Thailändisch lernen

Fluggastrechte und finanzielle Ansprüche (hier: Pauschalreise innerhalb der EU)

        #1  

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Mein Vater hat mit seiner Lebensgefährtin eine Reise auf die Kanaren gebucht. Aufgrund eines technischen Defektes konnte das Flugzeug nicht starten. Man hat die Passagiere in einem Hotel in Frankfurt untergebracht und am nächsten Tag zum Urlaubsziel geflogen.
Die Ansprüche 400 € (weil über 1500 km Entfernung, Start und Landung in der EU, mehr als 4 h Verspätung) sind unstrittig, weil technische Defekte bzw. Probleme Sache der Fluggesellschaft sind und nicht als außergewöhnliche Umstände gelten.

An die Fluggesellschaft kann man ebenfalls Schadenersatzansprüche stellen, wenn man das gebuchte Hotelzimmer nicht nutzen kann (hier: 1 Tag).

Nun habe ich folgende Frage: wem gegenüber macht man diese Ansprüche geltend?
Nach meinem Wissen richtet man sie an den Reiseveranstalter (der sich diese Kosten wohl von der Fluggesellschaft zurückholen kann).

Hat jemand so was schon mal erlebt und durchgesetzt?
Mir geht es vor allem um die Kosten für das Zimmer der ersten Nacht. Man hat die Fluggäste zwar in einem anderen (ordentlichen) Hotel (in Frankfurt) untergebracht, aber das hat ja nichts mit dem gebuchten zu tun.

Es geht hier wohl um Ansprüche aufgrund eines Reisemangels auf Minderung des Reisepreises. Setzt sich diese Minderung nur aus den Kosten des nicht genutzten Hotelzimmers zusammen?
Oder errechnet er sich prozentual zur Gesamtdauer der Reise (als bspw. 1/14 des Reisepreises, weil 1 Tag nicht wie vertraglich vereinbart, nutzbar?
Ähnlich verhält es sich wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (wobei mein Vater und seine Begleitung Rentner sind).

Bin auf hilfreiche Antworten gespannt!
 
        #2  

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Ich befürchte mal da liegst du ein wenig daneben. Bei einer Pauschalreise hast du keinen Vertrag mit der Airline geschlossen. Von daher stehen dir auch keine 400 Euro zu. Ob der Reiseveranstalter die zahlt, halte ich zumindest für zweifelhaft. Im worst case bekommst du den fehlenden Urlaubstag bezahlt und das wars. Das mit der nutzlosen Urlaubszeit wird dir keiner erstatten. Das müsstest du gerichtlich einklagen und da hat ein Rentner sehr schlechte Karten.

Flighright und Co. schreiben auf ihren Seiten: Bei Flugverspätungen bei Pauschalreisen steht Ihnen unter Umständen eine Entschädigunge zu.
Unter Umständen = normalerweise nicht.
 
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        #3  

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Hiernach hat mal auch als Pauschalreisender Ansprüche auf Entschädigungen - sowohl den Flug als auch den Urlaub als ganzes betreffend.
Am besten wäre es dann wohl, einen Fachmann zu finden, der das bis ins kleinste Detail aufschlüsselt - oder zu gucken, ob man den Fall an eine der großen Firmen abgibt und sich über eine reduzierte aber dafür konfliktlose Entschädigung freut.
 
        #4  

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Soweit ich weiß, gelten Fluggastrechte unabhängig von der Buchungsform und immer zum Vorteil des Fluggastes, deshalb auch der Name. @magicbiker hast du eine Quelle für deine Aussage?
 
        #5  

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Member hat gesagt:
Bei einer Pauschalreise hast du keinen Vertrag mit der Airline geschlossen. Von daher stehen dir auch keine 400 Euro zu.

Das ist nicht richtig. Hierzu einmal der entsprechende Ausschnitt aus dem Wikipedia Artikel zur EU Fluggastrechteverordnung (Klick hier, Abschnitt "Leistungsverpflichtete" )

"Anspruchsgegner der Fluggastansprüche sind Fluggesellschaften, die betroffene Flüge durchführen. Dabei erfasst die Fluggastrechte-VO unterschiedslos Linienflüge und Charterflüge (einschließlich Billigflüge).

