Member
Morgen danach: Stille, Licht, Gewicht
Irgendwann in der Nacht war ich eingeschlafen – oder einfach nur weggetaucht, wie man es manchmal tut, wenn der Körper müde ist, aber der Kopf noch nachhallt.
Als ich die Augen öffnete, war es bereits hell. Nicht grell, nicht fordernd – sondern dieses weiche, gefilterte Licht, das durch die große Glasfront fiel. Mein Zimmer lag im Untergeschoss, leicht versetzt zum Garten, verborgen hinter einer Schiebetür, die direkt auf den Pool zeigte. Das Wasser draußen war still – eine unbewegte Fläche, auf der sich das erste Licht des Morgens spiegelte wie auf Glas.
Neben mir: ihr Rücken. Ruhig, gleichmäßig atmend.
Ich blieb einen Moment liegen, sah sie an, ohne etwas zu denken. Nur fühlen, kurz – oder versuchen, es nicht zu zerdenken.
Dann rührte sie sich, blinzelte, drehte sich langsam auf den Rücken. Wir sagten nichts. Ein leises Nicken, ein schiefes Lächeln – mehr brauchte es nicht. Sie stand auf, zog das Laken enger um sich und verschwand im Bad.
Wasser rauschte. Ich hörte, wie sie die Dusche aufdrehte – nicht hastig, nicht funktional, sondern fast zögerlich. Als würde sie sich Zeit lassen, um etwas abzustreifen, das mehr war als nur die Nacht. Ich stand auf, schob die Schiebetür zur Seite. Ein Hauch feuchter Morgenluft drang herein, gemischt mit dem Chlorgeruch des Pools und dem vagen Duft tropischer Blüten.
Chiang Mai war wach, aber noch nicht laut.
Ich dachte nicht viel. Oder zu viel. Manchmal ist das schwer zu unterscheiden.
Da war kein Bedauern. Aber auch keine Euphorie.
Nur diese seltsame Mischung aus Nähe und Entfernung, die bleibt, wenn etwas echt war – aber endlich.
Als sie zurückkam, war ihr Haar noch feucht, das Laken inzwischen gegen ein Handtuch getauscht. Sie setzte sich ans Bettrand, ihr Blick auf den Boden gerichtet. Als hätte sie gewusst, dass ich sie jetzt so sehen würde.
„You okay?“ fragte sie, leise.
Ich nickte. „And you?“
Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Okay.“
Dann standen wir da, jeder auf seiner Insel. Geteilt durch eine Nacht, verbunden durch ein paar Stunden.
Ich reichte ihr ein kleines Päckchen mit Keksen, das ich noch hatte. Sie nahm es, lächelte schwach. Dann griff sie nach ihrer Jeans, zog sich leise an. Kein Drama. Kein Pathos. Nur ein stilles Einvernehmen.
Als sie zur Tür ging – der schmalen Schiebetür hinaus in den neuen Tag –, hielt sie kurz inne.
„You good man,“ sagte sie dann, fast schüchtern. Und verschwand.
Ich blieb einen Moment stehen, starrte auf den Türrahmen, der sich so eben wieder geschlossen hatte, als wäre nichts gewesen. Nur das Wasser draußen bewegte sich leicht, als hätte es alles gesehen.
Dann setzte ich mich aufs Bett, atmete tief durch – und wusste:
Chiang Mai hatte mir eine weitere Geschichte gegeben. Keine einfache. Keine romantische. Aber eine, die bleibt.
Vielleicht war es das, was ich wirklich suchte: Nicht das Große, sondern das Wahre.
Und manchmal findet man das in einer fremden Stadt, in einer fremden Bar, in einem fremden Blick.
Nicht für immer.
Aber für genau den richtigen Moment.
Als sie gegangen war, blieb ich noch eine Weile sitzen. Alles war ruhig. In mir und um mich herum.
Dann stand ich auf, sprang unter die Dusche – diesmal nicht langsam, nicht bedächtig, sondern einfach nur, um frisch zu werden. Wach. Bereit für den Tag, oder das, was davon kommen mochte.
