Thailändisch lernen

Verrückte führen Blinde

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Pitcairn auf seiner ungewöhnlichen Individualreise quer durch Bangladesch.

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Stell dir mal vor, du sitzt draussen auf der Strasse den ganzen Tag auf einem Hocker, bereitest Tee und Kaffee zu, rauchst die eine oder andere Bidi, ab und an kommen Leute vorbei um mit dir einen Kaffee zu trinken, zu quatschen oder zu rauchen; dafür bekommst du noch etwas Geld. "Klar, solche Typen kenne ich!", wirst du rufen. "Es handelt sich um westeuropäische Sozialhilfeempfänger in einem Arbeitsbeschaffungs-Programm." Das könnte vielleicht zutreffen, ist aber hier nicht gemeint. Es ist der Cha Wallah. Cha ist die ostpakistanische Antwort auf den britischen Five-o-clock-tea, nur dass die Bangla ihren Teekonsum nicht auf eine bestimmte Tageszeit beschränken. Überall und zu jedem Zeitpunkt wird dieses süsse Getränk angeboten. Cha ist hier nicht bloss ein Getränk, sondern ein Stück Kultur und Lebensqualität. Der Cha Wallah mit seinem mobilen Teestand oder in einem der unzähligen Shops entlang der Strassen, ist aus dem Bangla- Alltag nicht wegzudenken. Der Kerosinbrenner faucht, der verbeulte Aluminiumtopf mit dem Gebräu brodelt. Relaxt steht der Wallah an seinem Brenner, beobachtet den siedenden Inhalt, nimmt Augenmass und giesst immer dann, wenn der Topf überzulaufen droht, mit einer Kelle etwas Flüssigkeit in eine Extrakanne. Wenn sich das Gebräu beruhigt hat, wird es wieder in den Topf zurückgeleert. Jeder Handgriff sitzt und erfolgt mit grosser Geste, prüfend und routiniert. Dann wird noch ein wenig Gewürz hinzugefügt, blubbernd aufgekocht, erneut abgeschöpft, zurückgegossen, bis der Maestro zufrieden ist. Das dauert seine Zeit. Erst wenn ein Maximum an Cremigkeit, an sahniger Konsistenz erreicht ist, wird der Tee serviert. Je nach Landesgegend, können die Gewürzmischungen variieren. Hauptbestandteile einer ausgewogenen Mischung sind Ingwer, Kardamom, Zimt, Nelken, Pfeffer und Rohrzucker. Vereinzelt werden auch Safran und Zitronengras verwendet. Mit einem zurückhaltend stolzen Lächeln giesst der Wallah den heissen duftenden Tee in hohem Bogen in eine Tontasse, so dass das Getränk etwas auskühlen kann. Je kunstvoller und mit grösserer Entfernung der Wallah giesst, desto mehr wird er von der Kundschaft geachtet. Als Trinkgefässe werden ungebrannte Tontassen, die in der Sonne getrocknet wurden, bevorzugt und gleich nach dem Genuss auf dem Boden entsorgt. Neben vielen Cha-Shops bilden sich kleine Hügel aus Tonscherben. Je grösser der Hügel, umso besser der Cha.


Ich sitze schon eine ganze Weile im Cha-Shop von Farid und sauge die dreckige Stadtluft und Atmosphäre von Dhaka an der New Elephant Road in meine sauberen Lungen. Vor ein paar Tagen machten wir uns bekannt und ich merkte, dass sich der Knabe ganz passabel auf Englisch verständigen kann und über ein politisches Bewusstsein verfügt. "Westpakistan dominierte uns, in Islamabad lag die Hauptstadt. Wir waren nur die lästigen Bengalen", sagte mir Farid in seiner Teestube. Ich bin mit ihm einmal mehr in ein politisches Gespräch vertieft. Es ist Nachmittag und die Kunden lassen auf sich warten. Er hat seinerzeit ein paar Semester Jura studiert, doch seine Familie konnte die Kosten nicht weiter stemmen. Als drittjüngster von sieben Geschwistern musste er sich kurzfristig der Berufswahl stellen: Rickshaw-Kuli oder Teebuden-Betreiber.


Wer in der Zukunft lesen will, muss zuerst in der Vergangenheit blättern.
Ganz ohne Leseaufwand ist ein differenziertes Bild von der Herkunft dieser Nation bis in die Gegenwart nicht zu bekommen. Ich versuche für dich diese Geschichtslektion so angenehm wie möglich zu gestalten, indem ich mich kurz fasse und auf das Wesentlichste beschränke. Falls du dich als historiengeiler, detailverliebter Lesender outest, kannst du für die kursiv gestellten Informationen noch Ergänzungswissen im Glossar nachschlagen.