Nach Art. 3 ff. der Fluggastrechte-VO entstehen den Passagieren die Fluggastrechte stets gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen. [...] Auch bei Flügen im Rahmen von Pauschalreisen (Richtlinie 90/314/EWG) sind die Ansprüche nicht an den Reiseveranstalter zu stellen, sondern ebenso an das ausführende Luftfahrtunternehmen."



Member hat gesagt:
Es geht hier wohl um Ansprüche aufgrund eines Reisemangels auf Minderung des Reisepreises. Setzt sich diese Minderung nur aus den Kosten des nicht genutzten Hotelzimmers zusammen?
Oder errechnet er sich prozentual zur Gesamtdauer der Reise (als bspw. 1/14 des Reisepreises, weil 1 Tag nicht wie vertraglich vereinbart, nutzbar?
Ähnlich verhält es sich wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (wobei mein Vater und seine Begleitung Rentner sind).

Wenn man die Entschädigung aus der EU Fluggastverordnung in Anspruch nimmst, sind damit auch alle weiteren Ansprüche abgegolten, auch die für den von @leo angeführten "Reisemangel". Der oben zitierte Wikipedia Artikel verweist hierzu auf einen anderen Internetartikel ( Klick hier, siehe Abschnitt "Voraussetzungen" in dem Kapitel "Anteilige Erstattung der Pauschalreise"). Dort heißt es:

"Ist ein Flug Bestandteil einer Pauschalreise, schützen den Flugreisenden weitergehend die Ansprüche des Reiserechts aus §§ 651a ff. BGB. Von praktischer Bedeutung ist dabei vor allem das Recht, den Pauschalreisepreis bei Mängeln zu mindern bzw. sich nachträglich teilweise zurückerstatten zu lassen [...] Findet der Flug erst etwa einen Tag später als geplant statt, ist sogar der volle Tagessatz zurückzuzahlen. Gleichwohl ist denkbar, dass eine entsprechende Rückforderung entfällt, wenn die Unannehmlichkeiten des Passagiers bereits durch die Entschädigungspauschale nach Art. 7 FluggastrechteVO abgegolten werden. Dies hat folgenden Grund:

Art. 12 Abs. 1 FlugastrechteVO stellt klar, dass die Ausgleichszahlung von bis zu 600 € gemäß Art. 7 FluggastrechteVO auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch angerechnet werden kann. Streng genommen handelt es sich bei § 651m Abs. 1 BGB stattdessen zwar um ein Minderungsrecht. Gleichwohl geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass Art. 12 Abs. 1 FluggastrechteVO auch eine Verrechnung mit solchen Ansprüchen erlaubt (siehe BGH, Urteil vom 30.9.2014, X ZR 126/13, Rn. 12 ff. = NJW 2015, 553).

Das erklärt sich vor allem daraus, dass die englische Fassung der FluggastrechteVO allgemein davon spricht, die Entschädigungspauschale sei mit jedweder anderen „compensation“ zu verrechnen (Steinrötter, in: Beck-OGK, Stand: 01.03.2019, Art. 12 FluggastrechteVO, Rn. 52ff.). Darüber hinaus enthalten die AGB der meisten Reiseveranstalter eine Bestimmung, wonach Rechte bei Flugverspätung entfallen, soweit die Fluggesellschaft bereits nach der FluggastrechteVO geschuldete vergleichbare Leistungen erbringt.

Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich des Pauschalreisepreises steht den Fluggästen also nur zu, solange sie die pauschale Flugentschädigung nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO nicht von der Airline einfordern. Dies hat inzwischen auch der EuGH mit Urteil vom 10.07.2019 bestätigt (C-163/18)."



