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Überland von Phnom Penh nach Ho Chi Minh City (HCMC)
Ein Schuttlebus holt uns mit 20 Minuten Verspätung im Gästehaus ab, um uns zum Überlandbus der Sapaco Tourist Company zu bringen. Es handelt sich um eine Gratisdienstleistung der Busfirma. Wir sind froh, aus der Kaschemme rauszukommen, obschon das Zimmer noch lange nicht das schlechteste in unserem gemeinsamen Reiseleben war.
Ich führe seit 40 Jahren eine Rubrik über Mängel und Unzulänglichkeiten von Unterkünften rund um den Globus; früher wars ein Ordner, heute ist es ein elektronisches Datenregister. Irgend wann werde ich ein Buch darüber schreiben. Unglaublich, was mir in dieser Hinsicht schon widerfahren ist. Das geht auf keine Kuhhaut mehr.
Ich habe mich vor der Abfahrt in der Zentrale nach dem Verbleiben des Abholdienstes erkundigt. Der grosse Bus nach HCMC wird in zehn Minuten abfahren. Als der Shuttlebus endlich eintrifft, ist der Fahrer derart in Eile, dass er am Steuer klebt und nicht aussteigt. Wir müssen selber besorgt sein, die Schiebetüre zu öffnen und die schweren Rucksäcke einzuladen; in Asien sehr ungewöhnlich, da normalerweise immer Coolies zur Verfügung stehen.
Der Schiebetür ist nicht richtig geschlossen und geht während der Aufholjagdt ständig auf und zu. Wir rufen den Fahrer, doch der will nicht hören. Wir halten das Gepäck, damit es in den Linkskurven nicht rausfliegt. Nachdem ein Mopedfahrer dem Gehupe nicht ausweicht, macht der Fahrer gezwungenermassen eine Vollbremsung und die nach vorne gleitende Schiebetüre fällt ins Schloss. Ein paar Minuten nach Fahrplanzeit halten wir hinter dem wartenden Reisebus. Der Schaffner hetzt herbei, übernimmt das Gepäck, verstaut es im Laderaum und händigt uns sogar eine Quittung aus. Wir nehmen im Bus Platz und achten von oben auf die Ladeluke, die in den kommenden fünfzehn Minuten noch ein paar Mal geöffnet und geschlossen wird. Der Quittung messen wir keine Bedeutung bei, denn das ist reine Augenwischerei und Kosmetik. Fehlt mal ein Gepäckstück, bleibt uns nichts anderes übrig, als Räucherstäbchen im Tempel anzuzünden und selber weiterzuschauen.
Der junge Busbegleiter ohne Englischkenntnisse, sammelt die Pässe aller Reisenden ein. Warum er unsere Papiere braucht und wann wir sie wieder zurückbekommen – wir haben keinen blassen Schimmer. Wir haben farbige Kopien eingescannt und auf unserer Gratis-Emailadresse abgelegt. Notfalls haben wir Belegmaterial für unsere Botschaft – man weiss ja nie. Ich habe auf früheren Reisen in nächster Nähe mitbekommen, was für Umtriebe entstehen, wenn anderen Reisedokumente abhandenkommen. Und wenn du dann nicht Qualitäts-EidgenosseJ, sondern vielleicht nur einer von 65 Millionen Franzmännern bist - na dann Prost und viel Spass!
Mit zwanzig Minuten Verspätung fährt der Bus ab. Vielliebchen verlangt unsere Pässe zurück. Mit Handzeichen und anderen Verrenkungen versucht der junge Bursche auf freundliche Art verständlich zu machen, dass er die Papiere noch eine Weile behalten muss. Ich bin nicht Hanussen, vermute aber, dass er die Pässe in Globo am Zoll vorweisen will. Na dann, immer zu. Warten wir der Dinge ab, die da noch kommen.
Während der Fahrt werden drei DVDs abgeleiert. Zuerst werden unsere Ohren mit einem vietnamesisches Konzert gemartert, dann folgt ein Karatestreifen von Jacky Chan und dann wieder vietnamesisches Gejaule. Das Gesülze hält eine gute Stunde an. Vielliebchen stöpselt ihre Ohren mit eigenem Sound zu und gönnt sich satten Reggae von Alpha Blondie. Das passt besser zum Traffic. Ich mache auf Kulturverständnis und erdulde das Viet-Geplärre.
