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Pitcairn auf Sex- und Kulturreise quer durch Bangladesch.
"Bani Shanta?, Sundarbans?", fragt mich am späteren Nachmittag ein Mann, der im Seaport von Mongla Ausschau nach Passagieren hält. "Bani Shanta!", erwidere ich, denn mein Dreitagestrip in die Sundarbans ist erst für den nächsten Morgen vorgesehen. Dafür bin ich von den Philippinen extra angereist, denn jeder will den weltgrössten Mangrovenwald mit all seiner Flora und Fauna im Gangesdelta sehen, bevor alles mit der Klimaveränderung endgültig vor die Hunde geht. Noch aber bleibt Zeit für eine Sozialstudie in Verbindung mit einem Junggesellen-Vergnügen.
Mit 50 Taka werden wir handelseinig. Es dauert eine Viertelstunde bis das Boot mit ausreichend Passagieren – ausser mir, alles Bengalen - gefüllt ist; dann tuckern wir mit verhärteten Begattungsorganen in weiteren 15 Minuten nach Bani Shanta am Fluss Pashur. Während der Fahrt beobachte ich die einheimischen Gesichter. In diesen armseligen Komplexhaufen ist nichts als Scham und Verklemmtheit zu erkennen.
Es ist nicht eigentlich die Sprachbarriere, die sie an einer Konversation mit mir hindert, sondern vielmehr die permanente Gewissheit, dass sie sich von der Natur getrieben, in Kürze gegen Allah versündigen werden und ich davon Kenntnis habe. Ein Bengale, gleich ob Muslim oder Hindu, gehört zur verklemmteren Sorte Männer auf diesem Globus. Da lobe ich mir die weisse Rasse, obschon bei uns in anderer Hinsicht auch nicht immer alles zum Bestens steht. Zumindest sind wir Westler in sexueller Hinsicht doch um einiges aufgeschlossener. Wir verstehen es besser zu geniessen und werden in unserem Tun meist nicht von einer einengenden Religion behindert. Schon in frühester Jugend lernen wir, dass Nacktsein nichts Schlechtes und Unmoralisches bedeutet. Im Turnverein, Sportklub und Armee, duschen wir alle zusammen pudelnackt, treffen einander beim Schwitzen in der Sauna und da ist nichts Schlechtes dabei zu finden. Da lobe ich mir doch unsere westliche, weniger komplizierte Lebensart.
Wer diesen Sündenpfuhl nicht kennt, würde ihn nicht finden. Das einsame, nur vom Wasser her zu erreichende, langgestreckte Eiland ist Outsidern unbekannt und in keinem Lonely Planet verzeichnet. Wer nicht ohnehin in der Gegend ist, reist nicht extra dafür an. Hierzulande findet der aufmerksame Junggeselle beinahe überall etwas leibliche Entspannung – er muss nur die Augen und alle Sinne offenhalten. Natürlich ist die Verständigung einmal mehr eine Herausforderung, aber beim Kopulieren musst du schliesslich auch nicht dauernd Quatschen. Für das Stöhnen und Quietschen benötigst du keine Übersetzungsapp.
Schätzungsweise ist der langgestreckte Flecken Land am Anfang des Gangesdeltas insgesamt nicht grösser als einen Quadratkilometer. Über einen schmalen, mobilen Holzsteg, balancieren wir vom Boot auf festen Grund. Ich befinde mich im einzigen Bordell in den Sundarbans. Existenzsicherung ist hier die einzige treibende Kraft.
