Es geht weiter in Siem Reap:
Nach Erreichens des Hotels Dusche + Kleiderwechsel und ab in das Städtchen. Dort habe ich gestern Abend bei einer jungen, exzellent Englisch sprechenden Kunsthändlerin einen kleinen bronzenen, schön gearbeiteten Khmer-Kopf entdeckt, den ich einer Freundin mitbringen will, konnte mich aber noch nicht zum Kauf entschließen. Das hole ich jetzt nach. Sie erkennt mich natürlich sofort und wir schließen den Handel ab.
Es ist kein weiterer Kunde im Atelier. Kein Wunder, hier wird nicht der übliche China-Fake-Kitsch gehandelt, sondern hochwertige Ware aus landeseigenen Werkstätten.
Sie hat offenbar Lust, sich ein wenig mit mir zu unterhalten. Nach kurzer Zeit kommt sie auf die Situation in ihrem Land zu sprechen. Ob ich wüsste, dass das Tempelgelände Angkor Wat gar nicht dem Staat gehöre. Wusste ich nicht. Sie erzählt mir folgendes: Der Staat sei zwei formal der Eigentümer, habe das Gelände aber an eine private Company zu einem lächerlich niedrigen Betrag verpachtet. Die Company habe sich verpflichtet, durch die Einnahmen für den Unterhalt der Anlage und für die notwendigen Rekonstruktionen zu sorgen. Dies geschehe aber nicht, statt dessen werde von den „Bonzen“ ein großer Teil der Einnahmen ins Ausland transferiert. Dann werde bei der Unesco, den NGO´s und ausländischen Regierungen um Geld gebettelt, man habe ja keins. Im Endeffekt würden diese durch ihre Hilfsmaßnahmen also auch dazu besteuern, dass sich die Bonzen bereichern können.
Das ist ja ein Ding, denke ich.
Mit zunehmender Wut in ihrem hübschen Gesicht fordert sie mich mit sarkastischem Unterton auf, ich solle mir doch mal die hübschen hölzeren Intarsienarbeiten in dem benachbarten Luxushotel bewundern, welches einem der „Oberbonzen“ hier gehöre. Warum, frage ich. Das Holz stamme aus zwei hierfür extra gefällten Tropenbäumen in dem Park. Das wisse hier jeder. Es gebe zwar eine Regelung, dass nur ein kleine Anzahl jährlich gefällt werden dürfe, aber daran halte sich niemand Und was die sogenannte Nachhaltigkeit angehe, meint sie spöttisch, bestehe diese darin, dass entweder gar nichts angepflanzt werde oder nur irgendein ökologisch wertloses, schnell wachsendes Zeugs.
Sie redet sich jetzt wirklich ein bisschen in Rage. Als ein weiterer Kunde das Atelier betritt, beruhigt sie sich wieder. Wir verabschieden uns freundlich.
Ähnliche Situationen werde ich noch mehrmals erleben. Diejenigen hier, die nicht 24 Stunden am Tag mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind, haben offenbar ein starkes Bedürfnis danach, den Ausländern mitzuteilen, wie es in dem Land wirklich aussieht. Ich habe das Gefühl, das diese Leute gerne Teil der globalisierten Wirtschaft wären, für ihr Land einen kleinen, aber fairen Anteil vom Kuchen fordern und jetzt unglaublich wütend darüber sind, dass sie mit irgendwelchen Krümelchen abgespeist werden, während die natürlichen Ressourcen des Landes ruiniert werden. Das wäre ich an ihrer Stelle allerdings auch. Wenn es in SOA mal in irgendeinem Land so richtig „kracht“, dann hier, denke ich.
Später passiere ich eine Reihe von Tuk-Tuk-Fahrern, werde von einem auch angesprochen, und latsche achtlos vorbei. Das habe ich mir hier so angewöhnt (gefühlte 20000 x „Tuk-Tuk-Sir“ täglich). Der Fahrer läuft jedoch neben mir her und fragt, ob ich ihn nicht erkenne. Oh, es ist Siron, der gestrige Fahrer. „Hi Siron, how are you“ begrüße ich ihn und reiche ihm die Hand. Dann entschuldige ich mich dafür, dass ich ihn übersehen habe und erkläre ihm kurz den Grund. Er sieht mich einen Moment erstaunt an, dann umarmt er mich und drückt mich ganz fest. Was hat der denn jetzt, denke ich. Nachdem wir uns verabschiedet haben, wird mir der Grund seines Verhaltens klar. Dass sich irgendein Farang den Luxus erlaubt, sich seinen Namen zu merken und sich auch noch bei ihm zu entschuldigen, ist hier wohl selten der Fall. Mann, mann....
