Am nächsten Morgen nahmen wir ein ausgiebiges Frühstück zu uns und machten uns auf den Weg. Jens wollte abends wieder zurück nach Berlin und so fuhren wir diesmal mit zwei Autos. Allerdings parkte ich meinen Wagen wieder in Hammerbrook und wir stiegen in Jens' Renault um. Er hatte ein Satteliten-Navigationssystem, das uns schnell zu zum Tempel lotsen sollte. Knapp 20 Minuten brauchten wir für die Strecke bis nach Alt-Rahlstedt. In einer kleinen Seitenstraße fanden wir dann unser Ziel, ein Einfamilienhaus, das den entsandten Mönchen und den im Einzugsgebiet ansässigen Buddhisten als Tempel dient. Vor der offenen Eingangstür zogen wir gemäß dem Brauchtum unsere Schuhe aus und betraten das Haus. Sofort wurden wir von einer Thai begrüßt, die uns dann ins Innere des Hauses führte.
In einem großen Kaminzimmer, es war wohl ursprünglich das Wohnzimmer, saßen die beiden Mönche und begrüßten uns mit einem herzlichen und offenen Lächeln, Eine Gruppe Thais mit deutschem Anhang hatte sich dort bereits nieder gelassen. Das ganze Ambiente und Flair in diesem Haus, besonders diese spezielle Atmosphäre und Ausstrahlung, die von den beiden Mönchen ausging, brachte mit sich, dass dieses beklemmende Gefühl, das vorherrscht, wenn man sich das erste Mal auf fremden Territorium bewegt, gar nicht erst aufkam. Genau so auch die Art, wie schnell Kontakt zu den anderen Anwesenden zustande kam, alles so zwanglos und frei, wie man es in unserer Gesellschaft kaum mehr vorfindet. Bet und ich haben uns dann kurz in die obere Etage zurückgezogen, die eine Buddha-Statue beherbergte. Wir wollten dort einige Minuten im Andenken an unsere Verstorbenen verweilen. Wir knieten auf dem Teppichboden nieder, die Füße Buddha abgewandt, verneigten wir unser Haupt mit ehrfurchtsvoll zum Wai erhobenen Händen dreimal vor Buddha, dabei die Hände auseinander gleiten lassend berührten wir mit Stirn und Handflächen den Boden um anschließend etwas Zeit in stillem Gedenken zu verweilen. Es ist wohl schwer nachzuempfinden für jemanden, der außen vor steht, welche spürbare Nähe ich dort empfunden habe, eine Nähe zu meiner Mutter, die erst im April des Jahres verstorben ist und die ebenfalls eine Affinität zum Buddhismus hatte. Ich konnte, nein, ich wollte es auch nicht verhindern, dass mir Tränen übers Gesicht liefen.
Zum Abschied wiederholten wir die Zeremonie, welche die gleiche ist, wie bei der Begrüßung, drei Verneigungen vor Buddha. Ergriffen von dieser mir überirdisch erscheinenden Atmosphäre, gingen wir wieder nach unten. Jens war mittlerweile in intensivste Gespräche mit den anwesenden Thais vertieft, Bet und ich setzten uns nach draußen in den kleinen Garten und leisteten ein jungen Thai Gesellschaft, die auf einer Bambusmatte saß und einen kleinen Imbiss zu sich nahm. Es ist üblich unter Thais in einer solchen Gesellschaft, dass man am Imbiss teil hat.
So verging die Zeit sehr schnell in Unterhaltungen, gemeinsamen Essen und Kaffee trinken, wobei mein Schatz sehr glücklich schien, sich mit gleich Gearteten in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Andere kamen und stießen zu uns, ausgezeichnet durch ein Gefühl der Nähe, dass man sonst nur hat, wenn man sich schon lange kennt und miteinander vertraut ist. Jens war auch schon lange über die Zeit, gegen 15 Uhr wollte er eigentlich schon los, aber mittlerweile war es schon fast 17 Uhr.
Dann versammelten wir uns noch zu einem abschließenden Gebet, eigentlich schwerlich als solches zu bezeichnen, da es mit dem Gebet, wie es nach christlichem Brauchtum ausgeübt wird, wenig zu tun hat. Wir versammelten uns alle im "Wohnzimmer" und knieten nieder, verneigten wie schon zuvor erwähnt dreimal unser Haupt vor den Mönchen und blieben mit zum Wai erhobenen Händen und gesenktem Haupt andächtig sitzen und folgten den buddhistischen Rezitaten der Mönche. Nachdem sie verstummt waren, erfolgte wieder die abschließenden Würdigung, gleich wie bei der Eröffnung der kurzen Zeremonie.
Der Abschied gestaltete sich sehr herzlich, Jens, Bet und ich haben 100 € für den Tempel gespendet, etwas, was wir aus tiefstem Herzen und gerne getan habe. So verließen wir erfüllt von dieser Atmosphäre, zufrieden und glücklich diese kleine Oase des Friedens.
Ein Wochenende reich an Abwechslung und Ereignissen ging zu Ende. Jens fuhr uns zurück zum Wagen. Wir verabschiedeten uns und kurz darauf trennten sich unsere Wege, Wege, die sich mit Sicherheit spätestens im Dezember wieder in Thailand kreuzen werden.