Pitcairns Reise 2012 - Teil 26 - Kambodscha - ein gerupftes Huhn, Reise Überland

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Kambodscha - ein gerupftes Huhn

Intro

Let God sort’em out, Kill’em all und Warhammer steht auf den T-Shirts der nicht mehr jungen Männer mit grauem Haarkranz und beachtlicher Bierwampe geschrieben. Sie sitzen wie wir am Preah Sisovat Boulevard in Phnom Penh in einem Kafferestaurant auf der Terrasse und warten der Dinge die da kommen. Tagsüber sind es meist Kinder, die illegal gedruckte Bücher, piratisierte DVDs oder Handarbeiten verkaufen wollen.

Ich müsste mich mehr als schwer täuschen, aber für die Männer am Nebentisch ist der Krieg in Kambodscha noch nicht zu Ende und sie möchten zumindest mit ihrem Königsorgan noch eine Schlacht im Hotelbett bestreiten und es den jungen Mädels richtig zeigen, wo Bartel den Most holt. Als Liebessold winken den freiwilligen Opfern am anderen Morgen US $ 20.--, das ist der normale Preis hier. Das unterentwickelte Land ist seit jeher bekannt in einschlägigen Kreisen und hat Touristen nicht nur die Tempelanlagen von Angkor Wat in Siem Reap, den Königspalast in Phnom Penh, sondern auch als kostengünstige Sexdestination allerhand zu bieten. In pädophilen Kreisen, ist das Land auch als Kindersexparadies bekannt.

Es fällt auf, dass hier im Vergleich zu anderen Reiseländern, überdurchschnittlich viele alleinstehende Männer im Alter zwischen vierzig bis sechzig herumschlendern. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn einer unserer Tischnachbarn, abends im Kilomet11 in einem schmuddeligen Bretterverschlag ohne fliessendes Wasser, ohne Toilette und einzig mit einem Plastikbecken Wasser, ein zehnjähriges Mädchen penetrieren würde. Die Matratze die sie benutzen ist voller Amöben und das Bettzeug vor einem Monat das letzte Mal gewaschen worden. Ob er wohl Wert auf einen Package-Deal legt – wohl kaum. Mit dem gleichen schmutzigen Lappen würde er sich den Pimmel abwischen, wie es vorher schon zwanzig andere zivilisierte Männer getan haben. Für die Shorttime hat er der Mamasan zum Voraus US $ 10 auf den Tresen geknallt. Er tätschelt dem Mädchen die Wange, verlässt befriedigt den Raum, um sich in der naheliegenden Rotlichtbar ein paar Bierchen zu genehmigen.
Wer weiss, vielleicht wirft er noch ein Kamagra gegen sein Schlapperschniepel-Syndrom ein und kommt später ein zweites Mal vorbei. Von dem lumpigen Geld erhält das Kind nichts und ein allfälliges Trinkgeld wird ihm von der Mamasan aus der Hand genommen. Dafür bekommt es Unterkunft und kärgliches Essen. Gelegentlich gibt es einen Dollar Taschengeld, wenn ein Freier Sonderwünsche hegt und seine Aktivitäten auf Video aufnehmen möchte.

Als Alternative zu diesem Leben hat das Kind die Möglichkeit, auf der stinkenden und rauchenden Mülldeponie am Rande der 2 Millionen-Grossstadt nach Verwertbarem zu suchen, sich die Füsse zu verletzen, eine Wundinfektion einzufangen und sich die Lungen mit dem Smog kontinuierlich zu vergiften. Ihre Mutter, selber mal gerade erst 25, bis auf die Knochen abgemagert, arbeitet dort. Sie weiss von der Tätigkeit ihrer Tochter, sie hat sie schliesslich selber hingebracht, weil sie als Alleinstehende nicht in der Lage war, ihr Kind zu ernähren. Das Unrecht in diesem armen Lande Südostasiens ist himmelschreiend, und doch ist es hier nicht anders als in Bangladesch, Nepal, Sri Lanka, Indien oder in vielen Ländern Afrikas. Wer jemals die Bordelle in Kalkutta und Bombay gesehen hat, weiss um die Tragödie Bescheid.

