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SOI SANUG
Kapitel 10
Gestern Nacht sind wir schon gegen drei Uhr morgens ins Bett gegangen, so dass wir heute frueher wach und aktiv werden. Eigenartigerweise ist meine performance fuer uns beide gar nicht befriedigend zu nennen, aber sie nimmt es gelassen und troestet mich: »It is not your time«. Ob das ausreichen wird, meinem »alter Ego« erneut die ihm zustehende Groesse und Standfestigkeit zu verleihen?
Zum Essen gehen wir in den Biergarten. Sie bestellt tom yam gai, also die scharf- saure Huehner- Suppe und ich nehme wieder Haehnchen mit cashew- Kernen. Waehrend wir auf das Essen warten, lehnt sie sich auf dem Stuhl zurueck und streckt ein kleines Baeuchlein heraus. »thalee come quickly«, mit Meersfruechten wird man schnell dick, bedeutet das, hat sie in den letzten Tagen doch auch mal sea-food bestellt. Dass sie am Abend in der Karaoke oder nachts dann in der soi sanug fast nur Schweinefleisch isst, jede Menge Whisky vernichtet und sich kaum bewegt, spielt bei der Entwicklung dieses ebenso wohl genaehrten Vorurteils keine Rolle.
Sie geht im Anschluss an das Essen wieder ihrer Wege und ich zur prai sanii, zur Post, um endlich die Karten fuer meine chinesischen Untermieter einzuwerfen.
Briefkaesten, die es schon auch gibt, sind gar nicht so leicht zu finden, da sie auf der Sukhumvit von den Verkaufsstaenden zugestellt werden.
Die Post befindet sich zwischen dem Landmark- Hotel und der soi 4 und der rote Briefkasten ist ihr gegenueber auf der Sukhumvit aufgestellt. Es gibt zwei Einwurfschlitze, einen fuer Bangkok, und einen fuer den Rest der Welt.
Da es noch Tageslicht gibt - ich habe gar nicht gewusst, dass es in Bangkok so hell sein kann - will ich die Zeit nutzen, noch einmal zur PanTip- Plaza zu fahren, um einige DVDs »double layer« zu kaufen, die hier printable sind und nur etwas ueber einen Euro, also 50 Baht, kosten. Ich habe da »meinen« Stand im Erdgeschoss, zu dem ich gleich hinuebergehe. Meinen Wunsch gebe ich bekannt und gleich dazu den Wunschpreis, naemlich dass, wenn ich 10 Stueck fuer 500 Baht kaufe, 11 Stueck eingepackt werden.
Das Paerchen, das hier den Laden schmeisst, scheint aber diese Wenn-Dann- Bedingung nicht zu verstehen. Das sei wie bei den Maedchen, die haben auch 11 Finger, erlaeutere ich ihnen. Ihr »khun baa«- Blick ist gekonnt. Ich ergreife das linke Haendchen der Dame und beginne die Finger herunter zu zaehlen: 10 – 9 – 8 – 7 – 6, Kunstpause, schnappe mir dann ihre rechte Hand, und fuenf sind na? Na?
Sie schauen mich so entgeistert an, als ob sie noch nie etwas von einer thailaendischen Antwort auf Adam Riese gehoert haetten. Ich komme erst gar nicht auf die Idee, sie darauf hinzuweisen, dass das bei den Buben auch so ist, wenn sie, die Haende in den Hosentaschen, mit den Fingern zaehlen.
Leute, so kann man doch nicht arbeiten!
Das fassungslose Paerchen palavert etwas und gibt den Beschluss kund, mir die 10 DVDs fuer 450 Baht zu ueberlassen. Jetzt bin ich endlich auch einmal mit dem »khun baa«- Blick dran.
Wieder im Hotel beschliesse ich, mein gewohntes Nickerchen zu halten, als das Handy sich bemerkbar macht. Mit merkwuerdig zurueckhaltender Stimme, als ob es ihr peinlich sei, meldet sich die Thailaenderin meiner Wahl. Sie moechte mich im Hotel aufsuchen. Natuerlich koenne sie kommen. Es wird doch nichts passiert sein?
Da ich schon Bett- fertig gewesen bin, und wir uns kennen, aendere ich nichts an meiner Garderobe. Dann klopft es, ich oeffne die Tuer und lasse sie herein. Sie kommt mir schon irgendwie veraendert vor, als sie mit schuechternem Blick klein und zierlich vor mir steht. »pen ngang yai«, »Was ist denn los?«, frage ich sie besorgt. Mit leiser Stimme gesteht sie: »I'm horny«.
Ja, zum Kuckuck, wir kennen uns jetzt ueber 5 Jahre, da bleibt nicht mehr viel Raum fuer Zurueckhaltung, aber ich verstehe schon, dass sie einen Unterschied macht zwischen dem, was sie »work« nennt und kwaam rak, dem Liebesgefuehl, das sie stets verneint.
So nehme ich sie denn in die Arme und druecke sie fest an mich: »man kiao«, gurre ich, das ist der Ausdruck, den Muetter verwenden, wenn sie ihr Baby knuddeln, schaukle sie ein wenig hin und her und praktiziere den thailaendischen Schnueffelkuss, den ich ja schon erklaert habe. Dass das die richtige Verhaltensweise ist, beweisen die naechsten Zeiteinheiten, denn sie mag es oon-waan, so liebevoll angemacht zu werden. Diese beiden Begriffe bedeuten zart und suess, und erklaeren sich somit von selbst.
Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche, nur dass hier in Bangkok die Sonne inzwischen untergegangen ist, und ich ziemlich sicher sein kann, dass mein Gretchen nicht in der Klapsmuehle landen wird.
Wir geniessen es, noch eine Weile stumm nebeneinander zu liegen, bis sie der harte Alltag wieder einholt.
Jetzt koennte ich die Preisfrage stellen, wie lautet der erste Satz, mit dem sie das wohlige Schweigen bricht?