Von kamerascheuen, wartenden Frauen in ihren farbigen Saris und Salwar Kamiz werden wir sofort in Empfang genommen. Einige der Männer scheinen sich gut auszukennen und gehen auf bestimmte Mädchen zu, die sich zu ihnen gesellen, sie an den Händen fassen und zu ihren Hütten zerren. Ein Bengale wird von zwei Frauen gleichzeitig bedrängt – wohl eine Folge von früheren Eskapaden. Trotz seines athletischen Aussehens, darf auch sein Sprudel nur einmal in die Tüte prasseln, es sei denn, er entscheidet sich für einen erneuten Griff nach hinten rechts; dann steht einer Nachsitzung nichts mehr im Wege. Ein Besuch auf der Insel wird von den gläubigen Muselmanen als Hilla - eine Ehe auf Zeit - definiert. Da hat alles seine Ordnung und man folgt den Weisungen des Koran. Die kürzeste Verehelichung darf eine halbe Stunde dauern. Ganznächtliche oder sogar mehrtägige Besuche sind möglich – im Pattayaslang würde man von longturn oder longtime sprechen. Du wohnst bei der Dame deiner Wahl, die dich auch bekocht, duscht, massiert und bestens betreut. Dein Rücktransport nach Mongla dürfte in diesem Fall eine weitere Herausforderung werden, denn es bleibt dir nichts anderes als abzuwarten, bis ein neues Boot anlegt und dich wieder zurücknimmt. Du befindest dich nicht in der Belgischen Botschaft (Hotel Welcome Inn, Soi 3, Nordpattaya) und kannst nach dem Absaften bei der guten alten Takecare-Fraktion in den Song-taew jucken. Um das Geschehen auf dieser schwer zugänglichen Insel einmal detailliert zu studieren, könnte ich mir gut vorstellen, einmal ein paar Tage vor Ort zu verweilen. Das schafft Nähe und Vertrauen und ich bin überzeugt, dass dieses Eiland ein Kosmos für sich darstellt, der weit über das hinausgeht, was sich dem Freier bei einem Kurzbesuch darstellt. Eigentlich sind es stets die Details, das Eingemachte, was mich beim Reisen am meisten fasziniert.
Einzudringen in einen verschlossenen Bereich, die Beobachtung des Tagesablaufs vor Ort, das Aufbauen einer Verständigung, das Austauschen von Gegenseitigkeiten, das Ausloten von Weltauffassungen, Gespräche über das Leben, seinen Sinn und die Zukunftspläne der Protagonistinnen. Das wäre auch eine ideale Gelegenheit, meinen mageren Wortschatz von rund 100 Banglawörter weiter auszubauen. Am Ende meiner Besuche stelle ich meist fest, dass alles ausnahmslos wertvolle Menschen sind, die ein besseres Leben verdienen. Doch die Welt war immer schlecht, ich bin nur ein Mann mit limitierten Mitteln und kann nicht allen zu einer besseren Existenz verhelfen; daher unterstütze ich punktuell und fange nicht systematisch damit an. Es würde meine Mittel sprengen und mich nur an den Rand des Wahnsinns bringen. Wie ein Mediziner oder eine Krankenschwester im Einsatz bei Ärzte ohne Grenzen, bin ich gegen das Elend der Welt und seine Tragödien ziemlich abgestumpft und kann gut damit umgehen. Mit Sicherheit würde ich falls nötig, auch bei Mutter Theresa sel. in Kalkutta oder bei einem Flugzeugabsturz beim Aufräumen helfen. Da heisst es einfach die Arschbacken zusammenkneifen, Kopf einziehen und durch. Nachher wird es wieder besser. Die Welt braucht keine Beckenrandschwimmer.
Dass der zahlende Günstling gleich mit zwei Mädchen in eine Lehmhütte wandelt, ist hierzulande ziemlich unüblich. Von Dhaka weiss ich, dass die Ausnahme die Regel bestätigt, aber grosso modo ist Bangladesch ein extrem prüder Flecken für diversifizierte Männerwünsche. Für gewagteren Zeitvertreib und die Erfüllung schweinischer Träume, ist selbst Asien in vielen Fällen das falsche Pflaster. Viel besser bist du da auf dem Schwarzen Kontinent bedient, insbesondere in Madagaskar. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten, sind die Mädchen dort auf dieser grossen Insel nicht nur weniger abgebrüht, sondern noch zuckersüss und willig für nahezu alles. Aber auch dort auferlegt sich jeder vernünftige Mann die Tütenpflicht, selbst wenn die Gören lieber ohne knallen. Immer wieder hörst du die Mädchen dort erwähnen, dass Bonbons ohne Einpackpapier gelutscht werden müssen, da sonst das Aroma zu wenig durchdringt.
Nicht alle Inselbewohnerinnen geben sich hier in Bani Shanta bei unserer Ankunft ein Stelldichein, wohlwissend der geringen Anzahl potenzieller Kunden. Ich schätze die Girls zwischen 14 und 35 Jahren; einige ganz junge und noch sehr scheu, werden von ihren Mamasans, die gleichzeitig auch ihre Mütter sind, den Männern im Haus vorgeführt. Andere versuchen keck, draussen Günstlinge auf sich aufmerksam zu machen. Ich werde wegen meiner hellen Haut kritisch gemustert.
