Ein Komma, kein Punkt
Was danach kam, war mehr als nur Reise – es war ein langsames Zusammenwachsen.
Wir blieben noch knapp eine Woche in dem Resort außerhalb von Chiang Mai. Es war ruhig dort, grün, abgeschieden – perfekt, um durchzuatmen. Und um uns wirklich kennenzulernen. Klar, wir hatten vorher viel geschrieben, manchmal nächtelang, aber das war anders. Jetzt standen wir da – zwei Menschen, zwei Kontinente, zwei Kulturen, die sich langsam in der Realität fanden.
Wir redeten viel. Über Kindheit, Träume, alte Narben, Ex-Beziehungen, kulturelle Unterschiede – und über all das, was man nur sagt, wenn man sich nicht verstellen muss. Dazwischen gab’s diese stillen Momente. Ein Blick, eine Berührung, ein geteiltes Lächeln. Und ja, körperlich waren wir uns nah. Oft, intensiv, aber nie aufgesetzt. Es war nicht bloß Lust es war Verbindung.
Nach dieser Woche zog es uns zurück in die Stadt. Zwei Nächte Chiang Mai City noch ein bisschen Chaos, Streetfood, Tempel, lautes Lachen und verschwitzte Abende. Dann ging’s los: ein kurzer Zwischenstopp in Bangkok, bevor wir in den Süden fuhren.
Hua Hin, Chumphon, Ko Tao, Ko Phangan, Ko Samui, Krabi, Khao Lak, Phuket – und am Ende zurück nach Bangkok. Inseln, Rollerfahrten, salzige Haut, Sonnenuntergänge, wacklige Boote, Nachtmärkte. Es war ein Film – und wir mittendrin. Kein Skript, keine Sicherheit aber echtes Gefühl.
Und obwohl wir so unterschiedlich waren, gab’s erstaunlich wenig Reibung. Nur zwei Momente blieben wirklich hängen.
Der erste war in Koh Samui. Wir saßen abends am Strand, mit einem kühlen Bier und Blick aufs dunkle Meer. Sie war lebendig, stellte Fragen, lachte, wollte über Zukunft reden – darüber, wohin das hier führen könnte. Und ich? Ich wich aus. Nicht aus Kälte, sondern aus Vorsicht. Ich sagte so etwas wie: „Lass uns einfach den Moment genießen.“
Sie sagte nichts Schlimmes, nichts Lautes. Aber ihr Blick wurde leiser. Dieses Leuchten, das vorher da war, trat ein Stück zurück. Ich spürte es, ohne dass sie mir Vorwürfe machte.
Später, im Zimmer, sagte sie: „Ich weiß, dass du vorsichtig bist. Aber wenn du mir nur die Gegenwart gibst, weiß ich nicht, ob ich mir eine Zukunft vorstellen darf.“
Das saß. Weil sie recht hatte. Sie war mutiger als ich. Und sie sprach das aus, was ich mich nicht traute zu denken. Wir redeten lange. Nicht, um alles zu lösen sondern um zu zeigen, dass wir es versuchen wollten. Dass wir hinsahen. Nicht nur aufeinander, sondern auch auf uns selbst.
Der zweite Moment kam auf Phuket. Ich wurde still. Nicht aus Abwehr – sondern, weil mich die Nähe zu ihr plötzlich überwältigte. Weil ich nicht wusste, wie ich das alles in mir unterbringen sollte. Sie nahm mein Schweigen anders wahr und dachte, ich würde mich entfernen. Es tat ihr weh. Und das tat mir weh. Also redeten wir. Wieder. Offen. Ehrlich. Und danach war’s leichter.
Vielleicht war genau das der Grund, warum wir funktionierten. Weil wir reden wollten. Weil wir uns wirklich kennenlernen wollten – nicht nur das Schöne, sondern auch das Schwierige.
Diese Wochen waren viel mehr als eine Reise. Und wenn ich jetzt zurückblicke, ist es nicht die Route, an die ich denke es sind ihre Blicke. Unsere Gespräche am Strand. Die Art, wie sie lachte, wenn ich unbeholfen mit Stäbchen hantierte. Und dieses Gefühl: zwei Menschen, unterwegs – gegen alle Wahrscheinlichkeit. Aber genau richtig.
Die letzten drei Tage in Bangkok fühlten sich anders an. Nicht weniger schön – aber schwerer. Still. Als läge etwas in der Luft, das wir beide nicht aussprechen wollten, weil es eh unausweichlich war.
Wir liefen noch einmal durch die Straßen, aßen unser letztes Pad Thai am Straßenrand, saßen in Cafés, während draußen der Lärm der Stadt vorbeizog. Aber diesmal war da diese leise Melancholie. Dieser Gedanke im Hintergrund: Bald ist es vorbei. Nicht „wir“ aber dieses „wir hier“.
Ich musste zurück. Zurück nach Deutschland. Und auch wenn ich es wollte – weil da Verantwortung wartete, mein Leben, mein Alltag – hatte ich einen Knoten in der Brust, der sich nicht lösen wollte. Dieser Urlaub hatte mich verändert. Leise, aber tief. Ich war ruhiger geworden. Ehrlicher mit mir selbst. Ich wusste plötzlich, was ich nicht mehr will – und was ich vermissen würde.
Für sie war der Abschied vielleicht sogar schwerer. Weil sie blieb. Weil die Orte bleiben. Und sie wusste: Ich würde fehlen. Nicht als Idee sondern als Mensch.
Sie sprach nicht viel darüber. Aber sie nahm öfter meine Hand. Fester als nötig. Schaute mich länger an, wenn ich wegsah. Und in unserer letzten Nacht, auf dem Balkon, sagte sie leise:
„Es fühlt sich an wie ein Komma. Nicht wie ein Punkt.“
Ich nickte. Weil ich genau das fühlte.
Es tat weh, sie loszulassen – auch wenn es nur auf Zeit war. Aber in ihren Augen lag kein Zweifel. Nur Vertrauen. Dieses Wissen, dass man echte Nähe nicht verliert. Auch nicht über Kontinente hinweg.
Und so ging ich mit leichtem Herzen.
Weil ich hoffte: Das ist nicht das Ende. Es ist der Anfang von etwas, das zählt.