Teil 5
Am Abend vor meiner Abreise bat ich die Chefin, mich um 5 Uhr zu wecken. Das hat dann mit einem automatischen Weckruf aus der privaten Telefonanlage auch prima geklappt.
Ich war skeptisch! Damals gab es in D ja nur die Möglichkeit, über das “Monopol-Netz“ einen gebührenpflichtigen Weckanruf zu bestellen. Vielleicht kennt das noch der eine oder andere:
“Hier ist der Weckdienst der Deutschen Bundespost. Es ist jetzt 5 Uhr. Sie wollten geweckt werden.“
Da gab es in Japan schon kleine elektronische Wählanlagen in der Größe eines Buches, die man selber zuhause installieren konnte. In D dagegen uralte riesengroße Klappertechnik, wo der Mieter (!!!) nicht einmal den Deckel öffnen durfte.
Die Abhängung Deutschlands vom technischen Fortschritt war schon damals offensichtlich und zieht sich bis heute, mit dem Resultat eines veralteten Netzes, mit ständigen Funklöchern dahin.
Mit aufgesatteltem Rucksack trabte ich zu einer nahen Haltestelle und fuhr dann mit ….. (Ich weiß es nicht mehr) zum Bahnhof. Dort habe ich mir an einem Stand ein Stückchen Kuchen + einen Becher Tee geleistet.
Den Reiseplan hat mir ein freundlicher Angestellter an einem Ticket-Schalter gemacht. Es war mehrmals umzusteigen. Praktisch war das so, wie wenn man mit mehreren Nahverkehrszügen von München nach Hamburg fährt.
Die Züge waren modern und blitzesauber.
Abschweifung:
Nicht so ein alter aufbereiteter Schrott, wie ich ihn bei meinem letzten D-Besuch vor 3 Jahren immer noch erlebte. Da gab es z.B. auf der Strecke Stuttgart – Schorndorf noch die ehemaligen “Silberfische“ aus den 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts, die innen neue Polster erhielten und außen grün lackiert wurden.
Diese schrecklichen alten Klapptüren, die seit über 60 Jahren oft nur mit brutaler Gewalt zu öffnen waren, gab es aber immer noch. Eisenbahn-Spezialist @wumme kann das sicher bestätigen.
Dann nagelneue Züge, innen und außen mit Graffitis besprüht, die Fenster zerkratzt und Leute, die ohne irgendeine Scheu die Füße mit den Schuhen auf die gegenüberliegende Polster stellen. Kein Schaffner bemängelt das heute noch, weil er Angst vor Haue hat, während ich Lust verspüre, solchen Typen mit einem Tritt die Haxen zu brechen.
So etwas habe ich in Japan damals nicht gesehen und wie mir schon Leute berichteten, die noch vor kurzem dieses Land besuchten, heute auch nicht.
Abschweifung Ende
Beim Umsteigen gab es immer eine Wartezeit, einmal eine volle Stunde. In dieser versuchte ich mir im Bahnhof etwas zum Essen zu kaufen. Setzte mich mit einem Sandwich in einen Wartesaal, als mir plötzlich bewusst wurde, dass ich gar keinen Rucksack mehr hatte.
Das war ein Schock, bei dem mir kurz die Luft wegblieb. Panisch rannte ich zu dem Bahnsteig, wo ich vor einer halben Stunde angekommen bin. Da stand noch unbeschadet mein Rucksack. Scheinbar hatte es kein Japaner nötig, sich an so etwas zu vergreifen. Heute würde er vermutlich wegen Bombengefahr sofort vorsorglich gesprengt werden.
Nach ca. 7 Stunden war ich dann in Kyoto. Mit dem Shinkansen hätte es 2½ Stunden gedauert und wäre gar nicht sooo viel teurer gewesen. Nun ja – um eine Erfahrung reicher.
Das Quartier war vom Ryokan in Tokio freundlicherweise reserviert worden. Genau wie auf dem Kärtchen beschrieben, wie sie in jedem Ryokan von anderen Ryokans in ganz Japan aufliegen, erreichte ich meines mit einem Bus.
