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Pitcairn auf seiner ungewöhnlichen Individualreise quer durch Bangladesch.
Dhaka unterscheidet sich von anderen Mega-Cities in Asien in verschiedener Hinsicht. Die Stadt ist einzigartig, was den Dreck, die permanenten Verkehrskollapse und die zahllosen Fahrrad-Rickshaws anbelangt. Dhaka gilt als das Rickshaw-Zentrum der Welt. Hier wimmelt es nur so von Dreirädern, die sich ihren Weg durch die Menschenmengen bahnen. In den Strassen und Gassen scheint der Strom dieser mit Menschen und Waren beladenen Gefährte nie abzureissen. Über eine halbe Million der umweltfreundlichen Ökotaxis gibt es in der fünfzehn Millionen Metropole. Das Strassennetz der Hauptstadt Bangladeschs beträgt 2'230 Kilometer. Dauernd ertönen Fahrradklingeln, wenn die Fahrer zwischen Bussen, Taxis, Lastwagen und PKW's einher fahren.
Rickshaws sind de facto Mini-Taxis auf drei Rädern, ohne Motor, von einem Fahrer auf einem Fahrrad, ohne Gangschaltung, angetrieben. In Dhaka gibt es 400'000 Rickshaws, 90'000 davon sind vielleicht legal. Die grossen Hauptstrassen sind für Rickshaw-Fahrer gesperrt; sie dürfen bestenfalls nur auf der Randspur fahren.
Wer sich über die Auflage hinwegsetzt und dennoch erwischt wird, riskiert den Verlust seines Gefährts. Die von der Polizei konfiszierten Fahrzeuge landen auf dem Rickshaw-Graveyard in der Mirpur-Gegend am Stadtrand. 15'000 dieser Gefährte liegen bereits dort auf Halde und rosten still vor sich hin. Ein Super-Sujet, für passionierte Fotografen.
"I promise you, I am a honest man", versucht mich der begnadete Schwindler zu überzeugen, wie jeder Bengale in seiner Berufssparte, der sofort behauptet, dass er sich bestens auskenne und ehrlich sei. Die Rickshaw-Puller sind im Vergleich zu den motorisieren CNG-Maniacs, zumindest etwas freundlicher und bescheidener. Sie wissen zwar nicht immer wohin sie dich chauffieren sollen, aber immerhin pedalen sie dich wohlerzogen durch die engen Strassen und Gassen. Und wenn sie mich zufälligerweise sicher und richtig ans vorgegebene Ziel karren, gebe ich ihnen durchaus auch 50 Taka bar auf die schwielige Kralle. Auffallend ist, dass die Rickshaw-Kulis miteinander sehr unfreundlich umgehen. Das führt hin bis zum offenen Schlagabtausch auf der Strasse, wenn jemand den Weg nicht freigibt.
Sehr zum Leidwesen der Passagiere, ist auch das gegenseitige hinten Auffahren sehr verbreitet. Oft hat es mich fast von der schmalen Sitzbank gehauen, wenn ein Hintermann in uns reindonnerte.
Die Masse der Fahrradrikschas konkurriert mit den unbeschreiblich verbeulten Bussen und Minibussen, den PW's, den krokodilgrünen, kleinen, dreirädrigen CNG´s, alle vergittert wie Gefängniskarren.
Einzig im Botschaftsviertel präsentiert sich ein Bild ohne Rickshaws, da diese nicht zugelassen sind.
Der Ursprung der Rickshaw geht auf den eigentlichen Erfinder, den amerikanischen Missionar Jonathan Gable, zurück. Er entwarf in den 1870er-Jahren in Japan ein neuartiges Fahrzeug für seine gebrechliche Frau. Dieses Gefährt wurde auf japanisch Jin-Riki-Sha genannt, was so viel heisst wie Mensch-Kraft-Fahrzeug.
