Das anerzogene Schamgefühl und ein bisher unbekannter Ekel, welcher sie würgte, sowie der dauernde Kampf gegen das Erbrechen waren die einzigen Gefühle, welche sie an ihre erste Nacht mit einem Mann erinnerten.
Verschwommen taucht manchmal in einem der wiederkehrenden Alpträume das Gesicht des Mannes auf, welcher ihr das Handtuch vom Körper riss, sie lüstern betrachtete und dann in sie eindrang. Ein stechender Schmerz, welcher bei jeder Bewegung des Mannes in ihr zunahm. Irgendwann einmal war es dann vorbei. Das langsame Zerstören einer bisher unschuldigen Seele hatte seinen Anfang gefunden.
Sie fühlte sich unendlich schmutzig. Man musste sie gewaltsam aus der Dusche zerren, weil sie krampfhaft versuchte, alles, was sie an die vergangenen Stunden erinnerte, immer und immer wieder von sich abzuwaschen.
Nach zwei Jahren waren ihre ,Schulden‘ endlich abgezahlt. Sie setzte ihre Arbeit in Pattaya an einer Bar fort. Etwas Anderes kam auch nicht ansatzweise in Frage. Die fordernden Telefonanrufe ihrer Mutter liessen ihr keine Wahl. Stolz zeigte sie ihren Kunden das einzige Foto, welches sie besass und bereits anfing, zu vergilben. Die Familie lachend und stolz vor einem funkelnagelneuen Isuzu Pick-Up.
Jemand musste schliesslich die Raten bezahlen. ,Trotz allem bin ich eine gute Tochter‘, sagte sie sich. Davon war sie überzeugt und daher nahm sie die Kraft, weiter ihren Körper zu verkaufen. Dann lernte sie eines Tages S.kipper kennen. S.kipper war, wie die Fangemeinde in seinem Internetforum wusste, bekennender Liebhaber von so genannten ,40 Kilo-Hungerhaken‘.
Nok kam seinen Vorstellungen diesbezüglich nahe. Sie zog zu ihm in der Hoffnung auf ein geordnetes, ruhiges Leben jenseits der Prostitution. Die ersten Monate waren dann auch wie im Märchen und die Hauptrolle als Prinzessin gehörte ihr. S.kipper überhäufte sie mit Aufmerksamkeiten und Geschenken. Sie lebte ihren Traum intensiv, wenn auch nur kurz.
Jeden Morgen schlenderte sie zum nahen Morgenmarkt. Dort kaufte sie jeweils die schönste Blume, welche sie finden konnte. Blüte für Blüte zupfte sie sorgfältig zurecht und legte die Blume dann sorgsam vor das noch schlafende Gesicht S.kippers. Das Erste, was er jeden Morgen beim Aufwachen sah, war eine frische, wohlriechende Blume. Anschliessend das Strahlen einer glücklichen Frau.
Das Glück währte einige kurze Monate, bis die ersten Wolken am Beziehungshimmel aufzogen. Kein Gewitter zwar, aber doch deutlich sichtbare Wolken. S.kipper wurde immer unruhiger und sprach manchmal stundenlang kein Wort mit ihr. Auf ihr Drängen, seine Sorgen mit ihr zu teilen, ging er vorläufig nicht ein und schüttelte nur kurz den Kopf und versank wieder in sich. Wie sich später herausstellte, ein bewusster Akt seiner Strategie. Es war an der Zeit, das Theater zu beenden und die getätigten Investitionen in Profit zu verwandeln. S.kipper wusste genau, wie er vorgehen wollte.
Daheim angekommen, nahm er Nok in seine Arme und streichelte sie zärtlich. „Nok, ich muss Dir etwas beichten“, hauchte er mit tränenerstickter Stimme.
„Du hast eine andere Frau?“, brach es aus ihr hervor. Das kurze Glück schien sich im unendlichen Nichts der Schmerzen aufzulösen. Sie fühlte sich in einen grossen, schwarzen Strudel gezogen, welcher sie zu verschlingen und dann irgendwo in der weltlichen Hölle von Pattaya wieder auszuspucken drohte. Das Glück, fassbar und rein, schien ihr in diesem Moment wie der Sand am Strand durch die Finger zu gleiten.
Ein sensibler Mensch, mitten in die ungeschützte Seele getroffen, welche sich gerade zum ersten Mal scheu und noch etwas hilflos zu öffnen traute.
Skipper setzte eine verzweifelte Miene auf und schüttelte bedeutungsvoll den Kopf. „Ein anderer Ausländer hat mich betrogen, Nok. Ich bin fast am Ende und weiss nicht mehr, wie es weiter gehen soll.“ Zum verzweifelten Gesichtsausdruck hinzu, gelang es ihm nun tatsächlich, einige hilflose Tränen aus sich herauszudrücken, welche von einem tiefen, scheinbar verzweifelten Seufzer begleitet wurden.