Farid, geht in der Geschichte des indischen Subkontinents etwas weiter zurück, leuchtet die Ausgangslage vor 300 Jahren genauer aus und lässt revuepassieren. Weltgeschichte ist spannend wie ein Kriminalroman und lässt sich wie ein Puzzle zusammensetzen - ist aber leider eine wahre Tatsache. In der Mitte des 17. Jahrhunderts stand der Norden des indischen Subkontinents unter der Herrschaft der Mogulen. Vom Nordwesten drang Afghanistan nach Indien ein, während auf dem restlichen Subkontinent französische, britische und portugiesische Kräfte um die Vormachtstellung im gesamten indischen Raum fochten und verschiedene Seiten in den Kämpfen um die Nachfolge unterstützten. Bald wurde klar, dass der britische Vormarsch auf Indien nicht mehr zu stoppen sein würde. Das Schicksal des Landes wurde endgültig besiegelt, nachdem britische Truppen in der Schlacht von Plassey im Jahr 1757 die Bengalen besiegten und damit den Grundstein der britischen Herrschaft im Lande legten. Das Mogulreich zerbrach endgültig.
Farid ergänzt und geht ins Detail: Während der geschichtsträchtigen Schlacht ging Stunden lang ein heftiger Monsunsturm darnieder, der beide Seiten bis auf die Haut durchnässte. Die indische Artillerie konnte nicht mehr so viele Schüsse abgeben, weil sie ihr Schiesspulver nicht ausreichend vor der Feuchtigkeit geschützt hatte. Die indische Kavallerie griff in der Hoffnung an, dass die britische Artillerie ebenso in ihrer Feuerrate beeinträchtigt sei. Nach neun Jahren hart gewonnener Erfahrung hatten die britischen Kanoniere jedoch ihre Hausaufgaben gemacht und verantwortungsbewusst das Pulver vor Feuchtigkeit geschützt. Einmal mehr hat sich auch hier gezeigt, dass der Schlüssel zum Erfolg meist in der Organisation und in der Disziplin liegt - auch im Privatleben; mit Intelligenz alleine erreichst du nichts. Die indische Kavallerie wurde mit drei Salven aus allen Rohren zurückgeschlagen. Die schweren Verluste kamen einem Gnadenstoss der letzten unabhängigen Armee gleich. Mir Jafar zögerte nicht länger und verliess den linken Flügel. Die indische Hauptkampflinie löste sich auf. Insgesamt dauerte die Schlacht nur wenige Stunden.
Der Einfluss der britischen Ostindien-Kompanie wuchs in den kommenden Jahren im gesamten Reich. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fielen schliesslich auch Südindien und die Ganges-Ebene unter die britische Herrschaft, gefolgt von Zentral- und Nordostindien sowie der Provinz Punjab im Jahr 1849. Lediglich der heutige Bundesstaat Goa ging an die Portugiesen.
Die Herrschaft der britischen Krone, bzw. der Ostindienkompanie, brachte einige tiefgreifende Veränderungen mit sich, auf welche die bäuerliche Bevölkerung und viele indische Söldner schliesslich im Jahr 1857 mit einer gewalttätigen Rebellion gegen die britische Krone antworteten. Die Aufständischen hatten den gut ausgebildeten Truppen der Briten allerdings wenig entgegenzusetzen, so dass die sich ausbreitende Revolte bald eingedämmt war. Im selben Jahr wurde Britisch-Indien zu einer formellen Kronkolonie und 1877 Königin Viktoria zur Kaiserin des Landes ernannt. Die Herrschaft im Subkontinent übernahm ein von der Königin eingesetzter Vizekönig - Viceroy and Governor-General of India.


Ich kann mir als politisch denkender Mensch die Äusserung nicht verkneifen, dass die Engländer gute Imperialisten waren. Ein grosser Vorteil, den die britische Herrschaft mit sich brachte war, dass den Frauen Rechte und Schutz zugebilligt wurden, die sie vorher nie genossen hatten. Mit Hilfe von Unterwerfung wurden andererseits neue Freiheiten gewährt. Man öffnete einen Käfig und stelle ihn gleichzeitig in einen grösseren hinein. Das indische Volk konnte nicht auf Freiheit hoffen. Ein Leben in zunehmendem Wohlstand, aber in Ketten, war eine unzureichende Perspektive.


Farid reicht mir unaufgefordert einen neuen Tee herüber. Die Jahre des Ersten Weltkrieges waren geprägt durch weitere Auseinandersetzungen der verschiedenen Lager, die zum Teil blutig niedergeschlagen wurden. Dennoch schafften es der indische Kongress und die Muslimliga, sich gemeinsam zu organisieren und der britischen Krone deutliche Zugeständnisse abzuringen.
Unter dem Namen All India Congress erkämpften Jawaharlal Nehru und Mahatma Ghandhi nach 1945 die Unabhängigkeit Indiens. Der antiwestliche Denker Ghandi befreite das Land und komplementierte die Engländer raus. Dann wurde British Indien 1947 in einen hinduistischen, einen islamischen und einen kleineren buddhistischen Staat - Indien, Pakistan und Sikkim – gesplittet, die Grenzen teils künstlich gezogen. Dadurch waren politische Differenzen unter den neuen Nationen und Ethnien bereits vorprogrammiert. Die neu entstandene Nation Pakistan wiederum, setzte sich zusammen aus Westpakistan- dem heutigen Pakistan - und Ostpakistan, das heute als Bangladesch bekannt ist. Sikkim wurde nach dem Scheitern einer Volksabstimmung zur Vereinigung mit der Indischen Union im selben Jahr wieder ein souveränes Königreich, kam allerdings 1975 auf diesen Entscheid zurück und ist seither ein indischer Bundesstaat.
Die Abspaltung von Indien führte zu Völkerwanderungen riesigen Ausmasses.
Mehr als sechs Millionen muslimische Inder suchten im neuen Staat Zuflucht, während etwa genau so viele Hindus und Sikhs, den Punjab in Richtung Indien verliessen. Diese Abwanderungen wurden von Gewalt und Massakern begleitet, die eine halbe Million Opfer forderten. Die Frage der verschiedenen Bevölkerungsgruppen wurde durch diese Völkerwanderungen nie gelöst, da der Grossteil der Muslime in Indien blieb. Der Morallehrer Gandhi hatte beste Absichten gehabt und Gutes gewollt, doch die Früchte davon waren die Abspaltung Pakistans und neuer Völkermord. Verdammt noch mal Gandhi, was hast du da der Welt eingebrockt?! Die Gründung Pakistans als souveräner Staat, belastet und erschwert das friedliche Zusammenwirken mit Indien bis auf den heutigen Tag; das grosse Morden zwischen Hindus und Moslems begann. Man tut Gutes und schaffte Böses. Es ist ein uraltes Spiel und Gandhi hat die Regeln dazu nachhaltig unterschätzt.