Gegenüber früheren Jahren, wird jetzt zumindest mit Hilfe ausländischer Hilfswerke, gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern aufgerufen. Vereinzelt gibt es Plakate oder Aufkleber: Abuse a child in this country, go to jail in yours. Child-Sex Tourist. Don't turn away. Turn them in. Doch die Unterbindung solcher Missstände ist nicht genug. Die Menschen brauchen Reis auf ihrem Teller. Mein Vielliebchen ist über diese Umstände nicht sonderlich entsetzt, denn solche Lebensbedingungen gehören auch in ihrem Herkunftsland – den Philippinen – zum Alltag. Doch einer lässt sich hier nicht beirren und geht unmissverständlich und entschlossen seit vielen Jahren seinen eigenen Weg. Es ist Dr. Beat Richner mit seinen Kinderspitälern Kantha Bopha in Siem Reap und Phnom Penh. Er hat hier im Verlaufe von gut 20 Jahren so etwas wie den Status eines Nationalhelden erreicht. Unermüdlich versucht er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste zu machen.
Nicht nur die medizinische Arbeit, sondern auch intensives Fundraising gehört zu seinem selbstauferlegten Job. Ein Beispiel mehr, das beweist, dass Geld über allem steht. Ohne die notwendigen Mittel könnte er zusammen mit seinem Team die vielseitigen Aufgaben nicht bewältigen. Ich kenne ihn nicht persönlich, doch darf ich annehmen, dass er einer der wenigen Menschen sein dürfte, die den Sinn des Lebens erkannt und umgesetzt haben. Châpeau!

Trotz Reiseerleichterungen in den letzten Jahren, bleibt Kambodscha ein verschlossenes Land und präsentiert sich, wie Sir Peter Ustinov es einmal formulierte, wie ein gerupftes Huhn. Der Konsum von Marihuana und Haschisch ist bei Touristen und Einheimischen gleichermassen verbreitet und wird in keiner Weise so streng geahndet wie im Nachbarland Thailand. Die Nation hinkt in der Entwicklung Thailand schätzungsweise 20 Jahre und Vietnam 5 Jahre hinterher.


Visa on Arrival - Überland nach Kambodscha
Wir rollen durch Thailand, Kambodscha und Vietnam. Ich freue mich auf Tuktuks, Cyclos, klapprige Busse, knatternde Fähren und natürlich auf die vielen Kontakte in einer anderen, weniger entwickelten Welt. Im Gegensatz zu Thailand, betrachte ich Kambodscha und Vietnam nicht als Schwellenländer, obschon diese beiden Staaten primär im Textilbereich mit der Industrialisierung begonnen haben. Individuell und mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, bedeutet eintauchen in eine Landeskultur und sich mit ihr auseinandersetzen. Unsere Reise setzt Geduld und ein dickes Fell voraus und ist im Rückblick erwartungsgemäss wie immer, zu einem Erlebnis der besonderen Art geworden. Doch alles der Reihe nach.

Wir sind Backpacker und Budgettraveller und unser Reisestandart entspricht dem finanziellen Potenzial schweizerischer Sozialhilfeempfänger. Das setzt etwas Kreativität voraus, macht aber die Reise zu einem unglaublichen Challenge. Wenn wir weiterhin an dieser Philosophie festhalten, werden wir bis zum Ende unserer Tage weiter reisen. Essen müssen wir Hüben und Drüben, hinzu kommen die Übernachtungen und Transporte. Das kostet nicht die Welt. Es gibt nichts Schöneres als unterwegs zu sein, Tag für Tag zu reisen und nie anzukommen. Nur wer diesen Virus in sich trägt, kann uns verstehen. Dort wo mein Rucksack ist, bin ich zuhause. Dem Leben als Ungläubigen einen Sinn und Zweck abzugewinnen ist mir längst entgangen. Ich bin dankbar, zumindest eine Passion gefunden zu haben, die von meiner Partnerin mitgetragen wird. Es gibt wohl nichts schwierigeres, als einen passenden Lebens- und gleichzeitig in derselben Person einen passenden Reisepartner zu finden.