Ich ging frühstücken. Ein stilles Café ein paar Straßen weiter, Holzstühle, Deckenventilatoren, leichte Musik aus alten Boxen. Ich bestellte was zu Essen. Keine Eile, kein Ziel.
Danach ließ ich mich treiben.
Ein bisschen am Pool, die Füße im Wasser, das Gesicht zur Sonne. Ein bisschen ziellos durch die Gassen, vorbei an alten Mauern, Streetfoodständen, Papierlampions, die auch tagsüber in der Luft hingen wie vergessene Sterne.
Irgendwo am Rand der Altstadt marschierte ich an einem kleinen Büro vorbei – unscheinbar, fast improvisiert. Auf einem handgeschriebenen Schild las ich: Zipline Adventure – Explore the Jungle. Ich blieb stehen, sah durchs Fenster: ein Ventilator drehte sich langsam, dahinter zwei Typen mit offenen Hemden, Lächeln auf dem Gesicht, Gelassenheit im Blick.
Ich trat ein. Fragte, wann die nächste Tour sei.
„Tomorrow morning, 8:30 a.m. We pick you up.“
Ich zögerte keine Sekunde. „Okay. Let’s do it.“
Ein paar Minuten später hatte ich gebucht. Die Jungs reichten mir eine zerknitterte Quittung und einen kleinen Flyer.
Ich steckte alles ein, trat wieder auf die Straße.
Chiang Mai vibrierte leise. Der Tag war warm, aber nicht schwer.
Viel unternahm ich an diesem Tag nicht mehr.
Ich ließ mich noch einmal am Pool nieder, schaute dem Licht beim Wandern über die Wasseroberfläche zu. Alles war ruhig. Außen wie innen – oder vielleicht hatte sich beides einfach angeglichen.
Später, als die Sonne sich langsam hinter das Haus verzog, hatte ich noch einen Call mit Ilaya. Die Verbindung war stabil, das Gespräch leicht. Wir erzählten einander von den letzten Tagen, lachten, fühlten uns nah – fast so, als wären wir nicht Hunderte Kilometer entfernt.
Und doch lag etwas dazwischen, ein feiner Schleier aus Gedanken.
Denn Zweifel waren aufgekommen. Nicht laut, nicht aufdringlich. Aber sie waren da.
Ich hatte die letzte Nacht mit einer anderen verbracht. Und so sehr ich im Vorfeld mit mir selbst gerungen hatte – als ich es dann tat, war es ... fast okay gewesen. Kein Schuldeingeständnis, kein Verrat. Eher eine Art Entscheidung. Nicht gegen Ilaya, sondern für etwas, das in mir Raum brauchte.
Meine innere Zerrissenheit, dieses permanente Abwägen, war einem seltsamen Frieden gewichen. Ich sagte mir: Ja, zwischen uns ist mehr. Ilaya und ich – das ist kein Zufall. Da ist Tiefe, da ist Bedeutung. Aber trotzdem ... ein bisschen Leichtigkeit, ein bisschen Leben wollte ich mir nicht verbieten.
Und es fühlte sich nicht falsch an. Nicht wirklich.
Vielleicht, dachte ich, wäre es für sie sogar okay. Vielleicht war sie keine dieser eifersüchtigen Frauen. Vielleicht konnte auch sie trennen – zwischen Bedeutung und Moment, zwischen Nähe und Freiheit.
Vielleicht.
Als der Bildschirm schließlich schwarz wurde, blieb ich noch einen Moment einfach sitzen. Lehnte mich zurück, ließ die Gedanken treiben. Kein schlechtes Gewissen – nur diese leise Ungewissheit, wie viel Wahrheit eine Verbindung eigentlich tragen kann, ohne dass sie bricht.
Aber heute war kein Tag für Antworten.
Ich legte das Handy zur Seite, trat noch einmal hinaus auf die Terrasse. Das Wasser im Pool war nun dunkel, der Himmel darüber fast violett.
Morgen würde ich durch Baumwipfel fliegen.
Heute aber – war ich einfach nur da.
Noch einmal atmen. Noch einmal Stille.
Dann legte ich mich ins Bett. Müdigkeit kam nicht plötzlich, sondern wie eine Welle, die mich langsam überrollte.
