Den Tag meiner Entlassung ging ich bewusst ruhig an. Es ging mir zwar schon bedeutend besser, die Kopfschmerzen waren einem dumpfen Pochen gewichen, welches zudem nur noch auftrat, wenn ich den Kopf wirklich stark schüttelte.
Dennoch wollte ich es nicht übertreiben und verbrachte den Tag auf dem Hotelzimmer. Das war immerhin schon mal um einiges besser als das langweilige Krankenzimmer. Nicht viel, aber immerhin.
Pong hatte mich gleich morgens im Krankenhaus abgeholt und mich auch den ganzen Tag über versorgt. Die Krankenschwestern brauchte ich somit eh nicht.
Alles in allem war mir Pongs Gesellschaft sehr angenehm. Mehr noch, ich hatte sie in den letzten Tagen sogar etwas lieb gewonnen. Sie hatte sich nicht nur rührend um mich gekümmert, sondern war auch ansonsten ein wirklich nettes und liebes Mädchen. Pong schien in jeder Hinsicht nahezu perfekt und das nicht nur wegen ihres Aussehens.
Daher zweifelte ich mittlerweile auch nicht mehr daran, dass Wolfgang ein Sextourist gewesen und wie es dazu gekommen war. So unvorstellbar das noch vor Kurzem war, so sicher war ich mir nun. Es wäre vielmehr ein Wunder gewesen, hätte Wolfgang Pong widerstehen können. Vermutlich hatte Wolfgang es selbst gar nicht bemerkt und war einfach ahnungslos in Pongs Falle getappt, wie ich in die von Noi.
Nur, dass Wolfgang sich im Gegensatz zu mir nie darüber bewusst geworden war, dass er in einen Honigtopf geraten und einem sorgfältig und fein gesponnenen Netz aus Lügen und Täuschung gefangen war.
Einen Vorwurf konnte man Wolfgang daraus sicher nicht machen, dass er sich mit dieser jungen und exotischen Schönheit eingelassen hatte.
Ich hatte ja selbst erlebt, wie schnell einem das passierte, ohne, dass man auch nur den Hauch einer Chance hatte. Bei mir war es „nur“ Noi gewesen, die Pong in keiner Weise das Wasser reichen konnte und ich hatte dennoch keine Chance gehabt. Wäre ich nicht zufällig auf dem Weg zur Toilette über die Wahrheiot gestolpert, ich würde mich vermutlich noch immer an dem Finger winden, um den Noi mich gewickelt hatte, ohne es auch nur zu merken, oder es überhaupt als 'Winden' zu realisieren.
Wolfgang hingegen hatte es mit Pong zu tun gehabt. Fast tat er mir ein wenig leid. Pong hatte sich vermutlich nicht einmal sonderlich anstrengen müssen, um Wolfgang einzuwickeln.
Auch mir fiel es schwer ihrer Schönheit, ihrem Lächeln und ihrer Liebenswürdigkeit zu widerstehen. Ich wusste, dass Pong eine Lügnerin und Betrügerin war und konnte dennoch seit Tagen an kaum etwas anderes denken als mit ihr zu schlafen und auch Wolfgang ein wenig zu beneiden. Dass das nicht schon vorher so war, lag wohl nur daran, dass ich sie für Nele-Imkes Schwester gehalten hatte und Sex mit Ihr daher eine Art Tabu war. Die eigene Freundin mit deren Schwester zu betrügen wäre ja nun ganz unterste Schublade gewesen. Aber nun war Pong nicht mehr Nele-Imkes Schwester, war nicht mehr tabu und allein dieser einfache Umstand hatte meine Instinkte und lüsternen Gedanken befreit.
Nein, Wolfgang traf sicher keine Schuld. Sextourist hin oder her, seine Schuld war es ganz sicher nicht, so wenig wie es meine Schuld war.
Nüchtern betrachtet waren Wolfgang und ich eher Opfer als Täter. Er war sicher nicht mit dem Vorsatz nach Thailand gereist, sich dort junge Mädchen zu kaufen und sich an ihnen zu vergehen. Sicher war er ebenso arglos wie Nele-Imke und ich angereist und er war von Pong in die Falle gelockt worden, wie ich von Noi.
Nele-Imke durfte das alles trotzdem nie erfahren. Sie würde das niemals verstehen und sollte Wolfgang in guter Erinnerung behalten.
So hervorragend Pongs Pflege im Allgemeinen war, so schwer tat sie sich mit der Auswahl des Essens. Es brauchte zwei Anläufe, bis sie endlich etwas Genießbares gefunden und gebracht hatte. Dieses Reis-Mit-Irgendwas schien für Thais tatsächlich völlig normal und nicht etwa ein Arme-Leute-Essen zu sein, wie Nele-Imke und ich vermutet hatten.
Andererseits konnte die Zeit, wenn Pong unterwegs war, gut zum Duschen nutzen. Das wäre sonst wegen des Fensters zum Badezimmer schwierig gewesen.
Pong schien mich nämlich durch das fenster zu beobachten. Auch wenn ich nur zum Pinkeln ging, hatte sie immer ein komisches Lächeln im Gesicht, wenn ich wieder herauskam. Ich konnte das nicht wirklich deuten, aber es hemmte mich schon ein wenig. Jedenfalls war es mir lieber zu duschen, wenn Pong nicht da war.
Das würde am nächsten Tag nicht einfacher werden, denn dann würde Pong aus ihrem Hotel auschecken und bei mir einziehen. Es machte schließlich keinen Sinn zwei Hotels zu zahlen und außerdem war so alles für den Moment vorbereitet, an dem Nele-Imke mich mit dem Gentest in der Hand anrufen würde und ich endlich mit Pong schlafen konnte.
Noi hatte den Tag über fünf oder sechs Mal angerufen. Sie wusste ja noch nicht, dass sie durchschaut war. Ihre Anrufe hatte ich aber natürlich ignoriert. Ich hatte ihr nichts mehr zu sagen und wollte sie auch nicht wiedersehen. Zunächst hatte ich vermutet Pong hätte ihr mitgeteilt, dass ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, aber Pong leugnete das standhaft.
Da sie ja praktisch Komplizinnen waren, glaubte ich Pong natürlich kein Wort, wurde aber eines Besseren belehrt, als Noi am Abend vor der Tür stand.