von Dr.G.M. Gad Labudda
Ganz neue Wege zum freien Leben
- vier mal sechs Seiten - von Victor Schluff -
- - Ein Farang sucht in Thailand ein neues Leben und erfährt, daß sich auch in Thailand sein Leben nicht ändert, wenn er sich nicht selbst ändert - -
Es gibt Menschen, die völlig unverschuldet ein entsetzliches Leben haben und den Mut finden, mit ganz außergewöhnlichen Maßnahmen die nötigen Änderungen herbeizuführen. Und dann schaffen sie es, mit völlig ungewöhnlichen Entscheidungen ganz woanders immer wieder das gleiche entsetzliche Leben zu finden, was Benni sicher bestätigen kann.
Das Leben war schlimm. Nicht auszuhalten. Dauernd hatte er etwas zu tun, was er gar nicht tun wollte. Das war zuhause früher schon so gewesen. Zwar waren die Eltern kaum einmal zu sehen, aber seine entschieden ältere Schwester war ständig zuhause und führte das Kommando ganz entschieden. Als sie aus der Schule kam, besuchte sie einen Kursus für Näherinnen und dann saß sie zuhause und fertigte Röcke und Kleider in Heimarbeit. Ein Onkel hatte eine kleine Textilfabrik und die Eltern meinten, ein Mädchen braucht keinen Beruf zu erlernen, weil es ohnehin später heiratet, Kinder kriegt und sein Leben in der Küche und beim Klatsch mit Nachbarinnen verbringt. Es reichte also, wenn es bis dahin Geld verdient.
Deshalb war die Schwester immer zuhause und bestimmte, was er zu tun hat und was er zu lassen hat. Selbst als er in die Lehre ging, war sie immer noch wesentlich größer und stärker als er und führte weiterhin die Aufsicht. Seine Lehre absolvierte er in einer Autoreparaturwerkstatt. Nach den ersten Tagen, die der Chef ihn die Werkstatt putzen ließ, erfuhr er mit Entsetzen, daß er mit der Frau des Chefs zu arbeiten hat.
Die hatte in der früheren DDR ihre Lehre und die Meisterprüfung bestanden, sie war fachlich kompetent und zeigte sich als sehr durchsetzungsfähig. Nach der Lehre blieb er noch ein Jahr in dem Betrieb und dann fand er einen ruhigen Job in einer Firma, die Autozubehör und Ersatzteile verkaufte. Er fühlte sich richtig wohl, als der Chef ihm erklärte, was er zu tun hat. Doch schon am nächsten Tag erfuhr er, daß seine Frau ihm sagen würde, wie er die Arbeit zu verrichten hat, weil der Chef fast immer zum Kundendienst und wegen der Einkäufe unterwegs war. Seine Frau kannte allen Zubehör und die Ersatzteile, sie hatte eine Kaufmannslehre hinter sich, kannte sich in Lagerhaltung aus und war eine äußerst gestrenge Betriebsleiterin.
In dieser Zeit fuhr er einmal mit einem Arbeitskollegen nach Thailand in Urlaub. Das war eine sehr schöne Zeit ohne Frauenherrschaft und Benni wünschte sich, hier leben zu können, wo das Klima so warm, die Landschaft so schön, jede Frau so sanft und anschmiegsam und das Leben so billig war. Trotzdem brauchte man viel Geld, um hier leben zu können. Kraftfahrzeugmechaniker verdienten nur wenig und Ausländer erhielten hierfür grundsätzlich keine Arbeitsgenehmigung. Nach der Rückkehr aus dem Urlaubsparadies fiel ihm das Leben in Deutschland noch weitaus schwerer, als zuvor. Die allgegenwärtige Chefin, sein monogames Bett und die Einsamkeit störten ihn nun gar sehr, nachdem er in Thailand ein weitaus schöneres und bequemeres Leben kennengelernt hatte.
Benni mußte abends in die Disco gehen, um sich zu erholen. Dort fand er Rita, die eine zur Erholung passende Oberweite hatte und anregende Miniröcke trug, die ihn an Thailand erinnerten. Sie erholte sich auch in der Disco und dann erholten sie sich öfter gemeinsam und dann heirateten sie. Schon wenige Tage später bemerkte Benni, daß sie eine keifende Stimme hatte, die ihm in der Disco gar nicht so aufgefallen war, und daß sie genauso nörgelte, wie seine Schwester, was sie vor der Heirat nie getan hatte.
Sie lehnte es ab, die Wohnung zu putzen, Essen zu kochen und die Wäsche zu waschen. Sie sagte, daß sie genauso wie früher arbeiten geht und ihr eigenes Geld verdient. Sie hat ihn nicht geheiratet, um Hausfrau oder Hausgehilfin zu werden und das hätte sie ihm auch gesagt. Sie erwarte von ihm ja auch nicht, daß er Essen kocht oder die Wohnung putzt, ist aber bereit, sich von Woche zu Woche mit ihm abzuwechseln und die Wäsche könnte man ja auch in eine Wäscherei geben. Der Vorteil der Ehe bestünde darin, daß man die Abende und die Nächte gemeinsam verbringen und sich die Kosten teilen kann, nicht aber darin, daß er eine preiswerte Haushaltsmaschine hat. Das einzige Positive, was er nach der Hochzeit noch an ihr entdeckte, bestand offensichtlich darin, daß sie, zumindest vorläufig, keine Kinder wollte.
Das Martyrium dauerte drei Jahre. Zwei Jahre hatte es gedauert, bis es wegen seines lockeren Lebensstils, der ihr zu eigenständig und ihr gegenüber zu rücksichtslos war, zu einem gewaltigen Krach kam, der zur Folge hatte, daß das Verhältnis sehr unterkühlt war und seine Frau fortan ganz entgegen ihrer früheren Gewohnheit nur noch mit Unterwäsche und Nachthemd ins Bett ging. Sie erklärte, daß sie nicht geheiratet hat, um jeden Tag alleine zuhause zu sitzen, während er sich gerade auf Frauenjagd befand. Sehr geschickt versuchte er, an der kalten Atmosphäre und an ihrer Ablehnung nächtlicher Aktivitäten etwas zu ändern, indem er sie fragte, ob sie denn nie Kinder haben wollte. Fast entschuldigend hörte sie sich an, als sie süffisant bemerkte, sie könne sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, einen Affen großzuziehen.
Er verstand, daß die Beziehung beendet war und erfuhr bald darauf, daß sie einen heimlichen Geliebten hatte. Das wiederum ging ihm gegen das, was er Ehre nannte. Er lauerte dem Paar mit Erfolg auf, nur um festzustellen, daß er sich geirrt hatte; der Geliebte war gar nicht heimlich, sondern unheimlich, etwa dreißig Zentimeter größer und breiter als er und fragte Benni ungeniert, was er hier zu suchen hat, wenn er mit seiner Frau schläft und ob er vielleicht ein Spanner wäre.
Nun litt Benni tagsüber unter einer weiblichen Kommandozentrale. Hatte er bisher an den Nörgeleien seiner Frau gelitten, wenn er abends nachhause kam, so konnte er nun nicht einmal mehr nachhause gehen. Er ließ sich umgehend scheiden, in gegenseitigem Einverständnis. Vorübergehend mietete er ein möbliertes Zimmer, das ihn aber an den langen Abenden nur selten sah. Das Leben konnte nicht schlimmer sein. Es schien auch nicht möglich, an das erforderliche Geld für ein angenehmes Leben zu kommen, wobei er immer wieder an seine Urlaubszeit in Thailand dachte.
In dieser Gemütsverfassung ging er an einem Wochenende seine Eltern besuchen. Doch die waren nicht da. Seine Schwester war auch nicht da. Er konnte nicht wissen, daß sie gerade die Verlobung der Schwester feierten. Sie hatten zwar versucht, ihn zu benachrichtigen, aber seit er die Wohnung gewechselt hatte, war er noch nicht zuhause gewesen und seiner Frau hatte er seine neue Anschrift nicht gegeben. Aber er sah das Scheckbuch der Schwester auf einer Kommode und er wußte, wieviel Geld auf dem Konto sein mußte. Dieses Wissen entfachte in ihm einen ungewöhnlichen Gedanken, wie er sein miserables Leben mit einem Schlag verändern könnte.
Jahrelang hatte die Schwester ihn geärgert, nun würde sie zu einer wesentlichen Verbesserung seines Lebens beitragen. Er riß das letzte Blatt aus dem Scheckbuch. Die Unterschrift der Schwester hatte er schon früher geübt, als er in der Schule und während der Lehrzeit Entschuldigungen gebraucht hatte. Anschließend zog es ihn zu seiner geschiedenen Frau, in der Hoffnung, daß sie nicht zuhause war. Mühelos fand er das Scheckbuch. Auch hier nahm er das letzte Blatt. Er wußte zwar nicht, wieviel Geld sie gespart haben mochte, war sich aber sicher, daß er zumindest einen Scheck für 5.000 Euro ausstellen konnte, wovon man in Thailand lange leben konnte.
Am Montagmorgen erzählte er auf der Arbeit, daß er einen Autounfall gehabt hat und bat um einen Vorschuß, den er in Form eines Schecks prompt erhielt. Dann entschuldigte er sich und ging ‘zu einer kurzen Besorgung’ mit drei Schecks zur Bank und erhielt anstandslos das Geld, was logisch war, da er es sich ja auch anstandslos verschafft hatte. Er fuhr nachhause, packte einen Koffer und fuhr zu einem Gebrauchtwagenhändler, der ihm seinen Wagen zu einem unverschämt niedrigen Preis abkaufte, aber in bar bezahlte. Eine Stunde später saß er bereits in einem Zug nach Amsterdam, wo er sich ein Flugticket kaufte und in einem Hotel auf den nächsten Tag wartete, an dem er schon frühzeitig zu einem Direktflug nach Thailand eincheckte.