Die Frauen wissen nicht, ob ich zu den gelegentlich eintreffenden Entwicklungshelfern, Gesundheitsberatern oder zu den Freiern gehöre. "Amar nam Pitcairn - ich heisse Pitcairn." Als ich mich zu einer vollbusigen Bengalin in der Blüte ihrer Weiblichkeit geselle und mich vorstelle, wird bald klar, dass ich der Entwicklung auf dieser Insel weniger als Gynäkologe, sondern verstärkt auf konventionelle Art Vorschub leisten möchte.
Im Boot sind insgesamt acht Freier angereist, wenn man den Schiffsführer und den Hilfsburschen nicht mitzählen will. Doch als Letztere das Boot gut vertaut haben, machen auch sie deutlich, dass sie einem kleinen Männervergnügen nicht abgeneigt sind. Trotzdem gehen viele wartende Frauen leer aus. Die Bordell-Hütten sind alle ähnlich und in Reihen angelegt. Der durchschnittliche Preis für eine Kurz-Begegnung reicht von 100 bis 300 Taka je nach Alter und Aussehen der Sexarbeiterin. Keusche Schulmädchen und Jungfrauen werden an den Meistbietenden verhökert. Die Kosten für eine Übernachtung ist Verhandlungssache und auch eine Frage der Sympathie.
Pass auf, dass du dich in diesem Falle nicht in eine Fee verguckst. Die Frauen wollen nichts lieber als heiraten, ein ordentliches Leben führen, zurück in die gesellschaftliche Akzeptanz und für einen einzigen Mann da sein.
Es wäre zu überlegen, bei der nächsten Ankunft in Mongla direkt in eine dieser Lehmhütten einzuchecken und auf ein konventionelles Hotelzimmer auf dem Festland zu verzichten.
Ich bin klimaschädigend um die halbe Welt gereist um festzustellen, wie erbarmungslos die Handlungen der einen, den anderen die Existenzgrundlage rauben. Selten sieht man ein geeigneteres Musterbeispiel für die Auswirkungen des stattfindenden Klimawandels. Die Insel ist unmittelbar damit konfrontiert. Seine Bevölkerung besteht hauptsächlich aus einer Gemeinschaft von Sexworkerinnen, wie solche Frauen hierzulande genannt werden. Durch den ansteigenden Fluss, die Bodenerosion und die häufigen Zyklone, wird die kleine Insel allmählich zerstört. Hütten ziehen sich am Flussufer entlang, neigen sich dem Wasser entgegen, als wüssten sie bereits um ihr Schicksal. Mit jedem Monsun, mit jedem verursachten Wellengang, wird ein Stückchen Flussufer mehr weggefressen, ganze Häuser mit ihrem gesamten Inhalt, Liegepritschen, löchrigen Moskitonetzen, Gasherde, Kochtöpfe, Essensvorräte und andere Habseligkeiten fallen dem Klima zum Opfer. Den Frauen bricht das Land förmlich unter den Gummilatschen weg. Flussufererosion ist hier das ganz grosse Problem. Jedes Jahr werden die Hütten nach dem Monsun erneut zurechtgerückt, zusammengeflickt, neue Lehmwände errichtet, neue uneheliche Kinder zur Welt gebracht.
Die Zukunft der Insel ist gefährdet, der Meeresspiegel steigt weiter und in den folgenden Jahrzehnten wird ohnehin ein Drittel von Bangladesch von Wasser überflutet werden; die Sundarbans werden verschwinden. Die Bevölkerung aus dem Gangesdelta wird sich in den Norden und Südosten zurückziehen und die dortige Überbevölkerung noch mehr strapazieren. Die tickende Zeitbombe wird einerseits von der Welt wahrgenommen und dennoch ignoriert. Es liegt in der Natur der Menschen, dass sie sich zuerst um ihre eigenen Probleme vor der Haustür kümmern. Dennoch wäre Prävention angesagt - die Zeitbombe tickt. Mit der Natur ist es nicht anders als mit deinem Körper. Wenn du an ihm Raubbau betreibst, ihm zu viel abverlangst, die richtige Versorgung mit Essen, Bewegung und Erholung versagst, wird er sich schon im mittleren Alter an dir rächen. Die Gemeinschaft der Sexarbeiterinnen ist sich dieser Gefahr nicht direkt bewusst, denn sie haben dringendere Probleme, als sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Sie müssen essen, heute und jetzt, ihre Kinder und Alten versorgen, die Hütten reparieren.
