Tag 14:
Die zweite Woche im LoS neigte sich dem Ende zu und die einsetzende Routine im Großteil des Tagesablaufs ließ es nicht langweilig erscheinen. Im Gegenteil, ich fühlte mich so wohl und lebensfroh, wie ich es seit einer Ewigkeit nicht mehr empfunden hatte.
Im Prinzip wachte ich schon mit einem Grinsen auf, wenn ich das kleine Etwas neben mir, in Fötusstellung in die Decke eingemummelt und ab und zu leicht schnarchend, betrachtete. Ich genoss es, bei tollem Wetter mit dem Roller durch die Gegend zu düsen...so dass ich manchmal sogar Umwege oder einfach ziellos umherfuhr. So auch an diesem Morgen. Meine Kleine ließ ich wieder schlafen und drehte eine größere Runde durch Lamai, vorbei am "Einheimischen-Markt", durch Ortsteile, die so eine Art Backstage für das tägliche Touristengeschäft in Strandnähe bildeten, und vorbei an Hütten oder andersgearteten Unterkünften, die eindeutig der weniger betuchten Mehrzahl der Bevölkerung zugeordnet werden konnten. Wieder zurück auf der Beach Road führte mich mein Weg -unbeirrt durch vereinzelte "hey, sexy man"-Rufe aus Richtung mancher Massagesalons- weiter zur Kaffeetränke. (wo ich übrigens den Roller wieder zwischen anderen im Parkverbot abstellte...ich bin halt ein rebellischer Outlaw...quatsch, aber ich bin nur faul und es waren zehn Meter weniger zu gehen)
Nach der angeblich wichtigsten Mahlzeit des Tages (beim Essen geht's ums Überleben, also ist jede Mahlzeit die wichtigste) kehrte ich "daheim" wieder ein, und Knackarsch erwartete mich schon abmarschbereit. Es war ja Tag der Neueröffnung einer anderen Bar im Komplex um den Boxring und meine Begleitung musste früh mit Vorbereitungen beginnen und später auch arbeiten. Also frei nach dem Motto "Hauptsache man(n) ist gesund und Frau hat Arbeit" die Kleine abgeliefert und mich selbst dem Strand- und Vorabendprogramm gewidmet. Auch hierbei war sowas wie Routine eingekehrt, dennoch stellte sich immer wieder der Erholungseffekt ein. Nun gut, der Akku, um mit den 10-20 Jahren jüngeren Hüpfern an der Bar mitzuhalten, war aufgeladen und so ging es nach einer Stärkung per fester Nahrung in Richtung Bar. Knackarsch hatte mir zwar vorher gesagt, dass es zur Eröffnung der neuen Bar ein Buffet für alle Besucher gäbe, aber ich wollte nicht riskieren, meinen Darmtrakt gegebenfalls noch stärker zu beanspruchen als er es eh den ganzen Urlaub über war.
An meiner Stammbar angekommen wurde ich direkt weitergewunken, in Richtung der 3-Baht-Toilette...die neue Bar war die dort am nächsten gelegene und die ganze Truppe trieb heute dort ihr Unwesen. Allerdings hätte ich die Bar auch ohne Brille und mit meinem artillerie-geschädigten Gehör finden können. Sie war auffällig bunt geschmückt, mit zig Ballons und sonstigem Kram, und es stand dort eine Boxenwand, die man sonst nur bei einem ACDC-Konzert im Fußballstadion erwartet hätte. Aber anstatt der üblichen "Tanz- und Stimmungsmusik" lief dort thailändische Musik. Alles kein Problem, wenn das Ganze nicht als Karaoke-Vorstellung veranstaltet worden wäre. Sprich, den kompletten Abend lang "sangen" dort die Mädels zu einheimischen Klängen. Leider waren nur ein bis zwei Mädels in der Lage, auch für Farang-Ohren erträglich die Töne zu treffen. Und das bei einer Lautstärke, die zum einen teilweise echt wehtat, aber zum anderen durch die Druckwelle zusätzlichen Wind zur Kühlung verursachte.
Neben der Bar waren ein paar Tische mit Stühlen aufgebaut, an denen zwei ältere Thais saßen, die hofiert wurden, als wären sie zwei Paten der örtlichen Barmafia, und ein paar Thai-Pärchen, die scheinbar zu Chefin gehörten. Chefin legte übrigens ein heftiges Tempo in Sachen Alkohol an den Tag...leider verbesserten sich ihre Gesangskünste dadurch nicht, aber der Drang zur Selbstdarstellung am Mikrofon dafür umso mehr.