Nach einem ruhigen Flug fuhr er gleich weiter nach Phuket, weil er dort während seines Urlaubs gewesen war und glaubte, sich auszukennen. Er liebte die Natur und wollte einige Zeit der Ruhe in einer schönen Landschaft verbringen, ohne Lärm und ohne Hektik. Doch Phuket hatte sich verändert und zu seinem großen Schrecken erfuhr er schon nach den ersten drei Tagen, daß zwei Deutsche und andere Ausländer festgenommen worden waren, die in ihrer Heimat Straftaten begangen hatten und nach Thailand geflohen waren, um sich zu verstecken. Er glaubte zwar nicht, daß jemand eine Strafanzeige gegen ihn erstattet hatte, außerdem glaubte er auch nicht, daß die Summen hoch genug waren, um ihn in aller Welt zu suchen. Andererseits hatte in der Zeitung gestanden, daß die thailändische Regierung sich bemüht, das Land von kriminellen Ausländern zu säubern und es war denkbar, daß man von Thailand aus mit den Ländern der meisten Urlaubsreisenden Kontakt aufgenommen hatte, um eine Liste der Kriminellen oder der dort Gesuchten zu erhalten und dann konnte man ihm die Aufenthaltsgenehmigung entziehen und nach Deutschland zurückschicken.
Als Benni einen Bericht über Landurlaub im Dorf las, in dem mehrere Adressen von Firmen standen, die solch einen Urlaub auf dem Lande organisierten, fuhr er sofort los, um in einem der Dörfer in Ruhe mit der Natur zu leben. Er ging einige Meter durchs Dorf und durch einige Felder, bevor er sich in seiner Unterkunft einrichten wollte. Doch dort stellte er fest, daß sein Zimmer schon vollständig eingerichtet war. Es fanden sich ein Bett, zwei Stühle, ein Tisch und ein kleiner Schrank. Vergebens schaute er nach, ob man den Fernsehapparat vielleicht irgendwo versteckt eingebaut hatte, aber es gab keinen Fernsehapparat, noch nicht einmal ein Radio. Das Zimmer wurde durch eine lose von der Decke hängenden Glühbirne verziert, die vergebens versuchte, ihre Leuchtkraft von fünfundzwanzig Watt bis auf den Fußboden zu verteilen.
Die Toilette war hinter dem Haus und bestand in einem zementierten Loch, während die mit einer Plastikschüssel gekrönte Regentonne die Dusche repräsentierte. Nachdem Benni auf seinem Zimmer eine gute Stunde himmlischer Ruhe genossen hatte, machte er sich auf, der Dorfkneipe einen Besuch abzustatten, aber hier gab es nicht einmal eine Bar und auch kein Restaurant. Dafür wurde ihm um 18 Uhr von einer sehr stämmigen und resoluten Hausherrin zusammen mit der Hausordnung und diversen gutgemeinten Verhaltensmaßregeln sein Essen serviert, gedämpfter Reis mit Huhn, das er in vollständiger Ruhe genießen konnte. Bier gab es nicht, nur Wasser, aber man könnte auf Wunsch für den nächsten Tag eine Flasche Bier besorgen, teilte man ihm mit. Nachdem er bis 19 Uhr noch die himmlische Ruhe genoß, fiel sie ihm unvermittelt aufs Hirn. Er erinnerte sich an die Annonce, in der ihm versprochen worden war, daß er das Dorfleben kennenlernen konnte, bis er endlich gegen 2 Uhr nachts überzeugt war, genug Dorfleben kennengelernt zu haben und beruhigt einschlafen konnte, was er bereute, als er um 6 Uhr morgens geweckt wurde und sich nur nach und nach erinnern konnte, wo er war und warum er hier war.
Um acht Uhr wurde er vom Dorfpolizisten begrüßt und im Dorf willkommen geheißen. Darauf nahm der Mann seinen Reisepaß zur Überprüfung mit und versicherte, dies sei lediglich eine Formsache, die nur wenige Stunden dauern konnte. Während der nächsten Stunden wanderte Benni durch die Reisfelder und wartete vergebens auf den Bildwechsel. Was er fand, war nur ein Kanal und noch ein Kanal, und kein anderes Programm. Mittags war er zuhause und erhielt sein Essen; gedämpften Reis mit Huhn. Das machte ihm deutlich, daß das Dorfleben wenig Abwechslung kennt und daß er deshalb schon genug Dorfleben kennengelernt hatte, denn von nun an würde es sich nur noch wiederholen. Die Initiatoren des Projektes ‘Urlaub im Dorf’ waren zwar auf den Gedanken gekommen, daß sie mit der Vermietung von Zimmern oder Häusern Touristen und Geld ins Dorf bringen können, sicher waren sie nicht auf den Gedanken gekommen, daß ein alleinreisender Junggeselle aus dem Ausland Urlaub im Dorf machen würde und außer Ruhe sowie Reis mit Huhn vielleicht auch noch andere Erlebnisse oder zumindest etwas Unterhaltung suchen konnte.
Benni meinte, er könnte doch ein klein wenig mehr westliche Atmosphäre gebrauchen, verband diesen Gedanken mit seinem Wunsch nach Ruhe und Verborgenheit sowie schöner Landschaft, fuhr nach Bangkok und ließ sich beraten. Er machte einen guten Eindruck und kam aus dem Ausland, weshalb man ihn als potentiellen ‘Qualitätstouristen’ nach Ko Chang schickte, wo es ein Qualitätsleben geben würde, da man sogar schon daran dachte, für die vielen Besucher der idyllischen Insel ein idyllisches Spielkasino zu bauen. Noch bevor er nach Ko Chang fuhr, ließ er sich bei der Anlegestelle der Fähren zur Insel beraten und fuhr zum Plaloma Strandresort, wo es ihm ausgezeichnet gefiel. Hier fand er exotische Bambushütten, europäisches Essen, abendliche Unterhaltung und Getränke. Aber für Alleinreisende war es doch etwas einsam, weshalb er sich erfolgreich um Begleitung bemühte.
Watha war eine einsame Vergnügungsreisende aus Bangkok, selbstverständlich aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie, denn sonst hätte sie sich ja keine Vergnügungsreise erlauben können. Schon bald bot sie ihm seine Vergnügung und beriet ihn über seine nähere Zukunft. Sie war so schön, daß er sicher war, ihr bedenkenlos glauben zu können. Sie verhielt sich so, wie er es von einer Frau erwartete und war ganz anders, als seine ehemalige. Nach wenigen Wochen war er fest überzeugt, daß sie heiraten sollten, weil sie so gut zu ihm paßte und weil sie sonst weglaufen könnte.
Ferner war er überzeugt, daß er in Bangkok eine Bar kaufen sollte, um bequem leben zu können, weil Watha ihm dringend dazu geraten hatte, denn mit einer Bar ließ sich viel Geld verdienen und die Bar würde von alleine laufen, was auch erforderlich war, da er ja dafür keine Arbeitsgenehmigung erhält, in einer Bar aber stets als Gast anwesend und an der Theke sitzen kann. Sie fand nach einer längeren Suche, die viele Kosten verursachte, in einer sehr belebten Gegend mit viel Laufkundschaft die ideale Bar für ihn, die auch überhaupt nicht teuer war. Nach Unterzeichnung der Verträge erfuhr er, daß die Bar ihrem Bruder gehört hatte, der aber noch als Geschäftsführer blieb, um seiner kleinen Schwester bei der Einarbeitung und bei der Leitung zu helfen, da Benni ja nicht arbeiten durfte.
Die Hochzeit wurde in einem Tempel durchgeführt und war sehr feierlich, aber nicht rechtswirksam. Am späten Nachmittag fuhr er regelmäßig zusammen mit seiner Frau zur Bar, die dann geöffnet wurde. Er durfte allerdings nicht hinter die Theke und vor allen Dingen durfte er nichts tun, weil er im Falle irgend einer Bewegung, die nach Arbeit aussah, wie etwa einem durstigen Kontrollbeamten ein Glas Wasser oder seine Visitenkarte zu geben, wegen illegaler Arbeit verhaftet, eingesperrt und ausgewiesen werden könnte. Benni war ein Kulturmensch; er hielt sich an die deutsche Kultur, in der es ja irgendwo auch heißt „An der Quelle saß der Knabe“ und entleerte ab Arbeitsbeginn vor Einbruch der Dämmerung nach und nach einige Bierflaschen, bis er zu stärkeren Getränken überging.
Da ihm langweilig war, liebte er es auch, deutschsprachige Gäste zu einigen Gläsern einzuladen, was dazu führte, daß sich regelmäßig gegen 21 Uhr eine fröhliche Gesellschaft einfand, die sich von Benni freihalten ließ, weil der meinte, daß ihn der Alkohol an seiner Bar ja nichts kostet und bis weit nach Mitternacht mit Freunden feierte, bis er ermüdet seinen Kopf auf die Theke legte, ein Signal, daß er nun nicht mehr ansprechbar war und seine Frau ihn mit freundlicher Unterstützung eines der Mädchen irgendwann nachhause bringen durfte. Seine Frau und ihr Bruder, der Geschäftsführer, versuchten, ihm zu erklären, daß seine Aufgabe zwar darin bestand, Ausländer zum Trinken anzuregen, damit die Bar Umsatz machte und Geld einbrachte, nicht aber darin, diese Getränke auch selbst auszugeben. Sie sagten ihm, daß die Bar solch eine Belastung nicht verträgt, doch Benni meinte, daß das schließlich seine Bar ist und die Getränke deshalb kaum etwas kosteten.
Die Geschwister warteten noch einige Zeit und sprachen noch einmal mit ihm. Sie rechneten ihm vor, daß er am Tag durchschnittlich Getränke für etwa 1.600 Baht Eigenkosten verbraucht, knapp 50.000 Baht im Monat, daß jeden Tag mehr Leute kommen, um von ihm eingeladen zu werden und frei trinken zu können, und daß es auch keinen guten Eindruck macht, wenn jeden Abend schon lange vor Mitternacht ein volltrunkener Farang an der Theke sitzt und unverständliches Zeug vor sich hinlallt. Sie meinten, das würde ihn zur Besinnung bringen, doch Benni gelüstete es gar nicht nach Besinnung.
Er gab zwar zu, daß er täglich mehr trank und täglich eher und stärker betrunken war, versicherte aber, daß er sich dabei täglich besser fühlte. Seine Frau rechnete Benni vor, daß die Bar schon jetzt keinen Gewinn mehr einbrachte, sondern gerade noch das Geld für die laufenden Kosten und seinen Alkohol in die Kasse kam, daß sie praktisch schon gratis arbeiten mußten, weil er 50.000 Baht für seinen Alkohol und Einladungen ausgab. Aber Benni blieb stur. Er sagte, daß das seine Bar ist und daß ihm das Leben so gefällt. Sie müßten sich eben Mühe geben, mehr Geld einzubringen, dann würden sie auch mehr verdienen, er wüßte, daß es Bars gab, die viel mehr Geld einbrachten. Er drohte, den geschäftsführenden Bruder zu entlassen, wenn sie es nicht schaffen, höhere Einnahmen zu bringen. Die Stimmung sank auf einen Gefrierpunkt und seine Frau warnte ihn; er soll sich noch einmal genau überlegen, wem die Bar gehört, aber das war schon später am Abend und er nahm das in seinem fortgeschrittenen Suff nicht mehr auf.