Pakistan war territorial zweigeteilt, wie zwei Hörner, die rechts und links an Indien klebten. West- und Ostpakistan trennten rund 2000 Kilometer. Dazwischen lag Indien. "Allein dadurch, war von Anfang an ein Zusammengang zum Scheitern verurteilt", sagt Farid. "Wie kann ein Staat überleben, dessen zwei Teile so weit auseinander liegen?" Der Islam sollte die Brücke bilden, doch kulturell und ethnisch verband uns nichts: Der Westen Pakistans war ein Vielvölkerstaat mit mehreren Sprachen, im Ostteil des Staates lebten wir, die Bengalen und sprachen Bengali."
In der Tat war Bengali nicht als offizielle Amtssprache anerkannt, obwohl in Ostpakistan mehr Menschen lebten als in Westpakistan. Die sprachlichen und kulturellen Differenzen waren stärker als die propagierte islamische Identität, die das geteilte Pakistan hatte entstehen lassen. Der Westteil sah sich eher dem Kalifat in Bagdad verbunden; der Ostteil orientierte sich in Richtung Südostasien.

Die pakistanische Regierung herrschte über den östlichen Teil des Landes wie über eine Kolonie. Als erstes versuchte sie die Bevölkerung zu zwingen, Urdu zu sprechen, statt ihrer Muttersprache Bengali. Sie konfiszierte auch die Jute-Einnahmen aus Bengalen und investierte sie für Fabriken in Karatschi und Islamabad. Der Entscheid gegen Bengali als Amtssprache, entzündete den Widerstand gegen die westpakistanische Vorherrschaft. Die Unabhängigkeits-bewegung in Ostpakistan bekam Auftrieb - und der ehemalige Studentenführer Sheikh Mujibur Rahman wurde ihre führende Stimme. Schon Mitte der sechziger Jahre wurde er mehrmals verhaftet, doch die Proteste im Osten liessen nicht nach. Pakistan war geschwächt, nachdem es 1965 einen Krieg gegen Indien um die Provinz Kaschmir geführt hatte, der mit der Wiederherstellung des Vorkriegszustandes - Status quo ante bellum - endete. Der zukünftige Status des von beiden Parteien beanspruchten Kaschmirs blieb weiterhin ungeklärt. Indien und Pakistan wurden nun stärker in die machtstrategischen Überlegungen des Kalten Krieges einbezogen. Auslöser für die Proteste der sogenannten Sprachbewegung war der wenig weitsichtige Beschluss der pakistanischen Regierung, Urdu zur alleinigen Amtssprache des Landes zu erklären. Im Ostteil von Pakistan, dem späteren Bangladesch, sprachen aber nur 3 Prozent der Bevölkerung Urdu; doch weit über 90 Prozent Bengali. Urdu war die Sprache der herrschenden Schichten in Pakistan und die Sprache der Moslem-Liga, auf deren Betreiben der Staat Pakistan fusste. In West-Pakistan traf die Entscheidung für Urdu auf keinen nennenswerten Widerstand, da dort zum Teil auch verwandte Idiome gesprochen werden. Für die Bevölkerung in Ost-Pakistan war Urdu jedoch eine völlig fremde Sprache, die nichts mit der eigenen Kultur gemein hatte. Ein Kompromissversuch, neben Urdu auch Bengali zur offiziellen Landessprache zu erklären, wurde vom Generalgouverneur Mohammed Ali Jinnah zurückgewiesen.
Bei den ersten freien Parlamentswahlen 1970 gewinnt die Awami League, angeführt von Sheikh Mujibur Rahman, der vom Volk liebevoll Mujib genannt wird, die absolute Mehrheit. Ein für das Regime in Westpakistan inakzeptables Ergebnis, das daher die erste Sitzung der neugewählten Nationalversammlung auf unbestimmte Zeit verschiebt. Als Reaktion fordert die politische Elite sowie die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von Mujib, ohne Zeitverzögerung die Unabhängigkeit auszurufen. Dieser setzt vorerst auf eine Bewegung der gewaltfreien Nichtkooperation.
Unter dem Vorwand, den politischen und wirtschaftlichen Stillstand in Pakistan zu lösen, findet Mitte März 1971 ein Treffen zwischen Präsident Agha Muhammad Yahya Khan, Zulfikar Ali Bhutto und Sheikh Mujiibur Rahman in Dhaka statt. Doch noch währenddem die Gespräche geführt werden, lässt der hinterlistige General die Vorbereitungen für eine militärische Lösung des Konflikts anlaufen.
Mit einer Strafaktion unter der Bezeichnung Operation Searchlight - Operation Scheinwerfer - soll der bengalische Nationalismus eliminiert und die Dominanz Westpakistans wieder hergestellt werden. Das Pulverfass geht hoch! Am 26. März 1971 erklärte Ostpakistan seine Unabhängigkeit, worauf es von pakistanischen Truppen besetzt wird und ein Bürgerkrieg ausbricht. Rahman wird verhaftet und das pakistanische Militär beginnt einen Kampf, den Überlebende nie mehr vergessen werden. Es war, als habe man ein grausames Biest plötzlich losgelassen, das vorher angekettet und völlig ausgehungert war, sagt ein Augenzeuge. Der Unabhängigkeitskrieg hatte begonnen.

