Ich habe mich gestern mehrfach gefragt, ob ich die letzte Episode überhaupt öffentlich machen soll oder besser nicht - im Allgemeinen verabscheue ich Leute die mit Geld um sich werfen und dies entspricht auch nicht meiner Art - da ich aber bisher alles geschrieben hatte, wie es eben passierte, ohne etwas zu beschönigen, habe ich mich dazu entschlossen es in diesem peinlichen Fall auch zu tun.
Ich habe heute, nach Monaten, sehr viel Abstand zu dem Geschehenen und auch beim zweiten Besuch in AC vieles besser gemacht, will aber noch mal extra darauf eingehen, was mich damals bewegte und auch welche (gravierenden) Fehler ich dabei machte.
Nach Angeles City zu kommen ist auch so etwas wie ein Kulturschock - in der Peripherie der "touristischen Dekadenz" tummeln sich halt auch viele der ärmsten der Armen in der Hoffung ein paar Krümel abstauben zu können, haben sie doch von ihren eigenen Leuten, ihrem Staat keinerlei Hilfe zu erwarten. Die verkrüppelten Bettler halbnackt in Lumpen, die sich auf ihren Rollbrettern mühsam durch die Gegend schleifen, die verdreckten und verwahrlosten Obdachlosen, oft mit Ekzemen und anderem übersät, die apathisch auf Droge oder Alk in irgendwelchen Nischen dahin vegetieren, manches kann einem schon auf den Magen schlagen und natürlich steht man dem machtlos gegenüber.
Da hüpft Du morgens mal schnell in den Rooftop-Pool deines Hotels, schlürfst einen Cappuccino nimmst noch eine Dusche in deiner Jacuzzi-Suite, fährst runter in die Lobby, latschst an den ganzen Golfbags der Koreaner, an dem großen, beleuchteten Holzschlitten mit den beiden Renntieren und den ganzen weihnachtlichen Geschenkpaketen vorbei, gehst vor die Tür und 50m weiter schlafen 5-6 kleine Buben mit kaum was am Leib und nackten Füssen, komplett verdreckt auf dem nackten Betonboden, vor dem Eingang zum Christal Palace und ein paar Meter weiter laufen die fetten Ratten rum - damit sie bei der Helligkeit, dem Krach überhaupt schlafen können, bevor sie wieder weggejagt werden, haben sie sich Klebstoff, Gras, irgendwelche Pillen oder sonst was ins Hirn geblasen, die sind vielleicht so zwischen 6-10 Jahre alt.
Es ist nicht schwer dabei sentimental zu werden und in der Annahme etwas Gutes zu tun, zumindest ein paar Kids einmal am Tag die Mägen zu füllen.
Es gibt einem auch ein etwas besseres Gefühl, vielleicht fühlt man sich dadurch als ein etwas besserer Sextourist, aber das ist alles auch viel oberflächliche Selbstbeweihräucherung und ändert aber auch rein gar nichts an den gegebenen Realitäten vor Ort.
Man möchte sich vorgaukeln, dass wenig auch schon etwas hilft, aber das stimmt so nicht - dieses, jetzt spiel ich mal eine Runde Santa Claus - Gehabe weckt bei denen, die es zufällig trifft falsche Begehrlichkeiten und Erwartungen und bei denen die leer ausgehen Neid und Enttäuschung, Gerechtigkeit gibt es dabei ohnehin keine.
Natürlich ist es völliger Unsinn Straßenkinder in ein Restaurant zu schleifen und mit Pizza und Schoko-Shakes vollzustopfen, das hilft auch wirklich niemandem - im Gegenteil.
In kürzester Zeit hatte sich das herumgesprochen und natürlich wollten all die Anderen auch mal gerne in den Genuss kommen, der Buschfunk bei denen funzt besser als das Handynetz, kaum die Hoteltüre raus oder wurde ich irgendwo erspäht, hatte ich auch gleich eine Meute erwartungsfroher Kinder um mich, dass wirkt sich weitaus dramatischer aus, als es auf den ersten Blick erscheinen mag und ich brachte mich damit auch selbst in Gefahr, das war mir sogar besoffen sofort bewusst.