Nur wenige Tage später wachte er im Krankenhaus auf, es hieß, er wäre betrunken vom Hocker gefallen. Er hatte ein stark geschwollenes Auge, schwere Abschürfungen, einen angebrochenen Schädel und eine Gehirnerschütterung. Er blieb nur drei Tage im Krankenhaus, lange genug, um zu erfahren, daß er Alkoholiker war und seine Leberwerte sehr bedenklich waren. So war er froh, als seine Frau ihm die Möglichkeit der Beteiligung an einer Autoreparaturwerkstatt bot, damit er nicht den ganzen Tag an der Bar hängen mußte. Er sah zumindest ein, daß das seiner Gesundheit nicht gut tat und glaubte, daß er sich während einiger Zeit in der Nähe von Autos körperlich erholen und gutes Geld verdienen kann.
Sicher wäre es auch nicht so langweilig, wie an der Bar. Nach Barzahlung und Unterzeichnung der Verträge erklärte seine Frau, daß die Werkstatt ihrem Onkel gehört, der leider im Gefängnis sitzt, weshalb sie von seiner geschäftstüchtigen und durchsetzungsfähigen Frau geführt wird. Die sagte, daß er die europäischen Autos reparieren darf, wie es der Vertrag besagt, den er unterschrieben hat. Und er durfte auch sofort anfangen, damit seine Arbeit sich rentierte.
Es dauerte nicht lange, bis das Verhältnis unhaltbar wurde. Die Frau war wirklich äußerst energisch. Da Benni nur ein Ausländer war, die ja bekanntlich alle dumm sind, fragte sie die Kunden, was die Reparatur kosten oder wie lange sie dauern darf und dann erhielt Benni den Befehl, welche Arbeit er in welcher Zeit fertigzustellen hat. Pleuelstange bei einem Volvo auswechseln, 30 Minuten, Motorwechsel bei einem VW, eine Stunde etc. und nach dieser Maßgabe wurde er auch bezahlt, und zwar unter Zugrundelegung thailändischer Tarife. Sein Einspruch war vergeblich, die Frau sagte, daß sie sich bei einem Thai erkundigt hat und die Thai kennen sich aus, während er nur ein dummer Farang ist, der von Autos keine Ahnung hat, was man ja schon daran sieht, daß er keine Arbeitsgenehmigung bekommt, um Autos zu reparieren und nicht einmal einen thailändischen Führerschein hat. Außerdem hatte sie mit ihrem Mann gesprochen und der hatte gesagt, daß er nicht will, daß ein Ausländer seine Reparaturwerkstätte übernimmt.
Gleichzeitig bestanden aber die Probleme mit seiner Frau weiter, die Beziehung war eisig und man sah sich kaum noch. Wenn er morgens früh aufstand, um arbeiten zu gehen, schlief seine Frau noch, und wenn er auch erst spät abends die Arbeit beendete, hatte es doch keinen Sinn, zu seiner Frau in die Bar zu gehen. Da er aber gar nicht gern alleine zuhause saß, ging er in irgendeine Bar, wo er zwar wesentlich weniger trank, als früher in seiner eigenen Bar, aber doch öfter betrunken nachhause kam und schlafen ging, bevor seine Frau aus der Bar kam. Und wenn er nicht betrunken war, dann war seine Frau müde und ging sofort mit Unterwäsche und Nachthemd ins Bett, drehte sich um und schlief.
Als Benni zum Monatsende seinen Lohn erhielt, der knapp viertausend Baht betrug, wußte er, daß sich diese Lebenssituation nicht mehr halten läßt. Er suchte zuhause nach verstecktem Geld, aber es fanden sich nur rund zweihundertfünfzig Baht Wechselgeld in einer Schale auf einer Kommode. Am nächsten Morgen inspizierte er die Betriebskasse und er schaffte sogar, das Schloß zu öffnen, aber nur um eine Handvoll Münzen zu finden und nicht einen einzigen Schein. Benni ging zu einem Anwalt. Der sah sich seine Papiere an und sagte, der Vertrag mit der Werkstatt sei rechtswidrig und könnte vielleicht sogar als Betrug ausgelegt werden, da man ihm auch Anteile an Grund und Boden abgetreten habe, die aber nicht eingetragen waren und nicht abgetreten und nicht eingetragen werden können, weil Ausländer keinen Grundbesitz haben dürfen.
Ferner sei ihm eine Arbeitsgenehmigung zugesagt worden, um die sich die Firma hätte bemühen müssen, was aber unmöglich ist, weil ein Privatunternehmer keine Arbeits-genehmigung für einen Ausländer beantragen kann und grundsätzlich keine Arbeitsgenehmigungen für Kraftfahrzeugmechaniker erteilt werden. Zudem mußte überprüft werden, ob die Unterschrift echt war. Was allerdings die Bar betraf, sah er keine Möglichkeiten. Der Mietvertrag, die Übernahmebestätigung, die Quittungen und die Lizenz lauteten auf den Namen von Watha. Der Anwalt rief einen ihm bekannten Polizisten an, ging mit Benni und dem Polizisten zur Reparaturwerkstatt, legte die Papiere vor, redete lange und kassierte die komplette Summe, die Benni für die Beteiligung bezahlt hatte. Zuzüglich zwanzigtausend Baht als Entschädigung, aber die gingen an den Anwalt und den Polizisten. Benni war froh, daß er hier wenigstens kein Geld verloren hatte.
Nun galt es, die Probleme mit Watha zu klären. Er ging davon aus, daß sie ihn einfach hinauswerfen würde, weil er keine rechtlichen Grundlagen hatte, irgendetwas gegen sie zu unternehmen. Als er zur Bar ging, sagten die Mädchen, Watha wäre weggegangen und kommt in einer Stunde zurück. Als er wiederkam, sagten sie ihm, Watha würde um 18.30 Uhr auf ihn warten. Als er kam, war sie schon da. Er berichtete von den Vorfällen in der Werkstatt und der Rückzahlung der Beteiligung. Sie meinte, sie hätte ihn nur vermittelt, weil die Leute Geld und einen Fachmann gebraucht hatten und er eine vernünftige Tätigkeit suchte. Wenn sie nicht ehrlich gewesen waren und er sein Geld zurückbekommen hat, dann ist das nur gerecht. Benni war erstaunt. Doch nun mußte er mit ihr sprechen und die Bindung lösen, so gut es ging.
Er warf ihr vor, daß sie ihn nur gesucht hätte, um ihn auszunehmen. Doch sie meinte glatt, das sei nicht wahr. Sie erklärte, daß selbstverständlich alle jungen Frauen, die einen Farang suchen, nicht mit ihm ins Bett gehen, weil er so nett oder so schön ist, sondern ausschließlich deshalb, weil er Geld hat. Auch ältere thailändische Geschäftsleute werden von jungen Frauen nicht gesucht, weil sie so schön oder so nett sind, sondern weil sie Geld haben. Aber sie hätte wirklich versucht, mit ihm zu leben, sie hatte versucht, ihn zu mögen und nett zu ihm zu sein. Natürlich hat sie ihn nicht geliebt, er hat sie ja auch nicht geliebt, sondern nur eine hübsche Frau gesucht. Aber sie hätte alles versucht, mit ihm zu leben und das wäre in Ko Chang und die erste Zeit in Bangkok ja auch ganz gut gegangen. Bis er angefangen hat, zu trinken und sie ihn nur noch betrunken gesehen hat. Betrunkene Leute sagen, was sie wirklich denken. Wenn er betrunken war, hat er sie nur noch beschimpft und beleidigt. Er hat versucht, sie zu schlagen, aber er war schon zu betrunken.
„Du hast gesagt, ich bin eine Hure, geisteskrank, ich hätte nie von den Bäumen klettern dürfen. Du kannst nur meinen Bauch gebrauchen, weil ich blöde bin und kein Hirn habe. Aber Du suchst Dir regelmäßig andere Frauen, mit denen Du viel lieber ins Bett gehst, weil sie jünger und schöner sind und es Dir mit denen viel mehr Spaß macht. Das ist es, was Du wirklich von mir denkst. Und jetzt beklagst Du Dich, daß ich Dich nicht wirklich geliebt habe. Du mußt geisteskrank sein. Es gibt keine Frau, die einen Mann liebt, der monatelang betrunken herumtorkelt, sie unflätig beschimpft und dann auch noch zu schlagen versucht.“
Benni verstand, daß er hier nicht viele Chancen hat, an sein Geld zu kommen und das machte ihn wütend. Doch noch beherrschte er sich, vollzog einen Bogen und sagte: „Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen.“ Sie schaute ihn gerade an und sagte: „Wir sind getrennt. Wann ziehst Du aus?“ Jetzt konnte er an sein Geld kommen, glaubte er und sagte: „Ich habe kein Geld.“ Sie lachte: „Willst Du einen Palast mieten, daß das Geld von Deiner Werkstattbeteiligung nicht reicht?“ Sicher, das war sein Fehler gewesen, aber er antwortete: „Ich muß eine neue Existenz aufbauen und dafür reicht es nicht mehr. Ich will das Geld zurück, das ich Dir für die Bar gegeben habe.“ Sie lächelte, jetzt amüsiert und sagte:
„So, willst Du das. Gut. Die Bar hat 800.000 Baht gekostet. Du hast mir 600.000 Baht gegeben, 200.000 hatte ich selbst. Du hast in gut sechs Monaten 300.000 Baht vertrunken und spendiert, Einkaufspreis. Du hast die Bar durch Deine Anwesenheit und Dein Benehmen um über 100.000 Baht geschädigt. Das läßt sich an den Gewinnen nachrechnen, die wir machen, seit Du nicht mehr an der Bar bist. Ich werde Dir 200.000 Baht geben.“ Benni stockte der Atem, sein Kopf lief rot an und er schrie: „Ich will keine zweihunderttausend Baht von Dir, ich will meine sechshunderttausend Baht, Du dreckige Hure!“ Sie sagte: „Gut, wenn Du sie nicht willst, dann eben nicht.“ Dann stand sie auf und ging an ihm vorbei. Benni sprang auf, doch dann blieb er stocksteif stehen. Er hatte die beiden Polizisten nicht gesehen, die hinter ihm gestanden hatten und ihn nun unbeteiligt ansahen. Einer von ihnen wollte seinen Paß sehen. Dann steckte er ihn ein und machte Benni klar, er kann den Paß nach der Überprüfung in einer Woche auf der Polizeistation wieder abholen, aber er darf sich inzwischen nicht mehr an der Bar sehen lassen.