Von der Klimaänderung zermürbt, von der Gesellschaft gemieden, das ist das traurige Schicksal der 200 Frauen in diesem Inselbordell. Verlassen oder von ihren Ehemännern verkauft, fristen die Frauen hier ein tristes Dasein. Viele sind in ihren frühen Teenager-Jahren hergekommen oder bereits hier geboren worden; die wenigsten von ihnen kennen ihr genaues Geburtsdatum. Die Registrierung von Neugeborenen ist zu teuer und geschieht selten. Offiziell gesehen, existieren diese Frauen und Mädchen gar nicht, welche ihre Dienste an Hafenarbeiter, Seeleute und andere Männern verkaufen. Die Schiffcrews waren früher gute Kunden.
Die globale Erwärmung bringt mehr Wasser und führt zum Anstieg des Flusses Pashur. Während der Monsunzeit wird die Insel nahezu von Wasser überschwemmt. Im nahegelegenen zweitgrössten Seehafens in Mongla, wo früher grosse Handelsschiffe andockten, gibt es jetzt wegen des veränderten Wasserstands Probleme und Kunden bleiben aus.
Jedes Jahr wird das gleiche Ritual, die gleichen Sorgen und Nöte, schicksalsergeben von den Frauen hingenommen - Allah will es so.
Pitcairn, seit 40 Jahren auf der endlosen Reise.
Pitcairn hat mit einem vierköpfigen Reiseteam Bangladesch in den Monaten Oktober - Dezember 2014 individuell bereist. Der Bericht ist ein Auszug aus der über zweihundertseitigen Globalversion Ein Land im fortgeschrittenen Zerfall. Die Publikation im Forum wird in den kommenden Monaten erfolgen.
"Bani Shanta?, Sundarbans?", fragt mich am späteren Nachmittag ein Mann, der im Seaport von Mongla Ausschau nach Passagieren hält. "Bani Shanta!", erwidere ich, denn mein Dreitagestrip in die Sundarbans ist erst für den nächsten Morgen vorgesehen. Dafür bin ich von den Philippinen extra angereist, denn jeder will den weltgrössten Mangrovenwald mit all seiner Flora und Fauna im Gangesdelta sehen, bevor alles mit der Klimaveränderung endgültig vor die Hunde geht. Noch aber bleibt Zeit für eine Sozialstudie in Verbindung mit einem Junggesellen-Vergnügen.
Mit 50 Taka werden wir handelseinig. Es dauert eine Viertelstunde bis das Boot mit ausreichend Passagieren – ausser mir, alles Bengalen - gefüllt ist; dann tuckern wir mit verhärteten Begattungsorganen in weiteren 15 Minuten nach Bani Shanta am Fluss Pashur. Während der Fahrt beobachte ich die einheimischen Gesichter. In diesen armseligen Komplexhaufen ist nichts als Scham und Verklemmtheit zu erkennen.
Es ist nicht eigentlich die Sprachbarriere, die sie an einer Konversation mit mir hindert, sondern vielmehr die permanente Gewissheit, dass sie sich von der Natur getrieben, in Kürze gegen Allah versündigen werden und ich davon Kenntnis habe. Ein Bengale, gleich ob Muslim oder Hindu, gehört zur verklemmteren Sorte Männer auf diesem Globus. Da lobe ich mir die weisse Rasse, obschon bei uns in anderer Hinsicht auch nicht immer alles zum Bestens steht. Zumindest sind wir Westler in sexueller Hinsicht doch um einiges aufgeschlossener. Wir verstehen es besser zu geniessen und werden in unserem Tun meist nicht von einer einengenden Religion behindert. Schon in frühester Jugend lernen wir, dass Nacktsein nichts Schlechtes und Unmoralisches bedeutet. Im Turnverein, Sportklub und Armee, duschen wir alle zusammen pudelnackt, treffen einander beim Schwitzen in der Sauna und da ist nichts Schlechtes dabei zu finden. Da lobe ich mir doch unsere westliche, weniger komplizierte Lebensart.