Der Bus kämpft sich zur Millionenmetropole raus und hupt kleinere Fahrzeuge und Fussgänger wie die Fliegen weg. Unglaublich wie der Verkehr zugenommen hat, seit ich 1999 das letzte Mal hier war. Das rurale Bild ausserhalb präsentiert sich unverändert wie bei der Anreise von Siem Raep, doch die Gegend ist wesentlich stärker bevölkert und der Verkehr in Folge viel intensiver. Gnadenlos verscheucht unser Busfahrer alles was seinem Fortkommen im Wege steht, ja selbst beim Überholen die korrekt entgegenkommenden Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn; alle müssen auf den Pannenstreifen ausweichen. Ich erhalte langsam den Eindruck, dass solches Verkehrsverhalten nicht nur in Indien, sondern auch hier in Vietnam normal ist. Nach hektischer Fahrt erreichen wir ohne Zwischenhalt um dreizehn Uhr den Grenzort Bavet / Moc Bai. Es bleiben zwanzig Minuten für die Toilette und ein Nudelsüppchen. Ich steige in den falschen Bus und Vielliebchen holt mich wieder raus, als sie von der Toilette zurückkommt und nach mir sucht. Was bin ich für ein Trottel. Wenn ich nicht alleine reise, passe ich viel weniger auf, weil ich auf Vielliebchens Ersatzgedächtnis abstelle.
Dann rollt der Bus zur nahe gelegenen Grenzstation. Jeder erhält seinen Pass zurück und muss beim Zollhaus antreten; der Bus fährt ohne Passagiere, aber mit dem Gepäck auf die vietnamesische Seite. Der Schaffner erteilt drei Minuten umfassende Instruktionen in perfektem Vietnamesisch. Das heitere Raten und Rätseln nimmt seinen weiteren Verlauf. Das ganze Gepäck wird vom Schaffner ausgeladen. Nein, was nenne ich da ausladen, es wird aus der Ladeluke auf die Strasse geschmissen. Jeder Reisende nimmt sich was ihm gefällt, Quittung hin oder her, die interessiert keine Sau mehr. Soll ich jetzt meine Philosophie ändern und mir einen Samsonite Hartschalenkoffer gönnen – wer weiss was da drin ist? Jetzt wäre eine passende Gelegenheit dazuJ. Nee, das wäre Verrat an unserer eigenen Sache. Ich bleibe Backpacker bis ans Ende meiner Tage. Meinen Madden lasse ich sogar in Stein nachmeisseln. Also greife ich manierlich nach den Rucksäcken und wir latschen zum Zollgebäude und reihen uns in die Schlange ein.
Die Pässe mit dem Ausreisestempel hat uns der Schaffner wieder vorher abgenommen und dem vietnamesischen Zollbeamten übergeben.
Dieser ist in guter Laune und es geht zügig voran. Er ruft die betreffenden Leute auf. Bei uns hält er nur die roten Pässe hoch und lässt uns mitsamt dem Gepäck passieren. Grundsätzlich ist die Immigration nach Vietnam unproblematisch, vorausgesetzt, dass man das richtige Visum im Pass hat. Es gibt nämlich Visa, die sind nur gültig für die Einreise By Air. Traveller mit solchen Papieren haben das Nachsehen und müssen wieder umkehren. Der Papagallo in unserem Bus hat vorher recht geflucht, als er schnallte, dass er mit seinem Internet-Visum nur auf dem Luftweg nach Vietnam einreisen darf. "Porca madonna, porco dio“, ich höre ihn noch jetzt. Im Unterschied zum Pauschalreisenden, muss sich der Individualreisende selber informieren und um alles kümmern. Aber das macht ja alles immer so interessant. Bei einem weiteren Checkpoint wird unser Gepäck wie am Flughafen geröntgt – dann sind wir durch. Nachdem der Bus-Unterboden von vietnamesischen Beamten desinfiziert ist, können wir unser Gepäck wieder einladen, Platz nehmen und weiterreisen. Wir sind jetzt im Lande von Onkel Ho. Das Wetter präsentiert sich prächtig. Auf der Anreise nach HCMC war das Reisewetter übrigens nahezu perfekt ohne einen Tropfen Regen; der kam erst um 18.00 nach dem Einchecken.