Benni fühlte sich betrogen. Er hatte das Geld für die Bar bezahlt und dann war es seine Sache, was er mit den Einnahmen machte. Wieso bildete sich Watha ein, daß sie einen Gewinnanteil hatte? Daß er nicht gearbeitet hatte, spielte ja keine Rolle, weil er nicht arbeiten durfte, was sie gewußt hatte, als sie ihm vorschlug, die Bar zu kaufen, und es war sein Geld gewesen, mit dem sie Gewinn gemacht hatte. Überhaupt war sie, nachdem er die Bar gekauft hatte, genau so gewesen, wie die europäischen Frauen. Sie stellte Ansprüche, versuchte ihn zu manipulieren und weigerte sich, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Frauen haben seit eh und je nur fürs Bett getaugt, sie bekamen Unterkunft und Essen und hatten sich um Hausputz, Kinder und Küche zu kümmern, aber das schien ihnen jetzt auch schon in Thailand nicht mehr zu reichen. Sie wollten über den Mann herrschen, die große Chefin spielen und dafür wollten sie auch noch Geld haben.
Doch sein Selbstmitleid als verkannter Mann und Herrscher beschäftigte ihn nicht zu lange, denn er hatte jetzt auch noch andere Probleme, beispielsweise das Problem, zu überleben, was ihm fast ausgeschlossen schien. Er war im feindlichen Ausland alleine, konnte die Landessprache nicht verstehen, hatte keine Frau, die ihm helfen konnte, keine Ahnung, was er tun könnte und höchstwahrscheinlich auch nicht mehr genug Geld, um eine neue Existenz aufzubauen. Aber er war doch klug genug, sich zu überlegen, was er falsch gemacht hatte, um diesen Fehler nicht zu wiederholen. Er hatte Watha zu sich geholt, gleich nachdem er sie getroffen hatte, ohne überprüft zu haben, ob sie ihn wirklich liebt. Dann hatte er ihr geglaubt und Verträge unterschrieben, die er nicht verstanden hatte und die, was die Werkstatt betraf, offensichtlich auch Watha nicht verstanden hatte. Er mußte also mit der Auswahl der Leute, die für ihn arbeiten sollten, vorsichtiger sein. Sie mußten ihn wirklich lieben und vor allen Dingen mußten sie mehr Bildung haben. Außerdem hatte er zuviel Geld ausgegeben und zuviel getrunken. Sonst hatte er eigentlich nichts wirklich falsch gemacht.
Nun mußte er also eine Person suchen, die ihm half, und dann mußte er Geld verdienen. Er hatte gehört, daß das in Pattaya leichter sein soll, weil da nur ahnungslose Touristen herumlaufen, während es in Bangkok zu viele Ausländer gibt, die da schon zu lange leben und sich auskennen. Wenn er Geld machen wollte, dann mußte er Leute suchen, die sich nicht auskannten, denen er mit seiner Thailandkenntnis von knapp sieben Monaten überlegen war, denen er sagen konnte, was ihm paßt, weil sie keine Ahnung haben und ihm alles glauben würden, wie er am Anfang Watha geglaubt hatte. Vielleicht konnte er jemand seine Anteile an der Werkstatt oder die Bar verkaufen, er hatte sehr saubere Kopien davon, die waren so gut wie Originale. Er mußte nur jemand vom günstigen Kauf überzeugen und sagen, daß er wegen ständiger Probleme mit seiner Frau günstig verkaufen wollte. Die Touristen würden einem Landsmann sicher glauben, bei einem Schnäppchen einen hohen Gewinn erwarten und darauf hereinfallen.
Er fuhr nach Pattaya und suchte eine schöne und intelligente Frau, die ihm helfen sollte. Die zehn Euro, die ihn das kostete, waren sicherlich gut investiert. Diese Rechnung hätte Benni sich näher überlegen sollte, denn sie zeigte ihm sehr deutlich die Fehler, die er machte. Wenn er mit zehn Euro oder fünfhundert Baht rechnete, so fehlte dabei die Auslöse von vielleicht zweihundert Baht, es fehlten die Getränke, die er in mehreren Bars konsumieren würde, mindestens dreihundert Baht, die Getränke, die er in der Bar mit ihr trank, mindestens zweihundert Baht, zusammen bereits zwölfhundert Baht, macht im Monat 36.000 Baht oder 720 Euro, nicht mitgerechnet die Hotelkosten und die auf eigenes Verschulden zurückzuführenden Nebenkosten, wie etwa gemeinsames Abendessen oder Frühstück, ein Goldkettchen, ein Armreif etc. pp.
Seine Standardkosten, an die er nicht dachte, würden also im Monat bereits rund eintausend Euro betragen, während er nur an die zehn Euro für die Frau dachte und noch nicht einmal überlegte, daß die Frau mit fünfhundert Baht vielleicht gar nicht einverstanden war und mehr verlangte. Viel schwerwiegender waren allerdings drei andere Fehler: Einmal ist es völlig illusorisch, zu glauben, daß er eine schöne Frau trifft, die ihn noch nie gesehen hat und liebt, weil sie am Tag zehn oder fünfzehn Euro bekommt. Zum Zweiten ist es kaum denkbar, daß er eine Frau findet, die ihm helfen kann. Die Barmädchen haben diese Arbeit angenommen, weil sie nichts anderes tun können. Sie haben zwischen null und sechs Schuljahre absolviert, lesen zumeist noch mit dem Finger unter dem Wort und haben keinerlei Erfahrung von Verträgen, Behördengängen oder Erfordernissen eines Ausländers.
Dazu kommt, daß die meisten Barmädchen überzeugt sind, viel besser und klüger zu sein, als die Ausländer, die ja noch nicht einmal richtig sprechen können, und ihm mit voller Überzeugung sagen, was er zu tun hat. Nicht etwa, weil sie es wissen, sondern weil sie es sich so vorstellen und weil sie ja als Thai viel klüger und größer sind. Man könnte hinzufügen, daß eine hohe Anzahl hilfsbereiter Damen ihrem Farang ihre Unterstützung angedeihen lassen, weil sie dabei auf einen eigenen Gewinn, vielleicht in Form von Kommissionen, hoffen, und daß es auch noch Damen gibt, die ausschließlich ihren Vorteil und ihre Möglichkeit suchen, reich zu werden. Soweit zu dem Gedanken ‘Sie kostet ja nur zehn Euro’.
Es dauerte mehrere Bars, bis Benni seine Hilfe in der von ihm bevorzugten Form fand, die auch etwas Englisch sprach und breit genug lächelte, daß er es als wahrscheinlich ansah, daß sie ihn liebte. Doch als sie nach mehreren Gläsern ins Hotel gingen, brauchte er gar nicht lange, um herauszufinden, daß sie nicht die von ihm gesuchte Hilfe sein konnte. Sie verhielt sich überhaupt nicht so, wie er es von einer Gehilfin erwartete, sie verhielt sich überhaupt nicht, oder genau gesagt, sie verhielt sich, war äußerst verhalten. Er würde morgen eine andere Gehilfin suchen. Dazu zog er wieder durch mehrere Bars, um das zu finden, was er für eine reine Formsache hielt. Doch diese schien Angst vor einer Erkältung zu haben und war noch nicht einmal bereit, sich auszuziehen, woran er ganz klar erkennen konnte, daß sie ihn gar nicht liebte, obwohl sie das auf seine Fragen mehrmals beteuert hatte.
Es dauerte längere Zeit, bis er endlich die Frau gefunden hatte, die die Form und das Verhalten hatte, das er von einer brauchbaren Gehilfin voraussetzte, sie hieß ‘O’ und sogar ihr Englisch war ziemlich gut. Nun kam es darauf an, sie zu seiner Hilfe einzusetzen, damit er Geld machen konnte. Nachdem er ihr erklärt hatte, daß er in Bangkok eine Bar und Anteile an einer Autoreparaturwerkstatt verkaufen wollte, weil er sich von seiner Frau getrennt hatte, weil er jetzt mit ihr lebt, zog er mit ihr als glaubwürdiger Zeugin durch mehrere Bars, um seine Verkaufsabsichten zu verkünden.
Es dauerte lange, bis er Interessenten fand. Ein großer, dicker Ausländer, der seine Haare wie ein Mönch trug, mit einer tonsurförmigen Glatze und einem Kranz halblanger Haare ringsherum, zeigte sich an der Bar interessiert, die Benni für vierhunderttausend Baht angeboten hatte, und wollte die Papiere sehen. Frohlockend holte Benni die Papiere aus der Tasche und der Dicke schaute sie an. Er rief einen Mann und sagte ihm: „Mach’ doch schnell ‘mal ein schönes Foto; wir sind hier dicht vor einem Vertragsabschluß. Er legte einen Arm um den viel kleineren Benni, drückte ihn an sich und hob ihn dabei etwas vom Boden hoch, während er dabei die Vertragspapiere mit der Schriftseite zur Kamera schwenkte.
Nachdem drei Fotos geknipst worden waren, fragte er trocken: „Hast Du auch schon ‘mal ‘was zu verkaufen, was Dir gehört?“ Benni versuchte, sich herauszureden und erklärte, daß O die Papiere beim Einpacken verwechselt hätte und bezeugen kann, daß ihm eine Bar und eine Werkstatt gehören, die er verkauft, weil er sich von seiner Frau getrennt hat. Doch als O das bestätigen sollte, erklärte sie, daß Benni das schon einmal gesagt hat, daß sie ihm aber nicht glaubt, weil ein Ausländer keine Bar und keine Werkstatt besitzen darf. Benni meinte noch, sich herausreden zu können, erklärte, daß die Weiber ja alle doof sind und sagte dem Dicken, daß er keine Ahnung hat, weil er hier nur auf Urlaub ist, während er selbst schon seit sieben Monaten hier ist.
