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Ich stelle hier einmal einen Artikel als Diskussionsgrundlage ein, den ich fuer Printmedien verfasst hab. Soll rein informativ sein und nur der Aufklaerung dienen. Historische Fakten sind wohlrecherchiert und ich erlaubte mir, eine eigene Meinung dort hineinzuinterpretieren:
Die Ursachen der Unruhen im Süden
(c) 2007 abstinent
Ich habe mir erlaubt, ein wenig zu recherchieren. Die Unruhen in den südlichsten Thaiprovinzen und meine kürzliche Reise dorthin haben mir einige Rätsel aufgegeben. Gern würde ich Zeuge einer friedlichen Lösung dort sein, aber vergangene Hardlinerpolitik und eine gewisse Blindheit den Argumenten Andersdenkender gegenüber haben in vielen Medien zu einem Tenor geführt, der vielleicht nicht mehr ganz richtig ist.
Unbestritten wird, dass die Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat als Bestandteil des sogenannten „Königreiches Pattani“ in etwa seit dem 3. nachchristlichen Jahrhundert eine eigene Historie vorweisen. Das Königreich Pattani umfasste neben den drei Südprovinzen Thailands die heutigen malayischen Nordprovinzen Kelantan, Perlis, Terangganu und Kedah. Man assoziierte sich mit dem Indo-Malayischen Staatsverbund namens Srivijaya. Das Srivijaya-Imperium orientierte sich am Hindu-buddhistischen Glauben und bildete unter seinen Mitgliedsstaaten eine Art maritimer Konföderation, welche vielleicht entfernt mit der Hanse des Mittelalters in Europa vergleichbar ist.
Etwa im 11. Jahrhundert konvertierte man in Pattani zum Islam, behielt aber seine absolute Autonomie im Rahmen der Srivijaya bei.
Das Pattani Königreich erlebte mehrere Versuche einer siamesischen Machtübernahme im 17.Jahrhundert, konnte aber damals seine Eigenständigkeit immer in gewisser Form behaupten.
Siam schaffte es unter dem Feldherren Taksin, dem späteren König Taksin die Thai zu vereinen und burmesische Aggressoren nachhaltig zurückzuweisen. Sein General Chao Phraya Chakri, hatte die Laoten im Norden dann vernichtend geschlagen. Nachdem König Taksin für unzurechnungsfähig erklärt und hingerichtet wurde, begründete der begabte General die Chakri-Dynastie und wurde als Rama 1 der erste König mit Sitz in Bangkok.
Der jüngere Bruder des Rama 1, Vizekönig Boworn Maha Surasinghanat besiegte die Armee des Sultans Mohammed von Pattani unterdessen in einer Schlacht im Süden und das Königreich Pattani hörte auf zu existieren, es wurde ein Teil des siamesischen Reiches. Der Thaisprache nicht mächtig und dem Buddhismus nicht folgen wollend, haben sich die Einwohner in der Folge immer wieder gegen die hier nun tonangebenden Thai aufgelehnt und revoltiert.
Die britische, portugiesische und niederländische Besetzung und Eroberung einzelner Landesteile und Seehäfen in Südostasien berührte das ehemalige Königreich Pattani zunächst nicht. Nachdem die Engländer zunächst erfolgreich Fuß gefasst hatten, war ihrem imperialistischen Hunger nach Einfluss und Machtausweitung kaum noch eine Grenze gesetzt. Portugiesen und Niederländer wurden in ihre Schranken gewiesen und das britische Imperium dehnte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer weiter aus. Aus ehemaligen Handelsbastionen der East India Company wurden Kolonien, ständig auf Raum- und Machtausdehnung ausgerichtet.
Mit dem „Anglo-Siamesischen Staatsvertrag“ von 1909 trat der damals regierende Koenig Rama 5 (Chulalongkorn) die 4 heute zu Malaysia gehörenden Provinzen Kelantan, Perlis, Terangganu und Kedah an die englischen Kolonialherren ab. Die somit gezogene Linie mitten durch das ehemalige Pattanireich bildet auch heute noch die Staatsgrenze zwischen Thailand und Malaysia.