Richtig, »hiu khao«, ich habe Hunger. Und was erwidere ich? Auch richtig: »khun baa«.
Schoen, dass du jetzt auch schon etwas Thai gelernt hast.
Heute Abend ist Romantik angesagt, also fahren wir mit dem Taxi zum Isaan-House, das sich in einer Neben- Gasse zur soi 4 befindet. Es spielt eine Band mit traditionellen Instrumenten Isaan- Musik, die auf Kambodianisch vom Liebesleid und -glueck der Menschen dort kuendet. Wir bekommen einen schoenen Tisch etwa in der Mitte des Lokals, und sie bestellt wie immer nach Herzenslust, denn beim Essen kennt sie mitleidlos kein Herzeleid.aroi mai
Die leise Musik, der flackernde Kerzenschein, die Atmosphaere unter freiem Himmel laesst sie noch attraktiver werden und am liebsten wuerde ich sie verspeisen, aber dann wird das Essen serviert, und ich bin froh, dass wir mit Loeffel und Gabel essen koennen, denn wuerden wir, wie im Isaan durchaus ueblich, mit den Fingern essen, wuerde ich mir diese garantiert »verbrennen«. So trifft es nur die Zunge, und die ist einiges gewoehnt.
Nach dem Essen plaudern wir etwas ueber Eigenartiges bei den hoeheren Saeugetieren. So erzaehle ich ihr, dass ich als Klosterschueler ein Spaetzuender in Sachen Liebe war, dass ich zum ersten Mal mit 22 Jahren mit einem weiblichen Wesen, das spaeter jahrzehntelang meine Frau gewesen ist, kommuniziert habe, waehrend mein juengerer Bruder zur selben Zeit, als unsere Tochter auf die Welt kam, zum dritten Mal Vater und zum zweiten Mal Opa wurde.
Sie erzaehlt mir von ihrem ersten, dem thailaendischen Mann, der sie nach der Geburt ihres zweiten Sohnes verlassen hat, von ihrem zweiten Mann, dem Amerikaner, von dem sie sich getrennt hat, weil er als farang immer so eigenartige Wuensche hatte.
So berichtet sie mir nicht ohne eine gewisse Genugtuung, dass er immer mit anderen Frauen schlafen wollte, und sie sollte ihm welche besorgen, weil er es sprachlich nicht schaffte, das selbst zu bewerkstelligen. Das habe sie auch getan, ihm aber immer nur dicke, haessliche und unattraktive ausgesucht.
Dann aber erzaehlt sie mir, dass sie demnaechst wieder einen farang, einen Englaender, heiraten werde, was mir allerdings schon bekannt ist, der das macht, was fuer sie am wichtigsten ist, naemlich care about family. Ich sei ihr da viel zu geizig, kii niau.
So viel also auch zum Thema Romantik, wenn sie satt ist.
Mit dem Taxi geht es dann wieder zur soi sanug.
Der Spanier, der Schweizer, der Oberpfaelzer, der my very best friend- American, der Schwede, der Oesterreicher und jede Menge Damen und Daemchen erscheinen so nach und nach.
Nachdem sie ihre Arbeit in der Karaoke- Bar beendet hat taucht auch die nong saao auf. Wie sie sich doch in den paar Tagen veraendert hat. Zwar konnte sie sich noch keinen farang als Ehemann angeln, doch scheinen die ersten Kontakt- Versuche sie mit etwas Geld ausgestattet zu haben. Sie ist sehr sexy angezogen und tritt viel selbstbewusster auf.
Die meisten der farang haben ihre Langzeit- Beziehung dabei, und die Damen tauschen die neuesten Beziehungskisten- Nachrichten aus, waehrend wir Maenner auf internationaler Ebene entscheiden wollen, ob die Schweiz nun endlich den Euro einfuehren solle oder nicht. Da ein einstimmiges Votum nicht zustande kommt, muessen wir die Diskussion verschieben.
Die Rentner lassen ihre Pensionskassen hochleben, das Jungvolk ist dankbar, dass es fuer uns arbeiten darf, und die Damen schmiegen sich an uns je weiter die Nacht fortschreitet. Nur die nong saao sitzt allein da und beschaeftigt sich mit dem Whisky. Dann hoere ich den ersten englische Satz von ihr: »love my husband«, sagt sie und drueckt sich die Flasche zaertlich an die Brust.
»chock dii«, »a tu salud«, »chock dia«, »skol«, »cheerio«, »zum Wohl«, »cin-cin«, »a la votre«, »Stoesschen«, »Vertragen wir uns wieder«, »PROST«.
Heute ist Freitag und ich werde zu Ehren der thailaendischen Koenigin das hellblaue T-Shirt tragen, natuerlich nicht nur ich. Auch viele der ThailaenderInnen werden sich so kleiden.
In Thailand hat jeder Wochentag seine Farbe, von denen ich nur zwei beachte, neben Hellblau naemlich noch Gelb am Montag. An einem solchen Tag ist der Koenig geboren.
Die Meine wuerdigt das und freut sich, dass ich dieser thailaendischen Sitte folge. Wenn wir heute in den Biergarten gehen wuerden, koennte man mich leicht fuer ein Mitglied der Belegschaft halten, da hier taeglich die Farbe der T-Shirts entsprechend wechselt, und heute jeder vom Personal hellblau gekleidet sein wird.
Aber noch ist es nicht so weit. Die Frage, was wir nachher machen werden, ist noch offen, da das Vorher noch nicht einmal in Angriff genommen worden ist.