In verschiedenen Ausführungen eroberte dieses preiswerte Transportmittel bald ganz Asien. Charles Taze Russell, der im Werk der Bibelforscher, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, eine wichtige Rolle spielte, besuchte 1912 Nippon. Auf dieser Reise benutzten er und seine Begleiter ebenfalls Rickshaws. Ende der 1930er-Jahre tauchten in Dhaka die ersten dreirädrigen Rickshaws auf. Es handelte sich nicht mehr um Rickshaws, die von einem Mann an zwei Holmen gezogen wurden, wie es heute zum Beispiel immer noch in Madagaskar der Fall ist, sondern um eine Art grosses Dreirad. Der Rickshaw-Wallah, Rickshaw-Puller oder Rickshaw-Kuli, wie der Fahrer genannt wird, sitzt vor den Passagieren und tritt kräftig in die Pedale. Mit einer Fahrrad-Rickshaw kann man mit Muskelkraft grössere Entfernungen zurücklegen und Passagiere oder Fracht wesentlich leichter durch den dichten Verkehr und verstopfte Strassen manövrieren. In den engen Gassen von Old Dhaka sind sie gegenüber grösseren Fahrzeugen klar im Vorteil. Anfangs mussten sich die Rickshaws gegen die Konkurrenz der Tomtoms behaupten. Das sind Pferdewagen, die ebenfalls Menschen und Waren beförderten. Es gibt sie vereinzelt noch heute in Dhaka. Für die armen Gäule in all dem Verkehr und der Luftverschmutzung eine wahre Tortur. Aber solange es den Menschen noch schlechter geht, gibt es keinen Anlass, etwas dagegen zu tun. Hinzu kommt, dass der Bangladeschi vor der Kreatur keinen Respekt hat. Rickshaws sind hierzulande oft bis auf den letzten Zentimeter dekoriert. Wie entstand die Tradition, Rickshaws so aufwendig zu schmücken? Ursprünglich diente die auffällige Verzierung in erster Linie dazu, die Kundschaft auf dieses neue Transportmittel aufmerksam zu machen. Die Gestaltung der Bilder und Werbeaufschriften, entwickelte sich schliesslich zu einer eigenständigen Kunst.
Der Anblick all dieser kreativ gestalteten Dreiräder ist ein Fest für die Augen. Das ist Kunst auf Rädern! Der Kunstkritiker Syed Manzoorul Islam aus Bangladesch bezeichnete die Rickshaw von Dhaka als rollende Bildergalerien. Die Fahrzeuge sind über und über mit farbenfrohen Zeichnungen, Bildern und Ornamenten versehen und an den Seiten oder vom Faltdach baumeln Quasten, Fransen und glitzernde Perlen. Jeder Künstler hat seinen eigenen Stil und seine Lieblingsmotive. Manches Kunstwerk wirkt mehr wie ein Filmplakat mit Bildern aus älteren oder neuen Filmen aus Indien und Bangladesch. Oft thematisiert der Künstler die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land, teilweise aber auch politische oder soziale Fragen. Tier- und Jagdmotive sowie schöne Landschaftsszenen sind ebenfalls sehr beliebt. Nicht zu sehen sind Motive mit erotischem Anstrich. Die Dominanz des Islam ist allgegenwärtig und reicht bis in den hintersten Winkel des öffentlichen und privaten Lebens - auch in der Kunst.
In den 1950er-Jahren gab es nur eine Handvoll Rickshaw-Künstler. Heute stellen zwei- bis dreihundert von ihnen diese originellen Kunstwerke her. Jede Rickshaw wird komplett in speziellen Werkstätten zusammengebaut, wobei nicht selten gebrauchtes Material zum Einsatz kommt. Manchen Künstlern genügt das Blech von einem grossen Speiseölbehälter oder ein anderes metallenes Abfallstück, auf dem sie mit knallbunten Lackfarben lebhafte Szenen entstehen lassen. Weiterentwickelt wurde die Rickshaw-Kunst in den 1970er Jahren, nach der Unabhängigkeit Bangladeschs. In den 1980er Jahren waren fast 80 Prozent der Rikschas dekoriert.
Die Rickshaw-Kunst ist die Volkskunst von Bangladesch und sie besitzt einen ureigenen Charakter mit unverwechselbarer Ausstrahlung. Als kunstinteressierter Traveller, würde ich sie als naive Malerei bezeichnen.
