Berg in der Umgebung des Highway 9 und bietet einen guten Rundblick. U.S. Marines waren ständig oben stationiert und observierten die Gegend; sie wurden mit Helikoptern an ihren Beobachtungs-Standort geflogen. Um den grossen, grün überwachsenen Felsen entwickelte sich eine Reihe von Gefechten.

Wie auf einer Perlenkette reiht sich ein geschichtsträchtiger Ort an den andern. Wir erreichen die Firesupport Base der US Marines Ca Lu. Als integraler Bestandteil der McNamara-Linie wurde hier eine Basis errichtet. Das grosse Sterben fand während der Operation Kingfisher 1967 statt. 340 Marines wurden getötet, über 3000 verwundet. Der Body Count bei den Nordvietnamesen ergab 1117 getötete und über 3000 verwundete Soldaten. Mit der Operation Lancaster 1967/1968 ging das Sterben munter weiter. Die Basis war im Januar 1968 das westliche Ende von Highway 9, seit die Strassenverbindung zu Khe Sanh unterbrochen war.

Doch heute, 44 Jahre danach, ist die Strasse längstens wieder durchgehend und wir fahren weiter bis zur Dakrong Brücke, die den gleichnamigen Fluss überspannt und zum Hamburger Hill im A Shau-Tal führt.

"Im Dschungel war es laut: Schreie, Granateinschläge, dröhnende Hubschrauber, MG-Salven, Gewehrschüsse. Unerträglich war das Leiden und Klagen, bevor ein Leben zu Ende ging. Dann wieder die unsägliche Stille danach, die einem Soldaten die Brust zerreisst. So ist der Krieg im Dschungel. Du siehst deinen Gegner praktisch nicht, nur im letzten Moment. Wenn du falsch reagierst, hast du das Nachsehen und wirst im Sack in die Basis zurückgebracht." Wir stehen auf der Dakrong-Brücke und Chim erzählt vom Hamburger Hill.
Er will uns weismachen, dass wir eine teure Spezialbewilligung brauchen um dorthin zu gelangen, und zu sehen gäbe es ohnehin nicht mehr viel; doch ich glaube ihm nicht. Wahrscheinlich hat er sein Trauma noch nicht verarbeitet. Ich insistiere nicht. Eine Wanderung auf den Hügel würde uns im Mindesten einen halben Tag kosten. Aber das nächste Mal wird er mein erstes Ziel in der DMZ sein.

Der Hügel, auf US-Militärkarten als Nr. 937 verzeichnet, überragt das A Shau-Tal und bildet eine Reihe von Bergrücken und Fingern, 900 bis 940 Meter über dem Meeresspiegel. Die Erhebung, unter den GI's vulgär als Hamburger Hill bezeichnet, wurde bekannt, da der Mörserbeschuss der NVA aus vielen Amerikanern Hamburger-Hackfleisch machte.
Der gesamte schroffe und zerklüftete Berg ist mit zwei- bis dreistöckigem Berg-Regenwald bedeckt, einem Dickicht aus Bambus
und Elefantengras auf den steilen Bergrücken. Der Dong Ap Bia wird von den lokalen Montagnardstämmen wegen seiner wilden Natur als Hügel der kriechenden Bestie bezeichnet. Die Schlacht am Hamburger-Hill 1969 war die letzte grössere US-Bodenoffensive im Vietnamkrieg. Obwohl der Hügel kaum strategischen Wert hatte, ordneten die US-Kommandeure eine Säuberung von feindlichen NVA-Kräften an. Die Offensive eskalierte in verlustreichen Schützengraben-Kämpfen am schwer befestigten Hügel.

