So, es kommt der letzte Tag (ausgenommen der Abreisetag).
An einiges kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Meine Freundin hat im Hotel eine Nachricht hinterlassen, ich solle sie dringend zurückrufen. Dann ist die SIM-Karte meines thailändischen Anbieters abgelaufen und ich besorge mir Ersatz.
In irgendeiner Bar rufe ich meine Freundin an. Sie macht ein riesiges Geschrei, wie furchtbar ich sei etc. Ich höre neben ihrem Geschrei immer nur ein "Plopp, Plopp". Die Mamasan vergnügt sich mit einem Dartspiel. Vorher habe ich mit ihr herumgealbert, als ich auf dem Weg zur Toilette an ihr vorbei musste und scherzhaft "in Deckung ging". Plopp, Plopp.
Auf einmal merke ich, wie unwirklich das Ganze ist. 10000 km entfernt schreit jemand auf mich ein, und es hat überhaupt mit nichts, geschweige denn mit mir hier zu tun. Es ist zu Ende, und es war schon eine ganze Zeit zu Ende.
Ich beende das Gespräch. Mamasan blickt mich besorgt an und fragt, was los sei. "Nothing, all ok".
Das stimmt aber nicht. Dieser - neue - Blick, in der klaren Nachmittagssonne, tut richtig weh.
Ich verlasse die Bar, auf einmal laufen mir Tränen übers Gesicht, Scheiße, kann mich so nicht sehen lassen, Gesichtsverlust, senke den Blick, irre herum, ein Motorbike erfasst mich leicht mit dem Außenspiegel, die Beifahrerin ruft etwas erschrocken, nichts ist passiert, Mensch, reiß dich zusammen, ich schaffe es in eine andere Bar, trinke einen Kaffee, beruhige mich.
Am Abend laufe ich ziellos herum, irgendwann auch in der Soi Buakhao, in einer Nebenstraße sehe ich eine kleine Bar, Customer und Girls schauen irgendwie etwas griesgrämig drein, genau das Richtige, ich gehe rein.
Dann erscheint ein Girl bei mir, so Mitte Zwanzig, lebhaft, rotzfrech, und begrüßt mich "Hello old man", ich entgegne "Hi Cherrygirl". Wir trinken ein Bier zusammen. Sie erzählt mir, dass sie ausgebildete Masseuse sei (mit wenigen Handgriffen beweist sie es) und aus ihrem alten Laden geflogen sei. Bei dem Mundwerk auch kein Wunder. Als Bargirl sei sie nicht glücklich, wolle wieder zurück ("but do not tell Mamasan").
Ihr Mundwerk (ich nenne sie Bik) ist wirklich lästerlich. Als sie sich an mich schubbert und bei Überprüfung einen mangelnden "Härtegrad" entdeckt, fragt sie mich: "Are you a ladyboy?". Na warte. Ich teile ihr mit, dass sie sich die nötige Abreibung direkt in meinem "loom" abholen könne. "1.300 BHT inkl. Barfine for two hours massage, bum bum, massage and bum bum" ist die Antwort. Klingt verlockend, aber dann ist der Abend gelaufen und ich hocke in meinem "loom". Ich schlage LT vor. Das will sie nicht, angeblich brauche Mamasan sie dann wieder in der Bar.
Na, der Abend ist ja noch jung, denke ich mir.
Mein Nachbar spricht mich an. Ein Engländer "from north of London". Er hat unser Gespräch mitbekommen. Er rät mir, die Kleine mitzunehmen. Er selber habe zweimal vergeblich versucht, sie auszulösen. Sie sei sehr eigen (das glaub ich ihm gern). Aber ich solle wissen, worauf ich mich da einlasse.
Den Typ schaue ich mir jetzt genauer an. Anfang 40, gepflegt, sympathisch, warum hat Bik ihn verschmäht? Droht wieder ein Cliffhanger?
Und das am letzten Abend? Lieber quatsche ich jetzt mal eine Runde mit meinem anderen Nachbarn, einem Australier mit tiefliegenden Augen, seiner Aussage gemäß ein "Sextourist auf Weltreise".
