Proteste in Bangkok eskalieren
Erschienen am 02. September 2008
Königstreue Oppositionelle wollen die thailändische Regierung stürzen (Quelle: dpa)
Die seit Tagen andauernden Massenproteste gegen die Regierung in Thailand sind gewaltsam eskaliert. Tausende Anhänger von Regierung und Opposition prügelten sich in der Nacht zum Dienstag in der Hauptstadt Bangkok. Im Verlauf der Zusammenstöße wurde mindestens ein Mensch getötet und dutzende weitere verletzt.
Regierungschef Samak Sundaravej verhängte den Ausnahmezustand über die Hauptstadt und forderte die weiter vor dem Regierungssitz ausharrenden Demonstranten zum Abzug auf. Ein Anführer der Opposition rief dazu auf, die Proteste ungeachtet des Versammlungsverbotes fortzusetzen.
Thailand Reisewarnung des auswärtigen Amtes
Die Straßenkämpfe ereigneten sich unweit des Regierungssitzes, der seit einer Woche von tausenden Anhängern der oppositionellen Volksallianz für Demokratie (PAD) belagert wird. Fernsehbilder zeigten Demonstranten mit Helmen und Schlagstöcken, die aufeinander losgingen und sich gegenseitig mit Steinen bewarfen. Auf den Straßen lagen blutende Menschen. Die Polizei brachte die Lage nach eigenen Angaben rasch unter Kontrolle, forderte aber Verstärkung durch die Armee an. 53-Jähriger starb
Ein Sprecher des nationalen Rettungszentrums sagte, ein Mensch sei getötet und 44 weitere seien verletzt worden. Drei der Verletzten wiesen demnach Schusswunden auf. Bei dem Toten handle es sich um einen 53-jährigen Mann, der mit stumpfen Gegenständen geschlagen wurde und anschließend in einem Krankenhaus starb.
Ausnahmezustand ohne Ausgangssperre
Samak forderte die Demonstranten auf, vom Regierungssitz abzuziehen. "Niemand hat das Recht, das zu tun, was sie getan haben", sagte er bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. "Ich habe keine andere Wahl gehabt, als den Ausnahmezustand zu verhängen, um das Problem ein für alle Mal zu lösen", fügte er hinzu. Armee und Polizei würden über die Einhaltung der Maßnahme wachen. Den Bewohnern von Bangkok versicherte Samak, der Ausnahmezustand werde den Alltag in der Stadt nicht beeinträchtigen. "Das Leben wird normal weitergehen", sagte er. Der Ausnahmezustand werde nicht lange aufrecht erhalten. Es werde keine Ausgangssperre geben.
Medienmogul stachelt Demonstranten auf
Der Medienmogul Sondhi Limthongkul, einer der führenden Köpfe der PAD, sagte vor 5000 Oppositionellen am Regierungssitz, sie sollten sich durch die Verhängung des Ausnahmezustands nicht einschüchtern lassen und weiter demonstrieren.
Opposition hält Ministerpräsidenten für Strohmann
Die Aufrührer, die seit Mai mit Protestkundgebungen die Stimmung im Land anheizen und seit fast einer Woche den Regierungssitz in Bangkok besetzt halten, sind Oppositionspolitiker. Weil sie im Parlament nichts gegen die Regierungskoalition aus sechs Parteien ausrichten können, schüren sie einen Volksaufstand. Vor zwei Jahren hatten sie als loses Oppositionsbündnis "Volksallianz für Demokratie" (PAD) damit Erfolg: Sie orchestrierten die Proteste, die im September 2006 zum Sturz des bei den Armen höchst populären Regierungschefs Thaksin Shinawatra führten. Ihr Zorn gilt nun dem jetzigen Regierungschef Samak Sundaravej, den sie für einen Strohmann Thaksins halten, der im Verborgenen eine Rückkehr an die Macht plane.
Urbane Elite gegen arme Massen
Thaksin hatte das Land in seiner Amtszeit seit 2001 wie kaum einer vor ihm tief gespalten: hier die urbane, konservative Elite in Bangkok, die verwandt und verschwägert und gut vernetzt mit Militär und Königsfamilie seit Jahrzehnten das Sagen hat, dort die armen Massen, die Thaksin mit billigen Krediten und billiger ärztlicher Versorgung für sich einnahm. Die Eliten fürchteten um ihre Pfründe. Die Opposition warf Thaksin Korruption und Machtmissbrauch vor, und das Bestreben, den verehrten König in der Gunst des Volkes abzulösen.
"Verschwörung gegen das einfache Volk"
"Dies ist ein Klassenkampf", sagt eine Frau in Bangkok aus besten Kreisen, die sich von ihrer Klasse losgesagt hat und gegen das Establishment opponiert. Sie kritisiert den Machtapparat um den König. "Er kontrolliert alles", warnt die Frau, die eine Verschwörung gegen das einfache Volk sieht. Sie redet nur im Verborgenen, denn was sie sagt, ist gefährlich: Die Gesetze gegen Majestätsbeleidigung sorgen mit drakonische Strafen für jedes kritische Wort gegen den König dafür, dass jeder den Mund hält - zumindest öffentlich.
Das Königshaus unterstützt die Aufwiegler
Klar ist, dass die Aufrührer der Proteste beste Verbindungen zu Militär und Royalisten haben. Manche der Autos, die die Demonstranten in Bangkok mit Essen und Decken versorgen, hätten Kennzeichen des königlichen Haushalts, sagt die Kritikerin.
Massen sind der Opposition nicht geheuer
Der Wahlsieg von Samak war ein Schlag ins Gesicht für das Oppositionsbündnis PAD. Er machte offen Wahlkampf als Thaksins Mann. Seine Partei besteht aus lauter Thaksin-Sympathisanten. Damit wurde der erfolgreiche Aufstand 2006 gegen das Thaksin-Regime in den Augen der PAD praktisch revidiert. Der PAD sind die armen Massen, die Thaksin und Samak wählten, nicht geheuer. Sie will "Demokratie" im alten Stil, mit einem Drittel ernannter statt gewählter Abgeordneten und einer starken Rolle für das Militär.
Samak lehnt Neuwahlen ab
Der wegen Korruption angeklagte ehemalige Regierungschef entzieht sich im britischen Exil einem Prozess in seiner Heimat. Eine Sondersitzung des Parlaments am Sonntag brachte keine Lösung der politischen Krise. Samak lehnte Forderungen der Protestbewegung und der Opposition ab, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen abzuhalten.
Touristenziele betroffen
Von den Massenprotesten gegen die thailändische Regierung waren in den vergangenen Tagen auch tausende Urlauber betroffen. Der Flughafen auf der beliebten Ferieninsel Phuket war zwei Tage lang geschlossen, nachdem am Freitag mehr als 5000 Demonstranten auf die Startbahn gerannt waren. Am Sonntag wurde der Flughafen wieder in Betrieb genommen. Auch der Flugverkehr an anderen Flughäfen des südostasiatischen Landes sowie der Bahnverkehr waren durch die Proteste beeinträchtigt.
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