Pitcairns Reise 2012 - Teil 38 - Vietnam: Hanoi

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Hanoi Cyclo-Mania (Intro)
Im leicht abfallenden Gelände vom alten Dang Xuan Market bis runter zum Hoan-Kiem-See steigen unsere beiden Cyclo-Driver voll in die Pedale. In diesen Vornesitzern findet ganz grosses Breitleinwand-Kino live statt, wie in einem überdimensionalen Imax-Theater. Wir befinden uns in zwei Fahrrad-Rikschas auf einem spektakulären Echtzeitride und flitzen im Zickzack durch die engen 36 Gassen des Old-Quater. Ständig findet ein Challenge zwischen den unzähligen Scootern und unseren antiquierten Vehikeln statt. Doch unsere Beinmuskel-Männer ohne Motor lassen sich nicht beeindrucken, wir treiben sie emotionell an und sie bleiben voll im Speed. Nur in seltenen Fällen sind Bremsmanöver unumgänglich, um eine Kollision zu verhindern. Die Bremse am Cyclo ist unter dem Sitz des Cyclo-Pousse angebracht und wirkt via Seilzug auf einen Metallstreifen, der die hintere Radnabe malträtiert. Wir fahren vorbei an Bia Hoi Kneipen, Cafes und Suppenküchen. In jeder Strasse ist eine andere Zunft präsent. Wir passieren Korbflechter, Barbiere, Schmiede, Lackarbeiter, Bambusleiter-Hersteller, Seilmacher, Segelmacher und auch Sargmacher.

Auf dem entgegenkommenden Roller mit fünfköpfiger Familie hat selbst noch quer eine Rolle Teppich auf den Gepäckträger Platz gefunden. Das Gefährt nimmt die Fahrbahn in voller Breite in Anspruch und unsere Cyclos müssen auf den Bürgersteig ausweichen. Fast hätten wir eine kleine Garküche abrasiert. Nur mit Mühe können unsere Fahrer der Fliehkraft begegnen und die Tretmühlen vor einem grossen Suppentopf zum Stehen bringen. Doch unsere Männer mit ihren dünnen Waden steigen in die Pedale und nehmen erneut Fahrt auf - unser Emotion-Ride geht weiter; die Räder glitzern in der Sonne wie Peter Fondas Harley-Chopper im Kultstreifen Easy Rider. Plötzlich steigt ein entgegenkommender rollender Korbladen in den Combat, der sich beim näheren Approach als überbeladenes Lasten-Fahrrad entpuppt. Aus all den Körben schaut ein kleiner Kopf mit Reisstrohhut heraus. Im Westen müsste man für diese Warenmenge einen Kleinlaster mieten.

Bummeln oder Flanieren ist hier die reinste Tortur. Im unglaublichen Gewühl dieser Gassen gibt es keinen Platz für Fussgänger. Die Bürgersteige sind von Verkäufern, Geschäften, mobilen Suppenküchen belegt, und parallel zum Verkehr können Fussgänger nicht laufen. Zum Glück behindern hier noch keine Ampeln den Verkehr und wenn, würden sie unsere Pedalmänner nicht beachten. Kreativität, Cleverness und Muskelkraft ist hier beim Velofahren gefragt und keine Kenntnisse sinnloser Verkehrsvorschriften. Wir geniessen diese Nostalgiefahrt in vollen Zügen, ist es doch mit Sicherheit für Touristen die spannendste Art, auf hohem Stahlross, den Arsch auf einer gepolsterten Sitzbank, die Altstadt in prickelnder Zeitraffe zu erleben. Die Dreiradbikes überzeugen durch gestreckte Sitzposition, direktem Handling, dämpfender Hartfront und hoher Laufruhe. Mit Burning Gears erreichen wir die Zielgerade auf der Hang Dao und es kommt zur Härteprobe zwischen den Teams Pitcairn und Vielliebchen. Auf den letzten Metern dieser Zweier-Meisterschaft greift das durchtriebene Frauenzimmer mit ihrem Fahrer auf allerletzte Kraftreserven zurück und schiebt sich furios, wie mit einem Dragster-Nachbrenner vor Pitcairn, bevor sie vor dem Kentucky Fried Chicken ein Vollbrems-Manöver einleitet. In diesem Auftaktrennen übernimmt Vielliebchen definitiv die Spitzenposition und gewinnt in der Gesamtwertung souverän mit drei Metern Vorsprung vor Pitcairn.

