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Member hat gesagt:
Ich habe den Artikel seinerzeit auch gelesen, und die Eile, mit der der Prozess dann mit täglich neuen "Millionenansagen" durchgezogen wurde, hat mich auch, nun ja, etwas verwundert.
Die veröffentlichten Urteilsgründe habe ich mir dann interessehalber einmal durchgelesen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat das Gericht einigen Aufwand getrieben, um die strafmildernden Umstände zu begründen (z. B. die sog "Fallhöhe"). Hauptpunkt war der Umstand, dass Hoeneß sich - wie es das Gericht so schön ausdrückte - selbst "ans Messer geliefert" hatte. Ob dies einer Revision beim BGH standgehalten hätte, habe ich meine Zweifel. In den letzten Jahren hat der BGH einige Steuersachen bei der Revision zu Lasten der Angeklagten "gekippt" und wieder an die Landgerichte zurück verwiesen. So wäre es hier vermutlich auch gekommen. Aber die Beteiligten (inkl. der StA) wollten die Sache schnell "über die Bühne bringen". Das ist zumindest der Eindruck, den ich während des Prozessverlaufes gewonnen habe.
Was das Strafmaß angeht, so haben die Gerichte in den vergangenen Jahren in Steuersachen ordentlich "zugelangt". So ist z. B. der Waffenlobbyist Schreiber wegen "nur" ca. 10 Millionen Hinterziehung zu 6,5 Jahren verurteilt worden. Nun kann man die Fälle natürlich nicht 1:1 vergleichen, es kommt immer auf die individuellen Umstände beim Täter an. Schreiber war ein nicht geständiger "Unsympath", der auch der Bestechung verdächtigt wurde. Da hatte Hoeneß ungleich bessere Karten. Allerdings hat der BGH mehrmals in seinen Urteilen klar gestellt, dass die Strafzumessung vor allem von der Höhe der hinterzogen Steuerschuld abhängt. Da wäre es für Hoeneß bei einer Revision "brenzlig" geworden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der BGH dann wieder eine neues Grundsatzurteil erlassen hätte, nach dem Motto, ab 10 Millionen € Steuerschuld beträgt die Mindeststrafe 5 (?) Jahre. An diese Gefahr haben natürlich auch die Hoeneß-Anwälte gedacht, also hieß die Devise "Minimalverteidigung" mit schnellem Prozessverlauf, mildem Urteil und "ab in die Rechtskraft".
Als "Fake" bezeichne ich den Prozess nicht, es ist ja immerhin zur Anklageerhebung und Verurteilung gekommen. Richter handeln oftmals "prozessökonomisch", in Strafsachen heißt das dann "Beschränkung auf das Wesentliche", in Zivilsachen werden die Parteien dann möglichst zu einem Vergleich "genötigt". Ob hier mehr dahintersteckt, wird man wohl nicht erfahren.
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