Wir steuerten gerade auf ein gutes Seafood-Restaurant zu, dass wir auch früher immer gern besucht hatten (vergesse leider den Namen immer wieder. Neben Rolling Stone Bar), als Anton plötzlich wieder eine Schönheit entdeckte, die ganz einsam an einer Bar saß. Auch sie wirkte etwas dunkelhäutig, was aber auch an dem schneeweißen, hautengen Kleid liegen konnte. Von Weitem war sie ein heißes Geschoss, dass konnte was werden. Da schien er ja doch noch Glück gehabt zu haben.
On und ich sollten schon mal vorgehen und den Tisch füllen lassen, Anton würde die Kleine mal genauer inspizieren und dann, gegebenenfalls mit ihr, nachkommen.
Wir setzten uns an einen Tisch, welcher nur durch ein Geländer von der Walking Street getrennt war. Das hatten wir auch früher immer getan, da man dann nebenbei das bunte Treiben beobachten konnte. An diesem Abend hatte ich dafür aber keinen Blick übrig.
On hatte eine wirklich niedliche, unbeschwerte Art und ein strahlendes Lächeln, dass ich bis heute nicht vergessen habe. Wir lachten viel und ich erfuhr, dass sie doch eine Thai war und aus dem Isaan stammte. Allerdings war „Papa Farang from Denmark“, den sie aber nie kennengelernt hatte, da er sich noch vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht hatte.
„Sowas kommt also dabei raus“, schoss es mir durch den Kopf und ich dachte daran, dass ich, wenn ich mal eine süße Thai fände, vielleicht auch so eine hübsche Tochter haben würde. Aber dann müsste ich dauernd hinter ihr herlaufen und ihr die Kerle mit 'nem Stock vom Leib schlagen. Doch kein so guter Gedanke und ich verwarf ihn auch gleich wieder, zumal ich mich auf Ons Gehörlosen-Englisch konzentrieren musste.
Es war alles andere als leicht, sich mit ihr zu verständigen, da sie nicht viel mehr Englisch sprach als Aan, die ich aus eben diesem Grunde nicht ausgelöst hatte.
Aber On hatte andere Qualitäten, die mich über mangelnde Sprachkenntnisse hinwegsehen ließen. Um ehrlich zu sein, nahm ich es bei On gar nicht negativ wahr, sondern hatte sogar Spaß dabei fast jeden Satz mehrfach erklären, nachfragen oder mit Gesten verständlich machen zu müssen. Bei Aan hatte mich das bereits nach wenigen Minuten schwerstens genervt.
Ich konnte mich an On nicht sattsehen, wie sie schüchtern lächelte, wenn sie nicht wusste, wie sie etwas erklären sollte, wie sie sich freutee, wenn es hingegen gleich auf Anhieb klappte und wie sie gespannt jede meiner Handbewegungen verfolgte, wenn ich etwas erklärte.
Aan war eigentlich auch wirklich hübsch, aber verglichen mit On wirkte sie wie ein Geier neben einem Flamingo.
So nach und nach verstand ich, dass On 19 Jahre alt und erst seit drei Wochen in Pattaya war. Das konnte vielleicht sogar stimmen, würde es doch ihre fehlenden Englischkenntnisse erklären, die eher vermuten ließen, dass sie maximal 3 Tage dort war.
Sie hatte noch etwas Unsicheres, fast Schüchternes an sich, dass ebenfalls darauf hindeutete.
Außerdem freute sie sich, dass sie mit mir gehen durfte, statt mit dem anderen Typen, der vermutlich noch immer mit der Mamasan diskutierte, mitzugehen.
Ich verstand das erst als Kompliment und spielte etwas verlegen, bis ich verstand, dass es dabei nicht so sehr um mich ging, sondern darum, dass der andere wohl etwas streng roch. Naja, man konnte ja nicht alles haben. Aber mittlerweile glaubte ich ihr die 3 Wochen schon, denn eine professionellere Dame hätte das so wohl nicht gesagt, sondern eher mit „you more handsome“ argumentiert.
Wenigstens konnte es nicht an Geld liegen.
Über die Bezahlung hatten wir noch nicht gesprochen, ich entschied mich aber das Thema auch nicht anzuschneiden. Irgendwie passte es nicht und wenn ich blöde fragte, erhielt ich eventuell einen Mondpreis oder ein hilfreiches „Up-to-you“ als Antwort.