Das Leben eines Rickshaw-Wallah ist hart, ausserordentlich hart. Es bedeutet, den ganzen Tag schwer in die Pedale treten, nie gute Luft in die Lungen kriegen, Passagiere oder Waren bei jedem Wetter von A nach B transportieren. Ihre Kundschaft reicht von Schulkindern über Geschäftsleute bis hin zu Hausfrauen mit ihren Einkäufen. Nicht selten zwängen sich drei oder noch mehr Personen in eine einzige Rickshaw. Händler lassen sich damit säckeweise Reis, Kartoffeln, Zwiebeln oder Gewürze zum Markt bringen. Gelegentlich thront ein Passagier hoch oben auf einem Berg von Gepäck. Als Passant kann man sich kaum vorstellen, wie der Kuli mit solchen Lasten vom Fleck kommen soll. Doch der gutmütige Fahrer gibt alles, ganz gleich, ob die Sonne brennt oder der Monsunregen niederprasselt.
Die meisten Rickshaw-Puller sind Klimaflüchtlinge; sie kommen in die Stadt, weil die Landwirtschaft ihre Familie nicht mehr ernähren kann. Viele, die in der ruralen Heimat keine andere Arbeit finden, lassen ihre Angehörigen zurück und werden zuerst einmal Rickshaw-Wallah. Viele träumen davon, ein eigenes Gefährt zu besitzen, doch nur zehn Prozent sind Eigentümer ihrer Dreiräder. Es gibt Geschäftsleute, die 15 Fahrzeuge besitzen, aber auch welche, die 1'500 täglich verleihen; sie organisieren die Lizenzen, nicht selten illegal, und verfügen meist über eigene Reparatur-Werkstätten. Die Rikshaw-Fahrer müssen den Besitzern einen fixen Mietpreis bezahlen, der auf zirka 30 Prozent der durchschnittlichen Tageseinnahmen basiert.
Mit seiner Körperkraft und Ausdauer erwirtschaftet ein Fahrer ca. 300 - 400 Taka (US $ 3.60 - 4.80) pro Tag, konnte ich in Erfahrung bringen. Ein Grossverleiher mit 1'000 eigenen Rickshaws lebt somit nicht schlecht vom Gestrampel seiner Fahrer.
Autos zählen in Bangladesch als Statussymbol und gelten als Fortschrittsträger, während der Rickshaw der Geruch von Kolonialismus und Ausbeutung anhaftet. Denn in der ursprünglichen Rickshaw sass früher der reiche Kunde wie in einer rollenden Sänfte und trieb das menschliche Zugtier zwischen den Deichseln an.
Heutzutage wimmelt es in Dhaka noch immer von Fahrrad-Rickshaws, weil alles eben ist und andere öffentliche Verkehrsmittel die vielen engen Gassen und Strässchen nicht befahren können. Die Kulis steuern ihre anachronistischen Gefährte durch den dicksten Verkehr, schlängeln sich durch ein Labyrinth von verästelten Seitensträsschen, wo nie ein Taxi durchpassen würde. Doch immer mehr werden diese umweltfreundlichen Transportmittel durch den heutigen Lebensstil und motorisierte Transportmittel wie CNG's oder AUTO-Rickshaws verdrängt. In anderen Städten des Landes, sind bereits zahlreiche auf Elektroantrieb umgerüstete Rickshaws in Betrieb.
CNG-Autorickshaw
Nebst den Fahrrad-Rickshaws dominieren hierzulande die motorisieren Auto-Rickshaws das Strassenbild. Andere Bezeichnungen dafür sind CNG, Baby-Taxi, Baby-Rickshaw oder Motorrad-Rickshaw. Der rollende Käfig verfügt über drei Räder. Vorne eins, hinten zwei. Der Fahrer lenkt es wie ein Motorrad, auf der Rückbank ist bequem Platz für zwei Westler, es passt aber auch eine komplette unterernährte bengalische Grossfamilie rein, und dazu eine an den Pfoten zusammengebundene Ziege. Die Motorrad-Rickshaws kosten nur halb so viel wie ein Taxi; das ist ihr Vorteil. Den Preis vereinbarst du immer im Voraus, sonst hast du nur Probleme. Es gibt zwar Taxameter, aber meistens kommt man erstaun*licherweise bei einer Fixpreisvereinbarung billiger weg. Wer sich auf das Taxameter verlässt, muss bedenken, dass der angezeigte Preis nicht der zu zahlende ist. Seit der Kalibrierung dieser Geräte ist der Sprit-Preis gestiegen, und deshalb gibt es noch einen Multiplikator.