Honeymoon-Zimmer in Hanoi
Im Osten geht die Sonne auf, im Süden ist ihr Mittagslauf, im Westen wird sie untergeh'n, im Norden ist sie nicht zu seh'n, besagt ein alter phylosophischer Rülpser.
Ein neuer Bilderbuchtag hat sich über Hanoi angemeldet. Ich öffne die Flügeltüre zum Balkon und Blicke auf die 1886 errichtete neogotische Kathedrale St. Joseph. Es ist Sonntag, ich höre Glockengeläut und Chorgesang. Beim Zimmerservice bestelle ich Breakfast. Es dauert keine zehn Minuten und da klopfen zwei junge Kellnerburschen mit vollen Tablettes an unsere Zimmertüre. Da fehlt nichts, was ein heimatloses Westherz morgens um acht Uhr in der Fremde begehrt: Bohnenkaffee, frisch gepresser Orangensaft, knusprige Baguettes, französische Butter, Schmelzkäse von La vache qui rit, Marmelade und Spiegeleier mit Schinken. Wir setzen uns auf die Rattanstühle auf dem Balkon und geniessen den jungen Tag.

Gestern mussten wir noch ein paar Hürden überwinden. Eigentlich war geplant, für die Reise von Hue nach Hanoi den Zug zu nehmen, doch wir entschieden uns für die Variante Flugzeug. Der Landweg ist mir bekannt und so konnte ich mich mit der Komfortvariante abfinden, zumal wir along the way nicht anzuhalten gedachten. Unser Zeitbudget für Hanoi mit Tagesausflügen beträgt ungefähr eine Woche, je nach Weiterreisemöglichkeit. Auf drei Tage mehr oder weniger kommt es uns nicht an. Bei einem längeren stationären Aufenthalt, ist uns ein freundliches Hotelzimmer an guter Lage wichtig.

Mit unserer Internet-Hotelreservation bei der Ankunft waren wir ausnahmsweise einmal nicht zufrieden. Das Zimmer war akzeptabel, jedoch alt und dunkel und nichts für einen Longterm Stay. Wir deponierten das Gepäck im Zimmer und gingen auf die Suche nach einer besseren Bleibe. Die Hotelbesitzerin wurde zu einer wahren Furie, als wir mit dem Gepäck wieder nach unten kamen und den Schlüssel auf die Theke legten. Sie verlangte, dass wir für die reservierten Tage zuerst bezahlen und holte männliche Verstärkung. Doch da war bei mir nichts zu machen. Zwei unterernährte Vietnamesen vermögen mich nicht heftig zu beeindrucken. Auch ich hatte wohlweislich Verstärkung mit dabei, nämlich die Träger aus dem neuen Boutiquehotel. Diskussionslos nahmen sie all unser Gepäck und machten sich mit Vielliebchen kommentarlos davon. Aus taktischen Gründen forderte ich sogar die 10% Anzahlung zurück, die ich natürlich ans Bein streichen musste. So wurden wir um US $ 7.50 zurückgesetzt – damit konnten wir leben und die Furie hatte ein ganz kleines Erfolgserlebnis. Ich schob die Leute beiseite und schritt mit böser Mine demonstrativ und unbeirrt hinaus.

Das neue Hotel lag nur gleich um die Ecke. Für sage und schreibe US $ 35.-- inkl. westlichem Frühstück, haben wir das Honeymoon-Zimmer mit einem runden Bett und einem gläsernen Bad gekriegt. Ich fühlte mich wie ein zwanzigjähriger Bräutigam bei der Erstvermählung. Vielliebchen hat aber vergessen, ihren weissen Schleier für die Reise einzupacken. Das hätte sie doch wissen müssen, dass jeder anständige Backpacker sein Hochzeitkleid immer im Rucksack hat. Ach ja, diese Frauen – immer vergessen sie etwas
J
! Sensationell, selbst Rattanstühle hat es hier auf dem Balkon im 5. Stock und wir sehen direkt auf die Kathedrale und die Dächer unseres Altstadtquartiers. Für uns Backpacker ein selten gekannter Luxus.