Wer diesen Sündenpfuhl nicht kennt, würde ihn nicht finden. Das einsame, nur vom Wasser her zu erreichende, langgestreckte Eiland ist Outsidern unbekannt und in keinem Lonely Planet verzeichnet. Wer nicht ohnehin in der Gegend ist, reist nicht extra dafür an. Hierzulande findet der aufmerksame Junggeselle beinahe überall etwas leibliche Entspannung – er muss nur die Augen und alle Sinne offenhalten. Natürlich ist die Verständigung einmal mehr eine Herausforderung, aber beim Kopulieren musst du schliesslich auch nicht dauernd Quatschen. Für das Stöhnen und Quietschen benötigst du keine Übersetzungsapp.
Schätzungsweise ist der langgestreckte Flecken Land am Anfang des Gangesdeltas insgesamt nicht grösser als einen Quadratkilometer. Über einen schmalen, mobilen Holzsteg, balancieren wir vom Boot auf festen Grund. Ich befinde mich im einzigen Bordell in den Sundarbans. Existenzsicherung ist hier die einzige treibende Kraft.
Von kamerascheuen, wartenden Frauen in ihren farbigen Saris und Salwar Kamiz werden wir sofort in Empfang genommen. Einige der Männer scheinen sich gut auszukennen und gehen auf bestimmte Mädchen zu, die sich zu ihnen gesellen, sie an den Händen fassen und zu ihren Hütten zerren. Ein Bengale wird von zwei Frauen gleichzeitig bedrängt – wohl eine Folge von früheren Eskapaden. Trotz seines athletischen Aussehens, darf auch sein Sprudel nur einmal in die Tüte prasseln, es sei denn, er entscheidet sich für einen erneuten Griff nach hinten rechts; dann steht einer Nachsitzung nichts mehr im Wege. Ein Besuch auf der Insel wird von den gläubigen Muselmanen als Hilla - eine Ehe auf Zeit - definiert. Da hat alles seine Ordnung und man folgt den Weisungen des Koran. Die kürzeste Verehelichung darf eine halbe Stunde dauern. Ganznächtliche oder sogar mehrtägige Besuche sind möglich – im Pattayaslang würde man von longturn oder longtime sprechen. Du wohnst bei der Dame deiner Wahl, die dich auch bekocht, duscht, massiert und bestens betreut. Dein Rücktransport nach Mongla dürfte in diesem Fall eine weitere Herausforderung werden, denn es bleibt dir nichts anderes als abzuwarten, bis ein neues Boot anlegt und dich wieder zurücknimmt. Du befindest dich nicht in der Belgischen Botschaft (Hotel Welcome Inn, Soi 3, Nordpattaya) und kannst nach dem Absaften bei der guten alten Takecare-Fraktion in den Song-taew jucken. Um das Geschehen auf dieser schwer zugänglichen Insel einmal detailliert zu studieren, könnte ich mir gut vorstellen, einmal ein paar Tage vor Ort zu verweilen. Das schafft Nähe und Vertrauen und ich bin überzeugt, dass dieses Eiland ein Kosmos für sich darstellt, der weit über das hinausgeht, was sich dem Freier bei einem Kurzbesuch darstellt. Eigentlich sind es stets die Details, das Eingemachte, was mich beim Reisen am meisten fasziniert.
Einzudringen in einen verschlossenen Bereich, die Beobachtung des Tagesablaufs vor Ort, das Aufbauen einer Verständigung, das Austauschen von Gegenseitigkeiten, das Ausloten von Weltauffassungen, Gespräche über das Leben, seinen Sinn und die Zukunftspläne der Protagonistinnen. Das wäre auch eine ideale Gelegenheit, meinen mageren Wortschatz von rund 100 Banglawörter weiter auszubauen. Am Ende meiner Besuche stelle ich meist fest, dass alles ausnahmslos wertvolle Menschen sind, die ein besseres Leben verdienen. Doch die Welt war immer schlecht, ich bin nur ein Mann mit limitierten Mitteln und kann nicht allen zu einer besseren Existenz verhelfen; daher unterstütze ich punktuell und fange nicht systematisch damit an. Es würde meine Mittel sprengen und mich nur an den Rand des Wahnsinns bringen. Wie ein Mediziner oder eine Krankenschwester im Einsatz bei Ärzte ohne Grenzen, bin ich gegen das Elend der Welt und seine Tragödien ziemlich abgestumpft und kann gut damit umgehen. Mit Sicherheit würde ich falls nötig, auch bei Mutter Theresa sel. in Kalkutta oder bei einem Flugzeugabsturz beim Aufräumen helfen. Da heisst es einfach die Arschbacken zusammenkneifen, Kopf einziehen und durch. Nachher wird es wieder besser. Die Welt braucht keine Beckenrandschwimmer.
