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Schutz vor den Gläubigern
Am Grossflughafen Suvarnabhumi scheint man sich bereits auf das Undenkbare einzustellen: eine Zukunft ohne Thai Airways. Der Flughafenbetreiber Airports of Thailand hat dieser Tage bei zwei der vier Check-in-Counter Logos und Banner der Airline entfernt und die prominenten Plätze für andere Fluggesellschaften reserviert. Wegen gestrandeter Flugzeuge im Ausland hat Thai Airways derweil eine Reihe von Ländern (darunter die Schweiz) um juristischen Schutz vor Gläubigern gebeten. Und natürlich bangen die 21 000 Mitarbeiter um ihren Job.
Nun sollen sich thailändische Fachleute des Patienten annehmen. Branchenkenner in Bangkok zeigen sich aber skeptisch. Covid-19 hat, erstens, die Luftfahrtbranche fast ganz in die Knie gezwungen. Zweitens gilt die Vorgabe der Regierung, dass maximal 5% der Belegschaft von Thai Airways entlassen werden dürfen. Dass offenbar keine internationalen Experten für den Sanierungsfall beigezogen werden, lässt zudem tief blicken. Ein früherer Ermittler bei der Verfolgung von Korruptionsfällen, Wanchai Roujanavong, verweist in diesem Zusammenhang auf den Haken solch interner Verfahren. Eine tiefgreifende Untersuchung über die Schwachstellen würde eine Pandorabüchse mit Korruptionsfällen öffnen.
Auch in besseren Zeiten nur Verluste
Die prestigeträchtige Thai Airways mit ihren knapp 100 Flugzeugen steht wegen der Covid-19-Krise mit ihren Problemen natürlich nicht allein da. Aber sie war wegen des grossen Anteils ihrer interkontinentalen Strecken und der Bedeutung des Business-Segments stark exponiert. Geschlossene Grenzen und der Zusammenbruch des Tourismus trafen sie entsprechend hart. Die Luftfahrtbranche gehört zu jenen Sektoren, die die Folgen der Covid-19-Krise noch jahrelang spüren dürften und sich auf eine verringerte Nachfrage werden einstellen müssen. Für die vor fünf Jahren gegründete thailändische Billigfluggesellschaft NokScoot ist der Beschluss zur Liquidation bereits gefasst.
Weltweit bleiben derzeit rund 90% aller Passagierflugzeuge am Boden; viele sind in trocken-heisse Wüstengebiete geflogen worden, wo sie ohne Schäden «überwintern» können. Derweil werden selbst renommierte Konzerne wie Singapore Airlines, Japan Airlines, Lufthansa und Cathay Pacific mit milliardenschweren Rettungspaketen über Wasser gehalten. Doch diese Unternehmen geniessen einen exzellenten Ruf, sie gelten als überlebensfähig und dürften nach der Krise irgendwann in die Gewinnzone zurückkehren. Thai Airways dagegen hat selbst in guten Jahren bisher Verluste eingeflogen. 2017 waren es beispielsweise 2 Mrd. Baht (B) und in den beiden Folgejahren gar je 12 Mrd. B.
Korruption und Nähe zur Regierung
Im Fall von Thai Airways sind es nicht nur die chronischen Verluste und die durchzogene Servicequalität, die den Ruf der Gesellschaft in den letzten Jahren ramponiert haben. Die Fluggesellschaft machte regelmässig auch wegen Korruptionsfällen Schlagzeilen. Dazu gehörten etwa dubiose Geschäfte mit dem Triebwerkhersteller Rolls-Royce, Betrügereien mit illegalen Ticketverkäufen sowie Sonderbehandlungen von Mitarbeitern, darunter die Bezahlung von deren Steuerrechnungen und grosszügige Reiseentschädigungen. Stets bezahlte die Zeche der Staat – oder eben der Steuerzahler. Dass lukrative Positionen in der Firma oft an altgediente Politiker oder Generäle verteilt wurden, hat zum zweifelhaften Image beigetragen.