Die Kämpfe wurden hauptsächlich durch die Infanterie mit kleinkalibrigen Schnellfeuerwaffen ausgeführt. Die aufsteigenden US-Fallschirmjäger
wurden von den gut bewaffneten und hervorragend ausgebildeten Soldaten der NVA in ausgebauten Kampfstellungen erwartet. Nach zehn Tagen gelang es der 101. US-Luftlandedivision den Hügel nach schweren eigenen Verlusten zu nehmen und zu halten. Der Geländegewinn war marginal und der Hügel wurde nach wenigen Tagen wieder aufgegeben. Die nicht zu rechtfertigenden hohen Verluste unter den US-Soldaten während des Kampfes um einen strategisch unbedeutsamen Hügel, führten zu einem Umdenken in der US-Militärstrategie und der Vietnamisierung des Krieges. In der Ausgabe vom 27. Juni 1969 veröffentlichte das Life-Magazin Bilder von 241 gefallenen US-Soldaten, welche in einer Woche in Vietnam getötet wurden, dies leitete einen Wendepunkt im Vietnamkrieg ein.

Wir erreichen Khe Sanh Dorf: Während der Belagerung der Combat Base griffen NVA-Truppen gleichzeitig das nicht weit von der Militärbasis entfernte Dorf Khe Sanh an, das von Marines und südvietnamesischen Rangern gehalten wurde. Der erste Angriff durchbrach die Verteidigung, konnte aber erfolgreich zurückgeschlagen werden. Nach einem zweiten Angriff am selben Tag zogen sich die Verteidiger in die Khe Sanh Combat Base zurück und überliessen den Nordvietnamesen das Dorf kampflos. Ich mache ein paar Shots und wir fahren weiter.

Khe Sanh Combat Base: 1962 errichteten Pioniere der südvietnamesischen Armee den ersten, knapp 400 m langen Airstrip. Die Verlängerung auf eine 1200 m lange Start- und Landebahn mit verschiedenen Bunkern, erfolgte 1967 unter den Amerikanern. Damit schwere Flugzeuge landen konnten, wurden Aluminiumplatten als Belang verwendet. Mit diesem Stützpunkt liess sich die nur 16 Km entfernte laotische Grenze und der dahinter liegende Ho-Chi-Minh-Pfad besser überwachen. 1968 hatten 40‘000 NV-Truppen 5600 Marines im Stützpunkt eingekreist. Die Basis lag während 2 ½ Monaten unter permanentem Beschuss feindlicher Artillerie. Im Durchschnitt fielen täglich 300 Granaten auf die Basis. Die Luftversorgung gestaltete sich als sehr schwierig und selbst die Essensrationen mussten eingeschränkt werden. Versorgungsflugzeuge konnten nur noch Rollstopps machen, liessen die Ladung aus der Luke auf die Rollbahn gleiten und starteten gleich wieder durch. Mit Berechtigung darf von einem zweiten Dien Bien Phu gesprochen werden. Die Belagerung endete, ohne dass die Basis von den Nordvietnamesen eingenommen werden konnte. Da diese auch die größeren Verluste erlitten, gilt die Schlacht für die amerikanische Seite als siegreich. Neben der TET-Offensive und der Schlacht um Hue, gilt die Belagerung von Khe Sanh als eine der wichtigsten Militäroperationen während des Vietnamkrieges. Die Taktik der VC war, von der Offensive abzulenken. Später wurde das Militärlager nach der Schlacht freiwillig aufgegeben und zurückgebaut. Berechtigte Fragen kamen auf, ob es wirklich nötig gewesen war, den Stützpunkt auf Teufel komm raus zu verteidigen und so viele Menschenleben zu opfern.