Meinem Verständnis nach heißt das also:
@leo kann entweder die Flugggastentschädigung in Höhe von 400 EUR gemäß der EU Fluggastverordnung in Anspruch nehmen oder eine Reisepreisminderung gemäß dem deutschen Reiserecht auf Grundlage des BGBs geltend machen, aber nicht beides. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die 400 EUR auf Grundlage der EU Fluggastverordnung die bessere Wahl. In dem Fall ist wie anfangs beschrieben der Anspruch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und nicht gegenüber dem Pauschalreiseanbieter geltend zu machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
        #6  

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Member hat gesagt:
Soweit ich weiß, gelten Fluggastrechte unabhängig von der Buchungsform und immer zum Vorteil des Fluggastes, deshalb auch der Name. @magicbiker hast du eine Quelle für deine Aussage?
Ich habe das nur mal kurz gegoogelt. Wie die Kollegen schon geschrieben haben, liege ich wahrscheinlich falsch. Wieder was gelernt.😃
 
        #7  

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@helgi ... vielen Dank für deine Mühe und vor allem für die Quellenangaben.

Mir ist vor einigen Monaten selbst so ergangen, dass ich neben den 600 € Entschädigung (Langstreckenflug nach Afrika) auch die tatsächlich entstandenen Kosten von knapp 40 € (Fahrtkosten von meinem Wohnsitz zum Flughafen u.z. für eine verplemperte Fahrt) geltend gemacht und auch durchgesetzt habe, da nachweislich Ethiopian Airlines verantwortlich war, dass ich nicht fliegen konnte.
Damit ist ET deutlich günstiger gekommen, als wenn ich im Hotel übernachtet hätte. Schließlich war ich ja quasi gestrandet (hier jedoch in meinem Wohnort, da die Reise hier beginnen sollte).
Es ging hier um eine offenbar nicht vorhandene Zusammenarbeit bzw. Informationsverluste zwischen Lufthansa (Zubringerflug nach FRA) und Ethiopian Airlines (Flug von FRA nach MBA). Zumindest im PC von LH war keine Buchung/Nachricht von ET zu finden.




Aber im hier in #1 geschilderten Fall geht es um eine Pauschalreise. Nach meinem laienhaften Rechtsempfinden, hat die Fluggesellschaft die 400 € zu zahlen (Ansprüche an die Fluggesellschaft, für mich unstrittig) und die 1/14 Reisepreisminderung müssten wohl dem Veranstalter ggü. geltend gemacht werden.

Hat jemand sowas schon mal durchgesetzt? Hilfreich wären tatsächlich nur Beiträge von denen, die das realisiert haben (oder eben auch gescheitert sind). Vermutungen sind da nur wenig hilfreich.

Und noch eine sehr wichtige Frage: Muss ich in solch einem Fall meine Ansprüche zunächst ohne Rechtsbeistand an die Fluggesellschaft richten? Oder kann ich mir sofort einen Anwalt nehmen, der von der Gegenseite (Fluggesellschaft) bezahlt werden muss?
Bei Verkehrsunfällen/-schäden muss ich mich ja auch nicht mit der gegnerischen Versicherung rumärgern, sondern kann mir auf deren Kosten sofort einen Anwalt nehmen, der sich um alles kümmert.



@helgi ... die von dir zitierte Richtlinie 90/314/EWG wurde zunächst ersetzt und zum 1. Juli 2018 aufgehoben (siehe unten)
Die Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, kurz EU-Pauschalreiserichtlinie, schrieb vor, dass jeder Reiseveranstalter Zahlungen von Kunden für eine Pauschalreise gegen seine Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz durch Reisesicherungsschein absichern musste.[1]

Die Pauschalreiserichtlinie wurde durch die Richtlinie (EU) 2015/2302 vom 25. November 2015[2] ersetzt und zum 1. Juli 2018 aufgehoben.
 
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        #8  

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Member hat gesagt:
Mir ist vor einigen Monaten selbst so ergangen, dass ich neben den 600 € Entschädigung (Langstreckenflug nach Afrika) auch die tatsächlich entstandenen Kosten von knapp 40 € (Fahrtkosten von meinem Wohnsitz zum Flughafen u.z. für eine verplemperte Fahrt) geltend gemacht und auch durchgesetzt habe, da nachweislich Ethiopian Airlines verantwortlich war, dass ich nicht fliegen konnte.
Damit ist ET deutlich günstiger gekommen, als wenn ich im Hotel übernachtet hätte. Schließlich war ich ja quasi gestrandet (hier jedoch in meinem Wohnort, da die Reise hier beginnen sollte).