Anfangs lehnte ich dankend das Angebot seitens Knackarsch und Mamasan ab, mich am Buffet zu bedienen. Nach den ersten Getränken packten sie dann aber ein paar Schalen auf den Tresen, die sie extra für mich zusammengestellt hatten. Gut erzogen und auch erfreut über die "Sonderbehandlung" konnte ich dann nicht mehr ablehnen. In der einen Schale schwamm eine Riesengarnele im öligen und -wie ich bemerken sollte- ordentlich scharfen Sud. Die andere war bis zum Rand voll mit gebratenen Hühnerflügeln und -beinchen. Beides war lecker und Mamasan schien auch erfreut zu sein, dass es mir schmeckte. Knackarsch hatte sich Fisch besorgt (für mich Fischabstinenten sah es nach Lachs aus) und dazu irgendeine dunkelgrüne Paste...vom Aussehen wie ein Pesto, vom Geschmack wohl eher ein Potpourri sämtlicher Chilisorten des Landes. Denn meine Kleine genoss es sichtlich, den anderen Mädels immer mal wieder ein Stückchen anzubieten, die dann nach der Fütterung mit Tränen in den Augen panisch nach ihrem Getränk suchten. Sie selbst pfiff sich das Zeug rein, als wenn es Milchdrops wären. Zwischendurch war ein Typ neben mich gekommen, der die letzten Tage auch immer wieder da war und scheinbar auch ein Mädel aus der Bar zu seiner persönlichen Begleitung gemacht hatte. Dem wurde seitens Knackarsch auch ein "leckerer" Lachs angeboten, aber er wurde auch gewarnt, dass es scharf sei. Wie es gerade bei jüngeren Vertretern der Spezies Mann öfters der Fall ist, stellte er sich als unverwüstlich dar und schluckte tapfer den ihm angebotenen Leckerbissen. Respekt, er bestätigte noch, dass es gut schmecken würde, bevor er sich nach kurzer Wirkzeit mit einem Hüsterli wegdrehte, um sich die Freudentränen aus dem Auge zu wischen. Später bekam er nochmal einen Bissen ab, der fast schon in einem Mantel des Chili-Pesto eingewickelt war...er verschwand dann auch recht zügig in der 3-Baht-Toilette.
Im Laufe des Abends stieg bei manchen der anwesenden Damen der Pegel merklich. So kam irgendwann Süße zu mir, nicht mehr ganz stabil, und fragte mich nach einem Ladydrink. Auch mit der Begründung, dass sie wohl genug habe, erfüllte ich ihr den Wunsch nicht. Ich denke, aufgrund ihrer mangelnden Englischkenntnisse und der unter Alkoholeinfluss problematischen Verständigung ließ sie nicht locker, bis dann Knackarsch ihr in einem Ton, der keiner besonderen Sprachkenntnisse bedurfte, klarmachte, dass sie abzuschwirren hätte. Dann gab's auch noch von einem anderen Mädel einen auf den Deckel für Süße. "Ok, die Hackordnung im Bar-Rudel ist mal wieder unterstrichen worden!"
Mamasan hatte inzwischen auch einen guten Zug drauf und kam gut angeheitert zu mir, zog mich von meinem Barhocker und schleifte mich zu einem Stand im hinteren Teil des Komplexes, wo man mit Dartpfeilen Luftballons abwerfen musste. Sie forderte mich auf, für sie und mich Pfeile zu kaufen. Da ich sie auch mittlerweile ins Herz geschlossen hatte, gönnte ich uns ein paar Runden, ohne erfolgreich und mit einem Stofftier als Trophäe unter dem Arm zur Bar zurückzukehren.