Schon vor einer Stunde etwa habe ich mich bedingt durch die senile Bettflucht an diesen Kasten hier gesetzt, um etwas fuer die interessierte Nachwelt zu produzieren. Als die Thailaenderin meiner Wahl dann durch ein noch etwas schwaches »good morning« ihre Anwesenheit signalisiert, ich aber noch etwas abzuschliessen habe, schalte ich den Fernseher ein, was sie dermassen ablenkt, dass sie voellig vergisst, wofuer ein so schmuckes Weib wie sie geschaffen worden ist. Es muss sich nicht um eine Seifenoper, sondern um eine lustige Sendung handeln, denn ab und zu lacht sie laut auf, und sie kugelt sich tatsaechlich auf dem Bett herum, was mein maennliches Auge sehr erfreut und mir Stimulans genug ist, ihr dann doch den Sinn des Lebens aus meiner Sicht nahe zu bringen. Als Gentleman der neuen Schule warte ich natuerlich die Werbepause im Programm ab.
Kommen wir also zum Nachher: Wir beschliessen, heute im Foodland unser »Fruehstueck« einzunehmen. Hand in Hand, soweit die Passanten das im dichten Gedraenge auf der Sukhumvit zulassen, schlendern wir zur soi 5.
Es ist in Thailand unueblich, dass man seine Zuneigung in der Oeffentlichkeit zeigt, ich weiss, aber Bangkok ist nicht unbedingt Thailand, und selbst arabische Maenner zeigen untereinander auf diese Art ihre Verbundenheit.
Im Foodland muessen wir etwas warten, bis zwei der Hocker frei werden, aber das sind wir schon gewohnt. Sie nimmt khao pad muu, gebratenen Reis mit Schweinefleisch, um nicht zuzunehmen, und ich bestelle mir salt'im bocca. Als sie mich fragend anschaut erklaere ich ihr, dass das ein italienisches Gericht ist, »spring in den Mund« bedeutet, und dass das, was hier vor mir auf dem Teller zu liegen kommt, bis auf die zwei dekorativen Tomatenscheiben wenig mit dem Original zu tun hat. Statt mich zu fragen, warum ich es dann ueberhaupt bestellt habe, sinniert sie vor sich hin, dass es in Bangkok so viele italienische Restaurants gebe, sie aber noch nie einen Italiener getroffen habe.
Ob sie denn schon einmal einen Vegetarier getroffen habe, frage ich sie. Sie verneint, und ich sage, »duu si«, na, siehste, es gibt ja auch viele vegetarische Restaurants. Wir lachen beide darueber, dass das jetzt geklaert ist.
Schon lange hatte ich vorgehabt, das salt'im-bocca- Rezept im Foodland mal auszuprobieren, in Europa beurteile ich einen »Italiener« immer danach, wie dieses Gericht zubereitet wird. Die Thailaenderin meiner Wahl bekommt mit, dass es mir nicht schmeckt. »ahaan farang mai mii prigg«, »Das farang- Essen hat kein Chili«, meint sie. »chai mai mii prigg mai aroi«, »Richtig, kein Chili, kein Geschmack«. Interessiert beobachtet sie, wie ich Messer und Gabel benutze, da ich das Fleisch ja zerteilen muss.
In Bangkok benutzt man Loeffel und Gabel, wie es auch die Italiener handhaben, wenn sie Spaghetti essen, nur haelt man in Thailand den Loeffel in der rechten Hand.
»hen laeo«, ruft sie erfreut, »Das habe ich schon mal gesehen«, und sie erinnert daran, wie ich ihr frueher einmal demonstriert habe, auf welche Weise ich meiner damals Kindergarten- pflichtigen Tochter das Spaghettiessen beigebracht habe: Man laesst eine lange Spaghetti aus dem gespitzten Mund haengen, steckt sich die Zeigefinger in die Ohren, dreht sie synchron und saugt dabei die Nudel hoch.
Bleibt nur zu erwaehnen, dass die Thailaender auf dem Land meist mit den Fingern, aber sonst schon auch mit Staebchen essen. Das gilt dann freilich nur fuer Nudelsuppen. Fuer die Bruehe wird ein chinesischer Loeffel gereicht.
Sehr beliebt sind die Reisnudel-Fertigsuppen, von denen die bekanntesten Marken »mama« und »waiwai« sind. Sie kosten selten mehr als 5 oder 6 Baht und erhalten viele Auslaender am Leben, wenn sie »farang kii nok«, voellig abgebrannt, sind. Auch ich habe hier auf dem Hotelzimmer die entsprechenden Utensilien, um mir, wenn ich zu faul zum Verlassen des Hotels bin, eine cutiao, Nudelsuppe, zuzubereiten. Uebrigens peppe ich die Suppen immer mit etwas »creamer« auf, wie er auch fuer Kaffee verwendet wird, um ihnen mehr Gehalt und Konsistenz zu geben
Am Schluss des Essens, wenn wir so schoen satt sind, kommt das Zahnstocher- Ritual. Einer von uns beiden schnappt sich die »mai yim fan«, verteilt sie, und es beginnt das gemeinsame Stochern hinter vorgehaltener Hand, dabei schauen wir uns in die Augen und senden Botschaften, die kein Moralist dieser Welt kapieren wuerde.
Jetzt folgt die Routine. Vor dem Foodland verabschieden wir uns wobei ich ihr mit Bezug auf den gestrigen Nachmittag augenzwinkernd zuraune: »See you when you are horny«, und sie sagt nur »talueng«, was so viel wie »Werde nicht frech« bedeutet, und lacht mich mit ihren makellosen Zaehnen an, die noch alle vorhanden sind.
Sie schnappt sich ein Motorrad- Taxi nimmt grazioes auf dem Soziussitz Platz und zeigt ihre schlanken Beine. Da koennte man doch gleich wieder auf Gedanken kommen. Nichts da! Sie entschwindet, und ich gehe zur soi 8, um im Internet- Cafe die Emails zu checken. Du hast mir schon wieder nicht geschrieben.
Auf dem Hotelzimmer folgen Nickerchen, Arbeit am Literatur- Nobelpreis, eine cutiao, von der ich schon geschrieben habe, dann ein wenig Fernsehen.