An sich widerspricht der von Dir geschilderte Fall erst einmal nicht den Ausführungen aus meinen Post. Die Verpflichtung zur Erstattung der von Dir angeführten "tatsächlichen Kosten von knapp 40 EUR" ergeben sich rechtlich gesehen ebenfalls aus der EU Fluggastrechteverordnung und nicht auf Grundlage einer Reisepreisminderung gemäß des deutschen Reiserechts (BGB).

Denn die EU Fluggastrechteverordnung verpflichtet das ausführende Luftfahrtunternehmen bei Flugverspätungen zusätzlich zu der Entschädigungszahlungen auch zu sogenannten Betreuungsleistungen. Diese beinhalten zum Beispiel das zur Verfügungstellen von Essen und Trinken und bei längeren Verspätungen wie zum Beispiel bei Deinem Vater oder bei Dir auch eine Hotelunterbringung am Flughafen (in deinem Fall bei Flughafennähe Deine Wohnung) inkl Transfer vom und zum Flughafen (Rechtsgrundlage Art. 9 Abs. 1 lit. b, c FluggastrechteVO).

Beim Googeln ist mir dann aber gerade noch folgender Artikel aufgefallen:


Demnach ist es so, dass ursprünglich die Rechtssprechung in Deutschland - genau so wie in meinem Post auch beschrieben - eine Reisepreisminderung gemäß BGB nur dann als verpflichtend ansah, wenn man nicht schon eine Entschädigungszahlung auf Grundlage der EU Fluggastrechteverordnung in Anspruch genommen hat:

"Nationale Gerichte nahmen dabei bisher an, dass gem. Art. 12 der VO 261/2004/EG eine Anrechnung stattfindet: Wer also 600,00 € von der Airline erhält, soll im Falle einer Reisepreisminderung von 500,00 €, vom Veranstalter nichts mehr erhalten."

2020 habe es aber nun ein neues Gerichtsurteil des europäischen Gerichtshofs gegeben, welches dieser bisherigen nationalen Gerichtssprechung widerspricht. Im Artikel heißt es dazu:

"Das dürfte einigen Staub aufwirbeln, da es nationale Gerichte überwiegend anders gehandhabt haben (und selbst der BGH keinen Anlass sah, diese Frage dem EuGH vorzulegen) : Der EuGH ist der Ansicht, dass eine Annullierungs- oder Verspätungsentschädigung nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG nicht auf einen Reisepreisminderungsanspruch nach § 651m BGB anzurechnen ist. "
...
Der EuGH hat nun entschieden, dass eine Reisepreisminderung nicht der Kompensation der Unannehmlichkeiten einer Verspätung dient, daher keine Anrechnung zu erfolgen hat. .... (EuGH, Beschl. v. 28.05.2020, C-153/19)"
 
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        #9  

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Danke, @helgi ... ich glaube, der Link von www.drboese.de (welch passender Name für einen Rechtsanwalt) hat es in sich.
Werde nach meines Vaters Rückkehr mal telefonischen Kontakt zu ihm aufnehmen (Erstberatung soll ja kostenlos sein).

Möchte nochmal den 2. Teil meiner Frage wiederholen: Rechtsanwalt auf Kosten des Verursachers (hier Veranstalter)? ... siehe #7
 
        #10  

Member

Member hat gesagt:
Danke, @helgi ... ich glaube, der Link von www.drboese.de (welch passender Name für einen Rechtsanwalt) hat es in sich.
Werde nach meines Vaters Rückkehr mal telefonischen Kontakt zu ihm aufnehmen (Erstberatung soll ja kostenlos sein).

Möchte nochmal den 2. Teil meiner Frage wiederholen: Rechtsanwalt auf Kosten des Verursachers (hier Veranstalter)? ... siehe #7
Laut VFT nimmt Dr.Boese keine neuen Klienten an. Vermutlich wäre die Schadenssumme eh etwas zu gering. Rechtsanwalt bezahlst erstmal du und kannst die Kosten geltend machen, solltest du Recht bekommen
 
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