Ich würde ihr am Morgen einfach 3000 Baht geben. Wäre ihr das zu wenig, würde sie das schon sagen. Ich vermutete aber, dass sie damit zufrieden sein würde. Über einen Tip konnte man ja immer noch nachdenken.
Auf der Walking Street, nur wenige Meter von uns entfernt, bezog ein Ladyboy auf Kundensuche Position. Bildhübsch, und wäre es kein Dreibein und On nicht an meiner Seite gewesen, optisch definitiv eine nähere Inspektion wert. Man sah auch nicht wirklich sofort, dass es ein Ladyboy war, ich ging einfach nur davon aus, da sich Mädels auf Kundenfang normalerweise nicht einfach so in die Walking Street stellten.
„like?“ fragte On schmunzelnd und ich antwortete nur desinteressiert: „It's a Ladyboy“.
Aber für On schien das Thema noch nicht erledigt, ich verstand aber nicht, was sie meinte. Irgendwann konnte ich den ersten Teil deuten, der wohl soviel heißen sollte wie „I know you not like Ladyboy. You like Lady, I know“. Dabei machte sie nach, wie ich sie wohl in etwa die Ganze Zeit über ansah. Na wenigstens das war geklärt, obwohl es mir auch etwas unangenehm war, dass ich meine Lüsternheit so schlecht verbergen konnte.
Der zweite Teil war noch etwas nebulös. Offensichtlich meinte sie nicht mich, sondern Anton. Ich dachte an den Ladyboy im High Society und musste lachen, sagte ihr aber, dass Anton auch nicht auf Ladyboys stand, was sie sichtlich überraschte.
Wieder musste ich lachen. On hatte gedacht, dass Anton auf Ladyboys stand, vielleicht sogar, dass er schwul sei. Köstlich, das reichte mindestens für drei Tage Verarschung. Jetzt wollte ich mehr Munition und hakte nach, wie sie darauf käme.
Es dauerte wieder etwas, bis ich heraushörte, dass er ja ohne eine Lady aus der AGoGo rausgegangen war und außerdem …
Mein Gott war die schwer zu verstehen … „he look Ladyboy“.
Er sah wie ein Ladyboy aus? Nein, so schöne Munition das auch gewesen wäre, aber das war definitiv nicht der Fall.
Hatte er sich Ladyboys angesehen? Wann sollte das gewesen sein? Waren da auch Ladyboys in der AgoGo? Eher nicht, aber sicher war ich auch nicht und ich hatte auch nicht wirklich darauf geachtet wen oder was er da gescannt hatte. Aber das konnte ich mir nicht vorstellen, wenigstens bewusst würde er das nicht tun.
Ich fragte nochmals nach, was genau sie meinte, aber das war leichter gedacht als getan.
Sie wiederholte sich praktisch nur nochmal „he look Ladyboy“ und ich sah sie fragend an.
„he go ladyboy“ ergänzte sie und deutete mit dem Arm in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
Ach du Scheiße, jetzt verstand ich. Das Girl, dass Anton inspizieren wollte, war ein Ladyboy.
„Sure?“ fragte ich, nur um sicher zu gehen und sie nickte etwas amüsiert.
Ich überlegte kurz. Er war schon eine ganze Weile weg. Das hätte er doch inzwischen merken müssen und wäre längst wieder da gewesen, aber vielleicht hatte er ja auch eine Andere gesehen.
Vielleicht hatte er es aber auch noch nicht gemerkt und käme hier gleich mit 'nem Kerl angetigert. Daran würde ich ihn ewig und drei Tage erinnern, das war sicher, aber ich konnte es ihm einfach nicht antun.
„wait, please“ bat ich On, unterstrich das noch kurz durch Handzeichen, damit sie es auch verstand, und sprang auf.
Die Bar, vor der wir uns getrennt hatten war nur wenige Meter entfernt. Und da saß er tatsächlich noch mit ihr oder ihm.
Auf die Entfernung wirkte sie auf mich auch nicht wie ein Ladyboy. Die beiden schienen jedenfalls in bester Stimmung zu sein, lachten und er spielte mit ihren Fingern.
Vielleicht hatte On sich ja geirrt. Das müsste er doch bereits gemerkt haben, wenn es tatsächlich ein Kerl wäre.
Also fiel ich mal besser nicht gleich mit der Tür ins Haus und gesellte mich dazu, als wollte ich nur mal nachsehen, wo er blieb. Anton stellte mich ihr vor und sie begrüßte mich höflich. Ich versuchte möglichst unauffällig irgendwelche Anzeichen auszumachen, dass es ein Kerl war, fand aber auf Anhieb auch keine.