Ein gewichtiger Nachteil der CNG ist, dass du bei einem Unfall keine Chance hast. Entweder du fliegst raus oder knallst gegen die Metallstangen, die rechts und links über dir angebracht sind. So sind Motor-Rickshaws eben gebaut - überall Stangen. Der zweite Nachteil: Du sitzt an der frischen Luft und darfst als Cityenthusiast den urbanen Diesel inhalieren. Hier kannst du die Luft abschneiden.
Die praktischen grünen Gefährte für den Nahverkehr, werden von Bajaj Auto Ltd, Waluj Plant, Aurangabad, im indischen Bundesstaat Maharashtra produziert. Die Stadt liegt 335 Kilometer östlich von Mumbai. In Bangladesch gelangen primär
200 ccm Viertakt-Naturgas-Kompressor-Motoren zum Einsatz. CNG steht für Compressed Natural Gas. Die älteren Zweitakt-Benzinmotoren wurden 2003 wegen der starken Abgasbelastung aus der Hauptstadt verbannt.
Die Regierung hat CNG-Fahrzeuge in der Vergangenheit gefördert, weil durch die Gasmotoren weniger Partikel entstehen und somit weniger offensicht*liche Umweltverschmutzung. Mittlerweile sind für Autorickshaws nur noch CNG-Motoren in Dhaka gestattet. Die grünen Gefährte verbrauchen 3 Liter Gas auf 100 Kilometer.
1 Liter Gas kostete Ende 2014 30 Taka.
Pitcairn, seit 40 Jahren auf der endlosen Reise.
Pitcairn hat mit seinem vierköpfigen Reiseteam Bangladesch in den Monaten Oktober - Dezember 2014 individuell bereist. Der Bericht ist ein Auszug aus der über zweihundertseitigen Globalversion Ein Land im fortgeschrittenen Zerfall. Die Publikation im Forum wird in den kommenden Monaten erfolgen.
Dhaka unterscheidet sich von anderen Mega-Cities in Asien in verschiedener Hinsicht. Die Stadt ist einzigartig, was den Dreck, die permanenten Verkehrskollapse und die zahllosen Fahrrad-Rickshaws anbelangt. Dhaka gilt als das Rickshaw-Zentrum der Welt. Hier wimmelt es nur so von Dreirädern, die sich ihren Weg durch die Menschenmengen bahnen. In den Strassen und Gassen scheint der Strom dieser mit Menschen und Waren beladenen Gefährte nie abzureissen. Über eine halbe Million der umweltfreundlichen Ökotaxis gibt es in der fünfzehn Millionen Metropole. Das Strassennetz der Hauptstadt Bangladeschs beträgt 2'230 Kilometer. Dauernd ertönen Fahrradklingeln, wenn die Fahrer zwischen Bussen, Taxis, Lastwagen und PKW's einher fahren.
Rickshaws sind de facto Mini-Taxis auf drei Rädern, ohne Motor, von einem Fahrer auf einem Fahrrad, ohne Gangschaltung, angetrieben. In Dhaka gibt es 400'000 Rickshaws, 90'000 davon sind vielleicht legal. Die grossen Hauptstrassen sind für Rickshaw-Fahrer gesperrt; sie dürfen bestenfalls nur auf der Randspur fahren.
Wer sich über die Auflage hinwegsetzt und dennoch erwischt wird, riskiert den Verlust seines Gefährts. Die von der Polizei konfiszierten Fahrzeuge landen auf dem Rickshaw-Graveyard in der Mirpur-Gegend am Stadtrand. 15'000 dieser Gefährte liegen bereits dort auf Halde und rosten still vor sich hin. Ein Super-Sujet, für passionierte Fotografen.