Lang Vei Camp:
Wir sind am Ende des vietnamesischen Teils des Highway 9 angelangt. Nicht weit von hier liegt der Grenzübergang zu Laos. Einige Touristen kreuzen unseren Weg und lassen sich mit einem Motorradtaxi hierher fahren. Das Camp entstand 1966 und entwickelte sich bis 1968 zu einer kleinen, aber gut ausgebauten und befestigten Basis. 200 Green-Berets und Mobile Strike Forces Command verteidigten die Anlage. 1968 gingen erstmals feindliche Panzer und Pioniere gegen die GI's vor, schnitten Löcher in den Stacheldrahtzaun. Als die ersten Leuchtkugeln aufstiegen, wurde den Verteidigern die Lage bewusst und sie eröffneten das Feuer auf die Angreifer. Für die westlichen Soldaten kam es zu keinem Happyend. Die überlebenden Soldaten verschanzten sich im Kommandobunker und verteidigten sich bis in den Nachmittag. Unter dem Schutz von Luftunterstützung gelang ihnen die Flucht. Insgesamt verloren die Amerikaner 217 Mann. Die Verluste der Angreifer beliefen sich auf das Doppelte. Durch die Eroberung von Lang Vei Camp hatten die Nordvietnamesen nun die Möglichkeit, ungestört Material zum Highway 9 heranzuschaffen.

Selbst bei einem Besuch von Bob Hope und Raquel Welch während der Weihnachtszeit 1968 war Chim zugegen. Wegen Artilleriebeschuss wollte man den Künstler und sein Team zuerst nicht in der DMZ absetzen. Schliesslich habe es aber dennoch geklappt. Bob Hope, ein passionierter Golfer, der seinen Schläger immer mit auf die Bühne nahm, muss ein unerschrockener Teufelskerl gewesen sein. "Ich liebe die Landebahn hier", witzelte er. "Grosses Golfland, sogar der Runway hat 18 Löcher." "Ich gehe nach Vietnam, weil es das Weisse Haus so will", erklärte Hope. "Präsident Lyndon B. Johnson hat gesagt, ein Krieg ohne meine Witze ist kein richtiger Krieg". 10.000 Soldaten grölten, als der Komiker das Vietnam-Bombardement der US Air Force das beste Slum-Sanierungsprojekt nannte. Gefährliche Situationen waren für den Mann, der 2003 mit 100 Jahren starb, ohnehin nur Anlass für neue Witze. Als in seinem Hotel in Saigon eine Bombe explodierte, kurz bevor er eincheckte, kommentierte Hope lakonisch: "Es scheint, ich habe überall meine Kritiker." Seinen Auftritt sagte er nicht ab und machte im Dienste seines Landes einfach weiter.

Am Mittag gehts bei unerträglicher Hitze zurück nach Dong Ha am Highway 1, wo seinerzeit das Marine Corps auch eine Combat Base unterhielt.
Hier machen wir Pause und gönnen uns in einem Lokal eine einfache Verpflegung. Die Strasse führt uns weiter nördlich an der ehemaligen Marine Base Gio Linh vorbei bis zur Grenzbrücke Hien Luong, die über den Ben Hai-River führt. Die AC im Wagen läuft volle Pulle. Nach einem Fotostopp, kehren wir schweissgebadet in das Fahrzeug zurück. Auf der Brücke wurden Kriegsgefangene ausgetauscht. Der nordvietnamesische Teil war seinerzeit rot – der politischen Gesinnung entsprechend - der südvietnamesische Teil gelb gestrichen. Es gibt auch ein Museum mit den üblichen Schauerbildern wie überall in Vietnam.