Dort hat man mich tatsächlich schon erwartet und eigentlich inzwischen abgeschrieben. Dass ich mir diese Fahrt auf diese Art und Weise angetan habe, wollten man mir zuerst gar nicht glauben. Ich hätte so ja alleine für die Anfahrt einen wertvollen Urlaubstag verbummelt, in dem ich mir doch besser hier in Kyoto etwas angeschaut hätte. Als ich nun argumentierte, dass ich in D mehrere Wochen bezahlten Urlaub habe und auch eine Fahrt im Zug für mich interessant ist, war man sehr erstaunt.
Die Regeln waren in diesem Ryokan ähnlich wie in Tokio, doch wurden sie nicht so streng gehandhabt. Auch war man viel freundlicher und hilfsbereiter.
Das Zimmer war auch etwas größer und es gab die Möglichkeit, sich etwas zum Essen zu bestellen. Ob dieses nun im Haus gekocht wurde oder von außerhalb kam, konnte ich nicht herausfinden. Jedenfalls wollte ich mir gerade etwas bestellen, als mir zwei Engländerinnen den Vorschlag machten, doch zusammen 3 verschiedene Gerichte zu bestellen und diese dann gemeinsam zu essen. Fand ich gut und stimmte zu.
Alle 3 Speisen waren vom Preis her sehr unterschiedlich, kosteten zusammen etwa 80 DM und mussten vorab bezahlt werden. Wir teilten dann alles durch 3 und jeder bezahlte sein Drittel.
Das war mir in diesem Fall sehr recht, denn bei ähnlichen Deals “vergaßen“ Backpacker-Mädels danach oft, dass “Sharing“ ausgemacht war und betrachteten sich als “eingeladen“.
Abschweifung:
Das war dann auch in Ländern wie z.B. Indonesien, Thailand, oder Malaysia, wo ein Essen in einem einfachen Lokal 2 bis 3 DM gekostet hat, auch durchaus OK und finanzierbar. Dabei gab es ja auch immer die Chance, wieder etwas in “anderer Form“ zurückzukriegen.
Ganz offensichtlich wurde es dann, wenn man schon im Bus von einer den Vorschlag erhielt, sich doch zusammen ein Zimmer zu nehmen und sich die Kosten zu teilen. Bei solchen Angeboten fing mein Kleiner sofort zu Zappeln an und ich wusste: “Nur noch ein Bissle und schon isser drin.“
Vorab war mir dann klar, dass das Taxi vom Busterminal zur Absteige ganz selbstverständlich von mir bezahlt werden musste und auch, als es an der Rezeption dann hieß: “Mach das du, ich geh schon mal rauf und geb’s dir “nachher“.
Dieses “NACHHER“ war spätestens dann, wenn man vom Dinner zurückkam, zu dem man das Mädel selbstverständlich eingeladen hatte. Da ging es dann im Bett auch gleich ganz selbstverständlich zur Sache, so selbstverständlich, wie bei einem alten Ehepaar, bei dem es mal wieder “Zeit war“, oder einer guten Bekannten, die man schon jahrelang kannte. So waren eben die Spielregeln bei so einem Deal.
Ich nenne diese Mädels “Quartier-Prostis“, die meistens schon monatelang unterwegs waren, natürlich vollkommen abgebrannt und die sich so ihren Trip wieder um einen oder mehrere Tage verlängern konnten.
Als schon etwas reiferer Backpacker, immer passend gekleidet und dadurch vermutlich seriöser wirkend, als ebenso abgebrannte gleichaltrige Jungs, dazu natürlich noch spendabel, muss ich auf diese Spezies so anziehend wie ein Magnet gewirkt haben. Gut – ich konnte mir das in Ländern leisten, wo ein Zimmer dasselbe kostete, egal ob man es alleine, oder zu zweit belegt hat. Auch ein paar Mark für das zusätzliche Essen, oder ein Bus-Ticket zum nächsten Urlaubsziel waren finanzierbar.
In Singapore “betreute“ ich einmal über mehrere Tage eine junge Deutsche. Angeblich war sie eine Krankenschwester, die sich eine Auszeit gönnte. Die hat so dermaßen gut gefickt, dass ich sie gerne auf die Insel Penang mitgenommen hätte. Alles war schon klar. Geplant war der “Schwabenbus“ (nachts fahren, Hotel sparen).