Und irgendwann war ich einfach weg.
Irgendwann in der Nacht war ich eingeschlafen – oder einfach nur weggetaucht, wie man es manchmal tut, wenn der Körper müde ist, aber der Kopf noch nachhallt.
Als ich die Augen öffnete, war es bereits hell. Nicht grell, nicht fordernd – sondern dieses weiche, gefilterte Licht, das durch die große Glasfront fiel. Mein Zimmer lag im Untergeschoss, leicht versetzt zum Garten, verborgen hinter einer Schiebetür, die direkt auf den Pool zeigte. Das Wasser draußen war still – eine unbewegte Fläche, auf der sich das erste Licht des Morgens spiegelte wie auf Glas.
Neben mir: ihr Rücken. Ruhig, gleichmäßig atmend.
Ich blieb einen Moment liegen, sah sie an, ohne etwas zu denken. Nur fühlen, kurz – oder versuchen, es nicht zu zerdenken.
Dann rührte sie sich, blinzelte, drehte sich langsam auf den Rücken. Wir sagten nichts. Ein leises Nicken, ein schiefes Lächeln – mehr brauchte es nicht. Sie stand auf, zog das Laken enger um sich und verschwand im Bad.
Wasser rauschte. Ich hörte, wie sie die Dusche aufdrehte – nicht hastig, nicht funktional, sondern fast zögerlich. Als würde sie sich Zeit lassen, um etwas abzustreifen, das mehr war als nur die Nacht. Ich stand auf, schob die Schiebetür zur Seite. Ein Hauch feuchter Morgenluft drang herein, gemischt mit dem Chlorgeruch des Pools und dem vagen Duft tropischer Blüten.
Chiang Mai war wach, aber noch nicht laut.
Ich dachte nicht viel. Oder zu viel. Manchmal ist das schwer zu unterscheiden.
Da war kein Bedauern. Aber auch keine Euphorie.
Nur diese seltsame Mischung aus Nähe und Entfernung, die bleibt, wenn etwas echt war – aber endlich.
Als sie zurückkam, war ihr Haar noch feucht, das Laken inzwischen gegen ein Handtuch getauscht. Sie setzte sich ans Bettrand, ihr Blick auf den Boden gerichtet. Als hätte sie gewusst, dass ich sie jetzt so sehen würde.
„You okay?“ fragte sie, leise.
Ich nickte. „And you?“
Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Okay.“
Dann standen wir da, jeder auf seiner Insel. Geteilt durch eine Nacht, verbunden durch ein paar Stunden.
Ich reichte ihr ein kleines Päckchen mit Keksen, das ich noch hatte. Sie nahm es, lächelte schwach. Dann griff sie nach ihrer Jeans, zog sich leise an. Kein Drama. Kein Pathos. Nur ein stilles Einvernehmen.
Als sie zur Tür ging – der schmalen Schiebetür hinaus in den neuen Tag –, hielt sie kurz inne.
„You good man,“ sagte sie dann, fast schüchtern. Und verschwand.
Ich blieb einen Moment stehen, starrte auf den Türrahmen, der sich so eben wieder geschlossen hatte, als wäre nichts gewesen. Nur das Wasser draußen bewegte sich leicht, als hätte es alles gesehen.
Dann setzte ich mich aufs Bett, atmete tief durch – und wusste:
Chiang Mai hatte mir eine weitere Geschichte gegeben. Keine einfache. Keine romantische. Aber eine, die bleibt.
Vielleicht war es das, was ich wirklich suchte: Nicht das Große, sondern das Wahre.
Und manchmal findet man das in einer fremden Stadt, in einer fremden Bar, in einem fremden Blick.
Nicht für immer.
Aber für genau den richtigen Moment.
Als sie gegangen war, blieb ich noch eine Weile sitzen. Alles war ruhig. In mir und um mich herum.
Dann stand ich auf, sprang unter die Dusche – diesmal nicht langsam, nicht bedächtig, sondern einfach nur, um frisch zu werden. Wach. Bereit für den Tag, oder das, was davon kommen mochte.
Ich ging frühstücken. Ein stilles Café ein paar Straßen weiter, Holzstühle, Deckenventilatoren, leichte Musik aus alten Boxen. Ich bestellte was zu Essen. Keine Eile, kein Ziel.