Für jeden Menschen hat das Leben eine Zwillingsseele vorgesehen. Die Kunst ist es, sie ausfindig zu machen. Ich habe wohl Schwein gehabt, brauchte dafür aber mehrere Anläufe. Mein Vielliebchen ist eine emanzipierte, eigenwillige, höchst neugierige Asiatin, die nicht dem landläufigen Wunschbild weisser Männer von unterwürfigen Drittweltfrauen entspricht. Zeitlebens war sie berufstätig, lange Geschäftsfrau und nie Hausfrau – das prägt. Kinderwünsche hat sie nie gehegt und sie teilt mehrheitlich meine Interessen.

In einem Toyota-Minivan reisen wir mit amerikanischen und deutschen Package-Touristen von Pattaya an die thailändisch-kambodschanische Grenze und dann weiter nach Siem Reap. Das Visum für Kambodscha gibt’s On Arrival. Die Kambodschaner machen da nicht ein so grosses Bürotheater wie die Vietnamesen. Geld ist das einzige was zählt; Hauptsache es kommt rein und möglichst subito.

Die gesamte Fahrt inkl. Pausen dauert sieben Stunden. Allein der Grenzübertritt von Aranyaprathet nach Poipet Kambodscha mit Visaformalitäten beansprucht eineinhalb Stunden, geht aber reibungslos über die Bühne. Hier haben sich im Januar 1979 nach dem Einmarsch der Vietnamesen in Kambodscha, dramatische Szenen abgespielt. Viele Flüchtlinge durchquerten die Minenfelder, während sie von den Roten Khmer noch zusätzlich beschossen wurden. Der Weg führte oft nicht weiter, denn die Thais liessen nicht alle einreisen. Ich ziehe gewisse Parallelen zur Politik der Schweizerischen Eidgenossenschaft während der Jahre 1939 – 1945. Jede Menge jüdische Flüchtlinge wurden an den Landesgrenzen abgewiesen.
Damals hätte man sich unserer humanitären Tradition erinnern sollen – nicht erst heutzutage bei all den Wirtschaftsflüchtlingen.

Wir witzeln ein wenig mit den wartenden koreanischen und japanischen Rucksacktouristen in der Warteschlange vor der Immigration. Früher waren solche Leute ausschliesslich Gruppenreisende. Auch das Jungvolk in den Tigerstaaten in Fernost, beginnt sich zu emanzipieren. Es muss sich ausschliesslich um vermögende Jugendliche aus besseren Familien handeln. Alle mit Markenturnschuhen, brandneuen Qualitätsrucksäcken mit Draht-Schutznetzen und iPhones ausgestattet. Unsere gemeinsame Sprachbasis funktioniert auf zehn Worten Englisch.

Die kleine Distanz im Niemandsland bis zur Busstation in Poipet werden wir in einem Sammelbus transportiert. Dort wechseln wir in einen anderen Van, der uns direkt weiter nach Sieam Reap führt. Wir steuern zuerst das Hotel der Pauschaltouristen an, welches drei Kilometer ausserhalb des Zentrums liegt. Die Landschaft auf der Anreise ist flach und unspektakulär. Wir machen dem Empfangskomitee klar, dass wir nicht zur Gruppe gehören und in einem anderen Gästehaus im Zentrum zu übernachten gedenken. Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie abgrundtief sich Pauschaltouristen von Reiseorganisationen bevormunden lassen und bedenkenlos die Katze im Sack einkaufen. Dabei gibt es in der Pubstreet und im nahen Umkreis, nicht nur unzählige schöne Restaurants und Bars, sondern auch preiswerte und zentral gelegene Gästehäuser, die durchaus Ansprüchen von Samsonite-Traveller genügen dürften. Wollen Pauschaltouristen dorthin, müssen sie sich mit einem Taxi selber rein bemühen, denn da pulsiert das Leben.