So trabten wir abends mit aufgesattelten Rucksäcken zum Busterminal, wo ich 2 Bustickets kaufen wollte. Vorher musste ich aber aufs Klo. Als ich zurück kam, eröffnete sie mir, dass sie jetzt doch lieber nach (??? hab’s vergessen) fahren wolle und dafür auch schon ein Ticket habe.
OK OK – ich war nicht böse. Ich rätselte nur, wie sie das Ticket bezahlen konnte, wo sie doch fast kein Geld hatte. Als sie dann in ihren Bus auf ihrem Platz saß, war das Rätsel gelöst. Neben ihr saß ein reiferer Backpacker den ich schon beim Einsteigen beobachtet hatte und der etwa die gleiche Aufmachung wie ich hatte. Die beiden waren schon so miteinander ins Gespräch vertieft, dass sie gar nicht merkte, als ich ihr bei der Abfahrt noch zugewinkt hatte. Er war jetzt ein paar Tage für sie verantwortlich und durfte sie dafür ficken – es sei ihm gegönnt.
Dabei war ich nicht einmal traurig. Man ist ja auch nicht traurig, wenn man nicht mehr in ein besonders komfortables Klo sch.... kann, weil es plötzlich von einem anderen besetzt und abgeschlossen ist. Man sch…. eben dann in ein anderes.
Mit dieser Einstellung ist es mir meistens gelungen, von Enttäuschungen nicht zu stark heruntergezogen zu werden – eben halt meistens und leider nicht immer.
Abschweifung Ende
Kurzum – diese Engländerinnen waren nicht von dieser Sorte.
Wir aßen dann zusammen in ihrem Zimmer und tauschten Reiseerlebnisse aus.
Am nächsten Morgen war mein erster Gang zur Bank. Eigentlich hatte ich gehofft, dass mir diese Yen, die ich gleich am Airport eingetauscht hatte, für die komplette Zeit in Japan reichen würden. Nach Bezahlen des 2. Ryokans waren fast alle Yen verheizt. Soviel Geld habe ich, nur für ein paar Tage, noch nie verbraucht.
Bei der Bank hat mich zuerst niemand verstanden. Vermutlich haben alle gehofft, dass ich aufgebe und abhaue. Das sah ich jetzt vom Sportlichen. Ich holte einen 100-ter hervor und einen Yen-Schein. Dann legte ich einen Zettel dazwischen und machte in Richtung Yen einen Pfeil. Na – aber wenn ihr es jetzt nicht verstanden habt, stellt ihr euch doch vorsätzlich doof.
Plötzlich hat mich dann doch einer verstanden und zwar recht gut. Als wir dann ein paar Worte gewechselt hatten und er merkte, dass ich ihn verstand, schien er Mut zu fassen und wir konnten uns ganz normal unterhalten.
Ich weiß jetzt nicht mehr, wieviel ich umgetauscht habe, aber es waren mehr als 500 DM – damals nicht gerade wenig!
Das Ryokan in Kyoto hatte ich schon bezahlt. Das waren dort auch so um 100 DM pro Tag.
Dann kommt noch eine Fahrt nach Hiroshima, dort zwei Übernachtungen im Ryokan, die Rückfahrt nach Tokio, die Fahrt nach Narita und natürlich auch noch ein bissle was zum Essen und Trinken
Ja aber ….. das Geld? Germany? Sie kramen in einem Schrank, kramen einen Ordner hervor. Alle Währungen sind darin mit Bildern aufgeführt. Die Seite mit DM wird aufgeschlagen. Die Scheine werden genau untersucht, abgefühlt und mit der Lupe begutachtet.
Dann wird jeder Schein fotokopiert, ebenso der Pass. Jede Kopie muss von mir unterschrieben werden.
Dann wird ein Fragebogen in Japanischer Schrift ausgefüllt.
Ich muss die erste Adresse angeben, die jetzige Adresse, die nächste Adresse, die Verkehrsmittel (ich gebe Shinkansen an).
Dann werden meine Yen endlich ausgezahlt. Die müssen reichen. Noch einmal mache ich diesen Circus nicht mit!
Fortsetzung folgt!