Im Land der Nudelsuppen
Vier Nationen haben in Vietnam markante Spuren hinterlassen: die Chinesen, die Japaner, die Franzosen, und die Amerikaner. Im Moment drückt eine fünfte Gattung diesem Land ihren Stempel auf, nämlich die Touristen. Es sind keine Gerüchte, dass Touristen in Vietnam ein Schnäppchen machen können. Wer in einen öffentlichen Bus gezwängt durchs Land fährt, wer sich die Haare auf dem Trottoir schneiden lässt, seine Mahlzeiten in Gassenküchen einnimmt, zusammen mit anderen ein Zimmer teilt, bezahlt lächerlich wenig.
"Good evening Vietnaaaaaaam, we're rolling in!" Nach 6 ½ Std. Fahrt hält der Bus am Busbahnhof in Central HCMC, im District 1, ein Stadtteil der heute hochoffiziell immer noch Saigon genannt wird. Als wir in einer langen Kolonne endlich den Bus verlassen, sehen wir unser Gepäck bereits im nassen Dreck darnieder liegen. Es hat gerade leicht geregnet und ein Helfer hat sich grosse Mühe gegeben, die nächstliegende Pfütze für unsere Rucksäcke auszusuchen, um sie rein zuschmeissen. Dass ich laut aufbrülle, vermag diesen elenden Hurensohn nicht zu beeindrucken. In diesem Lande nehmen Menschen nicht stark aufeinander Rücksicht – es sei denn, sie sind miteinander verwandt.
Ein Mann macht sich unaufgefordert bemerkbar und bietet uns seine Fahrdienste an. Für US $ 5 möchte er uns mit seinem Taxi ins Hotel fahren. Ich will den Wagen inspizieren, doch der befindet sich scheinbar an einem anderen Ort parkiert. Die Sache stinkt und ich lasse ihn alleine weiterlaufen. Hartnäckig versucht er seinen Auftrag zu retten, doch ich bin bereits anderweitig beschäftigt, einen günstigen Transport zu organisieren. Vielliebchen bewacht das nasse Gepäck. Nach kurzer Evaluation und Konkurrenzvergleich, lassen wir uns von einem öffentlichen Taxi in 10 Minuten ins nahegelegene Backpackerghetto Pham Ngu Lao, insbesondere in die Travellerstrasse De Tham chauffieren. Das ist die ultimative Anlaufstelle für jeden Budget-Traveller im Lande. Da reiht sich wie in Banglampoo in Bangkok, ein günstiges Hotel an das andere, jede Menge Reiseagenturen verkaufen Billigtouren und unzählige Restaurants warten mit preiswerten Menus auf hungrige Touristen.
Die Fahrt kostet US $ 1 ½. Ich bin nicht überrascht, weiss ich doch von früher, dass Budget-Touristen auch in Vietnam permanent über den Tisch gezogen werden werden. Das ist hier normal und niemand regt sich darüber auf. In der Volksrepublik China ist es übrigens nicht besser. Dort gibt es sogar die Zweipreispolitik. Ich weiss, dass ich in den nächsten vier Wochen um jeden Preis feilschen, jede Preisangabe hinterfragen, niemandem etwas glauben und viel Zeit zur Erzielung preiswerter Dienstleistungen investieren muss. Jede Erstforderung für gekochten Mais, für frittierte Bananen, für eine Frühlingsrolle, für einen Schokoriegel, für jedes Päcklein Klebereis, jedes Essen auf dem Markt, für jedes Hotelzimmer, für jede Rikschkafahrt, etc. muss primär einmal negiert, in den Boden gestampft und neu ausgehandelt werden. Dann folgt ein- bis zweimal Davonlaufen. Erst wenn mir die Verkäuferin nicht mehr nachspringt und mich am Ärmel packt, weiss ich, dass ich den tiefst möglichen Preis erreicht habe. Es verschafft auch Genugtuung und Befriedigung, jede Preisangabe zunichte zu machen, den Leuten zu zeigen, dass man nicht so leicht übers Ohr zu hauen ist.