Im Hotel gibt es zwei pay-TV- Programme, HBO und Cinemax, die werbungsfrei meist amerikanische Filme zeigen. Doch ich schaue mir gern die koeniglichen Nachrichten im thailaendischen Fernsehen an, und geniesse es schon ein wenig, dass ich Sub- Proletarier bin, denn an dem, was ich so treibe, nimmt keiner wirklich Notiz.
Das denke ich nur, denn gerade als ich meine Nachmittags- Gastarbeiterin anrufen will, ob sie Zeit fuer einen »check-for-free« habe, klopft es an die Hotelzimmertuer. Sofort loesche ich alle Lichter, denn meine Anzugsordnung ist mehr als nur freizuegig. Die Tuer oeffne ich einen Spalt und linse durch ihn hindurch. Die Thailaenderin meiner Wahl steht davor und strahlt mich an. Ich lasse sie herein. »tongkan arai«, »Was willst du denn?« frage ich sie hoffnungsfroh. »duu nang«, fernsehen, meint sie froehlich, aendert das Fernseh- Programm und flackt sich auf das Bett. Nun denn, ich verwerfe den Gedanken an outdoor- Aktivitaeten, und da sie keine Anstalten macht zu flirten und schon vor dem Fernseher erstarrt ist, verwerfe ich auch den Gedanken an indoor- Aktivitaeten.
»Was will sie bloss hier?«, grueble ich, und es kommt mir ein Verdacht.
Vor ein paar Tagen habe ich doch mit dieser ansehnlichen Thailaenderin ein Techtelmechtel angefangen, waehrend dessen wir unsere Telefon- Nummern ausgetauscht haben. Meine Lieblingswirtin hat das mitbekommen und mir hoch und heilig »mai puud« versprochen, »Ich werde nichts sagen«. Dann hat sie, immer wenn sie an unserem Tisch vorbeikam, mit Daumen und Zeigefinger ihren Mund verschlossen, indem sie das Zuziehen eines Reissverschlusses andeutete. Ganz klar, dass die Thailaenderin meiner Wahl das mitbekommen hat, und die feminine Neugier bzw. die weibliche Freude am Klatsch werden schon dafuer gesorgt haben, dass alle erfuhren, was ich so treibe.
Nun bedeutet die Nachmittags- Gastarbeiterin keine Gefahr fuer die Thailaenderin meiner Wahl, weil sie diese als nicht gefaehrlich einstuft, aus welchen Gruenden auch immer. Einer davon wird sein, dass diese kein Stammgast in der soi 13 ist.
Mit der anderen sieht das schon ganz anders aus, denn sie ist wirklich ausgesprochen ansehnlich, haengt auch dauernd in der soi sanug rum, und die Meine wuerde ihr Gesicht verlieren, wenn ich eine aus ihrer Sicht falsche Entscheidung treffen wuerde. Wuerde ich doch nie, allerdings …
So hacke ich denn hier in die Tasten, bin mir ziemlich sicher, dass sie mich kontrollieren will, und sie verfolgt gespannt eine neue Folge einer soap-opera, bei der ich nie verstehen werde, warum die Akteure auf der einen Seite minutenlang ins Leere schauen, um gefuehlvoll zu erscheinen, auf der anderen Seite sich aber dauernd anschreien, verfolgen, verpruegeln, und warum die ThailaenderInnen einen solchen Spass daran haben.
Irgendwann verliert sie ihr Interesse an den Trivialitaeten. Sie schnappt sich ihre Handtasche und zieht eine Art DINA4- Schulheft heraus, und beginnt mit angestrengt zerfurchter Stirn, darin herumzukritzeln. »khun rian phasat djoeraman mai khrap«, »Lernst du Deutsch?« frage ich sie, denn sie notiert sich bisweilen phonetisch, was sie so aufschnappt, und ich helfe ihr dabei.
»mai chai ao tham buun«, »Nicht doch, ich will in den Tempel«.
Dann weiss ich, was sie macht. Sie notiert sich Namen, von denen sie annehmen kann, dass diese Personen sie bei ihrem Vorhaben, Gutes zu tun, unterstuetzen werden. Von ihnen bekommt sie verschlossene Briefumschlaege, in denen sich Geld befindet. Die Thailaenderin meiner Wahl organisiert dann einen Bus und gemeinsam faehrt die frisch organisierte Glaubensgemeinschaft in einen Tempel, um dort »tham buun«, Gutes zu tun. Auch fuer das Essen und die Getraenke muss die Meine sorgen, was kein billiges Vergnuegen fuer sie ist. Ganz klar, dass es nicht lange dauern wird, bis sie mich am Wickel hat.
Das habe ich mit ihr schon mehrmals mitgemacht. Keine Spur von einer Andacht, wie wir sie in einer Kirche praktizieren. Es wird gesungen, getrunken, gegessen, geratscht. Der rituelle Akt dauert lediglich Minuten.
Wenn es eine groessere Veranstaltung ist, dann nennt man sie »moo laam«. Es werden riesige Buehnen errichtet. Bekannte Kuenstler treten auf und vor allem Coyote- Taenzerinnen, die sich sehr frech bewegen, denen selbst die Moenche, natuerlich voellig ungeruehrt, zuschauen.
Spaeter dann will ich mich doch anziehen. Sie hat von meiner Kleiderordnung keine Notiz genommen, und ich nicht davon, dass sie sich angezogen auf dem Bett raekelt. Ich glaube, ich werde doch langsam alt. Um diesem Gedanken gar nicht erst Raum zu geben, schmeisse ich mich auf das Bett und demonstriere meine Kenntnisse in der Nahkampf- Technik. Sie wehrt sich tapfer, und ich lasse ihr ein wenig Oberhand, schliesse brauche ich ja meine Haende fuer etwas anderes. Moralisten aufgemerkt!
Ich ziehe mich an, und weil ziemlich verwurschtelt ordnet sie auch wieder ihre Klamotten, und wir machen uns froehlich auf in die soi sanug.