"I promise you, I am a honest man", versucht mich der begnadete Schwindler zu überzeugen, wie jeder Bengale in seiner Berufssparte, der sofort behauptet, dass er sich bestens auskenne und ehrlich sei. Die Rickshaw-Puller sind im Vergleich zu den motorisieren CNG-Maniacs, zumindest etwas freundlicher und bescheidener. Sie wissen zwar nicht immer wohin sie dich chauffieren sollen, aber immerhin pedalen sie dich wohlerzogen durch die engen Strassen und Gassen. Und wenn sie mich zufälligerweise sicher und richtig ans vorgegebene Ziel karren, gebe ich ihnen durchaus auch 50 Taka bar auf die schwielige Kralle. Auffallend ist, dass die Rickshaw-Kulis miteinander sehr unfreundlich umgehen. Das führt hin bis zum offenen Schlagabtausch auf der Strasse, wenn jemand den Weg nicht freigibt.
Sehr zum Leidwesen der Passagiere, ist auch das gegenseitige hinten Auffahren sehr verbreitet. Oft hat es mich fast von der schmalen Sitzbank gehauen, wenn ein Hintermann in uns reindonnerte.
Die Masse der Fahrradrikschas konkurriert mit den unbeschreiblich verbeulten Bussen und Minibussen, den PW's, den krokodilgrünen, kleinen, dreirädrigen CNG´s, alle vergittert wie Gefängniskarren.
Einzig im Botschaftsviertel präsentiert sich ein Bild ohne Rickshaws, da diese nicht zugelassen sind.
Der Ursprung der Rickshaw geht auf den eigentlichen Erfinder, den amerikanischen Missionar Jonathan Gable, zurück. Er entwarf in den 1870er-Jahren in Japan ein neuartiges Fahrzeug für seine gebrechliche Frau. Dieses Gefährt wurde auf japanisch Jin-Riki-Sha genannt, was so viel heisst wie Mensch-Kraft-Fahrzeug.
In verschiedenen Ausführungen eroberte dieses preiswerte Transportmittel bald ganz Asien. Charles Taze Russell, der im Werk der Bibelforscher, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, eine wichtige Rolle spielte, besuchte 1912 Nippon. Auf dieser Reise benutzten er und seine Begleiter ebenfalls Rickshaws. Ende der 1930er-Jahre tauchten in Dhaka die ersten dreirädrigen Rickshaws auf. Es handelte sich nicht mehr um Rickshaws, die von einem Mann an zwei Holmen gezogen wurden, wie es heute zum Beispiel immer noch in Madagaskar der Fall ist, sondern um eine Art grosses Dreirad. Der Rickshaw-Wallah, Rickshaw-Puller oder Rickshaw-Kuli, wie der Fahrer genannt wird, sitzt vor den Passagieren und tritt kräftig in die Pedale. Mit einer Fahrrad-Rickshaw kann man mit Muskelkraft grössere Entfernungen zurücklegen und Passagiere oder Fracht wesentlich leichter durch den dichten Verkehr und verstopfte Strassen manövrieren. In den engen Gassen von Old Dhaka sind sie gegenüber grösseren Fahrzeugen klar im Vorteil. Anfangs mussten sich die Rickshaws gegen die Konkurrenz der Tomtoms behaupten. Das sind Pferdewagen, die ebenfalls Menschen und Waren beförderten. Es gibt sie vereinzelt noch heute in Dhaka. Für die armen Gäule in all dem Verkehr und der Luftverschmutzung eine wahre Tortur. Aber solange es den Menschen noch schlechter geht, gibt es keinen Anlass, etwas dagegen zu tun. Hinzu kommt, dass der Bangladeschi vor der Kreatur keinen Respekt hat. Rickshaws sind hierzulande oft bis auf den letzten Zentimeter dekoriert. Wie entstand die Tradition, Rickshaws so aufwendig zu schmücken? Ursprünglich diente die auffällige Verzierung in erster Linie dazu, die Kundschaft auf dieses neue Transportmittel aufmerksam zu machen. Die Gestaltung der Bilder und Werbeaufschriften, entwickelte sich schliesslich zu einer eigenständigen Kunst.