Doch ihm antwortete nur Gelächter und der Dicke meinte grinsend: „Da hast Du Dich ja schon richtig lange gehalten, das müssen wir natürlich auch in die Zeitung bringen, direkt unter Dein Verkaufsangebot. Das ist doch eine schöne Gratiswerbung für Dich.“ Benni war es gar nicht mehr wohl zumute. Nach einigen Fragen meinte er: „Das darfst Du aber nicht abdrucken. Laß’ mich wenigstens vorher die richtigen Papiere holen.“ Der Dicke beruhigte ihn: „Klar. Die Zeitung kommt ja erst in drei Tagen heraus, Du kannst uns also bis morgen Abend noch die auf einen Ausländer ausgestellten Dokumente vorlegen, vor allen Dingen die Lizenz.“ Benni sagte, daß er jetzt sofort die richtigen Papiere holt und ging zum Ausgang. Doch er wurde zurückgerufen: „Du hast Deine Rechnung vergessen.“ Der Hinweis, daß er ja gleich zurückkommt und dann alles zusammen bezahlt, weil er dann ja auch noch einige weitere Gläser trinkt, half ihm nicht und machte ihn auch nicht gerade sympathisch.
Als er sein Portemonnaie zückte, kam jemand auf den Gedanken, O zu fragen, ob er sie schon bezahlt hat. Ihre Auskunft, daß sie für die letzten zwei Tagen kein Geld bekommen hat und daß Benni auch die Auslöse nicht bezahlt hat, weil er mit ihr unterwegs war, hatte zur Folge, daß er ihr nun das Geld für drei Tage geben mußte, und weil sie besonders schön war, mehr als nur fünfhundert Baht pro Tag. Auf seinen erneuten Protest, daß er ja gleich wiederkommt, sagte man ihm nur, daß er sich dann bestimmt freut, wenn er seine Schulden schon bezahlt hat und versprach ihm, daß sie ihm O bis dahin nicht wegnehmen und gut auf sie aufpassen werden. Tatsächlich spendierte jemand ihr ein Getränk und unterhielt sich mit ihr.
Benni war mit den Nerven am Ende. Nicht nur, daß er mit seiner Geldbeschaffung auf dem Bauch gelandet war, er mußte damit rechnen, daß sein Bild mit den falschen Dokumenten und der Betrugsabsicht in einer Zeitung erscheint. Zwar konnte es sein, daß die Leute nur geblufft haben, aber darauf konnte er sich nicht verlassen. Halbherzig zog er noch durch zwei Bars in Pattaya, um seine Fotokopien als originale Besitzdokumente zu verkaufen, aber er fand niemand, der Interesse an diesen Objekten hatte und er wußte selbst, daß ihm auch die Überzeugungskraft fehlte.
Der nächste Morgen sah Benni in einem Taxi nach Bangkok. Nachdem er ein preiswertes Hotel gefunden hatte, begann er, Informationen zu suchen, um Geld zu verdienen. Mit seinen Fotokopien konnte er in Bangkok nichts anfangen, weil eventuelle Interessenten sich die angebotenen Objekte selbstverständlich vor einem Kauf ansehen wollten. So begann er wieder mit der Suche nach einem Mädchen, das ihm beim Geldverdienen helfen sollte. Diesmal dauerte es sechs Tage, bis er eine geeignete Frau gefunden hatte. Sie hieß Lek und er merkte sofort, daß sie ideal geeignet war. Sie gehorchte aufs Wort, tat alles, was er wollte, wie er es wollte und versuchte, ihm seine Wünsche von den Augen abzulesen. Mit ihr würde er leichtes Spiel haben. Als er sie nach Investitionsmöglichkeiten fragte, nannte sie ihm zwei Bars, die zu verkaufen waren, sie schlug ihm vor, Motorräder zu verleihen, aber er wußte nicht wo, bekam sicher keine Genehmigung und glaubte nicht, daß man damit viel Geld verdienen kann.
Als sie sagte, daß ziemlich im Zentrum ein Guesthouse mit acht Zimmern sehr preiswert zu verpachten war, meinte er, das könnte interessant sein. Er meldete sich und hörte mindestens ein Dutzend rein familiärer Gründe, weshalb er dieses gutlaufende Geschäft für nur zwanzigtausend Baht im Monat mieten konnte. Er könnte die vorhandene Lizenz übernehmen und es machte auch nichts, daß er keine Kaution für den Wert der Einrichtung und eventuelle Beschädigungen hinterlegen konnte. Allerdings müßte er dann die Miete für ein Jahr im Voraus zahlen, damit man sicher ist, daß er nicht einfach wegläuft, und er müßte eine Art Hausmutter übernehmen, eine schon etwas ältere Frau, die bereits seit Jahren hier arbeitet, den Betrieb gut kennt und ihm sicher eine große Hilfe sein wird. Der Preis schien Benni so niedrig, daß er das Haus auf zwei Jahre mietete und im Voraus bezahlte, damit er sicher war, daß man ihn nicht hinauswerfen konnte, wenn er das Haus erst einmal richtig in Schwung gebracht hatte und dann hohe Gewinne erzielte.
Benni war begeistert. Neben den acht Gasträumen und einem Gemein-schaftsraum im Parterre befand sich auch noch eine kleine Wohnung im Haus, die er bewohnen konnte. Er zog sofort mit Lek zusammen in die Wohnung und richtete sich häuslich ein. Dann kümmerte er sich um den Betrieb. Das war nicht schwer, weil das Haus seit einiger Zeit geschlossen war. So brauchte er nur Lek loszuschicken, um ein Mädchen zu finden, mit dem sie zusammen die Räume auf Hochglanz bringen und später die Kunden bedienen konnte. Er richtete sich einen gemütlichen Arbeitsplatz am Empfang ein und kaufte in weiser Voraussicht einen großen Kühlschrank, den er mit wenigen Schritten erreichen konnte. Für die Erfrischungen und Getränke der Gäste natürlich.
Die Hausmutter saß ursprünglich an der Empfangstheke, doch er sagte ihr, daß er diese Arbeit selbst übernimmt und daß sie sich einen anderen Platz suchen soll. Dann ließ er Visitenkarten drucken, ging in die Bars der Umgebung, um Bescheid zu sagen, daß das Guesthouse wieder geöffnet war und preiswerte Unterkünfte und besten Service anbot. Das war kein Problem, denn in dieser Gegend gab es nicht viele Bars und er konnte das Haus auch jederzeit verlassen, denn im Empfangsraum saß auch die ältere Dame, die er übernommen hatte und sich als eine sehr kräftig gebaute Frau in den Mittvierzigern herausgestellt hatte, die sehr energisch war und auch eine sehr kräftige Stimme besaß.
So sehr er sich anfangs über die Anwesenheit dieser Frau gefreut hatte, so sehr störte sie ihn schon nach den ersten Wochen. Dauernd beschwerte sie sich über sein Benehmen, sei es Lek oder dem Hausmädchen gegenüber und sie beschwerte sich über die Unordnung, die er um sich herum verbreitete. Als er auf den Gedanken kam, eine Zwischenwand zwischen Gesellschaftsraum und Frühstücksraum herauszureißen und eine Bar einzurichten, verbot sie das kurzerhand. Damit ging sie natürlich zu weit und Benni entließ sie fristlos. Als sie widersprach, hörte er gar nicht mehr hin, weil sie ja schon entlassen war, und ging in seine Wohnung. Dort erschien sie eine halbe Stunde später mit einem Polizisten, der ihm aufgrund einer Vertragskopie freundschaftlich sagte, daß er die Frau nicht entlassen kann, weil sie die Interessen der Besitzer vertritt, von diesen alle Vollmachten hat und daß er ihre Übernahme und ihre Unkündbarkeit unterzeichnet hat. Sie saß also weiter im Empfang, tat nichts, wenn sie sich nicht gerade etwas zu essen machte oder sich über sein Verhalten und seine Unordnung beschwerte oder sich zeitweise in Kritik und Gedanken über sein Wesen ausließ.
Seinen Versuch, mit der Einrichtung einer Bar Gäste anzuziehen, hatte sie verhindert. Sicher, sie brauchte keine Gäste; sie saß unkündbar auf dem Sofa, kritisierte ihn, wo immer sie konnte und er mußte ihr dafür auch noch sechstausend Baht pro Monat zahlen. Aber er hatte keine Einnahmen. Es kamen keine Gäste, in der Woche konnte er vielleicht drei- oder viermal ein Zimmer vermieten, während er mit einem vollen Haus gerechnet hatte. Die Einnahmen reichten nicht einmal für die Kosten, ganz zu schweigen von den Gehältern oder seinen Lebenshaltungskosten, die sich aufgrund der miserablen Geschäftssituation und des großen Kühlschrankes, der so schnell leer wurde, ständig steigerten. Nein, sein Leben war nicht besser geworden.
Nun saß er den ganzen Tag an einem Tisch und wartete auf Wunder, wie Gäste, Vergnügungen oder darauf, daß die ältere Frau einmal den Mund hielte. Oder er wartete darauf, daß Lek ihm das Essen brachte. Die Beziehung zu Lek war in letzter Zeit eisig geworden. Wenn er mit ihr ins Bett ging, drehte sie sich um und sagte, er sei betrunken. Sie beschwerte sich bei ihm immer häufiger, nicht nur über sein Verhalten oder darüber, daß er etwas trank, sondern auch darüber, daß sie den ganzen Tag als Putzhilfe, Köchin und Geliebte unterwegs ist und im Monat gerade noch fünftausend Baht bekommt. Sie war einfach zu dumm, um zu verstehen, daß er ihr kein gutes Geld zahlen konnte, wenn kein gutes Geld hereinkam. Dabei saß sie jetzt immer öfter im Empfangsraum, kümmerte sich aber überhaupt nicht mehr um ihn, sondern unterhielt sich mit der stets nörgelnden Frau, und während sie ihm gegenüber nur ein saures Gesicht zogen, saßen die Frauen zusammen, kicherten und lachten. Er konnte noch nicht einmal sagen, worüber sie sprachen, weil er kaum ein Wort davon verstand.