Andere Zeiten
Wenn mich jemand fragt, was man als Standard-Tourist auf einer Vietnam-Reise keinesfalls verpassen sollte, kommen mir drei Highlights in den Sinn. Erstens das Mekong-Delta, zweitens das historische Städtchen Hoi An und Drittens eine Fahrt mit einer Fahrrad-Rikscha durch die Altstadt von Hanoi. Der Strassenverkehr Hanois war bis in die frühen neunziger Jahre mehrheitlich durch Fahrräder geprägt. Ein richtiger Messie findet in seinen verstaubten Vietnam-Reisehandbüchern Hanoi noch als Fahrradmekka beschrieben. Doch times are changing. Unterdessen verfügt nahezu jeder Haushalt über einen Scooter.

Die private Massenmotorisierung inklusive Expansion des motorisierten Transportwesens, bringt die traditionelle Berufsgruppe der Cyclofahrer in arge Bedrängnis. Trotzdem gehören die Fahrrad-Rikschas heutzutage noch genauso zum Bild der Altstadt wie die unzähligen Suppenküchen. Die von alleiniger Körperkraft betriebenen Fahrzeuge gibt es schon seit hundertzwanzig Jahren. Die ersten Cyclos importierten clevere französische Privatleute; die handgezogenen Rikschas wurden abgelöst. Innerhalb von dreissig Jahren ist die Anzahl hier in der Stadt von 8'000 auf 2'000 gesunken. Doch die Verdrängung von Cyclos ist in Vietnam keine Einzelerscheinung. Im Zuge des Fortschritts und der damit einhergehenden Motorisierung, verschwinden Cyclos aus allen Grossstädten Südostasiens. Diese, von reiner Menschenkraft angetriebenen Fahrzeugen, gibt es in Asien in verschiedenen Versionen. So können Passagiere mit dem Fahrer Rücken an Rücken, nebeneinander hinter dem Fahrer oder wie hier in Hanoi, vorne Platz nehmen. Die Rikschas in Hanoi sind derart eng gebaut, dass bestenfalls nur zwei Einheimische oder zwei Vertreter der Welthungerhilfe nebeneinander sitzen können.

Aus dem Strassenbild Hanois sind die Cyclos noch nicht ganz wegzudenken. Es obliegt primär der Politik, gegen die weitere Dezimierung etwas zu unternehmen. Im Einklang mit politischen Entscheidungen, müsste die Sperrung des motorisierten Privatverkehrs in den verwinkelten Gassen der Altstadt stehen.
Doch wir haben uns seinerzeit auch damit abfinden müssen, dass es in den Städten des Westens - von nostalgischen Besonderheiten einmal abgesehen - seit sechzig Jahren keine Pferdefuhrwerke in grosser Anzahl mehr gibt. Es würde sehr überraschen, wenn ein sozialistisches Regime plötzlich eine grüne Verkehrspolitik verfolgen würde. Es gibt andere, übergeordnete Prioritäten. In Asien lebt man von der Hand in den Mund. Der Fokus ist auf grössere Probleme mit höherer Priorität ausgerichtet. Politik basiert hier nicht auf langfristigem Denken. Es ist wie mit dem Singapore der 70er-Jahre. Wer damals nicht dort war, hat die historische Change-Alley, die Buggie-Street und das alte Chinesenviertel für immer verpasst. Was solls. Nur keine Sentimentalitäten. So ist das Leben halt. Weiter gehts!

Die Städte haben heute Anderes, auch Interessantes zu bieten. Nach einer angemessenen Pause, laufen wir trotz widrigen Verkehrsverhältnissen, die Altstadt in dosierten Etappen, an verschiedenen Tagen zu Fuss ab. Nur so ergibt sich die Möglichkeit zu beobachten, zu fotografieren.
Gelegenheit zu einem entspannten Altstadtbummel ohne Verkehr, bietet einzig der Nachtmarkt. Erholsame Atmosphäre tagsüber mit Postkartenaussicht, bietet das schöne Terrassen-Restaurant am Hoan-Kiem-See.