Der Anblick all dieser kreativ gestalteten Dreiräder ist ein Fest für die Augen. Das ist Kunst auf Rädern! Der Kunstkritiker Syed Manzoorul Islam aus Bangladesch bezeichnete die Rickshaw von Dhaka als rollende Bildergalerien. Die Fahrzeuge sind über und über mit farbenfrohen Zeichnungen, Bildern und Ornamenten versehen und an den Seiten oder vom Faltdach baumeln Quasten, Fransen und glitzernde Perlen. Jeder Künstler hat seinen eigenen Stil und seine Lieblingsmotive. Manches Kunstwerk wirkt mehr wie ein Filmplakat mit Bildern aus älteren oder neuen Filmen aus Indien und Bangladesch. Oft thematisiert der Künstler die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land, teilweise aber auch politische oder soziale Fragen. Tier- und Jagdmotive sowie schöne Landschaftsszenen sind ebenfalls sehr beliebt. Nicht zu sehen sind Motive mit erotischem Anstrich. Die Dominanz des Islam ist allgegenwärtig und reicht bis in den hintersten Winkel des öffentlichen und privaten Lebens - auch in der Kunst.
In den 1950er-Jahren gab es nur eine Handvoll Rickshaw-Künstler. Heute stellen zwei- bis dreihundert von ihnen diese originellen Kunstwerke her. Jede Rickshaw wird komplett in speziellen Werkstätten zusammengebaut, wobei nicht selten gebrauchtes Material zum Einsatz kommt. Manchen Künstlern genügt das Blech von einem grossen Speiseölbehälter oder ein anderes metallenes Abfallstück, auf dem sie mit knallbunten Lackfarben lebhafte Szenen entstehen lassen. Weiterentwickelt wurde die Rickshaw-Kunst in den 1970er Jahren, nach der Unabhängigkeit Bangladeschs. In den 1980er Jahren waren fast 80 Prozent der Rikschas dekoriert.
Die Rickshaw-Kunst ist die Volkskunst von Bangladesch und sie besitzt einen ureigenen Charakter mit unverwechselbarer Ausstrahlung. Als kunstinteressierter Traveller, würde ich sie als naive Malerei bezeichnen.
Das Leben eines Rickshaw-Wallah ist hart, ausserordentlich hart. Es bedeutet, den ganzen Tag schwer in die Pedale treten, nie gute Luft in die Lungen kriegen, Passagiere oder Waren bei jedem Wetter von A nach B transportieren. Ihre Kundschaft reicht von Schulkindern über Geschäftsleute bis hin zu Hausfrauen mit ihren Einkäufen. Nicht selten zwängen sich drei oder noch mehr Personen in eine einzige Rickshaw. Händler lassen sich damit säckeweise Reis, Kartoffeln, Zwiebeln oder Gewürze zum Markt bringen. Gelegentlich thront ein Passagier hoch oben auf einem Berg von Gepäck. Als Passant kann man sich kaum vorstellen, wie der Kuli mit solchen Lasten vom Fleck kommen soll. Doch der gutmütige Fahrer gibt alles, ganz gleich, ob die Sonne brennt oder der Monsunregen niederprasselt.
Die meisten Rickshaw-Puller sind Klimaflüchtlinge; sie kommen in die Stadt, weil die Landwirtschaft ihre Familie nicht mehr ernähren kann. Viele, die in der ruralen Heimat keine andere Arbeit finden, lassen ihre Angehörigen zurück und werden zuerst einmal Rickshaw-Wallah. Viele träumen davon, ein eigenes Gefährt zu besitzen, doch nur zehn Prozent sind Eigentümer ihrer Dreiräder. Es gibt Geschäftsleute, die 15 Fahrzeuge besitzen, aber auch welche, die 1'500 täglich verleihen; sie organisieren die Lizenzen, nicht selten illegal, und verfügen meist über eigene Reparatur-Werkstätten. Die Rikshaw-Fahrer müssen den Besitzern einen fixen Mietpreis bezahlen, der auf zirka 30 Prozent der durchschnittlichen Tageseinnahmen basiert.
Mit seiner Körperkraft und Ausdauer erwirtschaftet ein Fahrer ca. 300 - 400 Taka (US $ 3.60 - 4.80) pro Tag, konnte ich in Erfahrung bringen. Ein Grossverleiher mit 1'000 eigenen Rickshaws lebt somit nicht schlecht vom Gestrampel seiner Fahrer.