Sie war für eine Thai recht groß und sehr gut gebaut, aber es gab ja auch vereinzelt Thai-Mädels mit recht großen Hupen. On war der beste Beweis dafür.
Kein Adamsapfel, zierliche, kleine Hände und die Füße wirkten auch nicht zu groß für die Körpergröße. Auch ihre Stimme klang eher weiblich, allerdings sprach sie ziemlich leise, so dass ich das nicht wirklich hundertprozentig sagen konnte.
Es war nicht das typische Thai-Girl, aber auch mir fiel weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick etwas Alarmierendes auf. Ich war mir wieder nicht sicher. Wenn es so einfach gewesen wäre, hätte Anton das ja auch bereits selbst gemerkt.
„Wenn das ein Ladyboy ist, ist das aber ein verdammt guter Nachbau“ dachte ich gerade, als ich es plötzlich sah. Es war ein Ladyboy. Wenn er trank, sah man, wie sich ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Adamsapfel abzeichnete. Nun, da ich wusste, worauf ich achten musste, sah ich, wie sich der Adamsapfel, allerdings deutlich schwächer, auch beim Sprechen auf und ab bewegte.
„Anton und die Ladyboys, oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen“ feixte ich innerlich und freute mich auf tagelanges Piesacken.
„Dich kann man auch keine fünf Minuten alleine lassen“ fing ich schon mal an.
„Wieso?“ fragte er beiläufig.
„Wir warten schon ewig auf dich, was ist denn nun, nimmst du die mit?“
„Ich denke schon, mich nervt nur, dass ich den Bauch nicht checken kann. Nicht, dass das wieder ein Zebra ist. Sonst ist die echt süß!“ stellte Anton fest und ich musste mich wirklich zusammenreißen. Das war zu schön um wahr zu sein, aber ich konnte On ja nicht ewig warten lassen und entschied mich daher, es erstmal dabei zu belassen und das Thema bei anderer Gelegenheit wieder hervorzuholen.
„Die ist garantiert kein Zebra … eher ein Elefant würde ich sagen“.
Anton sah mich fragend an: „Hähh??“
Dann dämmerte es ihm: „Mach kein' Scheiß … verarsch' mich jetzt nicht!“
„Up to you, glaub es oder lass es“ antwortete ich grinsend und sah, wie er bereits versuchte herauszufinden, ob ich recht haben könnte.
„Wie kommst du darauf, verflucht? Ich seh' nichts!“ setzte er nach.
„Believe me or not, up to you,“ wiederholte ich absichtlich auf Englisch, da der Ladyboy ohnehin zu ahnen schien, worum es ging.
Wenn Blicke töten könnten, hätte es mich in dem Moment erwischt, denn der Ladyboy war, nun wo er Gewissheit hatte, dass ich Anton von seinem dritten Bein erzählt hatte, ganz offensichtlich „not amused“.
Um ihm gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, sagte ich ihm, dass er mich gar nicht so anzusehen bräuchte. Es wäre sein Ding gewesen, es Anton gleich zu Anfang zu sagen. Nun sollte er sich gefälligst nicht wundern.
Der Ladyboy wandte sich wieder Anton zu, vielleicht um ihm irgendeine Erklärung zu geben, aber Anton hatte schon den Rechnungsbecher gegriffen und war aufgestanden.
Als wir wieder im Restaurant ankamen, war das Essen bereits aufgetischt, On saß wartend vor einem Berg aus Seafood und schien froh, nun endlich mit dem Essen beginnen zu können.
Anton war völlig am Ende, faselte immer etwas wie „der Abend ist gelaufen“ und beruhigte sich mit einem Jacky nach dem Anderen. Ich ließ ihn vorerst in Ruhe. Ihn jetzt auch noch zu verarschen, wäre gemein gewesen. Er musste sich erstmal wieder etwas von dem Schock erholen. Aber morgen würde ihm nichts erspart bleiben.
Ganz war der Abend für ihn noch nicht durch, aber das Insomnia war tatsächlich seine letzte Chance.
Ich hatte mich während des Essens auf Watermelon-Shakes beschränkt. Wir hatten ja schon nachmittags mit Whiskey begonnen und später, während unserer Suche, ebenfalls diverse Weitere vernichtet. Noch fühlte ich mich blendend, wollte aber auch kein Risiko eingehen.
Ich musste heute Nacht fit für On sein.