Tausende von Menschen werden erschossen und niedergemetzelt, die pakistanische Armee nimmt gemeinsam mit bengalischen Kollaborateuren eine Vielzahl von Menschenrechtsverstössen, darunter Massaker an der Zivilbevölkerung, Massenvergewaltigungen, Entführungen und Folter vor. Elendsquartiere werden mit Flammenwerfern niedergebrannt. Menschen werden aus Häusern getrieben und willkürlich hingerichtet. Gefangenen Soldaten werden Extremitäten mit der Machete abgehackt, mehr als 20'000 bengalische Frauen gelangen in Kriegsgefangenschaft und werden gezwungen, in Bordellen den Soldaten gefügig zu sein. Farid zeigt mir seine rechte Hand mit zwei fehlenden Fingern. "Die Pakistaner beabsichtigten, mir beim Kartenspiel im Wachhaus ein Glied nach dem andern abzuhacken und sich daran zu ergötzen. Zum Glück kam unerwartet ein Einsatzbefehl. Sonst hätte ich heute nur noch meinen Kopf mit Rumpf und müsste auf einem Wägelchen liegend, betteln herumrollen".
Auf einen bekannten Mukti, hatte die pakistanische Armee ein riesiges Kopfgeld ausgesetzt. Beim Sturm auf sein Haus war nur seine vier Monate alte Tochter zugegen; sie schlief in ihrem Bettchen. Ein westpakistanischer Soldat schmetterte das Kind auf den Boden und trat es mit seinen Kampfstiefeln zu Tode. Schätzungen zufolge, kamen damals insgesamt 3 Millionen Menschen ums Leben. Die Operation wurde von General Tikka Khan, nicht zu verwechseln mit dem Diktator und Staatspräsident Yahya Khan, geleitet, der schon bald als Schlächter von Bengalen berüchtigt wurde.


Der Hunger war gross. Die Bevölkerung kaute gezwungenermassen Bananenstauden und trank aus Tümpeln. Angesichts dieser Gräuel bildete sich schnell ein anschwellender Flüchtlingsstrom in Richtung Indien. Etwa zehn Millionen Menschen flüchteten dorthin. Premierministerin Indira Gandhi machte sofort deutlich: "Indien ist nicht bereit, die Flüchtlinge dauerhaft aufzunehmen." Für Neu-Delhi, ohnehin von der Sowjetunion unter Druck gesetzt, militärisch einzugreifen, war der Exodus ein Anlass zum Einschreiten. Die New York Times kritisierte, das Schweigen Washingtons D.C. sei angesichts der aktuellen Ereignisse in Pakistan" zunehmend unverständlich. Doch der interessierte Leser muss wissen, dass Pakistan Partner der USA als auch der Volksrepublik China war. Yahya Khan bot sich als Vermittler zwischen den beiden Mächten an. Es war leider in Gottes Namen Pakistan, das den Weg zu dem historischen Treffen zwischen Präsident Richard Nixon und dem Vorsitzenden Mao Zedong ebnete, dem ersten Staatsbesuch eines US-Präsidenten in China überhaupt. Entsprechend zurückhaltend war Nixon in der Kritik an Pakistan, bei dem brutalen Vorgehen in Ostpakistan. Doch die Kritik aus den Reihen von ausländischen Künstlern war nicht zu überhören. George Harrison von den Beatles organisierte im August 1971 ein Concert for Bangladesh in New Yorks Madison Square Garden. In Deutschland hörte man später im Lied Bangla-Desh der jungen Schlagersängerin Juliane Werding vom Schicksal der Bengalen.

Im Mai war die erste Phase des Krieges beendet. Die Armee kontrollierte zumindest dem Anschein nach den grössten Teil des verängstigten bengalischen Deltas - doch der Widerstand war keineswegs gebrochen. In der Zwischenzeit
hatte sich die Führung der Awami League im indischen Exil neu formiert und eine Exilregierung aufgebaut. Unterstützt durch Indien rief diese am 17. April 1971 Bangladesch formal als unabhängigen Staat aus.
Anfangs war der Widerstand gegen die Angriffe der Armee grösstenteils noch unkoordiniert und spontan. Überall im Delta traten junge Männer und Frauen der Widerstandsbewegung der Freiheitskämpfer bei. Von Anfang an wurden diese von Indien unterstützt und ausgebildet. Die meisten ihrer Lager befanden sich auf indischem Territorium in unmittelbarer Grenznähe.
Die Führung Pakistans hatte geplant, alle politischen Ambitionen der Bengalen in Ostpakistan sofort niederzuschlagen, um schnellstmöglich wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Doch sie wurde in einen Guerillakrieg verstrickt, der internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Welt liess sich nicht überzeugen, dass es sich nur um eine innere Angelegenheit handelte.
Hinzu kam, dass der Bangladesch-Krieg inmitten des Kalten Krieges ausbrach und so wurden auch die beiden Supermächte USA und die Sowjetunion involviert. Die Sowjetunion unterstützte Indien und die Befreiungsbewegung Bangladeschs. Die USA und China befürworteten die Ziele Pakistans, die auch von anderen Staaten mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit unterstützt wurden. Dies hatte zur Folge, dass der Konflikt nicht mit diplomatischen Mitteln gelöst werden konnte. Während Diskussionen in den Vereinten Nationen stagnierten, erbrachten auch bilaterale Verhandlungen keine Änderung.