Pizza & Pomelo-Meerfrüchtesalat
Ein neuer Tag, neue Erlebnisse, neue Herausforderungen in Downtown Hanoi.
Im nahe gelegenen Sinh Cafe Travel buchen wir unsere Halongbay-Tour. Nun können wir betreffend Hotelübernachtungen zeitlich besser disponieren und den Rückflug per Internet buchen. Unser Hotel ist in allerbester zentraler Lage in der Altstadt und wir befinden uns mitten im Kuchen, wenn wir auf die Strasse hinaus treten. Gleich umringen uns drei Cyclofahrer, die auf Fahrgäste spekulieren, doch wir wehren ab.

Wir kämpfen uns zu Fuss durch den Altstadtverkehr und suchen weiter nach fehlenden DVDs. Unsere Sammlung ist noch nicht ganz komplett. Unterwegs essen wir im oberen Stadtteil eine Nudelsuppe, in Vietnam Pho genannt. Es ist eine unglaubliche Anstrengung, den Leuten klarzumachen, dass wir auch etwas zu trinken möchten. Cola-Cola Light versteht niemand und wir erhalten zwei lauwarme Coca-Cola Classic. Ich möchte noch eine Flasche Mineralwasser, um das zu süsse Cola zu verdünnen. Es dauert wiederum eine Weile, bis wir jemanden finden, der unsere westliche Logik begreift. Auch Lonely Planet lässt uns ausnahmsweise im Stich. Über das Essen gibt es kein Kapitel im Conversation & Essentials; ich kann nicht fassen. Ich mache den Kellner auf die eklige haarige Spinne am Stamm der nebenstehenden Zierpflanze aufmerksam. Der lächelt, fasst sie an den Beinen und will sie in die Küche zum frittieren bringen. Igitt, ich könnte kotzen. Wir haben in der Tat weder die gleiche Logik, noch das gleiche Verständnis und schon gar keine gemeinsame Sprachebene. Da ist es in der einzigen christlichen Nation in Asien – den Philippinen – wesentlich einfacher, sich verständlich zu machen.


Auffallend in ganz Vietnam und auch hier in der Altstadt, sind die schmalen Häuser. Wir bringen in Erfahrung, dass früher der Massstab zur Steuererhebung die Häuserbreite war. In der Maximalhöhe mussten sich die Bauten am Königspalast orientieren. Aufgrund dieser Umstände werden Häuser daher umso mehr in die Tiefe gebaut. Das sind längst olle Kamellen, doch die Ordnung wird bis heute beibehalten. Wie in den meisten asiatischen Städten, hängt auch hier über den Strassen ein abenteuerliches Kabelgewirr.

Nach zwei Stunden Altstadt haben wir genug und laufen runter zum Hoan-Kiem-See. Von dort können wir der schönen Promenade entlang zur
pittoresken roten Brücke spazieren, die zum Ngoc-Son-Jadebergtempel führt. Die Brücke ist ein besonders schönes Fotosujet, das seinesgleichen in Hanoi sucht. Die Bewohner nördlich der ehemaligen DMZ empfinden wir als steifer und zurückhaltender. Ihre Englischkenntnisse sind noch geringer, als die der Bevölkerung im Süden. Doch es gibt auch Abweichungen. Bei einer Fotosession kommen wir mit mehreren Vietnamesinnen ins Gespräch. Eine hat gehört, dass wir uns auf Hochdeutsch unterhalten und hat mit Vielliebchen Kontakt aufgenommen. Sie studiert in Hanoi Sprachen und freut sich, Deutsch zu sprechen.

Am späteren Nachmittag gönnen wir uns zwei Stunden Pause im Hotel. Wir ziehen den Film Hamburger Hill auf DVD über den Vietnamkrieg rein. Um zwanzig Uhr gehts wieder raus. Unser Ziel ist das Mediterraneo, ein nahegelegenes italienisches Lokal, das hier unbestritten in der Major League spielt. Ich kann die Reisnudelsuppen im Moment nicht mehr sehen und brauche etwas Europäisches zwischen die Beisser. Meine Pizzabestellung inspiriert mich zu einem Gespräch mit dem italienischen Gastwirt, denn er hat einen woodfired Oven in Funktion. Er fängt sofort Feuer, als ich ihm über meine Pizzaplattform auf den Philippinen berichte und dass ich nun auf der Suche nach geeignetem Material für einen vergleichbaren Backofen sei.