Die Nacht war schon weiter fortgeschritten und die einheimischen Besucher der Eröffnungsfeierlichkeiten waren auch schon fort. Da tauchte der 3-Monats-Typ auf und wurde auf seiner Begrüßungsrunde von Chefin in ihre Fänge gezogen. Diese war mittlerweile auf einem Niveau angelangt, welches sie sich selbst als unwiderstehlich erschienen ließ und wohl den Wunsch nach einem jungen, knackigen Farang erweckte. So wurde der 3-Monats-Typ zum Gespielen, Tanzpartner und Ziel aller Annäherungsversuche der Chefin. Irgendwann ging aber der Schalter bei Chefin auf "aus". Ich hatte mich bis dahin eh schon gewundert, wie lange sie das durchhielt und immer weiter Tequila und eigentlich alles, was ihr vor die Nase kam, runterkippte. Sie schlief am Tresen mit dem Kopf an der Schulter vom 3-Monats-Typen ein, wachte kurz wieder auf und forderte Zärtlichkeiten seitens des Farang und klappte wieder weg. Vereint haben sie Chefin dann in einen Stuhl verfrachtet, wo sie -nicht unbedingt für eine Veröffentlichung auf ihrer facebook-Seite, aber dafür sicher vor schmerzhaften Stürzen- schlafen konnte. Ich hatte mittlerweile auch lange genug ausgehalten und klärte mit Knackarsch unsere Abreise gen Bungalow...auch weil die überaus deliziöse, aber halt auch mächtig scharfe, Riesengarnele Unruhe in meinem Innersten verursachte.
Auf halbem Weg zum Roller wurde meiner Kleinen hinterhergerufen. Nach kurzer Kommunikation mit ihren Kolleginnen erklärte sie mir, dass sie Chefin in das Zimmer von Knackarsch bringen wollten, damit sie dort sicher schlafen könnte. So fuhr der 3-Monatstyp vor, zu zweit wurde Chefin hinter ihm auf den Roller gehoben. Erst wollte ich mit Knackarsch hinterherfahren, um dabei zu helfen, Chefin in den ersten Stock zu verfrachten. Als diese dann aber im Stehen schon fast vom Roller fiel, sagte meine Kleine, dass ich auf sie warten solle. Sie setzte sich noch hinter Chefin und der 3-Monats-Typ balancierte den Roller. Ich fragte, ob ich nachfahren sollte, um zu helfen, was aber verneint wurde. "Ohje, ob das mal gut geht. Der Fahrer als dauerbekifft bekannt, die Chefin wie ein nasser Sack in der Mitte und Knackarsch, das Würmchen, ohne sonstigen Halt als Absicherung ganz hinten." Gut, ich schaute dem bizarren Bild hinterher und wartete brav an meinem Roller auf die Rückkehr meiner Begleitung. "Ui, der King Prawn hat wohl seine Reise durch die unendlichen Weiten meines Darmtraktes beendet und will jetzt unbedingt raus!" Was tun? Zu meinem Zimmer war es nicht mal eine Minute Fahrt und ein kurzer Fußweg...aber zum Zimmer von Knackarsch war es auch nicht viel weiter und dementsprechend würde sie in Kürze wieder da sein. Also hieß es im wahrsten Sinne des Wortes "Arschbacken zusammenkneifen". "Wo bleiben die denn?" Wie es in diesen Situationen ist, zogen sich fünf Minuten wie eine halbe Ewigkeit hin und ich führte einen schweißtreibenden Kampf gegen mein Innerstes. Im Prinzip hätte ich locker in meinen Bungalow fahren, das Geschäft erledigen und wieder zurückkommen können, bis dann endlich Knackarsch bei mir abgeliefert wurde. Aber: hätte hätte, Fahrradkette! oder Hätt' der Hund nicht geschissen, hätt' er die Katz' gefangen! (ok, doofer Spruch in der Situation). Letztendlich hat die Selbstbeherrschung gesiegt, und ich musste mir noch keine Gedanken über Erwachsenen-Windeln machen.
Im Bungalow lagen wir nach dem "Nachtisch" noch ein wenig im Bett und schauten fern, als das Handy von meiner Kleinen klingelte. Es war leise genug, so dass ich am anderen Ende Ladyboy an der Stimme erkennen konnte. Das Telefonat dauerte nicht lange. Knackarsch erklärte mir dann, dass Mamasan zu betrunken wäre, um die Abschlussrechnung für die Kasse zu machen, und die andere Kassiererin auch nicht mehr da wäre. Sie fragte mich, ob sie nochmal weg dürfte, damit sie das erledigen könnte. Ich drückte ihr den Schlüssel für meinen Roller in die Hand und gab ihr "meinen Segen". Ich verbrachte die Wartezeit damit, mir eine Zusammenfassung von Champions League-Spielen anzuschauen, und konnte meinen Knackarsch noch wach wieder begrüßen, die mir die Situation vor Ort nochmal erläuterte.
Wenig später war das Licht aus, und ich hatte noch das Dröhnen der Boxen mit den ungewohnten Klängen und zumeist glassprengenden Stimmen im Ohr, als ich versuchte einzuschlafen. Sowas wollte ich mir nicht noch einmal antuen:
"ab morgen ändere ich was..."