Kapitel 10
Gestern Nacht sind wir schon gegen drei Uhr morgens ins Bett gegangen, so dass wir heute frueher wach und aktiv werden. Eigenartigerweise ist meine performance fuer uns beide gar nicht befriedigend zu nennen, aber sie nimmt es gelassen und troestet mich: »It is not your time«. Ob das ausreichen wird, meinem »alter Ego« erneut die ihm zustehende Groesse und Standfestigkeit zu verleihen?
Zum Essen gehen wir in den Biergarten. Sie bestellt tom yam gai, also die scharf- saure Huehner- Suppe und ich nehme wieder Haehnchen mit cashew- Kernen. Waehrend wir auf das Essen warten, lehnt sie sich auf dem Stuhl zurueck und streckt ein kleines Baeuchlein heraus. »thalee come quickly«, mit Meersfruechten wird man schnell dick, bedeutet das, hat sie in den letzten Tagen doch auch mal sea-food bestellt. Dass sie am Abend in der Karaoke oder nachts dann in der soi sanug fast nur Schweinefleisch isst, jede Menge Whisky vernichtet und sich kaum bewegt, spielt bei der Entwicklung dieses ebenso wohl genaehrten Vorurteils keine Rolle.
Sie geht im Anschluss an das Essen wieder ihrer Wege und ich zur prai sanii, zur Post, um endlich die Karten fuer meine chinesischen Untermieter einzuwerfen.
Briefkaesten, die es schon auch gibt, sind gar nicht so leicht zu finden, da sie auf der Sukhumvit von den Verkaufsstaenden zugestellt werden.
Die Post befindet sich zwischen dem Landmark- Hotel und der soi 4 und der rote Briefkasten ist ihr gegenueber auf der Sukhumvit aufgestellt. Es gibt zwei Einwurfschlitze, einen fuer Bangkok, und einen fuer den Rest der Welt.
Da es noch Tageslicht gibt - ich habe gar nicht gewusst, dass es in Bangkok so hell sein kann - will ich die Zeit nutzen, noch einmal zur PanTip- Plaza zu fahren, um einige DVDs »double layer« zu kaufen, die hier printable sind und nur etwas ueber einen Euro, also 50 Baht, kosten. Ich habe da »meinen« Stand im Erdgeschoss, zu dem ich gleich hinuebergehe. Meinen Wunsch gebe ich bekannt und gleich dazu den Wunschpreis, naemlich dass, wenn ich 10 Stueck fuer 500 Baht kaufe, 11 Stueck eingepackt werden.
Das Paerchen, das hier den Laden schmeisst, scheint aber diese Wenn-Dann- Bedingung nicht zu verstehen. Das sei wie bei den Maedchen, die haben auch 11 Finger, erlaeutere ich ihnen. Ihr »khun baa«- Blick ist gekonnt. Ich ergreife das linke Haendchen der Dame und beginne die Finger herunter zu zaehlen: 10 – 9 – 8 – 7 – 6, Kunstpause, schnappe mir dann ihre rechte Hand, und fuenf sind na? Na?
Sie schauen mich so entgeistert an, als ob sie noch nie etwas von einer thailaendischen Antwort auf Adam Riese gehoert haetten. Ich komme erst gar nicht auf die Idee, sie darauf hinzuweisen, dass das bei den Buben auch so ist, wenn sie, die Haende in den Hosentaschen, mit den Fingern zaehlen.
Leute, so kann man doch nicht arbeiten!
Das fassungslose Paerchen palavert etwas und gibt den Beschluss kund, mir die 10 DVDs fuer 450 Baht zu ueberlassen. Jetzt bin ich endlich auch einmal mit dem »khun baa«- Blick dran.
Wieder im Hotel beschliesse ich, mein gewohntes Nickerchen zu halten, als das Handy sich bemerkbar macht. Mit merkwuerdig zurueckhaltender Stimme, als ob es ihr peinlich sei, meldet sich die Thailaenderin meiner Wahl. Sie moechte mich im Hotel aufsuchen. Natuerlich koenne sie kommen. Es wird doch nichts passiert sein?
Da ich schon Bett- fertig gewesen bin, und wir uns kennen, aendere ich nichts an meiner Garderobe. Dann klopft es, ich oeffne die Tuer und lasse sie herein. Sie kommt mir schon irgendwie veraendert vor, als sie mit schuechternem Blick klein und zierlich vor mir steht. »pen ngang yai«, »Was ist denn los?«, frage ich sie besorgt. Mit leiser Stimme gesteht sie: »I'm horny«.
Ja, zum Kuckuck, wir kennen uns jetzt ueber 5 Jahre, da bleibt nicht mehr viel Raum fuer Zurueckhaltung, aber ich verstehe schon, dass sie einen Unterschied macht zwischen dem, was sie »work« nennt und kwaam rak, dem Liebesgefuehl, das sie stets verneint.
So nehme ich sie denn in die Arme und druecke sie fest an mich: »man kiao«, gurre ich, das ist der Ausdruck, den Muetter verwenden, wenn sie ihr Baby knuddeln, schaukle sie ein wenig hin und her und praktiziere den thailaendischen Schnueffelkuss, den ich ja schon erklaert habe. Dass das die richtige Verhaltensweise ist, beweisen die naechsten Zeiteinheiten, denn sie mag es oon-waan, so liebevoll angemacht zu werden. Diese beiden Begriffe bedeuten zart und suess, und erklaeren sich somit von selbst.
Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche, nur dass hier in Bangkok die Sonne inzwischen untergegangen ist, und ich ziemlich sicher sein kann, dass mein Gretchen nicht in der Klapsmuehle landen wird.
Wir geniessen es, noch eine Weile stumm nebeneinander zu liegen, bis sie der harte Alltag wieder einholt.
Jetzt koennte ich die Preisfrage stellen, wie lautet der erste Satz, mit dem sie das wohlige Schweigen bricht?