Danach ließ ich mich treiben.
Ein bisschen am Pool, die Füße im Wasser, das Gesicht zur Sonne. Ein bisschen ziellos durch die Gassen, vorbei an alten Mauern, Streetfoodständen, Papierlampions, die auch tagsüber in der Luft hingen wie vergessene Sterne.
Irgendwo am Rand der Altstadt marschierte ich an einem kleinen Büro vorbei – unscheinbar, fast improvisiert. Auf einem handgeschriebenen Schild las ich: Zipline Adventure – Explore the Jungle. Ich blieb stehen, sah durchs Fenster: ein Ventilator drehte sich langsam, dahinter zwei Typen mit offenen Hemden, Lächeln auf dem Gesicht, Gelassenheit im Blick.
Ich trat ein. Fragte, wann die nächste Tour sei.
„Tomorrow morning, 8:30 a.m. We pick you up.“
Ich zögerte keine Sekunde. „Okay. Let’s do it.“
Ein paar Minuten später hatte ich gebucht. Die Jungs reichten mir eine zerknitterte Quittung und einen kleinen Flyer.
Ich steckte alles ein, trat wieder auf die Straße.
Chiang Mai vibrierte leise. Der Tag war warm, aber nicht schwer.
Viel unternahm ich an diesem Tag nicht mehr.
Ich ließ mich noch einmal am Pool nieder, schaute dem Licht beim Wandern über die Wasseroberfläche zu. Alles war ruhig. Außen wie innen – oder vielleicht hatte sich beides einfach angeglichen.
Später, als die Sonne sich langsam hinter das Haus verzog, hatte ich noch einen Call mit Ilaya. Die Verbindung war stabil, das Gespräch leicht. Wir erzählten einander von den letzten Tagen, lachten, fühlten uns nah – fast so, als wären wir nicht Hunderte Kilometer entfernt.
Und doch lag etwas dazwischen, ein feiner Schleier aus Gedanken.
Denn Zweifel waren aufgekommen. Nicht laut, nicht aufdringlich. Aber sie waren da.
Ich hatte die letzte Nacht mit einer anderen verbracht. Und so sehr ich im Vorfeld mit mir selbst gerungen hatte – als ich es dann tat, war es ... fast okay gewesen. Kein Schuldeingeständnis, kein Verrat. Eher eine Art Entscheidung. Nicht gegen Ilaya, sondern für etwas, das in mir Raum brauchte.
Meine innere Zerrissenheit, dieses permanente Abwägen, war einem seltsamen Frieden gewichen. Ich sagte mir: Ja, zwischen uns ist mehr. Ilaya und ich – das ist kein Zufall. Da ist Tiefe, da ist Bedeutung. Aber trotzdem ... ein bisschen Leichtigkeit, ein bisschen Leben wollte ich mir nicht verbieten.
Und es fühlte sich nicht falsch an. Nicht wirklich.
Vielleicht, dachte ich, wäre es für sie sogar okay. Vielleicht war sie keine dieser eifersüchtigen Frauen. Vielleicht konnte auch sie trennen – zwischen Bedeutung und Moment, zwischen Nähe und Freiheit.
Vielleicht.
Als der Bildschirm schließlich schwarz wurde, blieb ich noch einen Moment einfach sitzen. Lehnte mich zurück, ließ die Gedanken treiben. Kein schlechtes Gewissen – nur diese leise Ungewissheit, wie viel Wahrheit eine Verbindung eigentlich tragen kann, ohne dass sie bricht.
Aber heute war kein Tag für Antworten.
Ich legte das Handy zur Seite, trat noch einmal hinaus auf die Terrasse. Das Wasser im Pool war nun dunkel, der Himmel darüber fast violett.
Morgen würde ich durch Baumwipfel fliegen.
Heute aber – war ich einfach nur da.
Noch einmal atmen. Noch einmal Stille.
Dann legte ich mich ins Bett. Müdigkeit kam nicht plötzlich, sondern wie eine Welle, die mich langsam überrollte.
Und irgendwann war ich einfach weg.