Indien wollte einerseits die Millionenzahl von Bangla-Flüchtlingen aus dem Lande haben und unterstützte die Freiheitsbestrebungen Bangladeschs. Nicht zuletzt auf Druck der Sowjetunion, entsandte Indira Gandhi am 3. Dezember 1971 eigene Truppen. "Verdammt noch mal Indira, wieso hast du so lange gewartet?", Farid kann sich diese berechtigte Bemerkung nicht verkneifen. Die militärische Hilfe rettete die bengalische Befreiungsarmee vor einer Niederlage und brachte die grosse Wende. Als klar war, dass Pakistan diesen Krieg verlieren und Ostpakistan ein unabhängiger Staat werden würde, entschloss sich die pakistanische Armee zu einem grauenvollen Schritt: Dieser neue Staat sollte wenigstens seiner geistigen Elite beraubt werden. Am 14. Dezember 1971, zwei Tage vor Ende des Unabhängigkeitskrieges, zogen pakistanische Soldaten und ihre Getreuen durch die Städte, trieben wehrlose Professoren, Wissenschaftler, Ärzte, Lehrer, Anwälte, Richter, Schriftsteller, Journalisten, Künstler und Studenten zusammen, erschossen sie oder schlachteten sie ab. Angesichts der sich abzeichnenden Niederlage, wollten die Pakistani der neu entstehenden Nation noch möglichst viel Potenzial entziehen. Mit Erfolg, denn Bangladesch hat sich bis heute von diesem Aderlass nicht erholt.
Nach einem fünfzehntägigen Krieg, dem Dritten Indisch-Pakistanischen Krieg, ergaben sich am 16. Dezember 1971 die pakistanischen Truppen und ein Waffenstillstand wurde auf allen Fronten ausgerufen. Ostpakistan wurde nach einem neunmonatigen Kriegszustand 1971 von Pakistan völkerrechtlich unabhängig. Der Staat wurde in Bangladesch umbenannt und in den kommenden Monaten von einer Vielzahl anderer Staaten akzeptiert. Bangla bedeutet Bengalen, Desh heisst übersetzt Land, also Bangla-Desh, Land der Bengalen.
Der Mann im Kurta-Pyjama mit kurzer, ärmelloser Weste und im Gesicht eine dicke Hornbrille, Revolutionsführer Sheikh Mujibur Rahman wurde freigelassen, konnte in seine Heimat zurückkehren und wurde am 12. Januar 1972 Ministerpräsident von Bangladesch. Ein im Juli 1972 in Shimla unterzeichnetes Abkommen besänftigte die Spannungen mit Pakistan, welches das verlorene Territorium in Ostbengalen im Februar 1974 als souveränen Staat anerkannte.
Der Krieg war vorbei, doch das Chaos ging weiter.
Mujibur Rahman, war ein Mann der kein eigenes Opfer scheute, um die Geschichte Bengalens zu erneuern und für die Menschen in Ostpakistan bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Er führte eine neue Währung ein. Der Taka löste die pakistanische Rupie ab. Sämtliche Gebäude wurden umbenannt und alle Strassen der Hauptstadt neu durchnummeriert. Die Menschen mussten sich in dem ungewohnten Frieden zurechtfinden. Niemand wusste, ob er seine Strasse beim alten oder neuen Namen nennen sollte. Das kam beim Volk nicht gut an. Farid ergänzt: "Zum besseren Verständnis, sagst du noch heute zu einem Rickshaw-Walla: ehemals 13, jetzt 6 A". Pitcairn ergänzt: "Die meisten Strassen sind bis auf den heutigen Tag nicht beschildert und die Häuser nicht mit Nummern versehen. Eine absolute Schweineordnung und Fremde finden hier ohne Unterstützung Einheimischer rein gar nichts."
Frauen kamen in Scharen in die Rehabilitationszentren. Manche waren in ihren Dörfern vor den Augen ihrer Männer und Väter vergewaltigt worden. Andere waren entführt und den ganzen Krieg über in Armeebaracken als Trostfrauen gefangen gehalten worden. Die neue Regierung wollte ihnen nach dem Krieg weismachen, dass sie nun nach Hause zurückkehren und von ihren Familien als Birangonas, als Revolutionsheldinnen, wieder aufgenommen würden. "Ihr seid Heldinnen des Krieges" wollte man ihnen weis machen. Die Frauen wussten, dass es eine Lüge war und sie die Gesellschaft nicht mehr akzeptieren würde. Die Geschändeten hielten den Blick starr in den Schoss gerichtet und hofften, der fromme Wunsch würde Wirklichkeit werden. Doch sie konnten ihren Schmach nicht hinter sich lassen und noch einmal von vorne anfangen. Die verantwortlichen Männer liefen ungestraft und frei in den Dörfern herum. Niemand erinnerte sie an ihre begangenen Sünden.
Die vergewaltigten Frauen Birangonas zu nennen, schien den meisten Männern etwas übertrieben. "Sie sind schliesslich nicht mit Gebrüll aufs Schlachtfeld gezogen und haben sich keine Medaillen verdient", war die häufige Begründung. Sie werden als ziviler Begleitschaden betrachtet. Ihr Leid darf nicht vergessen werden, aber sie wollen selbst, dass es vergessen wird.
Wer auf Seiten des Feindes gestanden hatte, versteckte sich vor den Kriegsheimkehrern. 1973 erliess Mujib eine Amnestie für Kriegskollaborateure.
Ein weiser Entscheid, denn die junge Nation musste nach vorwärts schauen und durchstarten. Ausgenommen waren Personen, die an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren. Die Bevölkerung empfand diese Entscheidung als ungerecht. Es war der erste Schritt in einer Spirale von Straflosigkeit, von der die Nation noch heute gezeichnet ist.