Richtig, »hiu khao«, ich habe Hunger. Und was erwidere ich? Auch richtig: »khun baa«.
Schoen, dass du jetzt auch schon etwas Thai gelernt hast.
Heute Abend ist Romantik angesagt, also fahren wir mit dem Taxi zum Isaan-House, das sich in einer Neben- Gasse zur soi 4 befindet. Es spielt eine Band mit traditionellen Instrumenten Isaan- Musik, die auf Kambodianisch vom Liebesleid und -glueck der Menschen dort kuendet. Wir bekommen einen schoenen Tisch etwa in der Mitte des Lokals, und sie bestellt wie immer nach Herzenslust, denn beim Essen kennt sie mitleidlos kein Herzeleid.aroi mai
Die leise Musik, der flackernde Kerzenschein, die Atmosphaere unter freiem Himmel laesst sie noch attraktiver werden und am liebsten wuerde ich sie verspeisen, aber dann wird das Essen serviert, und ich bin froh, dass wir mit Loeffel und Gabel essen koennen, denn wuerden wir, wie im Isaan durchaus ueblich, mit den Fingern essen, wuerde ich mir diese garantiert »verbrennen«. So trifft es nur die Zunge, und die ist einiges gewoehnt.
Nach dem Essen plaudern wir etwas ueber Eigenartiges bei den hoeheren Saeugetieren. So erzaehle ich ihr, dass ich als Klosterschueler ein Spaetzuender in Sachen Liebe war, dass ich zum ersten Mal mit 22 Jahren mit einem weiblichen Wesen, das spaeter jahrzehntelang meine Frau gewesen ist, kommuniziert habe, waehrend mein juengerer Bruder zur selben Zeit, als unsere Tochter auf die Welt kam, zum dritten Mal Vater und zum zweiten Mal Opa wurde.
Sie erzaehlt mir von ihrem ersten, dem thailaendischen Mann, der sie nach der Geburt ihres zweiten Sohnes verlassen hat, von ihrem zweiten Mann, dem Amerikaner, von dem sie sich getrennt hat, weil er als farang immer so eigenartige Wuensche hatte.
So berichtet sie mir nicht ohne eine gewisse Genugtuung, dass er immer mit anderen Frauen schlafen wollte, und sie sollte ihm welche besorgen, weil er es sprachlich nicht schaffte, das selbst zu bewerkstelligen. Das habe sie auch getan, ihm aber immer nur dicke, haessliche und unattraktive ausgesucht.
Dann aber erzaehlt sie mir, dass sie demnaechst wieder einen farang, einen Englaender, heiraten werde, was mir allerdings schon bekannt ist, der das macht, was fuer sie am wichtigsten ist, naemlich care about family. Ich sei ihr da viel zu geizig, kii niau.
So viel also auch zum Thema Romantik, wenn sie satt ist.
Mit dem Taxi geht es dann wieder zur soi sanug.
Der Spanier, der Schweizer, der Oberpfaelzer, der my very best friend- American, der Schwede, der Oesterreicher und jede Menge Damen und Daemchen erscheinen so nach und nach.
Nachdem sie ihre Arbeit in der Karaoke- Bar beendet hat taucht auch die nong saao auf. Wie sie sich doch in den paar Tagen veraendert hat. Zwar konnte sie sich noch keinen farang als Ehemann angeln, doch scheinen die ersten Kontakt- Versuche sie mit etwas Geld ausgestattet zu haben. Sie ist sehr sexy angezogen und tritt viel selbstbewusster auf.
Die meisten der farang haben ihre Langzeit- Beziehung dabei, und die Damen tauschen die neuesten Beziehungskisten- Nachrichten aus, waehrend wir Maenner auf internationaler Ebene entscheiden wollen, ob die Schweiz nun endlich den Euro einfuehren solle oder nicht. Da ein einstimmiges Votum nicht zustande kommt, muessen wir die Diskussion verschieben.
Die Rentner lassen ihre Pensionskassen hochleben, das Jungvolk ist dankbar, dass es fuer uns arbeiten darf, und die Damen schmiegen sich an uns je weiter die Nacht fortschreitet. Nur die nong saao sitzt allein da und beschaeftigt sich mit dem Whisky. Dann hoere ich den ersten englische Satz von ihr: »love my husband«, sagt sie und drueckt sich die Flasche zaertlich an die Brust.
»chock dii«, »a tu salud«, »chock dia«, »skol«, »cheerio«, »zum Wohl«, »cin-cin«, »a la votre«, »Stoesschen«, »Vertragen wir uns wieder«, »PROST«.
Heute ist Freitag und ich werde zu Ehren der thailaendischen Koenigin das hellblaue T-Shirt tragen, natuerlich nicht nur ich. Auch viele der ThailaenderInnen werden sich so kleiden.
In Thailand hat jeder Wochentag seine Farbe, von denen ich nur zwei beachte, neben Hellblau naemlich noch Gelb am Montag. An einem solchen Tag ist der Koenig geboren.
Die Meine wuerdigt das und freut sich, dass ich dieser thailaendischen Sitte folge. Wenn wir heute in den Biergarten gehen wuerden, koennte man mich leicht fuer ein Mitglied der Belegschaft halten, da hier taeglich die Farbe der T-Shirts entsprechend wechselt, und heute jeder vom Personal hellblau gekleidet sein wird.
Aber noch ist es nicht so weit. Die Frage, was wir nachher machen werden, ist noch offen, da das Vorher noch nicht einmal in Angriff genommen worden ist.