Als er Lek einmal anbrüllte, weil sie schon zum zweiten Mal sein Pfeffersteak verkehrt gemacht hatte und weil es viel zu hart war, schlug er mit der Faust auf den Tisch und schickte das Essen zurück. Er schimpfte auch noch, als sie mit dem Teller schon längst verschwunden war. Darauf sagte seine Aufpasserin scharf und mißbilligend, er benimmt sich wie ein arrogantes, dummes kleines Kind, das sich darüber aufregt, daß es kein Mann wird. Er sollte sich doch einmal überlegen, daß die Menschen sich ihm gegenüber genau so verhalten, wie er sich ihnen gegenüber verhält. Darauf sagte er, daß er sich vielleicht auch netter verhalten würde, wenn man zu ihm netter ist. Sie nickte und meinte: „Ja, sicher, genau so, wie ein kleines Kind, das hilflos auf dem Hocker sitzt und abwartet, was rundherum geschieht, und nicht wie ein Mann, der einen Überblick hat und der selbst bestimmt, was um ihn herum zu geschehen hat.“
Es waren viele Monate, die so vergangen waren und er hatte größere Sorgen. Sein Geld ging zur Neige und es war nicht abzusehen, daß sich die Herberge mit Gästen füllen und Gewinne einbringen würde. Dann kam ein schwarzer Tag, an dem alles daneben ging. Schon früh morgens mußte er sich ärgern, weil Lek ihm das Frühstück ohne Brotbelag brachte, wo sie doch genau wußte, daß er immer eine Scheibe mit gekochtem Schinken und eine Scheibe mit Käse haben wollte. Sie sagte, er hätte ihr kein Geld zum Einkaufen gegeben. Dann mußte er sich über einen längeren Stromausfall ärgern, worüber sich auch noch der einzige Gast beschwerte, den er hatte. Dann bekam er Streit mit seiner Aufpasserin, weil er seinen Gast nicht höflich behandelt hatte Als er kurz vor Mittag durch die Zimmer ging, um zu kontrollieren, ob sie auch alle sauber waren, fand er das Zimmermädchen beim Putzen eines Zimmers.
Weil er schon lange nicht mehr mit Lek zusammen war, fand er dieses junge Mädchen besonders verführerisch und ging mit ihm ins Bett, wobei es sich zwar sträubte, aber er meinte, doch nicht so ernsthaft, als hätte es das nicht gewollt. Er war ja ein erfahrener Mann und wußte genau, daß jede Frau in Thailand es nur darauf abgesehen hat, mit ihm ins Bett zu gehen und mit einem stattlichen Ausländer Sex zu erleben, ganz gleich, wie jung sie ist. Anschließend wollte sie von ihm Geld haben, aber da wurde er böse und sagte, daß er ihr kein Geld geben kann und sie sollte froh sein, wenn er sie nicht entläßt, wo sie genau weiß, daß die Geschäfte so schlecht gingen und kein Geld hereinkam.
Ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte unten wiederholt die Glocke und er mußte zum Empfangsraum gehen. Dort war der einzige Gast, der nur einen Tag dagewesen war. Er wollte ausziehen. Benni schaute auf die Uhr, es war zehn Minuten nach zwölf Uhr mittags. In den Geschäftsbedingungen stand aber, daß die Gäste das Haus bis zwölf Uhr verlassen müssen. Also teilte Benni dem Gast mit, daß er für zwei Tage bezahlen muß, weil er zu spät auszieht. Der Mann erklärte, daß er länger zum Packen brauchte, weil über eine Stunde Stromausfall ihn behindert hatte. Benni meinte, in den Geschäftsbedingungen stand nichts von Stromausfall, dort stand aber, daß Gäste, die nicht um 12 Uhr ausziehen, einen weiteren Tag bezahlen müssen. Die Diskussion erhitzte sich und die Lautstärke steigerte sich, bis der Mann wutschnaubend das Hotel verließ, aber seine Koffer, die vor der Empfangstheke standen, nicht mitnahm. Die Aufpasserin sagte Benni, das war die dümmste Handlung, die ihm in dieser Situation möglich war.
Er erklärte, daß er mit den Unterkünften Geld verdienen muß und geriet nun auch mit ihr in ein Streitgespräch über gutes Benehmen, Kulanz, Bildung und Dummheit, das er nach einiger Zeit abbrach. Er wollte nachsehen, wieviel Geld in der Kasse war, um Lek loszuschicken, Brotaufschnitt zu kaufen, aber er hatte gerade den Schlüssel aus der Tasche geholt und die Kasse noch nicht erreicht, als der Gast mit zwei Polizisten eintrat. Benni erschrak, legte den Kassenschlüssel auf den Tisch und stellte sich hinter die Theke. Er holte die Geschäftsbedingungen hervor und legte sie auf die Theke. Doch die Polizisten hatten ihn noch nicht erreicht, als von der Seite her die Tür aufging, das Putzmädchen schluchzend mit verschmiertem Gesicht langsam in den Raum kam, sich die Hände vors Gesicht hielt, zur Aufpasserin ging, vor ihr auf die Knie sank und sie bat, sie soll ihr helfen, Benni hätte sie gerade vergewaltigt.
Sie hatte die Polizisten gar nicht gesehen, aber die hatten sie gehört und sie hörten nun gut zu, als sie von der Frau aufgefordert wurde, zu erzählen. Schluchzend erzählte sie der Hergang und alle standen um sie herum. Außer Lek, die etwas später hereinkam und nur einen Teil der Anklage hörte, als sie den Kassenschlüssel auf dem Tisch sah. Sie schloß die Kasse auf, in der sich etwa sechzehntausend Baht befanden, die sie schnell einsteckte, bevor sie die Kasse abschloß, den Schlüssel einsteckte und ins Haus ging, um ihre Sachen zu packen. Sie hatte in jeder Beziehung genug, sie hatte genug erlebt und sie hatte genug gehört. Das Leben mit Benni hatte ohnehin keinen Spaß gemacht, er hatte sie nicht als Mensch behandelt und es war nur die sichere Versorgung und die Hoffnung auf eine feste Verbindung gewesen, die sie hier gehalten hatte.
Nun war es nicht nur die schlechte Bezahlung für ein schlechtes Leben mit viel Arbeit und viel Ablehnung, sondern auch das Bewußtsein, daß eine feste Verbindung mit einem Mann, der mit ihr lebt und fremde Frauen vergewaltigt, keinen Sinn hat. Er würde sie nie als Lebensgefährtin betrachten, sondern nur als Nutzobjekt. Als sie mit ihrer Tasche ihr Zimmer verließ, vorsichtig nach unten ging und an der Tür zum Empfangszimmer vorbeischleichen wollte, kam das Hausmädchen. Lek nahm es in den Arm, sprach kurz mit ihm und gab ihm sechstausend Baht. Dann ging sie aus dem Hinterausgang, während das Hausmädchen zu der Aufpasserin zurückging, ihr dreitausend Baht gab und einige Worte zuflüsterte. Die nickte befriedigt und das Hausmädchen ging, um sich umzuziehen. Es sollte mit den Polizisten mitkommen, um eine Anzeige wegen Vergewaltigung zu unterzeichnen.
Benni hatte zugegeben, daß er mit dem Mädchen im Bett war und daß es sich gesträubt hat. Aber er hatte die Stirn, sie der Prostitution zu beschuldigen, weil sie anschließend Geld verlangt hatte. Doch die Polizisten sahen das ganz anders. Wenn sie nicht zuvor in den Beischlaf eingewilligt und nachher Geld verlangt hat, dann ist das als Entschädigung zu verstehen und nicht als Liebeslohn. Dem anderen Polizisten fiel ein, zu fragen, ob er sie denn als Prostituierte beschäftigt hat, doch die Aufpasserin hakte sofort ein und erklärte, daß das Mädchen jung und schüchtern ist, noch nicht einmal einen Freund hat und daß sie nie gesehen hat, daß das Mädchen Besuch hatte oder irgendwann einmal aus dem Haus gegangen wäre. Benni erinnerte sich an die vertikale Gesellschaftsanschauung der Thai und meinte, es hilft, wenn er sagt, das Putzmädchen wäre ja nur eine dumme Bauerntrampel gewesen. Das war ein schlimmer Irrtum, nicht nur, weil Ausländer in dieser Anschauung noch weit unter der Landbevölkerung stehen, sondern auch deshalb, weil beide Polizisten in einem Dorf aufgewachsen waren.
Benni begann erst langsam zu begreifen, daß er einen unerwünschten Wendepunkt seines Lebens erreicht hatte, nachdem die Polizisten ihn nach seiner Arbeitsgenehmigung fragten. Zwar sagte er, daß er sich erkundigt hat, daß Ausländer keine Arbeitsgenehmigung brauchen, um ein Guesthouse zu pachten. Die Polizisten bestätigten das, meinten aber, daß sie eine Arbeitsgenehmigung brauchen, wenn sie als Empfangschef oder als Geschäftsführer arbeiten. Er hatte an Kunden Räume vermietet und ihnen Schlüssel gegeben und er hatte von einem Kunden Geld verlangt, das war Arbeit, und zwar illegale Arbeit gewesen. Nun verlangten sie, Bennis Reisepaß zu sehen und nickten gleichmütig, als er sagte, er hätte nur vergessen, ein neues Visum zu holen, das wäre keine böse Absicht gewesen.
Nun kam das Putzmädchen in den Raum, wodurch die Situation nicht besser wurde. Die Polizisten waren pragmatische Leute. Sie verstanden, daß es dem Mädchen nicht viel nützte, eine Anzeige zu erstatten und fragten, daß es doch nach der Vergewaltigung nach Geld gefragt hatte, weil es eine Entschädigung erwartete und so sah das Mädchen das auch; selbstverständlich wäre es nie gratis mit einem Farang ins Bett gegangen, kein Mädchen würde das machen, und nachdem er es schon zum Sex gezwungen hatte, war ja selbstverständlich, daß sie eine Entschädigung verlangt. Damit war für die Polizisten bewiesen, daß es nicht etwa einen Liebeslohn, sondern eine Entschädigung verlangt hatte. Sie fragten, ob es je zuvor schon einmal sexuellen Verkehr gehabt hat und das Mädchen verneinte. So gut es nun mit den wenigen Brocken Englisch ging, die die Polizisten beherrschten, machten sie Benni klar, er könnte dem Mädchen 10.000 Baht Entschädigung zahlen oder ins Gefängnis gehen.
