(Fortsetzung)
Als wir uns nun stadtfertig für das Essen machten, konnte ich sie zum ersten Mal im
Tageslicht beim Ankleiden sehen. Beinahe wären mir die Tränen gekommen in den folgenden Minuten.
Das Mädel, das sich so herrlich über die kleinsten Sachen freuen konnte, mit der ich mich nun wirklich super verstand, die mich hier gerade in eine andere Dimension des Boomboom versetzt hatte und der ich zunächst so negativ begegnet war wegen der Trunkenheit, zog sich lächelnd an und unterhielt sich immer weiter ganz angeregt mit mir. Dabei fiel mir auf, dass ihre Unterhose schon in stark mitgenommenem Zustand war, denn die Spitzen waren an einer Seite schon abgefallen. Darüber hinaus wirkten die übrigen Sachen auch nicht gerade im neusten Zustand befindlich. Mir fiel auf, dass an ihren Beinen etliche Macken waren und fragte danach. Sie zählte mir genau auf, woher die einzelnen Narben kämen. Eine recht große an der Wade sei durch Verbrennung am Moped- Auspuff entstanden, ein Paar Narben durch die Alltagsunfälle auf Pattayas Straßen. Die meisten der übrigen vielen kleinen Narben seien noch aus ihrer Heimat Laos, als sie mit ihrem Vater auf dem Kleinbauernhof bei der Holzverarbeitung helfen musste und ihr dabei oft die Holzscheite auf die Beine fielen. Mir wurde mit jedem weiteren Detail immer mulmiger.
Jetzt soll man aber bitte nicht denken, sie wäre hier mit der Mitleidsmasche gekommen und wollte mich weich kochen. Alle Sachen, die sie mir erzählte, waren voller
positiver Energie und einfach nur die Antwort auf meine Wissbegierde. Mit keinem Nebensatz erwähnte sie an jeglicher Stelle Leiden oder Kummer, sondern sprach die ganze Zeit nur von ihren Wünschen und Träumen, die sie bald zu realisieren versuchte. Dao war nämlich eigentlich Friseurin und wollte in absehbarer Zeit irgend einen erweiterten Schulabschluss erreichen und dann einen Friseursalon eröffnen. Alleine an den Rahmenbedingungen würde sie jetzt noch nebenbei arbeiten.
Mein Glück!
Außerdem erzählte sie mir bei der Gelegenheit gleich, dass es schwer sei für sie zu tanzen, was ich eigentlich überhaupt nicht mitbekommen hatte. Zum einen sei sie eigentlich eine ganz stille und müsse sich, um den Falangs interessant zu erscheinen, immer mit den anderen Mädels an der Front beweisen. Das könne sie nur, indem sie in den Diskos trinken würde, um aus ihrer Haut heraus zu können und die notwendige Lockerheit zu erzeugen. Das sei natürlich kontraproduktiv bei ihrer finanziellen Situation, aber ein notwendiges Übel, um auffallen zu können. Bei mir hatte es schließlich geklappt.
Zum anderen teilte sie mir mit, sie hätte ein kürzeres Bein als das andere, was man so allerdings nicht sehen konnte. Mit diesem Bein würde es ihr sehr schwer fallen, über längere Zeit zu stehen und zu tanzen und so versuchte sie sich trotzdem unter Schmerzen als Freelancerin. Vor Jahren sei sie noch verheiratet gewesen und hätte als Hausfrau mit 2 Kindern und ihrem Mann zusammen gelebt, von den sie nun getrennt sei und die Kinder bei ihrer Oma in Laos, da beide Elternteile auch schon gestorben seien vor etwa 15 Jahren. Und selbst da sei es ihr schon schwer gefallen, den Haushalt richtig führen zu können wegen der verkürzten Arbeitszeiten verursacht durch Beinschmerzen.
Ich machte innerlich für mich eine Rechnung von meinen vermeintlichen Problemen und dem, was ich da gerade zu hören bekam. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass ich als verwöhnter Westeuropäer mit gutem Job, aber vielen hausgemachten Problemchen, hier sehr schlecht abschnitt. Und
ich wollte sie ohne Lohn nach Hause schicken!!!
Wahrheitsgehalt dieser ganzen Aussagen war meiner Meinung nach sehr hoch, da sie kein Mitleid erwecken wollte, sondern schlicht auf meine Nachforschungen hin antwortete.
Bevor wir zum Essen gingen, machte ich noch schnell einige Fotos im Zimmer. Sie wollte sich für die Fotos glatt noch einmal ausziehen, aber das hätte ich nicht mehr verkraftet.
Eigentlich gefällt sie mir immer noch ganz gut. 8) Die Haare hatten mich auf sie aufmerksam gemacht, stellte ich hinterher fest.
Weil ich angesichts der neuen Informationen nicht so weit mit ihr laufen wollte, steuerten wir mangels bekannter Alternativen erneut das Olala- Restaurant in der Soi 7 an. An diesem Tag war leider nur ein Koch zugegen und die Zubereitung meines Dreierleis und Daos Gemüsesuppe dauerte eine halbe Ewigkeit.