Er fasste sich mit beiden Händen an den Kopf, schrie ein verzweifeltes „Nein, Nein, Nein!“ in die Welt hinaus und verharrte einige Sekunden in der Haltung des gebrochenen Mannes. Gleichzeitig blinzelte er aus den Augenwinkeln, um den Erfolg seiner Strategie einzuschätzen. ,Volltreffer!‘
Nicht umsonst trug er den Spitznamen ,König der Schwuttenbändiger‘. Der Rest war Kleinarbeit und stellte für ihn kein Problem mehr dar. Langweilige Routinearbeit sozusagen. Diese musste er allerdings auf später verschieben, denn die Zeit drängte, wie jeden Donnerstag. Donnerstag war nämlich Stammtisch in der Sumibar. Nicht irgendeine Bar.
Die Sumibar war der Treffpunkt der Sexgemeinde aus dem Internetforum. Hier spielte die Musik. Hier flossen die Informationen, welche die Sextouristen dringend brauchten, da der zumeist kurze Urlaubsaufenthalt keine Zeit liess, um teure Experimente auf eigene Faust zu wagen. Trotz zahlreicher Forumsinformationen und den so genannten ,Fickberichten‘ in einer eigenen Rubrik dreht sich die Szene im Sexgewerbe zu schnell. Hier war man auch weitgehend geschützt und anonym, da jeder nur mit dem Benutzernamen aus dem Forum angesprochen wurde.
Da hörte man wie selbstverständlich: ,Hallo, Analprophet‘ oder: ,Ficktief, willst du noch ein Bier?‘ An sich unscheinbare Typen ohne besondere Merkmale. Bunt durcheinander gemischte Dutzendgesichter. Vom Kartenabreisser bis zum Chirurgen war alles vorhanden.
Zusammengehalten durch eine spezielle Passion oder vielleicht eher schon eine Sucht. Ihr Ziel in Thailand sind keine Tempel und die thailändischen Speisen mögen die meisten auch nicht. Die Hitze stört sie und in Bangkok angekommen gibt es nur ein Ziel: So schnell wie möglich nach Pattaya. Drei Wochen billige Frauen, billiges Bier, billiges europäisches Essen und die fieberhafte Suche nach der ultimativen Pussy für eine Nacht.
Flugreisen werden häufig indirekt gebucht, damit man daheim nicht erzählen muss, dass man in Thailand war. Und wenn man denn da war, gab es für die Mitglieder im Forum eine Rubrik ,Fotoalbum‘. Mit verschiedensten Bildern und einer genauen Erklärung, aus welcher Ecke Thailands das Bild stammt. Auch ganze Urlaubsrouten mit Bildmaterial konnte man sich da herunterladen.
Die meisten ahnten zwar, dass in ihrer Persönlichkeitsstruktur etwas nicht stimmte. Das Zusammenrotten an Orten wie der Sumibar vermittelt ihnen jedoch so etwas wie ein Gefühl der Normalität. Sie sprachen eine eigene Sprache untereinander. Für Aussenstehende schwer verständlich. Vollgespickt mit Slangausdrücken aus der Sextouristen-Szene. Ihnen selbst vermittelte es ein Wir-Gefühl und die Gewissheit, dass man Teil eines grösseren Ganzen ist.
Nicht nur ein kleiner, verklemmter Mensch, der 11.000 Kilometer fliegt, damit er gegen Geld mit einer exotischen, fremdländischen Frau schlafen kann, welche ihn meistens weder sprachlich noch kulturell versteht. Einer Frau, die sich nicht einmal die Mühe dazu gibt, weil sie von seinesgleichen bereits so abgestumpft wurde, dass ein jeder so gut wie der andere ist, wobei sie gelernt hat, beim Sex mit den oft unsauberen und nach Alkohol stinkenden Ausländern einen inneren Schalter auf ,Off‘ zu stellen, wonach der Körper roboterartig und mechanisch den Dienst am Kunden ausführt.
Vereint jedoch ist auch der Schwache mächtig.
Das Wir-Gefühl überstrahlt die eigene Unsicherheit und lässt aus grauen Mäusen temporäre Ferientiger werden: „Aber richtig fett meine Herren, ohne falsche Tabus und Schikanen“ - „Hier lebt noch der Prototyp des Urweibes. Willig, anhänglich und allzeit bereit, einen richtigen Kerl tabulos zu befriedigen. Nicht so, wie die Scheiss-Emanzenweiber daheim in Europa.