In der thailändischen Bevölkerung ist der Goodwill der Gesellschaft in der Folge stark gesunken. Als die Regierung kürzlich ein Sanierungspaket über 54 Mrd. B vorschlug, ging prompt ein Aufschrei durchs Land. Während in anderen Branchen derzeit Hunderttausende von Arbeitsstellen ohne nennenswerte Kompensationen wegfallen, sollte ausgerechnet das Patronage-System von Thai Airways wieder schadlos gehalten werden. Die Gesellschaft gilt inzwischen als Inbegriff eines landesweit grassierenden Malaises unter Staatsfirmen: Einmischung der Politik in wirtschaftliche Angelegenheiten und Vergabe von Führungsstellen an regierungsnahe Personen.
Vergleich mit Alitalia
Dass die Gesellschaft in den letzten Jahren trotz Standortvorteilen nie auf einen grünen Zweig kam, hängt unter anderem mit dem Aufkommen der Billigfliegerei zusammen. Das indessen traf andere grosse Fluggesellschaften auch. Thai Airways hat darauf nie die richtige Antwort gefunden. Jedenfalls sind Restrukturierungsmassnahmen in den letzten Jahren immer wieder verschleppt worden.
Aufgrund der desolaten Finanzlage hätte letztmals Ende 2019 ein Sanierungsplan greifen sollen; unter dem Druck der Angestelltenverbände und der Gewerkschaften blieb er stecken. Jetzt, da Thailand den Flugverkehr mit Ausnahme einiger Repatriierungsflüge einstellen musste, droht gar das definitive Grounding der Airline. In mancherlei Hinsicht erinnere dieses Schicksal an Alitalia, meinen Kritiker.
Noch ist offen, ob Thai Airways in abgespeckter Form den normalen Flugbetrieb je wieder aufnehmen wird. Vor zwei Wochen liess die Regierung durchblicken, dass man dem Verschwinden der Gesellschaft nicht tatenlos zusehen werde. Mit Chansin Treenuchagron, dem früheren Chef der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft PTT, verfügt die Luftfahrtgesellschaft seit Anfang Juli über einen neuen Präsidenten. Dieser Sesselwechsel deutet auf einen neuen Anlauf zur Reorganisation hin. Ein Königreich mit einem flugbegeisterten Monarchen, jedoch ohne nationale Airline, wäre ja auch schwer vorstellbar. Ohne deutliche Redimensionierung dürfte Thai Airways aber nicht zu retten sein.
Quelle NZZ
Am Grossflughafen Suvarnabhumi scheint man sich bereits auf das Undenkbare einzustellen: eine Zukunft ohne Thai Airways. Der Flughafenbetreiber Airports of Thailand hat dieser Tage bei zwei der vier Check-in-Counter Logos und Banner der Airline entfernt und die prominenten Plätze für andere Fluggesellschaften reserviert. Wegen gestrandeter Flugzeuge im Ausland hat Thai Airways derweil eine Reihe von Ländern (darunter die Schweiz) um juristischen Schutz vor Gläubigern gebeten. Und natürlich bangen die 21 000 Mitarbeiter um ihren Job.
Nun sollen sich thailändische Fachleute des Patienten annehmen. Branchenkenner in Bangkok zeigen sich aber skeptisch. Covid-19 hat, erstens, die Luftfahrtbranche fast ganz in die Knie gezwungen. Zweitens gilt die Vorgabe der Regierung, dass maximal 5% der Belegschaft von Thai Airways entlassen werden dürfen. Dass offenbar keine internationalen Experten für den Sanierungsfall beigezogen werden, lässt zudem tief blicken. Ein früherer Ermittler bei der Verfolgung von Korruptionsfällen, Wanchai Roujanavong, verweist in diesem Zusammenhang auf den Haken solch interner Verfahren. Eine tiefgreifende Untersuchung über die Schwachstellen würde eine Pandorabüchse mit Korruptionsfällen öffnen.
Auch in besseren Zeiten nur Verluste
Die prestigeträchtige Thai Airways mit ihren knapp 100 Flugzeugen steht wegen der Covid-19-Krise mit ihren Problemen natürlich nicht allein da. Aber sie war wegen des grossen Anteils ihrer interkontinentalen Strecken und der Bedeutung des Business-Segments stark exponiert. Geschlossene Grenzen und der Zusammenbruch des Tourismus trafen sie entsprechend hart. Die Luftfahrtbranche gehört zu jenen Sektoren, die die Folgen der Covid-19-Krise noch jahrelang spüren dürften und sich auf eine verringerte Nachfrage werden einstellen müssen. Für die vor fünf Jahren gegründete thailändische Billigfluggesellschaft NokScoot ist der Beschluss zur Liquidation bereits gefasst.