Als wichtigste Spielregel bei Preisverhandlungen ist zu beachten, dass man immer freundlich bleibt, die Leute nie beleidigt, niemals brüllt, sondern die Verhandlung gelassen und cool angeht. Wer reist wie wir, braucht dicke Haut und wesentlich mehr Zeit als andere Traveller. Diese Voraussetzungen können wir erfüllen. Anders ist es, wer in einem höheren Preissegment oder in einer Packagetour reist, bereits zuhause gebucht und bezahlt hat. Solche Leute entrichten unvergleichbar mehr für ihre Vietnamreise und bekommen von den tatsächlichen Verhältnissen und der Mentalität weniger mit. Mit aufgesetztem Filter und Blende werden sie auf ausgetretenen touristischen Trampelpfaden durchs Land geschleust. Als Gipfel der Unverfrorenheit, reisst man ihnen zusätzlich noch Trinkgelder aus, auf welche die Fremdenführer vorgeben Anspruch zu haben; etwas das es im sozialistischen Vietnam eigentlich gar nicht gibt.
Mit unserem Gepäck laufen wir die ganze De Tham ab, bis zum Platz, in welchem ich vor Jahren das letzte Mal abgestiegen bin. Das Hotel steht noch. Vielliebchen wünscht sich ein besseres Zimmer, wenn möglich mit etwas Tageslicht, warmem Wasser und einer funktionierenden Toilettenspühlung. Grosszügig wie ich bin, gebe ich ihrem Begehren statt und sie übernimmt gleich den Preis- und Zimmercheck; ich bleibe unten auf der Strasse und bewache das Gepäck. Eine alte Frau kommt hinzu und informiert mich in verständlichem Englisch, dass die Zimmer im neu renovierten Hotel auf der gegenüberliegenden Strassenseite auch nur US $ 30 kosten, das Frühstück aber sogar inbegriffen sei. In der Tat erweist sich der Tipp als brauchbar, als Vielliebchen auch dieses Hotel umfassend observiert.
Ein Coolie schleppt das Gepäck aufs Zimmer, wir beziehen Quartier und stellen das Vietnamprogramm auf die Beine. Unser Zimmer ist tatsächlich etwas besser als in Phnom Penh und hat sogar ein vergittertes Fenster. Da fühlen wir uns sicher und müssen keine Angst haben, dass uns jemand die schmutzige Unterwäsche klaut. Die alte Frau bekommt einen Dollar bar auf die Kralle und alle sind zufrieden. Saigon, wir sind da! Pitcairn
Ein Schuttlebus holt uns mit 20 Minuten Verspätung im Gästehaus ab, um uns zum Überlandbus der Sapaco Tourist Company zu bringen. Es handelt sich um eine Gratisdienstleistung der Busfirma. Wir sind froh, aus der Kaschemme rauszukommen, obschon das Zimmer noch lange nicht das schlechteste in unserem gemeinsamen Reiseleben war.
Ich führe seit 40 Jahren eine Rubrik über Mängel und Unzulänglichkeiten von Unterkünften rund um den Globus; früher wars ein Ordner, heute ist es ein elektronisches Datenregister. Irgend wann werde ich ein Buch darüber schreiben. Unglaublich, was mir in dieser Hinsicht schon widerfahren ist. Das geht auf keine Kuhhaut mehr.
Ich habe mich vor der Abfahrt in der Zentrale nach dem Verbleiben des Abholdienstes erkundigt. Der grosse Bus nach HCMC wird in zehn Minuten abfahren. Als der Shuttlebus endlich eintrifft, ist der Fahrer derart in Eile, dass er am Steuer klebt und nicht aussteigt. Wir müssen selber besorgt sein, die Schiebetüre zu öffnen und die schweren Rucksäcke einzuladen; in Asien sehr ungewöhnlich, da normalerweise immer Coolies zur Verfügung stehen.
Der Schiebetür ist nicht richtig geschlossen und geht während der Aufholjagdt ständig auf und zu. Wir rufen den Fahrer, doch der will nicht hören. Wir halten das Gepäck, damit es in den Linkskurven nicht rausfliegt. Nachdem ein Mopedfahrer dem Gehupe nicht ausweicht, macht der Fahrer gezwungenermassen eine Vollbremsung und die nach vorne gleitende Schiebetüre fällt ins Schloss. Ein paar Minuten nach Fahrplanzeit halten wir hinter dem wartenden Reisebus. Der Schaffner hetzt herbei, übernimmt das Gepäck, verstaut es im Laderaum und händigt uns sogar eine Quittung aus. Wir nehmen im Bus Platz und achten von oben auf die Ladeluke, die in den kommenden fünfzehn Minuten noch ein paar Mal geöffnet und geschlossen wird. Der Quittung messen wir keine Bedeutung bei, denn das ist reine Augenwischerei und Kosmetik. Fehlt mal ein Gepäckstück, bleibt uns nichts anderes übrig, als Räucherstäbchen im Tempel anzuzünden und selber weiterzuschauen.
