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Das Schreiben hatte durchaus was therapeutisches. Ich hab' es mir mal ungeschminkt "von der Seele geschrieben". Und bei meinen Erzählungen im Familien- und Freundeskreis sind die peinlichen Details meist unter den Tisch gefallen.
So, weiter im Text. Ich fasse mich auch so kurz als möglich
Delhi, Medanta (The Medicity), 06.09.2010 bis 08.09.2010
Die Nacht war ziemlich beschissen. Ich habe mich redlich bemüht, die ständige Geräuschkulisse zu ignorieren. Ständig piept oder hupt irgendwo, irgendein Alarm eines EKG-Monitors. Zusätzlich halten einen diese Kabel vom erholsamen Schlaf ab. Ganz zu schweigen vom stündlichen Blutdruckmessen.
Meine Nachtschwester war ziemlich kratzbürstig und hat meine Versuche, leichte Kommunikation zu betreiben mit einer gehörigen Portion Ruppigkeit im Keim erstickt.
Das ist ein weiteres Zeichen, in einem guten Hospital gelandet zu sein: 24 Stunden persönliche Betreuung durch eine Pflegekraft. Und die Pflegekräfte sind jeweils ausschließlich für einen Patienten zuständig. Das heißt, dass wirklich rund-um-die-Uhr eine Schwester/ein Pfleger am Bett sitzt und neben der Protokollierung aller Messadten versucht, dem Patienten alle Wünsche zu erfüllen.
Da kommt man als Kassenpatient aus Deutschland plötzlich in eine andere Welt. So richtig kapiert habe ich das aber erst, als ich zuhause im Internet rechercheirt habe. Ich fragte also eher vorsichtig nach, ob ich was zu trinken haben könnte, oder sparte mir den Gang zur Toilette auf, bis es nichtmehr ging - nur um nicht zu "stören". Um so entsetzter war ich, dass die geäußerten Wünsche dann in Windeseile umgesetzt wurden. Die Patienten sind halt ausnahmslos wohlhabend und bezahlen dafür - und dulden keinen Verzug. Fünf-Sterne-Klinik...
Um 05:30 Uhr wurde ich zum Fiebermessen unsanft geweckt. Anschließend wurde ich mit einem frischen Pyjama, Einweg-Rasierzeug, Seife und Waschlappen ins Bad geschickt. "Kratzbürste" hat es kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, dass ich aus Rücksicht auf meine empfindliche Gesichtshaut auf eine Nassrasur mit einem Einwegrasierer (und ohne Rasierschaum) verzichtete.
Um kurz nach acht, unmittelbar nach dem Schichtwechsel kam das Frühstück: Cornflakes, heiße Milch, Joghurt, zwei Brötchen, Käse, etwas Wurstähnliches und Tee... dazu: ein leckerer Fruchtsalat.
Jetzt, nachdem ich etwas ruhiger war, fielen mir Details auf, die ich am Vorabend nicht wahrgenommen hatte: so wird z.B. das Essen von einem schwarz gekleideten "Kellner" mit weißer Schürze regelrecht serviert, der dann auch direkt fragt, wie man seinen Tee möchte - um ihn dann am Bett frisch zuzubereiten.
Das Pflegepersonal ist offenbar nach Funktionen gekleidet: pro Schicht macht ein Pfleger mit roter, statt der üblichen, grüngestreiften Hose seine Runden und schaut, ob alles passt.
Einzig die Ärzte tragen einen weißen Kittel über ihrer Straßenkleidung. Aber allesamt tragen diese ulkigen Überschuhe
Das Frühstück war für Krankenhausverhältnisse echt klasse - genauso wie das gestrige Abendessen: gegrillte Hühnchenstücke, Dhal (Linsengemüse), Nan (Fladenbrot), Paprikagemüse und Salat.
So richtig vom Glauben abgefallen bin ich, als meine Frühdienst-Schwester dirket nach dem Abräumen durch den "Kellner" mit verschiedenen Tageszeitungen am Bett stand. Ob ich etwas lesen wolle...
Am liebsten hätte ich ihr stundenlang in ihr süßes Gesicht geschaut. Sie kommt aus Nepal und hat zwischen ihren wundervollen Mandelaugen eine goldige Stupsnase. Und wenn sie lächelt, geht die Sonne auf...
Ich machte es während ihrer Schicht zu meiner Aufgabe, sie möglichst oft zum Lächeln zu bringen. Sie erzählte mir, dass sie schon vor Beginn ihrer Schicht vom Patienten aus HCC18 gehört hatte: der blonde, blauäugige Europäer, der zu allen Bediensteten so höflich ist, und sie nicht ständig schikaniert. Kurzum: der Exot.
In der Folge freute sich das Pflegepersonal angeblich, wenn sie mir zugeteilt wurden. Nett, unkompliziert und ständig "Action", denn im Laufe der Schicht kamen all meine Ex-Schwestern bzw. Pfleger auf einen Schwatz vorbei und verabschiedeten sich zum Ende ihrer Schicht mindestens mit einem freundlichen Lächeln.
Neben verschiedenen EKGs bekam ich eine Sonografie der Coronargefäße und der Carotiden (Halsschlagadern) verordnet. Als "Krönung" meiner Odysee und um alle Zweifel auszuschließen gab es am 07. September eine Koronarangiographie. Ich spare mir die Details und verweise den geneigten Leser auf Wikipedia - da steht's ganz gut beschrieben.
Die Stunden nach der Untersuchung verbrachte ich mit Telefonaten:
- ein Kollege vermittelte mich an einen Bekannten (der in Delhi lebt), damit der sich nach meiner Entlassung um mich kümmern sollte
- mit der Reisekrankenversicherung, da die direkte Kommunikation mit der Klinik angelich nicht so gut funktionierte :sc:
- mit der Botschaft, um die Abholung meines Passes am Folgetag zu besprechen
- mit Raquesh, dem Etihad-Stationsleiter, um die weiteren Schritte zu besprechen
- und (auf Initiative meiner Chefin) meldete sich ein Mitarbeiter unseres Unternehmens, der seit zwei Jahren in Delhi arbeitet. Falls ich Hilfe bräuchte...
Ich zog in ein Guesthouse, unweit der Klinik, um am 09. September einen Behörden-Marathon zu bewältigen: Botschaft (Pass abholen), Airline (Ticket abholen) und Immigration (um mein "Landing-Permit" gegen einen offiziellen Stempel im Pass zu tauschen).
Gerade für die Immigration sollte ich laut Aussage der Botschaft viel Zeit, Langmut und indische Gelassenheit mitbringen. Und locker vier Stunden Schlangestehen einkalkulieren
Im Guesthouse machte ich erstmal meinen Koffer auf und hängte meine Klamotten für den nächsten Tag zum Lüften raus; ich hatte, wie üblich, etwa 3 kg Gewürze im Koffer, deren Aroma inzwischen in allen Sachen steckte...
Anschließend, bei einem Bier (Kingfisher - fürchterliche Plörre), stellte ich fest, dass mein unfreiwilliger Zwischenstopp bereits im TAF die Runde gemacht hatte. Danke nochmal an Dito und Dolores...
Entgegegen meiner Ansage gibt es doch ein paar (unspektakuläre) Bilder, die ich mit meinem Mobile gemacht habe.
Jetzt fehlt nicht mehr viel, was aber nicht minder berichtenswert wäre.
Das folgt (hoffentlich) am Wochenende - in Teil 3
Wer wissen möchte, in welchem Luxus-Krankenhaus ich war: http://www.medanta.org