Autos zählen in Bangladesch als Statussymbol und gelten als Fortschrittsträger, während der Rickshaw der Geruch von Kolonialismus und Ausbeutung anhaftet. Denn in der ursprünglichen Rickshaw sass früher der reiche Kunde wie in einer rollenden Sänfte und trieb das menschliche Zugtier zwischen den Deichseln an.
Heutzutage wimmelt es in Dhaka noch immer von Fahrrad-Rickshaws, weil alles eben ist und andere öffentliche Verkehrsmittel die vielen engen Gassen und Strässchen nicht befahren können. Die Kulis steuern ihre anachronistischen Gefährte durch den dicksten Verkehr, schlängeln sich durch ein Labyrinth von verästelten Seitensträsschen, wo nie ein Taxi durchpassen würde. Doch immer mehr werden diese umweltfreundlichen Transportmittel durch den heutigen Lebensstil und motorisierte Transportmittel wie CNG's oder AUTO-Rickshaws verdrängt. In anderen Städten des Landes, sind bereits zahlreiche auf Elektroantrieb umgerüstete Rickshaws in Betrieb.
CNG-Autorickshaw
Nebst den Fahrrad-Rickshaws dominieren hierzulande die motorisieren Auto-Rickshaws das Strassenbild. Andere Bezeichnungen dafür sind CNG, Baby-Taxi, Baby-Rickshaw oder Motorrad-Rickshaw. Der rollende Käfig verfügt über drei Räder. Vorne eins, hinten zwei. Der Fahrer lenkt es wie ein Motorrad, auf der Rückbank ist bequem Platz für zwei Westler, es passt aber auch eine komplette unterernährte bengalische Grossfamilie rein, und dazu eine an den Pfoten zusammengebundene Ziege. Die Motorrad-Rickshaws kosten nur halb so viel wie ein Taxi; das ist ihr Vorteil. Den Preis vereinbarst du immer im Voraus, sonst hast du nur Probleme. Es gibt zwar Taxameter, aber meistens kommt man erstaun*licherweise bei einer Fixpreisvereinbarung billiger weg. Wer sich auf das Taxameter verlässt, muss bedenken, dass der angezeigte Preis nicht der zu zahlende ist. Seit der Kalibrierung dieser Geräte ist der Sprit-Preis gestiegen, und deshalb gibt es noch einen Multiplikator.
Ein gewichtiger Nachteil der CNG ist, dass du bei einem Unfall keine Chance hast. Entweder du fliegst raus oder knallst gegen die Metallstangen, die rechts und links über dir angebracht sind. So sind Motor-Rickshaws eben gebaut - überall Stangen. Der zweite Nachteil: Du sitzt an der frischen Luft und darfst als Cityenthusiast den urbanen Diesel inhalieren. Hier kannst du die Luft abschneiden.
Die praktischen grünen Gefährte für den Nahverkehr, werden von Bajaj Auto Ltd, Waluj Plant, Aurangabad, im indischen Bundesstaat Maharashtra produziert. Die Stadt liegt 335 Kilometer östlich von Mumbai. In Bangladesch gelangen primär
200 ccm Viertakt-Naturgas-Kompressor-Motoren zum Einsatz. CNG steht für Compressed Natural Gas. Die älteren Zweitakt-Benzinmotoren wurden 2003 wegen der starken Abgasbelastung aus der Hauptstadt verbannt.
Die Regierung hat CNG-Fahrzeuge in der Vergangenheit gefördert, weil durch die Gasmotoren weniger Partikel entstehen und somit weniger offensicht*liche Umweltverschmutzung. Mittlerweile sind für Autorickshaws nur noch CNG-Motoren in Dhaka gestattet. Die grünen Gefährte verbrauchen 3 Liter Gas auf 100 Kilometer.
1 Liter Gas kostete Ende 2014 30 Taka.
Pitcairn, seit 40 Jahren auf der endlosen Reise.
Pitcairn hat mit seinem vierköpfigen Reiseteam Bangladesch in den Monaten Oktober - Dezember 2014 individuell bereist. Der Bericht ist ein Auszug aus der über zweihundertseitigen Globalversion Ein Land im fortgeschrittenen Zerfall. Die Publikation im Forum wird in den kommenden Monaten erfolgen.
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