Ich stelle sofort fest, der Mann macht keinen Job, nein er ist dazu berufen. Am Beispiel der Sixtinischen Kapelle, erklärt er mir die Grundprinzipien für den Pizza-Ofenbau; und zwar authentisch, anschaulich und verständlich. Die Kuppel, ohne Zement ist fertig, wenn der letzte konische Stein an höchster Stelle eingesetzt ist. Benötigt wird besonderes Baumaterial wie zum Beispiel Schamottesteine. Falsche Baustoffe können den Geschmack der Pizza nachteilig beeinträchtigen. Am einfachsten sei, rät er mir, das Material aus Italien zu importieren. Dann kommt eine Hitze-Isolierung drauf und das Ganze wird mit rot-braun gefärbtem Zement zugepflastert. Eine Ofentüre ist nicht zwingend und ein Ventilator unnötig. Nun weiss ich, dass die fachgerechte Bildung eines Pizzaofens eine besondere Wissenschaft ist. Umso mehr Grund, mich in dieses neue Projekt einzudenken. Ein Materialimport aus Europa ist aus Kostengründen nicht opportun. Ich baue den Ofen nur für den Privatgebrauch und kann die Ausgaben nicht amortisieren. Mit Tandoor-Material sollte es auch gehen, schliesslich erreichen die Öfen in Indien über 300° Hitze. Allenfalls ziehe ich einen Import aus Indien in Betracht. Mal sehen. Im Februar 2013 bin ich ohnehin an der Kumbh Mela, dem grössten Pilgertreffen der Welt, nicht weit von Varanasi, welches alle 13 Jahre stattfindet (Bericht für Forum geplant).

Ich gehe mit betriebswirtschaftlichem Wissen in Projektmanagement weiter vor: Zielsetzung, Zeitpunkt der Umsetzung, Materialbedarf, Zeitpunkt und Ort Materialanlieferung, Ausführung durch … unter Kontrolle Pitcairn, Schätzung Arbeitsaufwand, Budget Material und Arbeit, Besonders zu beachten, Arbeitsablauf, Projektkontrolle eröffnen, Meilensteine definieren, Deadline für erste selbstgebackene Pizza festlegen. Oh, ich bin wieder im Element! Die Projektumsetzung wird genauso Spass machen wie das Pizzaessen.
Vielliebchen gönnt sich importiertes Angus-Beef aus Australien. Auf der Speisekarte entdecke ich ein kulinarisches Novum aus der manipulierten Cuisine Franco-Indochine: Pomelo-Meerfrüchtesalat. Der Mampf überzeugt derart, dass ich das Rezept zuhause wiederhole. Essen kann jeder, nicht aber geniessen! Hier ist das Rezept für Nachahmer:



Pomelo-Meerfrüchtesalat
Zutaten und Mis en place für 4 Personen
· Fruchtfleisch von 1 Pomelo ohne Haut separiert und gefasert, Kernen entfernt (Ersatzoption 2 Stk. Pink Grapefruits)
· 1 Stängel Zitronengras, hauchdünn, schräg geschnitten
· 200 g mittelgrosse Garnelen geschält, aufgeschnitten, Darm entfernt, in Öl kurz gebraten
· 12 Kalamaresringe in Salzwasser gekocht
· 12 Miesmuscheln in Salzwasser gekocht (Option andere Muscheln)
· Salatsauce: Olivenöl, Balsamico-Essig rot, süssliche Note, Salz, Schwarzer Pfeffer aus der Mühle, etwas Rohrzucker oder Honig
· 4 grosse Salatblätter (Dekoration)





Sandalen-Reparatur
Die Sonne geht wieder auf und der tägliche Combat beginnt von Neuem. Kaum sichtet jemand meine weisse Haut, werde ich innert Sekundenbruchteilen Opfer einer galoppierenden Inflationsrate. Hier wird Rache geübt für alle Schandtaten meiner weissen Rasse. Mit Adleraugen hat der fliegende Schuhflicker erkannt, dass sich die Sohle an meinen Qualitätssandalen an bestimmten Stellen zu lösen beginnt. Kein Wunder, belaste ich meine Treter in einem Jahr mehr und stärker als der Durchschnittstourist seine in zehn Jahren.