Als letzter Teil des Besuchsprogramms gingen wir auf dieser Vietnamreise zum zweiten Mal in den Underground und wanderten durch die Vinh Moc Tunels. Als 1966 die Amerikaner ihre Bombenangriffe auf den nördlichen Teil der DMZ intensivierten, begannen die Bewohner der Bezirkes Vinh Linh ein Tunnelsystem anzulegen. Es handelt sich um eine dreistöckige Tunnelanlage, die ehemalige Wohnbereiche, Krankenhäuser, Gebärstationen, ein Theater und Kommandoräume umfasst. Das Tunnelsystem war für 94 Familien oder etwa 300 Personen angelegt worden, während des Krieges wurden hier siebzehn Kinder geboren. Die Ebenen befinden sich in Tiefen von 10, 15 und 20-23 m Tiefe. Die Anlage hat dreizehn Zugänge. Die Tunnels leisteten dem Norden im Krieg wertvolle Dienste und es gibt auch Ausgänge direkt an den Strand.
Ich staune nicht schlecht, als ich bei meiner Underground-Tour plötzlich den Strand und das Meer erblicke Hier wurden Schiffe beladen und Munition und Personen für den Widerstand in den Süden geschmuggelt. Die unterirdischen Durchgänge sind wesentlich grösser und höher als die Tunnelanlage in Cu-Chi im Süden des Landes; westliche Langschweine kommen hier ohne grössere Probleme durch. Doch ich werde älter. Zunehmend stelle ich bei mir eine gewisse Platzangst und ein mulmiges Gefühl fest, wenn ich länger in dunklen Löchern eingeschlossen bin. Früher war das kein Thema. Ich bin heilfroh, als ich nach einer Stunde definitiv wieder Tageslicht erblicke.

Die Con Tien Fire Base war südlich der DMZ der nächst gelegene Stützpunkt des US Marine Corps. Aufgabe der Basis war es, die Infiltration aus dem Norden zu unterbinden und die Guerillas im Süden auszutrocknen; sie war ständiges Ziel der kommunistischen Artillerie. Die Kampfhandlungen waren derart extrem, dass man der Basis den Übernamen The Meatgrinder (Fleischwolf) gab. Da waren keine Pyjama-Partisanen mit selbstgebastelten Bambusspeeren in Aktion.

Die VC hatten hatten gebügelte Uniformen, Funkgeräte, Gasmasken und sowjetische Sturmgewehre. Sie verfügen zudem über schwere Waffen, mit denen sie im Krieg gegen die übermächtige Feuerkraft der bestgerüsteten Armee der Welt antreten konnten. Kein Wunder, die Sowjetunion und die Volksrepublik China führten hier einen Stellvertreterkrieg. Mit der Feuerbasis ist auch die McNamara-Linie untrennbar verbunden, jener Sperrriegel entlang der DMZ aus Stacheldrahtstrecken, Sensoren, Minen, chemischen Waffen und freien Korridor-Feuerzonen. Von der Basis sieht man heute ausser einigen Bunkerköpfen kaum mehr etwas. Die ungeräumte Gegend gilt immer noch als gefährlich. Auf gerodeten Flächen wachsen Gummibäume. Übrigens, Con Thien heisst paradoxerweise auf Deutsch übersetzt, Engelshügel.

Über Quang Tri, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, fahren wir nach Hue zurück. Morgen rücken wir weiter in den Norden vor – allerdings ohne Waffen.
Doch auch wir kämpfen verbissen weiter, wie die GI's im Glauben an eine gute Sache, nämlich gegen Nepper, Schlepper, Halsabschneider, Preishochtreiber, Betrüger und Bescheisser.
Der amerikanisch-vietnamesische Albtraum endete 1975. Doch nach der Wiedervereinigung ging er für viele Bürger und Soldaten des ehemaligen Südvietnams weiter. Es kam zu Umerziehung, Massenumsiedlungen, Massenflucht ins Ausland. Der Krieg, der so lange Zeit ein Synonym für Vietnam zu sein schien, ist im Alltag - abgesehen von den bis heute davon Betroffenen - nur noch Geschichte. Die Zeit hat auch hier viele Wunden geheilt.
Pitcairn




Ich umarme meine dunkle Seele, ich sehe den aufgehenden Mond und denke an die schweren Zeiten. Oh Staub, du machst meine jungen Jahre alt. Das Leben ist wie ein Windstoss. Oh kehrt doch um. In dieser schlimmen Welt gibt es nichts für euch. Eure Jugend ist kurz wie eine Jahreszeit.
Nordvietnamesisches Lied der Wehmut aus der Widerstandszeit
 
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