Dass der zahlende Günstling gleich mit zwei Mädchen in eine Lehmhütte wandelt, ist hierzulande ziemlich unüblich. Von Dhaka weiss ich, dass die Ausnahme die Regel bestätigt, aber grosso modo ist Bangladesch ein extrem prüder Flecken für diversifizierte Männerwünsche. Für gewagteren Zeitvertreib und die Erfüllung schweinischer Träume, ist selbst Asien in vielen Fällen das falsche Pflaster. Viel besser bist du da auf dem Schwarzen Kontinent bedient, insbesondere in Madagaskar. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten, sind die Mädchen dort auf dieser grossen Insel nicht nur weniger abgebrüht, sondern noch zuckersüss und willig für nahezu alles. Aber auch dort auferlegt sich jeder vernünftige Mann die Tütenpflicht, selbst wenn die Gören lieber ohne knallen. Immer wieder hörst du die Mädchen dort erwähnen, dass Bonbons ohne Einpackpapier gelutscht werden müssen, da sonst das Aroma zu wenig durchdringt.
Nicht alle Inselbewohnerinnen geben sich hier in Bani Shanta bei unserer Ankunft ein Stelldichein, wohlwissend der geringen Anzahl potenzieller Kunden. Ich schätze die Girls zwischen 14 und 35 Jahren; einige ganz junge und noch sehr scheu, werden von ihren Mamasans, die gleichzeitig auch ihre Mütter sind, den Männern im Haus vorgeführt. Andere versuchen keck, draussen Günstlinge auf sich aufmerksam zu machen. Ich werde wegen meiner hellen Haut kritisch gemustert.
Die Frauen wissen nicht, ob ich zu den gelegentlich eintreffenden Entwicklungshelfern, Gesundheitsberatern oder zu den Freiern gehöre. "Amar nam Pitcairn - ich heisse Pitcairn." Als ich mich zu einer vollbusigen Bengalin in der Blüte ihrer Weiblichkeit geselle und mich vorstelle, wird bald klar, dass ich der Entwicklung auf dieser Insel weniger als Gynäkologe, sondern verstärkt auf konventionelle Art Vorschub leisten möchte.
Im Boot sind insgesamt acht Freier angereist, wenn man den Schiffsführer und den Hilfsburschen nicht mitzählen will. Doch als Letztere das Boot gut vertaut haben, machen auch sie deutlich, dass sie einem kleinen Männervergnügen nicht abgeneigt sind. Trotzdem gehen viele wartende Frauen leer aus. Die Bordell-Hütten sind alle ähnlich und in Reihen angelegt. Der durchschnittliche Preis für eine Kurz-Begegnung reicht von 100 bis 300 Taka je nach Alter und Aussehen der Sexarbeiterin. Keusche Schulmädchen und Jungfrauen werden an den Meistbietenden verhökert. Die Kosten für eine Übernachtung ist Verhandlungssache und auch eine Frage der Sympathie.
Pass auf, dass du dich in diesem Falle nicht in eine Fee verguckst. Die Frauen wollen nichts lieber als heiraten, ein ordentliches Leben führen, zurück in die gesellschaftliche Akzeptanz und für einen einzigen Mann da sein.
Es wäre zu überlegen, bei der nächsten Ankunft in Mongla direkt in eine dieser Lehmhütten einzuchecken und auf ein konventionelles Hotelzimmer auf dem Festland zu verzichten.