Dann erscheint Bik wieder und fragt mich, ob ich mich jetzt um den blöden Australier oder um sie kümmern möchte. Ich entscheide mich für Letzteres. Nach der folgenden Rumknutscherei lässt der "Härtegrad" nichts zu wünschen übrig.
Dann tritt "Iwan der Schreckliche" auf den Plan. Ein junger Russe, der sich bisher im Inneren der Bar aufgehalten hat. Zum ersten Mal bimmelt die Glocke. Grässlicher Tequila wird aufgetischt. Iwan (er hat einen anderen Vornamen, habe ihn aber wieder vergessen) springt, nur mit kurzen Shorts bekleidet, barfuß auf einen der beiden langgezogenen Stehtische, die die Bar von der Straße trennen, tanzt darauf herum und stößt merkwürdige Laute aus.
Dann springt er herunter, begrapscht alle anwesenden Girls - Bik lässt er merkwürdigerweise aus - und bimmelt die Glocke aufs Neue. Irgendwann schaffe ich es, mich bei ihm für seine Großzügigkeit zu bedanken. Er umarmt mich, und danach bin ich klatschnass von Russenschweiß.
So geht das eine ganze Weile. Obwohl Bik umsichtig dafür sorgt, immer mal wieder heimlich unsere Drinks mit gekonntem Schwung aus dem Handgelenk in eine der leeren Bierflaschen zu versenken, bin ich mittlerweile alles andere als nüchtern.
Nach der gefühlten 200. Runde läuft alles aus dem Ruder. Bik sitzt auf meinem Schoß, mein Gesicht ist tief in ihrem Ausschnitt vergraben. Sie zieht es hoch und dreht es zur Seite. Dort sitzt Mr. London - Man und lässt sich von ihrer bebrillten Kollegin einen blasen. Der Australier hat eine weitere Dame schon halb entblättert. Im Inneren der Bar befinden sich Mamasan und ein Ladyboy, der hier ständig auftaucht und Bik und mich schon mehrfach mit Handzeichen daran erinnert hat, endlich "loszulegen". Sie sind im heftigen "Nahkampf". Noch ein weiteres Pärchen ist dort intensiv "verkeilt".
Iwan tanzt immer noch herum.
Ich drehe mich um. Direkt gegenüber ist eine andere Bar. Sie gucken Kino. Uns.
Hoffentlich ist hier nicht so irgendein Idiot mit seiner Kamera herumgelaufen, denke ich. Da erscheint auch schon direkt so ein Typ Buchhalter, ein Norweger, und fragt mich, was hier los sei. Na was wohl, Party halt. Er holt sein Handy raus. Ich halte ihm einen Finger vor die Nase: "No photos".
Iwan beruhigt sich wieder. Plötzlich hat er ein frisches Polohemd organisiert, Sandalen an und verschwindet mit dem Australier.
Es ist schon nach Mitternacht. Bik holt auf einmal die Rechnung. Sie ist erstaunlich niedrig. Ich stocke ordentlich auf.
Sie nimmt meine Hand und sagt "going to your hotel now". Barfine wird komischerweise wieder nicht fällig.
Im Zimmer geht es dann umstandslos zur Sache. Die Klamotten fliegen durch den Raum, und endlich erlebe ich auch einmal die Freuden "gemeinsamer Körperhygiene" unter der Dusche. Während unserer folgenden kleinen "Bettenschlacht" weiß sie neben diversen anderen Körperregionen auch ihr Stimmorgan gewaltig einzusetzen. Wer jetzt im Nachbarzimmer weilt, hat eine unruhige Nacht.
Später killen wir noch die Zimmerbar.
So gegen 05.00 Uhr morgens schaue ich mal auf die Uhr. Tja, in zwei Stunden weckt mich die Rezeption. Um 08:30 Uhr holt mich Bell Travel ab, und vorher muss ich noch packen.
Ich bin hundemüde. Wie soll ich das bloß schaffen?