Ich mache mich auf den Weg zum Massagesalon, der mir empfohlen wurde („excellent staff“). Da bin ich jetzt mal gespannt. Mittelgroß, geschmackvoll-gepflegte Einrichtung. Am Eingang steht, wie hier in vielen Salons, ein Pult, an dem eine Waitress die potentiellen Customer freundlich, aber dezent zum Eintritt auffordert und ihnen die ausliegende Preisliste erläutert. Dem Customer wird dann eines der ebenfalls neben dem Pult stehenden Girls, welches gerade keinen Customer versorgt, zugewiesen.
Das Personal (es sind nur drei Mädels frei) nehme ich jetzt mal in Augenschein. Zwei junge hübsche Girls, die mich freundlich anlächeln. Die sind nix Besonderes. Die Hübschen können meistens nicht wirklich gut massieren. Müssen sie auch nicht, sie sind ja hübsch. Am Ende der Reihe steht eine kräftig gebaute, sehr dunkelhäutige Frau, ca. 35-40 Jahre alt, die mit unbewegter Miene fast grimmig zu mir herüberschaut. Die ist es!
Jetzt muss ich nur noch die Waitress austricksen. Ich gehe zu ihr rüber und gebe, bevor sie auch nur einen Pieps sagen kann, sofort zum Ausdruck, dass ich überzeugt sei, von diesem Girl (auf die ich mit dem Kopf lächelnd deute) eine tolle foot-massage zu erhalten. Eingetütet! Die Waitress ist zwar etwas überrascht, doch des Customers Wille ist Gesetz.
Die Dunkle (Rom heißt sie, Vorname natürlich geändert) beginnt mit ihrer Arbeit. Sofort merke ich, dass ich hier den absoluten Glückstreffer meines „Massage-Lebens“ gezogen habe. Die Massage ist sanft, aber unglaublich tiefgehend. Sofort passt sie sich meinem Atemrhythmus an (wenn z. B. Akupressurpunkte gedrückt werden, dann muss man den Druck im Moment der Ausatmung erhöhen). Was ich am meisten hasse, ist es, wenn irgendein Girl vollkommen beziehungslos auf irgendwelchen Muskelgruppen herumdrückt, als würde sie gerade Backhefe bearbeiten. Bei Ausführung einer Massage mit den eigenen Fingerkuppen zu „sehen“, Disbalancen intuitiv wahrzunehmen, das können nur ganz wenige. Rom ist einfach eine Klasse für sich. Sie ist so tief „in mir drin“, dass mir fast Angst und Bange wird. Ich überantworte mich jedoch ihrer Führung und lasse mich fallen - bis fast ins Koma. Nach über einer Stunde hat sie aufgehört. Ich öffne ich die Augen. Sie sitzt vor mir auf ihrem Schemel und blickt mich wortlos aus ihren riesengroßen, schwarzen Augen an. Ihr Gesicht ist oval, ebenmäßig, eigentlich könnte man es schön nennen, wenn sie ihre strenge Frisur (alles spack nach hinten gekämmt) mal lösen würde.
Sie steht auf und beginnt mit einer halbstündigen Nacken-, Schulter-, Arm-Massage. Als sie abschließend meinen Hals mit einer Hand massiert, legt sie mir ihre andere Hand auf die Brust. Am Ende der Massage bleibt sie dort eine Weile liegen. Währenddessen hat sie mich zweimal sanft mit zwei ihrer Finger an die Nase gefasst und sie leicht gedrückt.
Es ist unverkennbar, dass sie meinen Body gerne anfasst und ich merke, wie sich die ganze Zeit eine erotische Spannung aufgebaut hat. Eigentlich bestand sie schon von meinem Eintritt in den Salon an.
Wir gehen nach vorne zum Kassieren (6 $). Gefragt nach der Qualität der Massage, entgegne ich „fantastic“ und gebe Rom 2 $ Tip. Sie lächelt, macht einen Wai und ich bin wieder draußen.
Das war ja eine Massage-Lady, schluck. Für morgen Abend habe ich eine head-shoulder-Massage gebucht.
Dann noch ein Gang über die Pub Street, in einer Kneipe ein Bier getrunken, dort mit mittelmäßig interessanten Landsleuten Blabla-Talk gehalten und zum Schluss am Flussufer außerhalb der Freelancer-Zone noch zwei Bierchen getrunken.
Jetzt bin ich doch tatsächlich einmal müde. Also ab in die Heia.
Morgen wartet auf mich der "Iron-Man-Contest Nr. 2".