Schon vor einer Stunde etwa habe ich mich bedingt durch die senile Bettflucht an diesen Kasten hier gesetzt, um etwas fuer die interessierte Nachwelt zu produzieren. Als die Thailaenderin meiner Wahl dann durch ein noch etwas schwaches »good morning« ihre Anwesenheit signalisiert, ich aber noch etwas abzuschliessen habe, schalte ich den Fernseher ein, was sie dermassen ablenkt, dass sie voellig vergisst, wofuer ein so schmuckes Weib wie sie geschaffen worden ist. Es muss sich nicht um eine Seifenoper, sondern um eine lustige Sendung handeln, denn ab und zu lacht sie laut auf, und sie kugelt sich tatsaechlich auf dem Bett herum, was mein maennliches Auge sehr erfreut und mir Stimulans genug ist, ihr dann doch den Sinn des Lebens aus meiner Sicht nahe zu bringen. Als Gentleman der neuen Schule warte ich natuerlich die Werbepause im Programm ab.
Kommen wir also zum Nachher: Wir beschliessen, heute im Foodland unser »Fruehstueck« einzunehmen. Hand in Hand, soweit die Passanten das im dichten Gedraenge auf der Sukhumvit zulassen, schlendern wir zur soi 5.
Es ist in Thailand unueblich, dass man seine Zuneigung in der Oeffentlichkeit zeigt, ich weiss, aber Bangkok ist nicht unbedingt Thailand, und selbst arabische Maenner zeigen untereinander auf diese Art ihre Verbundenheit.
Im Foodland muessen wir etwas warten, bis zwei der Hocker frei werden, aber das sind wir schon gewohnt. Sie nimmt khao pad muu, gebratenen Reis mit Schweinefleisch, um nicht zuzunehmen, und ich bestelle mir salt'im bocca. Als sie mich fragend anschaut erklaere ich ihr, dass das ein italienisches Gericht ist, »spring in den Mund« bedeutet, und dass das, was hier vor mir auf dem Teller zu liegen kommt, bis auf die zwei dekorativen Tomatenscheiben wenig mit dem Original zu tun hat. Statt mich zu fragen, warum ich es dann ueberhaupt bestellt habe, sinniert sie vor sich hin, dass es in Bangkok so viele italienische Restaurants gebe, sie aber noch nie einen Italiener getroffen habe.
Ob sie denn schon einmal einen Vegetarier getroffen habe, frage ich sie. Sie verneint, und ich sage, »duu si«, na, siehste, es gibt ja auch viele vegetarische Restaurants. Wir lachen beide darueber, dass das jetzt geklaert ist.
Schon lange hatte ich vorgehabt, das salt'im-bocca- Rezept im Foodland mal auszuprobieren, in Europa beurteile ich einen »Italiener« immer danach, wie dieses Gericht zubereitet wird. Die Thailaenderin meiner Wahl bekommt mit, dass es mir nicht schmeckt. »ahaan farang mai mii prigg«, »Das farang- Essen hat kein Chili«, meint sie. »chai mai mii prigg mai aroi«, »Richtig, kein Chili, kein Geschmack«. Interessiert beobachtet sie, wie ich Messer und Gabel benutze, da ich das Fleisch ja zerteilen muss.
In Bangkok benutzt man Loeffel und Gabel, wie es auch die Italiener handhaben, wenn sie Spaghetti essen, nur haelt man in Thailand den Loeffel in der rechten Hand.
»hen laeo«, ruft sie erfreut, »Das habe ich schon mal gesehen«, und sie erinnert daran, wie ich ihr frueher einmal demonstriert habe, auf welche Weise ich meiner damals Kindergarten- pflichtigen Tochter das Spaghettiessen beigebracht habe: Man laesst eine lange Spaghetti aus dem gespitzten Mund haengen, steckt sich die Zeigefinger in die Ohren, dreht sie synchron und saugt dabei die Nudel hoch.
Bleibt nur zu erwaehnen, dass die Thailaender auf dem Land meist mit den Fingern, aber sonst schon auch mit Staebchen essen. Das gilt dann freilich nur fuer Nudelsuppen. Fuer die Bruehe wird ein chinesischer Loeffel gereicht.
Sehr beliebt sind die Reisnudel-Fertigsuppen, von denen die bekanntesten Marken »mama« und »waiwai« sind. Sie kosten selten mehr als 5 oder 6 Baht und erhalten viele Auslaender am Leben, wenn sie »farang kii nok«, voellig abgebrannt, sind. Auch ich habe hier auf dem Hotelzimmer die entsprechenden Utensilien, um mir, wenn ich zu faul zum Verlassen des Hotels bin, eine cutiao, Nudelsuppe, zuzubereiten. Uebrigens peppe ich die Suppen immer mit etwas »creamer« auf, wie er auch fuer Kaffee verwendet wird, um ihnen mehr Gehalt und Konsistenz zu geben
Am Schluss des Essens, wenn wir so schoen satt sind, kommt das Zahnstocher- Ritual. Einer von uns beiden schnappt sich die »mai yim fan«, verteilt sie, und es beginnt das gemeinsame Stochern hinter vorgehaltener Hand, dabei schauen wir uns in die Augen und senden Botschaften, die kein Moralist dieser Welt kapieren wuerde.
Jetzt folgt die Routine. Vor dem Foodland verabschieden wir uns wobei ich ihr mit Bezug auf den gestrigen Nachmittag augenzwinkernd zuraune: »See you when you are horny«, und sie sagt nur »talueng«, was so viel wie »Werde nicht frech« bedeutet, und lacht mich mit ihren makellosen Zaehnen an, die noch alle vorhanden sind.
Sie schnappt sich ein Motorrad- Taxi nimmt grazioes auf dem Soziussitz Platz und zeigt ihre schlanken Beine. Da koennte man doch gleich wieder auf Gedanken kommen. Nichts da! Sie entschwindet, und ich gehe zur soi 8, um im Internet- Cafe die Emails zu checken. Du hast mir schon wieder nicht geschrieben.
Auf dem Hotelzimmer folgen Nickerchen, Arbeit am Literatur- Nobelpreis, eine cutiao, von der ich schon geschrieben habe, dann ein wenig Fernsehen.