Vier Jahre, nach der unter schweren Opfern von Pakistan erkämpften Unabhängigkeit geschah das Unfassbare: am 15. August 1975 wurde der erste Premier des freien Bangladesch, der Vater der neuen Nation, Sheikh Mujibur Rahman, von putschenden Offizieren ermordet. Seither ist der neu entstandene Staat geprägt durch politische Spannungen und Umbrüche, sowie einer Reihe von Putschen und Gegenputschen. Militärische und demokratische Regierungssysteme wechseln einander ab. Immerhin gelingt es der jungen Nation verschiedentlich, sich gegen Militärdiktaturen aufzulehnen und zu demokratischen Strukturen zurückzukehren. Zwischen den verschiedenen politischen Lagern kommt es immer wieder zu Unruhen. Die Ausschreitungen 2007 führten im Dezember 2008 zu Neuwahlen, welche die Awami-Liga unter der Führung von Premierministerin Sheikh Hasina Wahed für sich entscheiden konnte. Sheikh Hasina versprach im Wahlkampf, die Kriegsverbrechen juristisch aufzuarbeiten.
Der alte International Crimes Tribunal Act wurde mittlerweile mit dem Ziel novelliert, internationale Standards zu erfüllen. Dafür wurden ausländische Experten zu Rate gezogen. Es gibt derzeit zwei Tribunale mit je drei Richtern. Sie tagen öffentlich, Journalisten sind zugelassen. Gegen Urteile ist Berufung möglich.


Der Freude über die Unabhängigkeit Bangladeschs folgte schnell die Ernüchterung - und die Erkenntnis, dass Ausbeutung und Ungerechtigkeit, nicht nur von Briten und Pakistanis ausgeht. Das Land kämpft nach wie vor mit den Folgen von Korruption und umstrittenen Parlamentswahlen. Bangladesh hat schon in den Kinderschuhen begonnen, sich selbst kaputt zu machen, die Urvölker im Südosten zu massakrieren, Dörfer hinter Staudämmen zu ersäufen, die uralten Bäume im Madhupur Forest abzuholzen. Ein Land in dem alles sehr schnell geht. Schnell kochte die Wut über und leichtfertig wird zerstört.
"Amar sonar bangla, ami tomay bhalobashi". Die erste Zeile der Nationalhymne von Bangladesch erwähnt: – "Mein goldenes Bengalen, ich liebe dich". Doch wenn du einen Bangladeshi bittest, dir den Begriff Vater Staat zu erklären, gerät er ins Stocken.
Erst im Jahr 2013 begann Bangladesch, die Verbrechen vom Unabhängigkeitskrieg aufzuarbeiten. Damals kamen hundertausende Menschen ums Leben. In diesem Zusammenhang wurde 2013 der greise, ehemalige geistige Führer der Islamisten in Bangladesch, Ghulam Azam, von einem Sondergericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem wegen Mord und Folter, zur Rechenschaft gezogen und wegen Massenmord verurteilt. Leider ist die Aufarbeitung politisch motiviert. Das Urteil löste blutige Proteste unter den Islamisten aus. Die Gegenseite fordert andererseits die Todesstrafe. In pakistanischen Schulbüchern sind die Ereignisse des Jahres 1971 noch nicht aufgetaucht.
Die Enttäuschung Farids, dass sein Land 40 Jahren seit der Unabhängigkeit noch auf keinen grünen Zweig gekommen ist, ist gross. "Its one huge disappointement, but already 1972 the enthusiasm had gone." Unmissverständlich tönte es auch schon 1974 beim damaligen US-Aussenminister Henry Kissinger:
"Bangladesch ist ein hoffnungsloser Fall". Das ist hart formuliert, trifft aber den Nagel auf den Kopf; doch bis heute hat er Recht behalten. Bangla wurde mit dem Manna der Entwicklungshilfe übergossen, unzählige NGO's sind weiterhin daran, dem Land unter die Arme zu greifen, doch Bangla hat rein gar nichts auf die Reihe gekriegt. Jederzeit kann politische Willkür Recht und Gerechtigkeit ersetzen.
Da musst du dich wirklich nicht gleich als Rassist qualifizieren, um zu merken, dass die kaukasische Volksgruppe über mehr Ordnungssinn, Tatkraft und Macherqualitäten verfügt. Wir würden die Wirtschaft nie so schleifen lassen wie hier. Die ach so berühmten Kulturen in der Dritten Welt wurden von wenigen Ausnahmetalenten ersonnen und von Sklaven umgesetzt. Die kaukasische Rasse besitzt geringere Trägheit als viele andere Völker und ihr Tatendrang wird von der Religion nicht gelähmt. Ob wir auch charakterlich und human gegenüber anderen Völkern immer besser abschneiden ist ein anderes Thema. Doch die Geschichte beweist, dass wir über mehr Power, Selbstdisziplin und Durchhaltewillen verfügen und uns, wenn nötig, selber besser aus dem Sumpf ziehen können, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Unsere Mentalität ist nicht von Lethargie geprägt. Wir rufen nicht gleich um Hilfe, sonder versuchen die Herausforderung selber zu bewältigen. Hier in Bangla wächst eine neue, verlorene Generation, gefangen in ihrer Religion, heran.