Ungefragt kniet sich der Boy nieder, als ich am Fotografieren bin und macht sich an meinen Füssen zu schaffen. Zuerst dachte ich, eine Schwutte hat sich in meine haarigen Beine verguckt und kann sich nicht mehr zurückhalten. Nein – dem ist nicht so, mit Haftleim will er die nassen Sandalen ungefragt flicken. Das kann ja nicht gut gehen, müssen diese doch, wenn überhaupt, zuerst trocken gerieben werden. Der Typ geht mir echt auf den Sack. Ich ziehe meine Latschen weg und stelle die sehr berechtigte Frage "How much i got to pay?“ In Drittweltländern muss in alleroberster Priorität immer die Preisfrage und der Leistungsumfang konkret geregelt werden. Geht es um Transport, Taxi oder Cyclo, muss noch die Anzahl der inbegriffenen Personen zementiert werden. Sonst heisst es dann bei der Ankunft, der Preis gelte nur für eine Person. Hinten rechts musst du dann zweimal hervor machen.

"Up to you!“ kontert der Bengel. Ich bin nicht bedeppert und entreisse ihm meinen Fuss. "Only 15 Dollars, Sir“ kontert er. "Never ever i gonna pay you fifteen bucks. Are you gone crazy?“.
Er versteht kein Wort, deutet aber meine Antwort völlig richtig. "OK, only 10 Dollars“. Im Verlaufe der Diskussion reduziert er auf 5 Dollar, doch das ist immer noch viel zu viel.
Ein Hilfsarbeiter in Vietnam verdient pro Monat US $ 150.--, für sechs Tage Arbeit pro Woche und pro Tag neun Stunden Einsatz, wie zum Beispiel das Zimmermädchen in unserem Hotel. Das sind die effektiven Gegebenheiten in diesem Land. Da machen wir sonst nur das Preisgefüge kaputt und andere unterbemittelten Backpacker haben das Nachsehen. Das dürfen wir Gleichgesinnten nicht antun.

Ich laufe weg und konzentriere mich wieder auf Verschlusszeit, Blendenwert und Weissabgleich. Der Bengel folgt mir, hartnäckig und penetrant und redet immer wieder auf mich ein. Ich gebe ihm unmissverständlich zu verstehen "I’ll pay you just one single Dollar“, den ich aus dem Sack ziehe und ihm vor die Nase halte. Maulend zieht er ab. An der nächsten Strassenecke, bewirbt sich ein anderer Schuhflicker um den Job, der unseren verbalen Schlagabtausch beobachtet hat.
Es ist ihm nicht entgangen, dass auch wir bei Preisdiskussionen verbissen hart sein können und keinerlei Fisimatenten tolerieren. Auf das Angebot, meinen Schuh für einen Dollar zu flicken, tritt er sofort ein. Ich ziehe eine Sandale aus und lasse ihn seinen Job fachmännisch erledigen. Zuerst mit einem Lappen sauber und trocken reiben, dann kleben, eine Minute warten, wieder anziehen. Dann folgt die zweite Sandale nach dem gleichem Prozedere.

Mittlerweile hat sich der maulende Wucherer wieder in die Nähe von uns gesellt und betrachtet auf zehn Meter Distanz argwöhnisch die Arbeit seines Mitbewerbers. Vielliebchen hat ebenfalls Bedarf, ihre billigen Gummilatschen aus den Philippinen auf Vordermann bringen zu lassen. An den Absätzen benötigt sie eine neue Gummiauflage. Wir einigen uns für einen Dollar pro Absatz, denn für sieben Dollar gibt es bereits neue Sandalen auf dem Markt. Ungewollt haben wir einen Triumph errungen, nicht wegen des eingesparten Geldes, sondern um der Prinzipien willen. Das Beispiel zeigt den täglichen Kampf um gerechte Preise für Touristen in Vietnam. In zahlreichen Drittweltländern ist es nicht anders. Vorneweg in China und Indien. Der Tourist ist von morgens früh bis abends spät zum Preiskampf herausgefordert. Wer nicht bereit ist diesen Challenge durchzustehen, zahlt zu viel, bucht besser eine Gruppenreise oder entscheidet sich für eine nervenschonende Donauschifffahrt.