Nach fünfzehn Minuten, hat das Vertragshotel des Transportanbieters einen Taxitransport für uns organisiert. Wir stellen vorsorglich klar, dass wir nicht gedenken, für die Kosten dieser Fuhre selber aufzukommen. Nach zustimmendem Nicken, fahren wir direkt aufs Geratewohl in ein ausgewähltes Gästehaus. Ich versuchte, vorgängig von der Grenze aus telefonisch zu reservieren, doch es kam keine Verbindung zustande. Auch mit dem Festnetztelefon in einer Raststätte wollte es nicht klappen. Den Standort von drei Wunschunterkünften haben wir vor der Abreise auf dem Web geprüft. Die Gästehäuser finden sich alle zehn Walking-Minutes im Umkreis vom Zentrum und wir benötigen kein Taxi, um nach ein paar Bierchen nach Hause zu stolpern. Wenn abends ein paar Traveller zusammensitzen und sich die Kante geben, kann es gelegentlich hoch hergehen.

Die Nachsaison hat begonnen und ich habe damit spekuliert, dass genügend Zimmer verfügbar sind. Meine Rechnung geht auf. Für unser Gästehaus mit Dachterrasse bzw. Dachrestaurant, Pool (eine Kloake), WiFi, AC und westlichem Frühstück, werden wir pro Nacht mit US $ 25. —zurückgesetzt. Das Hotel der Pauschaltouristen mit Vollpension schlägt vergleichsweise pro Person mit US $ 70. —pro Nacht zu Buche. Mit dem Fahrer vereinbaren wir zu einem Fixpreis eine Tempeltour für den morgigen Tag. Pitcairn

 
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        #2  

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Hotel für Pauschaltouristen 70$ pro Person ? Ich meine , das es immer pro Zimmer ist ...
Warst du auch mal in der Discotheque Martini ?
Gibt es die noch ? Ich fand es einfach genial , wie da zwischen neuester und alter Musike auch mal nach cambodschanischer Musik im Kreis getanzt wurde . Sehr sehenswert ...
 
        #3  

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Martini Pub, wer nicht dort war, war nicht in Phnom Penh. Kenne den Club bereits seit den 1990er-Jahren. Speziell mag ich die Disko. Dort tobt das Leben, knallen die Korken und brennt die Luft. Alle Crevetten grooven und schuppen sich um dich. Da gehst du erst bei Hahnenschrei und nicht alleine nach Hause, um die Nacht zu verdauen.

 
        #4  

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Danke Pitcairn, super geschrieben. Backpacker-Reisen sind eben doch mit einprägenden und außergewöhnlichen Erlebnissen verbunden. Und Kambodscha ist ja so schon total interessant.



Member hat gesagt:
Vereinzelt gibt es Plakate oder Aufkleber: Abuse a child in this country, go to jail in yours. Child-Sex Tourist. Don't turn away. Turn them in. Doch die Unterbindung solcher Missstände ist nicht genug. Die Menschen brauchen Reis auf ihrem Teller.

Ach nöö, was soll man mit den Typn in der Heimat. Können sich die Khmer da nicht selbst drum kümmern... :shot:
Hab gerade ´ne gute Doku zu dem Thema gesehen. Schlechte Quali, weil schon etwas älter:
Teil 1:
Pattaya Bangkok Sklavenkinder Teil 1 2 - YouTube
Teil 2:
Pattaya Bangkok Sklavenkinder Teil 2 2 - YouTube

Man kann sich echt nicht vorstellen, wie schlecht es Menschen gehen muss, die eines ihrer Kinder verkaufen.
 
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