Ansprache Sheik Mujibur Rahman, März 1971: https://www.youtube.com/watch?v=J9vUulq4tZI



Concerts for Bangladesh
Am Nachmittag und Abend des 1. August 1971 fanden im Madison Square Garden in New York vor je 40'000 Zuschauern zwei Konzerte für Bangladesch statt. Der im indischen Varanasi geborene Ravi Shankar, dessen Familie aber aus dem heutigen Upazila Kalia im Distrikt Narail, nahe Jessore in Bangladesch stammte, organisierte das Konzert mit seinem Freund George Harrison, um Gelder für Hilfsmittel für Bangladesch-Flüchtlinge aufzutreiben; deren Anzahl war infolge des Bangladesch-Krieges auf zehn Millionen Menschen angewachsen. Harrison nahm als Werbung für das geplante Konzert die Single Bangla Desh auf. Er veranlasste ausserdem Apple Records, Ravi Shankars Single Joi Bangla herauszubringen.
Ravi Shankar (Sitar) eröffnete gemeinsam mit Ali Akbar Khan (Sarod) das Konzert mit einem 25-minütigen Reigen indischer Musik, die für viele Zuhörer immer noch eine neue Erfahrung war. So kam es zu Shankars Kommentar zum Beifall nach dem Stimmen der Instrumente: "Thank you. If you appreciate the tuning so much, I hope you will enjoy the playing more. - Vielen Dank. Wenn Ihnen das Stimmen der Instrumente bereits so gefallen hat, hoffe ich, dass ihnen der eigentliche Vortrag noch mehr Freude bereiten wird". Eric Clapton trat nach einer fünfmonatigen Tournee mit Derek and the Dominos auf. Er war zu dieser Zeit heroinabhängig und brauchte die Droge, bevor er seinen Auftritt beginnen konnte. Dennoch hatte er einen Zusammenbruch und musste mit Methadon wieder auf die Beine gebracht werden. Es gab musikalische Unterstützung von Ringo Starr, Billy Preston, Leon Russell, Klaus Voormann und Badfinger zusammen mit Jim Horn, Carl Radle, Jesse Ed Davis, Don Preston sowie zahlreichen Background-Sängern. Bob Dylan trat erstmals – seit dem Isle of Wight Festival im August 1969 – wieder auf. Abgesehen von einem kurzen Auftritt mit The Band an Neujahr 1972, spielte er erst wieder im Januar 1974 live. Das Konzert wurde aufgenommen und als Box mit drei LP's (später zwei CD's) mit dem Titel The Concert for Bangla Desh veröffentlicht, produziert von George Harrison und Phil Spector. Das Cover gestaltete Tom Wilkes, der auch künstlerischer Leiter und Fotograf des Festivals war. Auch ein Film des Konzerts wurde produziert, der als Video und DVD erhältlich ist. Durch den Verkauf der Eintrittskarten wurde ein Betrag von US $ 243'000 eingenommen. Das Geld ging kurz nach den Konzerten an den UNICEF, der damit Hilfsgüter und Hilfeleistungen für Bangladesch bezahlte.
Hier geht’s zum kompletten Konzert à http://vimeo.com/66413717
Konzert Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=4EJvizCVEyc


Verrückte führen Blinde
Der Westen benötigt den Osten als Konstruktion, er hat ihn sich gebaut und kulturell überhöht, parallel zu den kolonialen Eroberungen, er braucht ihn noch heute, um sich von ihm abzugrenzen und zu definieren, was als Zivilisation zu gelten hat. Die Banglas leben wie Blinde in ihrer Zeit. Sie sind abgenabelt von ihrer Geschichte und verdammt zu intellektueller Armut. Doch sie müssen zurückschauen, um zu verstehen, wo der falsche Weg eingeschlagen wurde und welche Ideen der Vergangenheit heute noch verwendbar sind. Die Herrschaft des Westens war kurz, im Vergleich zum chinesischen Reich. Das Wirtschaftsmodell wie der Kapitalismus kann nicht in jedem Land funktionieren, genauso wenig wie die Demokratie. Bangladesch braucht eigene, massgeschneiderte Lösungen und Systeme. Doch die Seuche dieser Zeit ist, dass Verrückte Blinde führen.
Im islamischen Bangladesch wird der Alltag von Männern beherrscht. An der Spitze der Macht, stehen allerdings seit langem auch zwei Frauen, die sich unversöhnlich gegenüber stehen; die eine in der Regierung, die andere in der Opposition.
Politik ist in Bangladesch eine Familienangelegenheit. Sheik Hasina Wajed hat ihren Vater in den Folgen des Unabhängigkeitskriegs verloren, Khaleda Zia ihren Mann.
Seit dem 24. April 2013 amtet Abdul Hamid als 20. Staatspräsident.