Hier irgendeine Thaisuppe mit Pilzen und Seafood, aber keine Tom Yam Gung. Ich hatte extra den Bon aufgehoben, um berichten zu können, aber der ist in mit anderen schönen Unterlagen verloren gegangen.
Salat aus Glasnudeln, verschiedenem Gemüse und Schweinefleisch, wenn ich mich recht entsinne. Man hätte auch Rind oder Seafood nehmen können. Insgesamt auch nichts besonderes gewesen.
Ta-Daa!
Auf Daos Vorschlag hin ließ ich mir das bis dahin unbekannte Pad Thai (z.B.
Account Suspended) bringen und hatte fortan einen neuen Thaifood Favoriten gefunden. Gebratene Reisnudeln u.a. mit Ei, Knoblauch und Ernüssen. Leicht süßlich und sehr lecker. Gerne wieder!
Dao erzählte mir noch einige Sachen über ihr Zuhause in Laos und ihren geliebten Vater, von dem sie redete, als wäre er noch dort und nicht etwa schon 15 Jahre lang verstorben. Wie gesagt, diese ganze positive Einstellung trotz der offenkundigen Probleme, beeindruckten mich wirklich.
Außerdem sei sie vor nicht allzu langer Zeit von ihrer Arbeitsstelle in einem Salon entlassen worden, da man ihr als Laotin in diesem Salon keinen gültigen Arbeitsvertrag geben wollte und von jetzt auf dann sei sie obdachlos gewesen.
Wie, obdachlos? Das verstand ich nicht.
Ja, sie hätte 7 Monate in diesem Salon gearbeitet und nachts dort geschlafen. Also sei es gleichzeitig ihre Arbeitsstelle und das Zuhause gewesen. Das war für sie scheinbar ganz normal und konnte meine Fassungslosigkeit über diese 10 qm Leben bei Tag und Nacht nicht nachvollziehen.
Also im Ernst. Über sowas hört man, liest man und man vergisst es wieder als Teil der Weltordnung, die man für normal erachtet. Wenn man dann aber mit einem Menschen zusammen ist und man sich so gut versteht wie ich mich mit Dao, dann fällt man schon aus allen Wolken, wenn man sich das anhört. Und genau für diesen Fall hatte ich das Wort "
Respekt" hier schon abzugrenzen versucht, denn Daos Gelassenheit und stete positive Ausstrahlung nötigten mir den allergrößten Respekt gegenüber einer Prostituierten ab!
Gegen 16:30 Uhr waren wir fertig und sie wollte tatsächlich noch die letzten Minuten mit aufs Zimmer kommen, denn im Hinterkopf schwirrte schon der Termin um 18 Uhr mit Ning. Wir guckten noch eine Weile Musikfernsehen und "Dao Lao" bewunderte gerne die schönen Frauen auf der Mattscheibe und erzählte währenddessen von Haaren und ihrem imaginären Salon.
Ich hatte ca. eine Stunde Zeit, um mir zu überlegen, was ich nun im Kommenden anstellen wollte. Jedes Blutkörperchen von mir wollte Dao wiedersehen, aber das alte Gehirn da oben machte der Sache einen Strich durch die Rechnung. Ich bemerkte, wie sehr mich diese ganze Sache schon wieder mitnahm und stellte mir vor, was bei einem weiteren Treffen wohl passieren könnte. Irgendwo ahnte ich etwas zwischen schwersten Gewissenskonflikten und möglichem LKS, weil mir an diesem Nachmittag einfach alles gefiel im Gegensatz zu dem, was ich in der vergangenen Woche so erleben durfte.
Um 17:30 Uhr musste ich mich dann letztendlich von ihr trennen, um noch einmal unter die Dusche zu springen. Zwar haderte ich wieder mit meinem Schicksal, aber machte ihr deutlich, dass ich keinen Austausch von Telefonnummern wolle, um ein Wiedersehen zu vermeiden. Es tat mir mehr als Leid, dieses Ende herbeiführen zu müssen, aber die Konsequenzen wären sonst unabsehbar gewesen. Statt dem angekündigten ST- Gehalt überlegte ich, sie mit irgendwelchen wahnwitzigen Summen zu entlassen, aber hielt das nun gegenüber den anderen Mädels für unfair und hätte zu keiner langfristigen Besserung geführt. Ich erinnerte mich, irgendwo hier gelesen zu haben, dass man als sehr zufriedener LT- Kunde 2000 THB geben könne und entschied, diesen Betrag vertreten zu können im Gesamtzusammenhang.
Dao machte noch einen witzigen Kommentar zum Thema ST- Gehälter und wir sollten uns nicht mehr wiedersehen.
Mehr als schade.
Jetzt war ich wieder als Vermittler gefragt, denn es war nur noch wenig Zeit, bis ich Ning erwartete... (Fortsetzung folgt)