Die Kinder stellen an sich keine Gefahr dar, das ist keine Kindergang, da versuchte keiner mir in die Taschen zu fassen, das war nicht das Problem, aber wenn Du wie der Rattenfänger von Hameln durch die Strassen läuft mit einer schreienden Kinderschar im Schlepptau, dann ist das sehr auffällig und du exponierst dich damit (sehr) ungewollt selbst.
Du erregst damit natürlich auch die Aufmerksamkeit von all dem Gesindel, dass da sonst noch so herumlungert und die erfahren natürlich, da läuft ein Depp herum mit Geld zuviel und ab hier wird's dann auch gefährlich.
Da überlegt man sich dann schon, ob man zu dem Typen direkt an der Ecke ins Trike steigt oder lieber doch noch 300 Meter die Fields hoch läuft.
Ich habe die nachfolgend immer wieder mal gefüttert, es dann aber ganz anders gemacht, da gab es einfache Sachen in die Hand, weniger spektakulär, weniger Auflauf, diskreter - ob es richtig oder falsch war, darüber bin ich mir immer noch nicht so sicher - tendiere aber eher dazu, es war falsch.
Man kann das Elend nicht mindern, man kann nichts daran ändern, jedenfalls nicht mit diesen Mitteln, es nimmt kein Ende, es ist ein Fass ohne Boden und belastet einen am Ende psychisch mehr, als dass man eine Befriedigung aus der geleisteten "Hilfe" ziehen kann.
Sieht man sich an, dass es in der Bevölkerung aber auch Null Mitgefühl oder gar Unterstützung für Behinderte, Benachteiligte oder Verarmte gibt, im Gegenteil, das ist oft geradezu erschreckend wie diese behandelt werden, dann weiß man wie hoffnungslos dieses Unterfangen ist.
Zwischen Phillies und Margarita Station begegnet man immer einem Bettler auf seinem Rollbrett, der hat beide Beine ab und nur einen Arm mit dem er sich so durch den Dreck der Gegend stößt, eines Nachmittages ich entere gerade ein Trike, da will der Bettler mit seinem Brett die Strasse überqueren wo es zur Jeepney Station rübergeht, da knallt mein Trike-Fahrer volle Kanne auf den zu und hupt wie ein Blöder, der Krüppel kriegt die Panik und das Arschloch macht sich richtig den Spaß den zu jagen - hätte nicht viel gefehlt und ich hätte den Gehirnamputierten von seiner Knatterbüchse getreten - da läuft einem die Galle über!
Es mag vielleicht irgendwelche sinnvolle NGOs geben, die man vor Ort unterstützen kann (ich weiß es nicht), obwohl die meisten Expats vor Ort sind ohnehin komplett abgestumpft und desillusioniert - zu meinen, man könne individuell da irgend etwas verändern, verbessern ist einfach naiv - so hart es klingen mag.
Man muss da einfach lernen mit Scheuklappen durch die Gegend zu laufen, sonst hält man es nicht aus.
Drei Monate später, ich laufe die WS runter und schaue gerade nach links zu irgendwelchen Hühnern, da stoppt mich etwas an meinen Beinen, ein kleines Mädchen 4-5 Jahre alt umklammert meine Beine, sie steht vor mir streckt ihre Arme zur Seite und deutet an, sie will von mir hochgenommen werden, ich kenne die Kleine, eine ganz Liebe, ich stehe verdutzt da, schaue nach links und rechts und weiß nicht recht was ich machen soll, dann denke ich - scheissegal und hebe die Kleine hoch, sie fällt mir um den Hals und bedankt sich, ich stell sie hin, sie winkt und ich gehe weiter - da musste ich schon mal kräftig schlucken - die wollte nichts von mir, gar nichts.