Sheikh Hasina Wajed (1947) ist eine führende Politikerin und amtete bereits zwei Mal als Premierministerin des Landes. Die älteste Tochter des Staatsgründers Mujbur Rahman und ihre Schwester Sheikh Rehana, wurde nicht wie die anderen Mitglieder ihrer Familie, am 15. August 1975 im Rahmen eines Militärputsches gegen ihren Vater hingemeuchelt, da sie sich zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Sheik Hasina übernahm 1981 die Führung der damals oppositionellen sozialistischen Awami-Liga. Von 1996 bis 2001 hatte sie ihre erste Amtszeit als Premierministerin von Bangladesch. Hasina Wajeds langjährige politische Gegnerin ist Khaleda Zia (1945). Beide Frauen haben das Amt der Premierministerin alternierend innegehabt. Bei den Parlamentswahlen 2008 errang Wajed gemeinsam mit ihrer Mitte-Links-Partei einen deutlichen Sieg gegen Zia und deren Bangladesh Nationalist Party (BNP) und sicherte der Liga mehr als drei Viertel der 300 Sitze. Sie entkam schon mehreren Attentaten, welche auf sie verübt wurden. Eines ihrer politischen Programme ist Digital Bangladesh. In einer umstrittenen Parlamentswahl wurde sie 2014 in ihrem Amt erneut bestätigt und vereidigt. Vor und während der Wahl kam es zu gewaltsamen Auseinander-setzungen, bei denen mehrere Menschen getötet wurden. Die BNP hatte zu einem Wahlboykott aufgerufen, da sie der Regierung Wahlmanipulation vorwarf.
Begum Khaleda Zia (1945) ist eine nationalkonservative bengalische Politikerin und Vorsitzende der Bangladesh Nationalist Party. Das Amt als Premierministerin hatte sie von 1991 - 1996 und von 2001 bis 2006 inne.
Ihr Ehemann, der damalige Präsident Ziaur Rahman, wurde 1981 bei einem fehlgeschlagenen Militärputsch ermordet. Danach wurde sie selbst politisch aktiv und bekämpfte zunächst die autoritäre Regierung Hussain Muhammad Ershads. Wegen eines Wahlboykottaufrufs wurde sie 1986 unter Hausarrest gestellt. Zusammen mit der Vorsitzenden der Awami Liga, Sheikh Hasina Wajed, führte sie eine Koalition der Oppositionsgruppen an, welche den Sturz Ershads bewirkte und somit den Weg für die demokratische Wahl im Jahr 1991 bereitete. Sie amtete anschliessend als erste Frau im Amt des Premierministers, wurde jedoch 1996 von ihrer politischen Rivalin Sheikh Hasina Wajed, als Premierministerin abgelöst.
Seit 2001 regierte sie bis zum Regierungswechsel zusammen mit zwei islamistischen Koalitionspartnern, wofür sie von liberalen Kräften im Land heftig kritisiert wurde. Internationale Beobachter berichteten von einer massiven Einschränkung der Pressefreiheit. Ihre Amtszeit endete 2006. Ende Dezember 2008 verlor Khaleda Zia die Parlamentswahlen mit ihrer bangladeschischen Nationalistischen Partei (BNP) gegen Wajed und deren Mitte-links-Partei Awami-Liga, die mehr als drei Viertel der zu vergebenen 300 Sitze gewann.
Der Staatspräsident Abdul Hamid (1944) ist seit 2013 im Amt. Er war vorgängig Speaker (Parlamentspräsident) der Jatiyo Sangshad von Bangladesch. Seine politische Laufbahn begann er bereits als Student in Kishoreganj. Deswegen wurde er Anfang der 1960er Jahre von der pakistanischen Regierung inhaftiert. Zwischen 1970 und 2009 wurde er insgesamt sieben Mal in das Parlament gewählt. Hamid wurde nach der Regierungsbildung durch die Awami-Liga 1996 stellvertretender Speaker des Nationalparlamentes und 2001 stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei in der Nationalversammlung.
Die Opposition ruft immer wieder zu Generalstreiks auf. Wiederkehrend wird diesen landesweit weitreichend Folge geleistet. Es kommt zur Einstellung der Transportmittel, Lebensmittel verrotten im Hafen, Aufständische werden mit Knüppel, Steinen und manchmal sogar mit Brandbomben zur Räson gebracht. Einzelne Demonstranten können sich innerhalb weniger Sekunden zu einer wütenden Menge formieren. Immer wieder ist von Todesopfern die Rede; Strassen- und Dorfsperren sind keine Seltenheit.
Ich betrachte Bangladesch wie seinerzeit Henry Kissinger, als hoffnungslosen Fall. Wer hierzulande die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. Solange die Leute nicht besser ausgebildet sind, kann eine Demokratie nicht funktionieren. 50 Prozent der Bürger sind noch Analphabeten. Eine gemässigte Militärregierung wäre das Beste für Bangladesch, denke ich. Die Leute sind nicht reif für eine Demokratie und müssen erst einmal Disziplin lernen. Doch Demokratie und Islam passen ohnehin nicht zusammen.
Dieser autoritäre, von Willkür und Korruption zerfressene Staat kommt nicht aus dem Dreck. Die bessere Zukunft lässt noch länger auf sich warten. Wer auch immer an der Spitze dieser Nation steht, eines muss gesagt sein, in jedem Fall ist es eine Wundertat, ein Volk von solch undisziplinierbaren Individuen zu führen. Einmal fragte ich den Chef einer Reiseagentur, einen erfahrenen Geschäftsmann, nach seiner Meinung über die Landespolitik. Er warf die Hände in die Luft und meinte: "This land lays in the kind hands of god." Wir haben beide herzhaft gelacht und ich fand den Gedanken eigentlich ganz schön: Ein Land in Allahs gütigen Händen, so musste man es sehen.


Pitcairn, seit 40 Jahren auf der endlosen Reise.

Pitcairn hat mit seinem vierköpfigen Reiseteam Bangladesch in den Monaten Oktober - Dezember 2014 individuell bereist. Der Bericht ist ein Auszug aus der über zweihundertseitigen Globalversion Ein Land im fortgeschrittenen Zerfall. Die Publikation im Forum wird in den kommenden Monaten erfolgen.

 
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Grossartig! Danke für diesen kompakten geschichtspolitischen Abriss!
 
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Danke. Leider habe ich Deine super Zusammenfassung erst jetzt gesehen. Und bin ganz schön berührt davon. Nochmals danke,
G.
 
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