Der junge Busbegleiter ohne Englischkenntnisse, sammelt die Pässe aller Reisenden ein. Warum er unsere Papiere braucht und wann wir sie wieder zurückbekommen – wir haben keinen blassen Schimmer. Wir haben farbige Kopien eingescannt und auf unserer Gratis-Emailadresse abgelegt. Notfalls haben wir Belegmaterial für unsere Botschaft – man weiss ja nie. Ich habe auf früheren Reisen in nächster Nähe mitbekommen, was für Umtriebe entstehen, wenn anderen Reisedokumente abhandenkommen. Und wenn du dann nicht Qualitäts-EidgenosseJ, sondern vielleicht nur einer von 65 Millionen Franzmännern bist - na dann Prost und viel Spass!
Mit zwanzig Minuten Verspätung fährt der Bus ab. Vielliebchen verlangt unsere Pässe zurück. Mit Handzeichen und anderen Verrenkungen versucht der junge Bursche auf freundliche Art verständlich zu machen, dass er die Papiere noch eine Weile behalten muss. Ich bin nicht Hanussen, vermute aber, dass er die Pässe in Globo am Zoll vorweisen will. Na dann, immer zu. Warten wir der Dinge ab, die da noch kommen.
Während der Fahrt werden drei DVDs abgeleiert. Zuerst werden unsere Ohren mit einem vietnamesisches Konzert gemartert, dann folgt ein Karatestreifen von Jacky Chan und dann wieder vietnamesisches Gejaule. Das Gesülze hält eine gute Stunde an. Vielliebchen stöpselt ihre Ohren mit eigenem Sound zu und gönnt sich satten Reggae von Alpha Blondie. Das passt besser zum Traffic. Ich mache auf Kulturverständnis und erdulde das Viet-Geplärre.
Der Bus kämpft sich zur Millionenmetropole raus und hupt kleinere Fahrzeuge und Fussgänger wie die Fliegen weg. Unglaublich wie der Verkehr zugenommen hat, seit ich 1999 das letzte Mal hier war. Das rurale Bild ausserhalb präsentiert sich unverändert wie bei der Anreise von Siem Raep, doch die Gegend ist wesentlich stärker bevölkert und der Verkehr in Folge viel intensiver. Gnadenlos verscheucht unser Busfahrer alles was seinem Fortkommen im Wege steht, ja selbst beim Überholen die korrekt entgegenkommenden Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn; alle müssen auf den Pannenstreifen ausweichen. Ich erhalte langsam den Eindruck, dass solches Verkehrsverhalten nicht nur in Indien, sondern auch hier in Vietnam normal ist. Nach hektischer Fahrt erreichen wir ohne Zwischenhalt um dreizehn Uhr den Grenzort Bavet / Moc Bai. Es bleiben zwanzig Minuten für die Toilette und ein Nudelsüppchen. Ich steige in den falschen Bus und Vielliebchen holt mich wieder raus, als sie von der Toilette zurückkommt und nach mir sucht. Was bin ich für ein Trottel. Wenn ich nicht alleine reise, passe ich viel weniger auf, weil ich auf Vielliebchens Ersatzgedächtnis abstelle.
Dann rollt der Bus zur nahe gelegenen Grenzstation. Jeder erhält seinen Pass zurück und muss beim Zollhaus antreten; der Bus fährt ohne Passagiere, aber mit dem Gepäck auf die vietnamesische Seite. Der Schaffner erteilt drei Minuten umfassende Instruktionen in perfektem Vietnamesisch. Das heitere Raten und Rätseln nimmt seinen weiteren Verlauf. Das ganze Gepäck wird vom Schaffner ausgeladen. Nein, was nenne ich da ausladen, es wird aus der Ladeluke auf die Strasse geschmissen. Jeder Reisende nimmt sich was ihm gefällt, Quittung hin oder her, die interessiert keine Sau mehr. Soll ich jetzt meine Philosophie ändern und mir einen Samsonite Hartschalenkoffer gönnen – wer weiss was da drin ist? Jetzt wäre eine passende Gelegenheit dazuJ. Nee, das wäre Verrat an unserer eigenen Sache. Ich bleibe Backpacker bis ans Ende meiner Tage. Meinen Madden lasse ich sogar in Stein nachmeisseln. Also greife ich manierlich nach den Rucksäcken und wir latschen zum Zollgebäude und reihen uns in die Schlange ein.
