04 innerfamiliärer Zickenkrieg
Das Programm für den Vormittag war vorgegeben: Aufstehen, zusammenpacken, den Check-Out im Hotel machen und sich anschließend zum Busbahnhof begeben, wo am frühen Nachmittag unser Bus von Chiang Rai nach Chiang Mai losfährt. Klingt einfach. Ist es aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn Mutter und Tochter nicht miteinander reden und einander strikt ignorieren.
Die Beiden würdigten sich keines Blickes. Na ja. Es war zu erwarten, dass dies irgendwann passieren wird. Überraschend war nur, dass es so lange dauerte, bis es zwischen den beiden krachte. Sie haben, wie ich früher schon öfters beschrieben hatte, ziemlich unterschiedliche Charaktere und Lebensphilosophien und das wird immer wieder vorkommen, dass sie sich wegen ihrer unterschiedlichen Weltanschauungen in die Haare bekommen.
Meine Haltung dazu war klar: nur nicht einmischen. Ich schlug mich auf keine Seite, ich startete keinen Vermittlungsversuch, ich tat so, als ob gar nichts wäre. Das ist eine Sache zwischen Mutter und Tochter, die müssen sich das mit sich selbst ausmachen. Als Farang kann man da nur unter die Räder kommen.
Mein Job war nicht der eines Friedensstifters, mein Job war als kommunikative Zwischenstation zu agieren. Wenn eine der anderen etwas zu sagen hatte, sagte sie es laut zu mir, damit es auch die andere hörte. Es war fast wie im englischen Parlament, dort reden die beiden Parteien immer auch nur mit dem Speaker. Standen irgendwelche Entscheidungen an, war es mein Job, diese zu treffen. Ich fragte nicht lange nach, ich tat es einfach. Danach holte ich mit Blickkontakt von den beiden Streithennen das Einverständnis ein. Das klappte erstaunlicherweise so halbwegs.
Der Auszug aus dem Hotel funktionierte in Anbetracht der Umstände dann doch noch verhältnismäßig flott und so hatten wir am Busbahnhof noch etwas Zeit. Ich ging mit Aranaa essen und währenddessen machte sich Tochter Nene selbständig und tingelte alleine durch die Stadt. Mir schoss der Gedanke "hoffentlich ist sie rechtzeitig wieder zurück" durch den Kopf, aber meine Bedenken waren unbegründet. 15 Minuten vor der Abfahrt war sie pünktlich zur Stelle und um 18h waren wir in Chiang Mai und checkten im Hotel ein.
Der Beziehungsstatus zwischen Mutter und Tochter war unverändert. Kein Wortwechsel, kein Blickkontakt, zwischen den beiden herrschte ohrenbetäubendes Schweigen. Sie taten sich, wie man so schön in Österreich sagt: „net amoi ignoriern“
Den restlichen Abend spazierten Aranaa und ich etwas durch die Altstadt von Chiang Mai, gingen Essen und ließen uns die Füße massieren. Nene blieb im Hotel. Als wir zurück ins Zimmer kamen, schlief sie bereits. Ich fragte meine Frau, was wir morgen machen werden. Die Antwort war ein unwirsches „weiß nicht. Für mich egal.“ und sie legte sich schlafen.
Na bravo. Ich gebe zu, dass ich an dem Punkt erstmals etwas Ärger bezüglich dieser Situation verspürte. Wir sind eigentlich nur deswegen nach Chiang Mai gefahren, weil Nene sich dies so gewünscht hat und ich habe dafür auch schon einiges Geld hingelegt … Zugfahrten, Flüge, Hotel, Taxi und Essen für 3 Personen kostet einiges. Wenn die beiden glauben, wegen irgendwelcher Kleinigkeiten ausgerechnet jetzt ihre innere Zicke heraushängen lassen zu müssen und deswegen diese Zeit hier sinnlos verplempert wird, könnte es sein, dass ich meine Neutralität aufgebe und möglicherweise, unter Umständen, eventuell und vielleicht auch etwas ungehalten werde. Und zwar beiden gegenüber.
Ich blieb aber nach außen hin ruhig. Noch ist nichts passiert und vielleicht kratzen die beiden morgen ja eh noch die Kurve. Ich ging duschen und ebenfalls schlafen.