Weltweit bleiben derzeit rund 90% aller Passagierflugzeuge am Boden; viele sind in trocken-heisse Wüstengebiete geflogen worden, wo sie ohne Schäden «überwintern» können. Derweil werden selbst renommierte Konzerne wie Singapore Airlines, Japan Airlines, Lufthansa und Cathay Pacific mit milliardenschweren Rettungspaketen über Wasser gehalten. Doch diese Unternehmen geniessen einen exzellenten Ruf, sie gelten als überlebensfähig und dürften nach der Krise irgendwann in die Gewinnzone zurückkehren. Thai Airways dagegen hat selbst in guten Jahren bisher Verluste eingeflogen. 2017 waren es beispielsweise 2 Mrd. Baht (B) und in den beiden Folgejahren gar je 12 Mrd. B.
Korruption und Nähe zur Regierung
Im Fall von Thai Airways sind es nicht nur die chronischen Verluste und die durchzogene Servicequalität, die den Ruf der Gesellschaft in den letzten Jahren ramponiert haben. Die Fluggesellschaft machte regelmässig auch wegen Korruptionsfällen Schlagzeilen. Dazu gehörten etwa dubiose Geschäfte mit dem Triebwerkhersteller Rolls-Royce, Betrügereien mit illegalen Ticketverkäufen sowie Sonderbehandlungen von Mitarbeitern, darunter die Bezahlung von deren Steuerrechnungen und grosszügige Reiseentschädigungen. Stets bezahlte die Zeche der Staat – oder eben der Steuerzahler. Dass lukrative Positionen in der Firma oft an altgediente Politiker oder Generäle verteilt wurden, hat zum zweifelhaften Image beigetragen.
In der thailändischen Bevölkerung ist der Goodwill der Gesellschaft in der Folge stark gesunken. Als die Regierung kürzlich ein Sanierungspaket über 54 Mrd. B vorschlug, ging prompt ein Aufschrei durchs Land. Während in anderen Branchen derzeit Hunderttausende von Arbeitsstellen ohne nennenswerte Kompensationen wegfallen, sollte ausgerechnet das Patronage-System von Thai Airways wieder schadlos gehalten werden. Die Gesellschaft gilt inzwischen als Inbegriff eines landesweit grassierenden Malaises unter Staatsfirmen: Einmischung der Politik in wirtschaftliche Angelegenheiten und Vergabe von Führungsstellen an regierungsnahe Personen.
Vergleich mit Alitalia
Dass die Gesellschaft in den letzten Jahren trotz Standortvorteilen nie auf einen grünen Zweig kam, hängt unter anderem mit dem Aufkommen der Billigfliegerei zusammen. Das indessen traf andere grosse Fluggesellschaften auch. Thai Airways hat darauf nie die richtige Antwort gefunden. Jedenfalls sind Restrukturierungsmassnahmen in den letzten Jahren immer wieder verschleppt worden.
Aufgrund der desolaten Finanzlage hätte letztmals Ende 2019 ein Sanierungsplan greifen sollen; unter dem Druck der Angestelltenverbände und der Gewerkschaften blieb er stecken. Jetzt, da Thailand den Flugverkehr mit Ausnahme einiger Repatriierungsflüge einstellen musste, droht gar das definitive Grounding der Airline. In mancherlei Hinsicht erinnere dieses Schicksal an Alitalia, meinen Kritiker.
Noch ist offen, ob Thai Airways in abgespeckter Form den normalen Flugbetrieb je wieder aufnehmen wird. Vor zwei Wochen liess die Regierung durchblicken, dass man dem Verschwinden der Gesellschaft nicht tatenlos zusehen werde. Mit Chansin Treenuchagron, dem früheren Chef der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft PTT, verfügt die Luftfahrtgesellschaft seit Anfang Juli über einen neuen Präsidenten. Dieser Sesselwechsel deutet auf einen neuen Anlauf zur Reorganisation hin. Ein Königreich mit einem flugbegeisterten Monarchen, jedoch ohne nationale Airline, wäre ja auch schwer vorstellbar. Ohne deutliche Redimensionierung dürfte Thai Airways aber nicht zu retten sein.
Quelle NZZ