Ich bin klimaschädigend um die halbe Welt gereist um festzustellen, wie erbarmungslos die Handlungen der einen, den anderen die Existenzgrundlage rauben. Selten sieht man ein geeigneteres Musterbeispiel für die Auswirkungen des stattfindenden Klimawandels. Die Insel ist unmittelbar damit konfrontiert. Seine Bevölkerung besteht hauptsächlich aus einer Gemeinschaft von Sexworkerinnen, wie solche Frauen hierzulande genannt werden. Durch den ansteigenden Fluss, die Bodenerosion und die häufigen Zyklone, wird die kleine Insel allmählich zerstört. Hütten ziehen sich am Flussufer entlang, neigen sich dem Wasser entgegen, als wüssten sie bereits um ihr Schicksal. Mit jedem Monsun, mit jedem verursachten Wellengang, wird ein Stückchen Flussufer mehr weggefressen, ganze Häuser mit ihrem gesamten Inhalt, Liegepritschen, löchrigen Moskitonetzen, Gasherde, Kochtöpfe, Essensvorräte und andere Habseligkeiten fallen dem Klima zum Opfer. Den Frauen bricht das Land förmlich unter den Gummilatschen weg. Flussufererosion ist hier das ganz grosse Problem. Jedes Jahr werden die Hütten nach dem Monsun erneut zurechtgerückt, zusammengeflickt, neue Lehmwände errichtet, neue uneheliche Kinder zur Welt gebracht.
Die Zukunft der Insel ist gefährdet, der Meeresspiegel steigt weiter und in den folgenden Jahrzehnten wird ohnehin ein Drittel von Bangladesch von Wasser überflutet werden; die Sundarbans werden verschwinden. Die Bevölkerung aus dem Gangesdelta wird sich in den Norden und Südosten zurückziehen und die dortige Überbevölkerung noch mehr strapazieren. Die tickende Zeitbombe wird einerseits von der Welt wahrgenommen und dennoch ignoriert. Es liegt in der Natur der Menschen, dass sie sich zuerst um ihre eigenen Probleme vor der Haustür kümmern. Dennoch wäre Prävention angesagt - die Zeitbombe tickt. Mit der Natur ist es nicht anders als mit deinem Körper. Wenn du an ihm Raubbau betreibst, ihm zu viel abverlangst, die richtige Versorgung mit Essen, Bewegung und Erholung versagst, wird er sich schon im mittleren Alter an dir rächen. Die Gemeinschaft der Sexarbeiterinnen ist sich dieser Gefahr nicht direkt bewusst, denn sie haben dringendere Probleme, als sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Sie müssen essen, heute und jetzt, ihre Kinder und Alten versorgen, die Hütten reparieren.
Von der Klimaänderung zermürbt, von der Gesellschaft gemieden, das ist das traurige Schicksal der 200 Frauen in diesem Inselbordell. Verlassen oder von ihren Ehemännern verkauft, fristen die Frauen hier ein tristes Dasein. Viele sind in ihren frühen Teenager-Jahren hergekommen oder bereits hier geboren worden; die wenigsten von ihnen kennen ihr genaues Geburtsdatum. Die Registrierung von Neugeborenen ist zu teuer und geschieht selten. Offiziell gesehen, existieren diese Frauen und Mädchen gar nicht, welche ihre Dienste an Hafenarbeiter, Seeleute und andere Männern verkaufen. Die Schiffcrews waren früher gute Kunden.
Die globale Erwärmung bringt mehr Wasser und führt zum Anstieg des Flusses Pashur. Während der Monsunzeit wird die Insel nahezu von Wasser überschwemmt. Im nahegelegenen zweitgrössten Seehafens in Mongla, wo früher grosse Handelsschiffe andockten, gibt es jetzt wegen des veränderten Wasserstands Probleme und Kunden bleiben aus.
Jedes Jahr wird das gleiche Ritual, die gleichen Sorgen und Nöte, schicksalsergeben von den Frauen hingenommen - Allah will es so.
Pitcairn, seit 40 Jahren auf der endlosen Reise.
Pitcairn hat mit einem vierköpfigen Reiseteam Bangladesch in den Monaten Oktober - Dezember 2014 individuell bereist. Der Bericht ist ein Auszug aus der über zweihundertseitigen Globalversion Ein Land im fortgeschrittenen Zerfall. Die Publikation im Forum wird in den kommenden Monaten erfolgen.
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