Doch Bequemlichkeit, fehlende Erkenntnislust töten die Inspiration und verhindern die Selbsterfahrung. Nur der Individualtraveller erlebt ein Land authentisch, weiss um die wahren Begebenheiten einer Nation Bescheid und kann die effektive Mentalität der Leute von der Strasse beurteilen. Nichts gegen Profit. Wir leben in einer Welt der Maximierer und der Gewinnoptimierer und das ist gut so, denn das entspricht am ehesten dem menschlichen Wesen – und dem meinen auch. Dabei darf man trotzdem nie vergessen, eine gewisse soziale Komponente zu berücksichtigen. Sozialliberal heisst das Zauberwort. Der Mensch soll für seine Arbeit angemessen bezahlt werden, damit er davon ein Essen kaufen und ein Dach über dem Kopf bezahlen kann. Ein anderes Verhalten ist unmenschlich und ruft lediglich neue soziale Konflikte hervor. Das ist auch Leuten wie mir mit kapitalistischer Einstellung klar. Unterdrückung und die Einheimischen auf Sparflamme halten, ergibt einzig und allein Unruhen. Darum ist die Kolonialpolitik westlicher Länder gescheitert. Haben wir daraus nichts gelernt?

Ich ertappe mich manchmal, dass ich einen Preis gnadenlos herunterdrücke, nur um einem Anbieter zu zeigen, dass ich mich nicht für dumm verkaufen lasse. Nach der Ankunft runde ich dann oft mit einer Zugabe auf den erstgeforderten Preis auf. Wenn Fahrer völlig hoffnungslos überrrissene Preise fordern, wechsle ich zum nächsten, und trete nicht erst auf Verhandlungen ein.
Der zweite weiss dann, dass er mit einem realistischen Angebot beginnen muss, denn er hat seinen gescheiterten Kollegen ins Messer laufen sehen.
Geht es um eine Tagestour, kann man diese auch in einer Gruppe von Taxi- oder Tuktukfahrern ausrufen. Meist ist die gemeinsame Solidarität nicht gross und ein Tiefstbietender kristallisiert sich für den Auftrag heraus. Man merkt schnell einmal, wo die Schmerzgrenze liegt. Ist man nach der Tagestour mit der Dienstleistung zufrieden, rundet man mit entsprechend auf und mietet Fahrer und Fahrzeug anderntags erneut für weitere Exkursionen. Übrigens, der Schuhflicker hat auch das Doppelte als vereinbart erhalten.

Hanoi - Highlights

Einmal abgesehen von der historischen Altstadt, befindet sich hier im Kapitol ein weiterer besuchenswerter Spot, nämlich das Ho-Chi-Minh-Mausoleum mit Museum.
Wer Lenin in Moskau, Mao in Beijing oder Marcos in Batac City verpasst hat, kann hier Versäumtes Nachholen und den mausolisierten aufgebahrten Staatsgründer besichtigen. Er ist 1969 verstorben und hat die Wiedervereinigung nicht mehr erlebt. Das Museum zeigt nicht nur sein Leben und Werk, sondern in typisch sozialistischem Stil auch die Entwicklung, Aufbauleistungen und Errungenschaften des ganzen Landes. Hier kann man die Räume besichtigen, in denen der für persönliche Bescheidenheit bekannte grosse Führer von 1954 bis 1969 lebte, arbeitete und Gedichte schrieb.

Interessant dürfte auch ein Besuch des alten Literaturtempels, verschiedener Museen und historische Häuser in der Altstadt sein.
Speziell hebe ich das Ethnologische Museum hervor; eine Fundgrube für Ethnologiefetischisten und Hobbyexperten, für den Normalbesucher aber eher ermüdend. Zu dem Museum gehört auch eine Openair-Section, in der Häuser, Grabstätten und Skulpturen ausgestellt sind, die man eher in einem Fruchtbarkeitstempel oder in einem Porno-Museum vermuten würde. Auch der bereits erwähnte Hoan-Kiem-See gehört zum touristischen Pflichtprogramm. Er dient als Treffpunkt für Liebespaare, Kartenspieler und Tai-Chi-Praktiker. Auf gepflegten Wegen kann man ihn locker in weniger als einer Stunde umrunden und dabei den in der Mitte gelegenen Schildkrötenturm und den Jadeberg betrachten, während um den See herum der nie endende Verkehr pulsiert. Als Abendunterhaltung ist das Wasserpuppentheater ein lohnender Programmpunkt. Pitcairn




 
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