Im Hotel gibt es zwei pay-TV- Programme, HBO und Cinemax, die werbungsfrei meist amerikanische Filme zeigen. Doch ich schaue mir gern die koeniglichen Nachrichten im thailaendischen Fernsehen an, und geniesse es schon ein wenig, dass ich Sub- Proletarier bin, denn an dem, was ich so treibe, nimmt keiner wirklich Notiz.
Das denke ich nur, denn gerade als ich meine Nachmittags- Gastarbeiterin anrufen will, ob sie Zeit fuer einen »check-for-free« habe, klopft es an die Hotelzimmertuer. Sofort loesche ich alle Lichter, denn meine Anzugsordnung ist mehr als nur freizuegig. Die Tuer oeffne ich einen Spalt und linse durch ihn hindurch. Die Thailaenderin meiner Wahl steht davor und strahlt mich an. Ich lasse sie herein. »tongkan arai«, »Was willst du denn?« frage ich sie hoffnungsfroh. »duu nang«, fernsehen, meint sie froehlich, aendert das Fernseh- Programm und flackt sich auf das Bett. Nun denn, ich verwerfe den Gedanken an outdoor- Aktivitaeten, und da sie keine Anstalten macht zu flirten und schon vor dem Fernseher erstarrt ist, verwerfe ich auch den Gedanken an indoor- Aktivitaeten.
»Was will sie bloss hier?«, grueble ich, und es kommt mir ein Verdacht.
Vor ein paar Tagen habe ich doch mit dieser ansehnlichen Thailaenderin ein Techtelmechtel angefangen, waehrend dessen wir unsere Telefon- Nummern ausgetauscht haben. Meine Lieblingswirtin hat das mitbekommen und mir hoch und heilig »mai puud« versprochen, »Ich werde nichts sagen«. Dann hat sie, immer wenn sie an unserem Tisch vorbeikam, mit Daumen und Zeigefinger ihren Mund verschlossen, indem sie das Zuziehen eines Reissverschlusses andeutete. Ganz klar, dass die Thailaenderin meiner Wahl das mitbekommen hat, und die feminine Neugier bzw. die weibliche Freude am Klatsch werden schon dafuer gesorgt haben, dass alle erfuhren, was ich so treibe.
Nun bedeutet die Nachmittags- Gastarbeiterin keine Gefahr fuer die Thailaenderin meiner Wahl, weil sie diese als nicht gefaehrlich einstuft, aus welchen Gruenden auch immer. Einer davon wird sein, dass diese kein Stammgast in der soi 13 ist.
Mit der anderen sieht das schon ganz anders aus, denn sie ist wirklich ausgesprochen ansehnlich, haengt auch dauernd in der soi sanug rum, und die Meine wuerde ihr Gesicht verlieren, wenn ich eine aus ihrer Sicht falsche Entscheidung treffen wuerde. Wuerde ich doch nie, allerdings …
So hacke ich denn hier in die Tasten, bin mir ziemlich sicher, dass sie mich kontrollieren will, und sie verfolgt gespannt eine neue Folge einer soap-opera, bei der ich nie verstehen werde, warum die Akteure auf der einen Seite minutenlang ins Leere schauen, um gefuehlvoll zu erscheinen, auf der anderen Seite sich aber dauernd anschreien, verfolgen, verpruegeln, und warum die ThailaenderInnen einen solchen Spass daran haben.
Irgendwann verliert sie ihr Interesse an den Trivialitaeten. Sie schnappt sich ihre Handtasche und zieht eine Art DINA4- Schulheft heraus, und beginnt mit angestrengt zerfurchter Stirn, darin herumzukritzeln. »khun rian phasat djoeraman mai khrap«, »Lernst du Deutsch?« frage ich sie, denn sie notiert sich bisweilen phonetisch, was sie so aufschnappt, und ich helfe ihr dabei.
»mai chai ao tham buun«, »Nicht doch, ich will in den Tempel«.
Dann weiss ich, was sie macht. Sie notiert sich Namen, von denen sie annehmen kann, dass diese Personen sie bei ihrem Vorhaben, Gutes zu tun, unterstuetzen werden. Von ihnen bekommt sie verschlossene Briefumschlaege, in denen sich Geld befindet. Die Thailaenderin meiner Wahl organisiert dann einen Bus und gemeinsam faehrt die frisch organisierte Glaubensgemeinschaft in einen Tempel, um dort »tham buun«, Gutes zu tun. Auch fuer das Essen und die Getraenke muss die Meine sorgen, was kein billiges Vergnuegen fuer sie ist. Ganz klar, dass es nicht lange dauern wird, bis sie mich am Wickel hat.
Das habe ich mit ihr schon mehrmals mitgemacht. Keine Spur von einer Andacht, wie wir sie in einer Kirche praktizieren. Es wird gesungen, getrunken, gegessen, geratscht. Der rituelle Akt dauert lediglich Minuten.
Wenn es eine groessere Veranstaltung ist, dann nennt man sie »moo laam«. Es werden riesige Buehnen errichtet. Bekannte Kuenstler treten auf und vor allem Coyote- Taenzerinnen, die sich sehr frech bewegen, denen selbst die Moenche, natuerlich voellig ungeruehrt, zuschauen.
Spaeter dann will ich mich doch anziehen. Sie hat von meiner Kleiderordnung keine Notiz genommen, und ich nicht davon, dass sie sich angezogen auf dem Bett raekelt. Ich glaube, ich werde doch langsam alt. Um diesem Gedanken gar nicht erst Raum zu geben, schmeisse ich mich auf das Bett und demonstriere meine Kenntnisse in der Nahkampf- Technik. Sie wehrt sich tapfer, und ich lasse ihr ein wenig Oberhand, schliesse brauche ich ja meine Haende fuer etwas anderes. Moralisten aufgemerkt!
Ich ziehe mich an, und weil ziemlich verwurschtelt ordnet sie auch wieder ihre Klamotten, und wir machen uns froehlich auf in die soi sanug.