Die spielen sich doch sogar beim Onanieren einen Orgasmus vor“ - „Klar muss man sie hier bezahlen, aber was sind schon schlappe 15 Euros für eine Nacht. Zudem kann man die Fickhasen bequem als Fremdenführerin und Dolmetscherin einsetzen“ - „Eine richtige Schwutte amortisiert sich selber, sonst wird sie ausgecheckt. Wer zahlt, befiehlt schliesslich auch“ „Manchmal bleiben sie auch freiwillig die ganze Nacht und manchmal sogar länger. Warum wohl? Weil sie eine starke Hand brauchen, die sie führt. Einen richtigen Kerl eben, wie es ihn in Europa kaum noch gibt.“
- „Hier darf man noch Mann sein. Dass die Hand dabei manchmal ausrutscht, kennen die Schwutten von klein auf und viele brauchen das auch. Das hat zum richtigen Zeitpunkt noch niemandem geschadet. Zudem gibt es hier so viele davon.“ - „Wenn eine nicht spurt, wirft man sie raus und ‘die Nächste bitte’. Fertig, und zwar ohne Diskussion!“ - „Bis auf den letzten Cent nehmen sie Dich aus, wenn Du nicht aufpasst.
Darum muss man ihnen zeigen, wer der Stärkere ist“ - „Sie sind in der Evolution noch nicht so weit, wie wir Europäer. Sind halt Asiaten, hübsche kleine braune Fickhasen mit lustigen Schlitzaugen“ - „Schau’ ‘mal, wo die herkommen. Da gibt’s nicht ‘mal fliessendes Wasser und die können froh sein, dass wir ihnen etwas Geld für ihre Familien geben“ - „Heiraten würde ich allerdings keine der Schwutten. Ich kauf’ ja auch keine Kuh, wenn ich nur ein Glas Milch trinken will.“
In den Grundsätzen war man sich in der Sumibar durchaus einig. Musste man auch, wenn man dazugehören wollte. Im Forum und in den persönlichen Gesprächen wurden den Neulingen das optimale Vorgehen und die Grundregeln in der Sexszene aufgezeigt. Sie sind der Schlüssel für einen problemlosen, günstigen Urlaub, mit möglichst viel Sex und Alkohol. Die Mitglieder sahen sich eher als Jäger und Eroberer der käuflichen Frauenwelt in Pattaya.
Als Freier würden sie sich nie bezeichnen. Die Frauen nennen sie nicht Nutten, weil das nach ihrer Ansicht zu hart tönt, sie werden als Schwutten bezeichnet und von den ganz Harten auch schon mal Mietfötzchen. Sie selber nennen sich Schwuttenbändiger.
S.kipper war die lebende Ikone des ganzen Gebildes. Der König der Schwuttenbändiger. Er legte das Tempo vor und war der unerreichbare Schrittmacher. Zudem war er ja auch das ganze Jahr über vor Ort und von ihm kamen mit Abstand die meisten Tipps und Tricks. Der Stammtisch war für ihn heilig. Woche für Woche, und nicht nur während der Hochsaison, füllte sich die Sumibar mit begattungswilligen, an Samenstau leidenden, selbsternannten ,Schwuttenbändigern‘.
Einige kamen auch nur in die Sumibar, um die Legende S.kipper wenigstens einmal live gesehen zu haben. Gerne durfte man ihm auch ein Glas spendieren und war dann sicher, dass einem für einen kurzen Augenblick seine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Schwuttenbändigers Glück pur.
Innert weniger Wochen, nachdem S.kipper seine scheinbare Notsituation vorgespielt hatte, baute er Nok, welche krampfhaft an ihrem scheinbaren Glück festhielt, zum Forumstar für seine geifernde Meute auf. Zuerst lediglich im Badekleid mit neckischem Blick. Wenig später ohne Oberteil und die eine Hand im Bikinihöschen.
Der Blick ging von neckisch langsam in Richtung verrucht. Dann ganz nackt, etwas später mit Vibrator und allerlei anderen Spielsachen. Was gerade von den Mitgliedern des Forums gewünscht wurde. Schliesslich landete sie in der Camcorner des Forums. Die Camcorner war nichts anderes, als ein Raum, in welchem ein Bett stand. Auf dem Bett sass Nok und wartete, bis sich ein Member bei ihr im Computer einloggte. Das System authentisierte den Benutzer und dieser konnte nun Nok über das Keyboard des Computers Befehle erteilen.
Verschiedene Kameraeinstellungen und Zoommöglichkeiten garantierten, dass kein Detail verpasst wurde. Als Member war seine Kreditkartennummer automatisch hinterlegt und zum Schluss musste nur noch der Betrag von ihm akzeptiert werden.