Die Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat sind vorwiegend von Menschen moslemischen Glaubens bewohnt, die hier ihre angestammte Heimat sehen. Ihr Glauben und ihre ethnisch-sprachliche Zugehörigkeit zu „Bhasa Malay“ sprechenden Volksstämmen hat seitens der hier regierenden Thai unterschiedlichste Maßnahmen zur Folge gehabt. Das Erlernen der Thaisprache und des Thaialphabets würde ihnen aufgezwungen, so sagen sie – und ihren Kindern gäbe man keine Chance die Muttersprache zu erlernen.
Buddhistisches, wie zum Beispiel Tempel und Mönche sieht man hier oft als Fremdkörper, und ein friedliches Nebeneinander scheint seit den Eskalationen aus der Shinawatra-Ära nicht mehr möglich zu sein. Der Staatsvertrag trennte Familien und natürlich gewachsene Handelswege, Brauchtum und Sprache der neuen Herren wirken den Ureinwohnern fremd. Eine Assimilierung hat im Laufe der letzten Generationen sicherlich stattgefunden, aber vielleicht hat man es versäumt, den Bauern und Fischern hier so etwas wie eine eigene Identität zu geben.
Konflikte auf der ganzen Welt zeigen eindrucksvoll, dass man eine Volksseele nicht lange unterdrücken kann. Wohlgemeinte künstliche Staatsgrenzen haben in jüngster Vergangenheit zu vielen Kriegen und kriegsähnlichen Zuständen in anderen Regionen geführt. Serbien, Kosovo, Timor, Aceh, Sri Lanka, Mindanao und andere Beispiele liegen auf der Hand des Betrachters und sorgen weiterhin nachhaltig für Schlagzeilen.
Nein, ich möchte mich bestimmt nicht als Verteidiger oder gar Anwalt von Extremisten und Spinnern sehen, die unschuldige Menschen für ihre angeblichen Ziele hinrichten und töten. Doch wenn nur noch Bomben sprechen und sich die Parteien nur noch durch die Visiere ihrer Schnellfeuerwaffen betrachten – dann sollte man es sich vielleicht überlegen, ob in der Vergangenheit vielleicht etwas zu viel Einverständnis der Betroffenen vorausgesetzt wurde. Eine Politik der Stärke, ein Mehraufgebot an Staatsgewalt hat manchmal eine weniger positive Wirkung als vielleicht so etwas Einfaches, wie das Angebot von regionalen Feiertagen. Oder vielleicht sogar Kulturförderung im Sinne der Minorität.
Mittelalterliche Kriege in Europa haben ja auch letztendlich zum Beispiel zu unterschiedlichen Feiertagen in deutschen Bundesländern oder Gemeinden geführt. In Gegenden mit überwiegend katholischer Bevölkerung möchte man eben an anderen Tagen feiern als in solchen mit protestantischer Mehrheit.
Vielleicht möchte man in Pattani, Yala und Narathiwat eben nicht Songkran und Maha Bucha feiern – sondern lieber Ramadan und Eid Al-Ajha. Zweisprachige Ortsschilder forderten die Rebellen vergangener Generationen, wäre das denn so schwierig zu realisieren? Ein Schweigen der Waffen kann doch nur von Jedermann gewünscht sein, es hat doch wirklich schon genug Tote gegeben. Allein die Militärpräsenz vor Ort kostet den Thai Steuerzahler doch einen erheblichen Batzen, kann man das nicht sinnvoller einsetzen?
Ich jedenfalls wünsche mir von ganzem Herzen eine Deeskalation in der Region und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Nur wenige dort sind wirkliche Spinner, denen man einen fairen Prozess anbieten müsste. Die Mehrheit sind friedliebende Bürger und so manch Aufständischer wäre vielleicht stolz ein Thaibürger zu sein, wenn man ihm seinen Stolz nicht von Bangkok aus vorschreiben würde.