Benni war zwar wütend, sah aber ein, daß ihm keine andere Wahl blieb und er wollte auf keinen Fall ins Gefängnis gehen. So erklärte er sich zur Zahlung bereit und ging an die Kasse, griff in die Tasche - und fand keinen Kassenschlüssel. Die Polizisten nickten gleichmütig und lockerten die Handschellen vom Gürtel. Benni schwor, das wäre ein Mißverständnis, er hätte wohl den Kassenschlüssel verloren, aber er könnte den Reserveschlüssel aus seiner Wohnung holen. Ein Polizist begleitete ihn. Dann kam er zurück und starrte in eine leere Kasse. Nun kam ihm ein Verdacht. Er hatte zwar vergessen, daß er den Kassenschlüssel auf den Tisch gelegt hatte, aber er meinte nun, es konnte ja nur sein, daß Lek ihm den Schlüssel aus der Tasche gestohlen und die Kasse geleert hatte. Dies erklärte er den Polizisten und rief laut nach Lek. Die Polizisten fragten, wo Lek ist, doch Benni meinte, er weiß nicht, wo sie jetzt ist, sie sei gerade noch hier gewesen. Als sie das Putzmädchen fragten, sagte es, daß es keine Lek kennt und auch die Aufpasserin sagte, sie hätte hier noch nie eine Lek gesehen, hier wäre nie ein anderes Mädchen gewesen.
Wieder griff ein Polizist nach den Handschellen, doch Benni sah immer noch einen Ausweg. Er sagte, daß er in seiner Wohnung noch eine Geldreserve hat, die er holen kann und dort könnte er auch beweisen, daß er mit Lek lebt und daß sie seine Lebensgefährtin ist. Wieder ging ein Polizist mit, während die Aufpasserin sich unten mit dem anderen Polizisten unterhielt und der Gast, der die Polizei geholt hatte, seine Koffer nahm und das Hotel verließ, ohne etwas zu bezahlen, weil Zahlung und Anzeige nun überflüssig geworden waren. Benni holte aus einem Wandsafe seine Geldreserve, sechzigtausend Baht. Aber es war keine Spur von Lek zu sehen, oder davon, daß hier eine Frau leben könnte. Der Polizist meinte, das macht nichts, er soll ihren Familiennamen und ihre Heimatanschrift angeben, wo sie gemeldet ist. Aber er wußte den Namen nicht und erklärte, der wäre so lang. Wieder nickten die Polizisten verständnisvoll und brachten ihn nach unten. Hier bekam das Putzmädchen zehntausend Baht und konnte gehen.
Benni atmete schwer, aber er dachte, nun wären die Probleme gelöst, nachdem auch der Gast, der die ganze Sache ins Rollen gebracht hatte, verschwunden war, nun konnte er auch keine Anzeige mehr erstatten. Doch die Polizisten sagten, sie müssen ihn festnehmen, wegen illegaler Arbeit und illegalem Aufenthalt. Benni griff nach den fünfzigtausend Baht, die er noch hatte. Er hatte oft genug gehört, daß man sich von den Polizisten mit Schmiergeld freikaufen konnte. Er hob die Hand mit den fünfzigtausend Baht und wollte sie fragen, wie hoch eine Spende sein muß, damit sie ihn vergessen, doch dazu kam er nicht. Die Aufpasserin grapschte die Scheine aus seiner Hand, erklärte, daß er sich verpflichtet hat, im Falle unvorhergesehener Vorkommnisse die Weiterführung des Betriebes zu garantieren, was ohne Betriebskapital nicht möglich sei und legte den Mietvertrag vor. Die Polizisten lasen den Mietvertrag, bestätigten die Richtigkeit der Aussage und während Benni sich umdrehen mußte und ein Polizist ihm nun doch die Handschellen anlegte, gab die Aufpasserin seinem Vorgesetzten stillschweigend zehntausend Baht.
Nein, das war kein Schmiergeld, denn sie hatten Benni nach dem Buchstaben des Gesetzes festzunehmen. Die Aufpasserin wollte nur vorbeugen, daß sie nicht darauf drängten, daß sie eine Quittung ausschreiben sollte, worauf zu achten ja nicht die Angelegenheit der Polizisten war, wenn Benni das im Gedränge der Geschehnisse vergaß. Der aber dachte nicht an eine Quittung. Er hatte jetzt größere Probleme. Was sollte er auch mit einer Quittung, wenn er ohnehin kein Geld mehr hatte, ins Gefängnis kam und ausgewiesen wurde. Während er abgeführt wurde, sagte er ihr, daß sie eine dreckige Lügnerin und Betrügerin ist und mit Lek unter einer Decke steckt. Die Aufpasserin sagte, daß sie keine Lek kennt, er offensichtlich viele Probleme mit seinem Kopf und vielen verschrobenen Gedanken und Phantasien hat und erinnerte ihn noch einmal daran, daß sie ihm schon vor langer Zeit gesagt hatte, daß die Menschen ihn genau so behandeln, wie er sie behandelt. Er habe das nur noch nicht begriffen.
Benni wurde wegen illegaler Arbeit und illegalen Aufenthalts ins Polizeigefängnis eingeliefert. Da waren noch fünf weitere Personen in der Zelle, aber es gab keine Sitzgelegenheit, keinen Tisch, kein Bett. Diese Zelle hatte nur einen Fußboden und hinter einem Sperrholzbrett ein Loch im Fußboden, das war die Toilette. Benni mußte auf dem Fußboden schlafen. Am nächsten Tag wurde ihm von einem Polizisten angeboten, daß er sich gegen gute Bezahlung besseres Essen bestellen kann, falls er das Gefängnisessen nicht mögen sollte. Er könnte auch Zigaretten oder Zeitungen bestellen. Aber Benni hatte nicht einen Baht in der Tasche und auf seinem Sparbuch waren gut achthundert Baht, die er dort hatte stehen lassen, um das Konto nicht aufzulösen, als er den letzten größeren Betrag abgehoben hatte. Er wäre froh, wenn er die jetzt hätte, wenigstens für ein Stück Brot, auch wenn es ohne Aufschnitt war, und für Zigaretten. Als er aber einem Polizisten erklärte, daß er zuhause ein Sparbuch hatte, auf dem noch über achthundert Baht waren, lachte der und fragte ihn, was er glaubt, was das Taxi und das Beschaffen einer Vollmacht kostet. Dann drehte er sich um und niemand fragte ihn mehr, ob er etwas besseres zu essen bestellen will.
Nun fragte er nach der Betreuung durch die Deutsche Botschaft, doch man sagte ihm, daß er erst einmal wegen illegaler Arbeit und illegalen Aufenthaltes vor Gericht kommt. Die Deutsche Botschaft würde dann anschließend über das Urteil und seine Inhaftierung informiert. Es waren neun Tage, die er in dem Käfig saß, in dem er sich nicht duschen, nicht rasieren und keine Wäsche wechseln konnte. Er hatte fürchterlichen Hunger, denn nachdem er in seinem Essen Zigarettenkippen und Maden gefunden hatte, war er nicht mehr in der Lage gewesen, etwas zu essen. Nur in den letzten Tagen hatte er es nicht mehr aushalten können und hatte sich etwas von der undefinierbaren Reissuppe sortiert und an den Rand des Tellers geschoben, was er dann mit würgendem Ekel gegessen hatte, um nicht zu verhungern. Er hatte sich über das Essen beschwert, aber darauf hatte noch nicht einmal jemand reagiert.
Er mußte stark abgenommen haben, denn er trug keinen Gürtel und wenn er stand, mußte er sich nun die Hose festhalten, um sie nicht zu verlieren. Wenn er sich bei den Mitgefangenen beklagte und sie bat, sie sollten ihm etwas zu essen und ein Päckchen Zigaretten bestellen, amüsierten die sich nur, und fragten, ob sie nicht auch noch Whisky und eine Frau bestellen sollten. Seine Mitgefangenen waren Thai, Kambodschaner, Burmesen, Pakistani und Bangladeschi, die mit der Situation weit besser klar kamen als er. Ihm klebten die Kleider am Leib. Sie waren dreckig und stanken. Seine Unterhose klebte am Hintern, weil es hier kein Toilettenpapier gab. Er fühlte sich schmutzig, elend, hungrig, schwach und ungerecht behandelt, als nach neun Tagen jemand von der deutschen Botschaft kam und ihm die freudige Botschaft übermittelte, daß es der Botschaft gelungen war, ihn vor einem langwierigen Gerichtsprozeß zu bewahren. Man würde ihn nur ausweisen und ihm für einige Jahre eine Einreise nach Thailand verbieten.
Auf seine Frage nach Zigaretten, menschenwürdigem Essen, Toiletteartikeln und neuer Kleidung teilte man ihm mit, daß man seinen Antrag weiterreichen würde, dessen Bearbeitung allerdings etwas länger dauern könnte. Er sollte sich aber vertrauensvoll an den Gefängnispfarrer wenden, der ihn schon zum Monatsende besuchen würde, wenn er dann noch hinter Gittern säße. Auf der Botschaft sähe man die Möglichkeit, ihm eine Flugreise nach Deutschland zu kreditieren, die er selbstverständlich später zurückzuzahlen hat. Doch das gäbe ihm erst einmal die Möglichkeit, in seine Heimat zurückzukehren, wobei er bemerkte, daß das Wort Heimat für ihn zum ersten Mal eine Bedeutung bekam. Vor seinem inneren Auge erschienen Bars, Restaurants und eine komplett eingerichtete Wohnung, in der er mit einer Traumfrau im Arm vor dem Fernsehgerät saß und in der zweiten Hand eine Bierflasche hielt. Er hatte das Gefühl, das dies nun alles bald wieder zu seinem normalen Alltagsleben gehören sollte.
Allerdings müßte er noch einige Tage auf die Kreditierung und die Buchung eines Flugtickets warten, unterbrach der Botschaftsangestellte seine Phantasien, doch man würde sich Mühe geben, diese Angelegenheit mit der nötigen Eile auf dem Dienstwege zur Erledigung zu bringen. Auf Bennis Frage, ob der Botschaftsangehörige eine Zigarette hat, erläuterte der, wie gesundheitsschädlich das Rauchen ist. Und auf Bennis Hinweis, er sollte ihm doch schnell ‘mal einhundert Euro leihen, er würde sie auch bestimmt später zurückzahlen, meinte der, daß sein Monatsgehalt nicht ausreicht, um jedem Gefangenen einhundert Euro zu schenken. Auch Bennis Beschwerde, daß er ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat, hatte nicht viel Erfolg. Der Mann fragte trocken, ob er das denn nicht vorher gewußt hat und dann erläuterte er, daß es die Pflicht der Bürger sei, darauf zu achten, daß sie nicht gegen Gesetze verstoßen und nicht die Aufgabe der Botschaft, deren Gefängnisaufenthalt komfortabel zu gestalten.