Die Pässe mit dem Ausreisestempel hat uns der Schaffner wieder vorher abgenommen und dem vietnamesischen Zollbeamten übergeben.
Dieser ist in guter Laune und es geht zügig voran. Er ruft die betreffenden Leute auf. Bei uns hält er nur die roten Pässe hoch und lässt uns mitsamt dem Gepäck passieren. Grundsätzlich ist die Immigration nach Vietnam unproblematisch, vorausgesetzt, dass man das richtige Visum im Pass hat. Es gibt nämlich Visa, die sind nur gültig für die Einreise By Air. Traveller mit solchen Papieren haben das Nachsehen und müssen wieder umkehren. Der Papagallo in unserem Bus hat vorher recht geflucht, als er schnallte, dass er mit seinem Internet-Visum nur auf dem Luftweg nach Vietnam einreisen darf. "Porca madonna, porco dio“, ich höre ihn noch jetzt. Im Unterschied zum Pauschalreisenden, muss sich der Individualreisende selber informieren und um alles kümmern. Aber das macht ja alles immer so interessant. Bei einem weiteren Checkpoint wird unser Gepäck wie am Flughafen geröntgt – dann sind wir durch. Nachdem der Bus-Unterboden von vietnamesischen Beamten desinfiziert ist, können wir unser Gepäck wieder einladen, Platz nehmen und weiterreisen. Wir sind jetzt im Lande von Onkel Ho. Das Wetter präsentiert sich prächtig. Auf der Anreise nach HCMC war das Reisewetter übrigens nahezu perfekt ohne einen Tropfen Regen; der kam erst um 18.00 nach dem Einchecken.
Im Land der Nudelsuppen
Vier Nationen haben in Vietnam markante Spuren hinterlassen: die Chinesen, die Japaner, die Franzosen, und die Amerikaner. Im Moment drückt eine fünfte Gattung diesem Land ihren Stempel auf, nämlich die Touristen. Es sind keine Gerüchte, dass Touristen in Vietnam ein Schnäppchen machen können. Wer in einen öffentlichen Bus gezwängt durchs Land fährt, wer sich die Haare auf dem Trottoir schneiden lässt, seine Mahlzeiten in Gassenküchen einnimmt, zusammen mit anderen ein Zimmer teilt, bezahlt lächerlich wenig.
"Good evening Vietnaaaaaaam, we're rolling in!" Nach 6 ½ Std. Fahrt hält der Bus am Busbahnhof in Central HCMC, im District 1, ein Stadtteil der heute hochoffiziell immer noch Saigon genannt wird. Als wir in einer langen Kolonne endlich den Bus verlassen, sehen wir unser Gepäck bereits im nassen Dreck darnieder liegen. Es hat gerade leicht geregnet und ein Helfer hat sich grosse Mühe gegeben, die nächstliegende Pfütze für unsere Rucksäcke auszusuchen, um sie rein zuschmeissen. Dass ich laut aufbrülle, vermag diesen elenden Hurensohn nicht zu beeindrucken. In diesem Lande nehmen Menschen nicht stark aufeinander Rücksicht – es sei denn, sie sind miteinander verwandt.
Ein Mann macht sich unaufgefordert bemerkbar und bietet uns seine Fahrdienste an. Für US $ 5 möchte er uns mit seinem Taxi ins Hotel fahren. Ich will den Wagen inspizieren, doch der befindet sich scheinbar an einem anderen Ort parkiert. Die Sache stinkt und ich lasse ihn alleine weiterlaufen. Hartnäckig versucht er seinen Auftrag zu retten, doch ich bin bereits anderweitig beschäftigt, einen günstigen Transport zu organisieren. Vielliebchen bewacht das nasse Gepäck. Nach kurzer Evaluation und Konkurrenzvergleich, lassen wir uns von einem öffentlichen Taxi in 10 Minuten ins nahegelegene Backpackerghetto Pham Ngu Lao, insbesondere in die Travellerstrasse De Tham chauffieren. Das ist die ultimative Anlaufstelle für jeden Budget-Traveller im Lande. Da reiht sich wie in Banglampoo in Bangkok, ein günstiges Hotel an das andere, jede Menge Reiseagenturen verkaufen Billigtouren und unzählige Restaurants warten mit preiswerten Menus auf hungrige Touristen.
Die Fahrt kostet US $ 1 ½. Ich bin nicht überrascht, weiss ich doch von früher, dass Budget-Touristen auch in Vietnam permanent über den Tisch gezogen werden werden. Das ist hier normal und niemand regt sich darüber auf. In der Volksrepublik China ist es übrigens nicht besser. Dort gibt es sogar die Zweipreispolitik. Ich weiss, dass ich in den nächsten vier Wochen um jeden Preis feilschen, jede Preisangabe hinterfragen, niemandem etwas glauben und viel Zeit zur Erzielung preiswerter Dienstleistungen investieren muss. Jede Erstforderung für gekochten Mais, für frittierte Bananen, für eine Frühlingsrolle, für einen Schokoriegel, für jedes Päcklein Klebereis, jedes Essen auf dem Markt, für jedes Hotelzimmer, für jede Rikschkafahrt, etc. muss primär einmal negiert, in den Boden gestampft und neu ausgehandelt werden. Dann folgt ein- bis zweimal Davonlaufen. Erst wenn mir die Verkäuferin nicht mehr nachspringt und mich am Ärmel packt, weiss ich, dass ich den tiefst möglichen Preis erreicht habe. Es verschafft auch Genugtuung und Befriedigung, jede Preisangabe zunichte zu machen, den Leuten zu zeigen, dass man nicht so leicht übers Ohr zu hauen ist.
Als wichtigste Spielregel bei Preisverhandlungen ist zu beachten, dass man immer freundlich bleibt, die Leute nie beleidigt, niemals brüllt, sondern die Verhandlung gelassen und cool angeht. Wer reist wie wir, braucht dicke Haut und wesentlich mehr Zeit als andere Traveller. Diese Voraussetzungen können wir erfüllen. Anders ist es, wer in einem höheren Preissegment oder in einer Packagetour reist, bereits zuhause gebucht und bezahlt hat. Solche Leute entrichten unvergleichbar mehr für ihre Vietnamreise und bekommen von den tatsächlichen Verhältnissen und der Mentalität weniger mit. Mit aufgesetztem Filter und Blende werden sie auf ausgetretenen touristischen Trampelpfaden durchs Land geschleust. Als Gipfel der Unverfrorenheit, reisst man ihnen zusätzlich noch Trinkgelder aus, auf welche die Fremdenführer vorgeben Anspruch zu haben; etwas das es im sozialistischen Vietnam eigentlich gar nicht gibt.
Mit unserem Gepäck laufen wir die ganze De Tham ab, bis zum Platz, in welchem ich vor Jahren das letzte Mal abgestiegen bin. Das Hotel steht noch. Vielliebchen wünscht sich ein besseres Zimmer, wenn möglich mit etwas Tageslicht, warmem Wasser und einer funktionierenden Toilettenspühlung. Grosszügig wie ich bin, gebe ich ihrem Begehren statt und sie übernimmt gleich den Preis- und Zimmercheck; ich bleibe unten auf der Strasse und bewache das Gepäck. Eine alte Frau kommt hinzu und informiert mich in verständlichem Englisch, dass die Zimmer im neu renovierten Hotel auf der gegenüberliegenden Strassenseite auch nur US $ 30 kosten, das Frühstück aber sogar inbegriffen sei. In der Tat erweist sich der Tipp als brauchbar, als Vielliebchen auch dieses Hotel umfassend observiert.
Ein Coolie schleppt das Gepäck aufs Zimmer, wir beziehen Quartier und stellen das Vietnamprogramm auf die Beine. Unser Zimmer ist tatsächlich etwas besser als in Phnom Penh und hat sogar ein vergittertes Fenster. Da fühlen wir uns sicher und müssen keine Angst haben, dass uns jemand die schmutzige Unterwäsche klaut. Die alte Frau bekommt einen Dollar bar auf die Kralle und alle sind zufrieden. Saigon, wir sind da! Pitcairn
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