Der Mann kam nach einer Woche wieder. Er war immer noch Nichtraucher, wollte ihm auch jetzt kein Geld geben und erklärte, daß es zur Zeit besonders schwer sei, einen Flug nach Deutschland zu buchen, aber es könnte nur noch wenige Tage dauern. Sechs Tage später war es endlich so weit, daß man ihm mitteilte, er würde am nächsten Tag unter Polizeibegleitung zum Flugplatz gebracht, von wo er nach Deutschland fliegen würde. Er starrte vor Dreck, hatte sich seit drei Wochen weder richtig gewaschen noch rasiert und mußte wie ein Verbrecher aussehen. Er war völlig ausgemergelt, die Kleider schlotterten an seinem Körper und er zitterte wie ein Alkoholiker, aber er war glücklich, nach Deutschland zu kommen. Er stellte sich vor, wie das Leben dort sein würde.
Bis ihm einfiel, daß er kein Geld hatte, das bedeutete, kein Fahrgeld, nichts zu essen und keine Wohnung. Auf der Botschaft hatte man ihm gesagt, daß er sich in Deutschland an seine Familie oder ersatzweise an die entsprechenden Behörden wenden kann, was wohl in diesem Falle die Wohlfahrt bedeutete und nicht gerade an ein ausschweifendes Leben denken ließ. Aber das machte nichts, es gab nichts, was noch schlimmer sein konnte, als die vergangenen drei Wochen hinter thailändischen Gittern. Und er war glücklich, als er im Flugzeug etwas Eßbares zu essen bekam und ein Sitznachbar auf sein Essen verzichtete, worauf Benni meinte, er habe jetzt das erste Mal seit drei Monaten eine normale Mahlzeit gehabt, was er für einen Ausblick auf das Leben hielt, das ihn nun erwartete.
Bei einer kurzen Reflektion seiner Vergangenheit kam er zu dem Schluß, daß er eigentlich ein ganz passabler Mensch war, der nur etwas viel Pech gehabt hat und er beschloß, daß das immer nur an den Frauen gelegen hat. Deshalb nahm er sich vor, nichts mehr mit Frauen zu tun zu haben - außer in einigen Nachtstunden, in denen man die Frauen gebrauchen konnte, da sich bisher noch keine vollwertiger Ersatz finden ließ.
Tief einatmend verließ er das Flugzeug und kam unbeanstandet durch die Sperre. Unsicher ging er dem Ausgang entgegen, da die Wirklichkeit ihn einholte und er nicht wußte, was er nun unternehmen könnte, um leben zu können. Doch dann mußte er bemerken, daß er sich darüber offensichtlich zu viele Sorgen gemacht hatte, denn am Ausgang wurde er bereits in Empfang genommen. Dort standen seine Schwester und seine ehemalige Frau zusammen mit zwei Herren in Schlapphut und Trenchcoat. Die waren wohl froh, daß er wieder in Deutschland war und würden sich bestimmt vorläufig um seine weitere Versorgung kümmern, bis er wieder eine Arbeitsstelle und ein geregeltes Einkommen hatte.
Das war völlig richtig, aber leider nicht so, wie Benni sich das gedacht hatte. Er erfuhr, daß es durchaus keine Sympathie gewesen war, die diese Leute zu seinem Empfang getrieben hatte. Vielmehr wurde ihm mitgeteilt, daß er in seiner Abwesenheit wegen Einbruchs, Urkundenfälschung und Betrug in mehreren Fällen verurteilt worden war, weshalb man sich nun mehrere Jahre um ihn kümmern würde und er sich keine Sorgen um seine Ernährung machen mußte. Seine ehemalige Frau und seine Schwester hatten es sich nicht nehmen lassen, ihm diese Mitteilung selbst zu überbringen. Allerdings beschlich ihn das Gefühl, daß diese Versorgung gar wenig mit seiner Vorstellung mit Frau und Bierflasche vor dem Fernsehapparat zu tun hatte, was die beiden Herren auch sofort bestätigten, als sie Benni verhafteten und in einem schmucken Dienstwagen abtransportierten.
Doch Benni war hart im Nehmen. Zunächst genoß er es, duschen zu können und neu eingekleidet zu werden, auch wenn es nicht gerade die neueste Mode war, die man ihm verpaßte, aber doch eine Bekleidung, die in seiner zukünftigen Umgebung sehr üblich war. Dem Gefängnispersonal wurde er auf Anhieb sympathisch, denn nur selten hatten sie einen Gefangenen erlebt, bei dem so wenige Eintragungen zu machen waren. Sein Besitz beschränkte sich auf Unterhose, Hemd, Hose und Gummilatschen und sonst absolut nichts, was eingetragen oder sichergestellt werden mußte. Kein Geld, kein Feuerzeug, keine Uhr, noch nicht einmal ein Notizzettel.
Am ersten Tag stand er noch im Zentrum der Aufmerksamkeit seiner Zellengenossen, als er von den schönen Frauen Thailands und den vielen Geschäftsmöglichkeiten berichtete und hinzufügte, daß er schon bald wieder dorthin zurückfahren, große Geschäfte machen und ein paradiesisches Leben führen wird. Er erklärte sich sogar bereit, Leute mit einem minimalen Eigenkapital mitzunehmen und ihnen zu zeigen, wie sie in Thailand reich werden und wie im Paradies leben können. Er erzählte immer wieder die phantastische Geschichte, wie er ein heruntergekommenes Hotel übernommen und durch seine Umsicht in einen florierenden Betrieb verwandeln konnte, den er dann mit den Einnahmen gekauft hat. Daß er nichts besaß, erklärte er damit, daß er wegen eines abgelaufenen Visums mitten in der Nacht verhaftet worden war und nicht hatte mitnehmen dürfen. Aber das Hotel würde ihm noch gehören und er könnte sogar Personal brauchen.
Die Begeisterung legte sich zusammen mit der Aufmerksamkeit, als sich das Urteil herumsprach, dessentwegen er in Deutschland verhaftet worden war. Seine ehemalige Frau als auch seine Schwester hatten behauptet, daß er in die Wohnungen eingebrochen war, als er die Schecks gestohlen und gefälscht hatte. Sein ehemaliger Arbeitgeber mit dem Ersatzteillager hatte ihn nicht nur wegen eines betrügerischen Vorschusses angezeigt, sondern auch wegenEinbruchs und Diebstahl einer Vielzahl wertvoller Ersatzteile, die zu gleicher Zeit verschwunden sein sollten. Eine Bank hatte ihn wegen eines nicht zurückgezahlten Kredites angezeigt, der Besitzer seines vollmöblierten Apartments, weil er die Möbel verkauft und das Apartment nicht gekündigt, aber über ein halbes Jahr lang auch keine Miete gezahlt hatte, als er spurlos verschwunden war.
Schließlich hatte ein alter Mann, dem er vor seiner Abfahrt nach einem Barbesuch seine Brieftasche abgenommen hatte, auch noch wegen Raubüberfall und schwerer Körperverletzungt angezeigt. Da die Gerichtsverhandlung in seiner Abwesenheit stattgefunden hatte, war er nicht in der Lage gewesen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und so hatte man ihn einfach in allen Punkten für schuldig befunden. Die einzelnen Strafen wurden zusammengezählt und ergaben eine Gesamtstrafe von sechs Jahren. Nun konnte er zwar wegen ‘guter Führung’ nach vier Jahren auf Bewährung entlassen werden, aber dann konnte er immer noch nicht nach Thailand fahren, bis die Bewährungszeit abgelaufen war.
Er war sich aber absolut sicher, daß er wieder nach Thailand gehen wollte. Nur diesmal war er klüger und würde es geschickter anstellen. Das Leben an der Bar war ganz nach seinem Geschmack gewesen und er würde wieder eine Bar aufmachen, aber diesmal abgesichert als Eigentümer und mit einer Frau, die nichts besaß und die weder die Dokumente als Eigentümerin noch die Einnahmen haben würde, so daß ihr gar nicht übrig bleiben würde, als ihn zu lieben, wenn sie etwas zu essen haben wollte.
So bereitete Benni sich vier Jahre lang hinter Gittern auf seine Rückkehr nach Thailand und das Leben mit einer Traumfrau vor, bis er eines Tages entlassen wurde. Dann sorgte ein Bewährungshelfer dafür, daß er eine Arbeitsstelle bekam und Benni ging arbeiten. In seiner Freizeit reparierte er Gebrauchtwagen, die er dann als Privatmann wieder verkaufte, er verdiente viel Geld, indem er fachmännisch die Kilometerzahlen von Tachometern für jene Leute herunterdrehte, die ihr Auto verkaufen wollten und führte Reparaturdienste bei einem Gebrauchtwagenhändler durch. Nachdem er drei Jahre sparsam gelebt und viel Geld verdient hatte, war er sicher, daß er nun genug Geld hatte, um endgültig ins Paradies mit dem warmen Klima und den schönen Frauen ziehen konnte. Vorsichtshalber nahm er noch die Einnahmen des Gebrauchtwagenhändlers mit, bei dem er an einem Wochenende Vertretung machte und drei Anzahlungen für einen Gebrauchtwagen, den er privat als Notverkauf angeboten hatte. Dann saß er beruhigt im Flugzeug, das Non Stop nach Thailand flog.
Benni hatte schon ganz genaue Vorstellungen, wie er es diesmal anfangen mußte, eine Bar zu kaufen. Er würde sich umhören, wo ein Farang oder dessen thailändische Freundin eine Bar zum Verkauf anboten und wollte die Frauen von Farang fragen, ob sie ihre Bar nicht gegen Barzahlung verkaufen wollten. Da sie ihnen gehörte, brauchten sie dem Farang ja nichts von dem Verkauf zu sagen und konnten mit dem Geld verschwinden und dann würde er darauf achten, daß er als Eigentümer eingetragen wird.
Allerdings hatte er ein Problem bei der Paßkontrolle. Benni wurde verhaftet. Er hatte in Thailand ein Hotel gepachtet, ohne Lizenz betrieben und keine Steuern bezahlt. Er hatte die Aufrechterhaltung des Betriebes garantiert, aber während der Pachtzeit verlassen. Das Hotel war während der Pachtzeit ausgeräumt und verwüstet worden, so daß es abgerissen werden mußte. Er war in seiner Abwesenheit wegen Steuerhinterziehung als auch zu einem Schadenersatz in Höhe von zwölf Millionen Baht verurteilt worden. Elf Millionen fehlen ihm noch, die muß er in Thailand absitzen.
von Dr.G.M. Gad Labudda