Thailand - Kambodscha: Truppenrückzug aus Preah Vihear
Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag hat am Montag in einer vorläufigen Entscheidung Kambodscha und Thailand dazu aufgefordert, sämtliche Truppen aus einem umstrittenen Gebiet um den Preah-Vihear-Tempel abzuziehen. „Das Gericht befindet, dass beide Parteien umgehend ihr militärisches Personal (...) zurückziehen müssen“, heißt es in einer Erklärung. Beide Staaten müssten zudem eine provisorische entmilitarisierte Zone um die umstrittene Tempelanlage akzeptieren, erklärte der Vorsitzende des UN-Gerichts, Hisashi Owada.
Das Verfahren hatte die Regierung in Phnom Penh angestrebt. Kambodscha hat das Gericht um die Neuinterpretation eines Urteils aus dem Jahr 1962 ersucht, in dem die Hindu-Tempelanlage, die im elften Jahrhundert fertiggestellt worden ist, eindeutig Kambodscha zugesprochen worden ist. Bangkok erkannte dies zwar formell an, besteht aber darauf, dass das 4,6 Quadratkilometer große Gebiet, auf dem der Tempel steht, Thailand gehört.
Die derzeit noch amtierende Regierung von Abhisit Vejjajiva vertrat daher den Standpunkt, das Gericht habe in diesem Fall keine Zuständigkeit, da die Besitzverhältnisse in dem umstrittenen Gebiet klar seien – und hatte damit keinen Erfolg. Das Gericht hat zudem Thailand dazu aufgefordert, den freien Zugang Kambodschas zu dem Tempel nicht länger zu behindern. Beide Staaten sollen ihre Zusammenarbeit im Asean-Verband der südostasiatischen Staaten fortsetzen und zulassen, dass zivile Asean-Beobachter das umstrittene Gebiet überwachen.
Asean soll es richten
Im Februar hat der UN-Sicherheitsrat nach kurzen, aber heftigen Kämpfen den Asean-Verband darum gebeten, in dem Konflikt zu vermitteln. Thailands Regierung erklärte sich nach Verhandlungen dazu bereit, indonesische Beobachter entlang des umstrittenen Grenzabschnitts zuzulassen. Doch Thailands Generäle lehnten die Beobachter ab und stellten die Regierung in Bangkok damit bloß. Kurze Zeit später erklärten mehrere NGOs, sie hätten im Konfliktgebiet Beweise dafür gefunden, dass Thailand bei den Kämpfen international geächtete Streumunition eingesetzt habe. Bangkok konterte, bei der eingesetzten Waffe habe es sich nach „thailändischer Definition“ nicht um Streumunition gehandelt.
Auch jetzt hängt viel von Thailands Armee ab. Doch die Vorzeichen stehen schlecht. Nur wenige Stunden, bevor das Gericht in Den Haag seine vorläufige Entscheidung bekannt gegeben hat, schloss ein Sprecher der Truppen, die im Konfliktgebiet stationiert sind, einen Rückzug aus. „Unabhängig davon, wie die Entscheidung des Gerichtshofs ausfällt, werden die Truppen der Armeeregion2 in dem Gebiet (um Preah Vihear) bleiben, um die Souveränität unseres Landes zu beschützen.“ Die Armee werde auf Anweisungen des Armeechefs warten, sagte der Sprecher. Man sei bereit „zurückzuschlagen“, sollten kambodschanische Truppen angreifen. „Die Zahl der thailändischen Truppen in der Region ist ausreichend, um jede Situation zu bewältigen.“
Thailands Armee sieht sich nicht an Anweisungen von gewählten Regierungen gebunden. Vielmehr verstehen sich Thailands Generäle als übergeordnete Bewahrer von „Nation, Religion und Monarchie“. Das hat seit dem Sturz der absoluten Monarchie vor rund 80 Jahren 18 Mal dazu geführt, dass Thailands Generäle unter allen erdenklichen Vorwänden eine gewaltsame Machtübernahme versucht haben.
Innenpolitische Querschüsse
Verschärft wird der Konflikt nun dadurch, dass bereits in wenigen Tagen die siegreiche Puea-Thai-Partei die Regierung in Bangkok übernehmen könnte. Die Partei der Unterstützer des 2006 aus dem Amt geputschten ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra ist nur deswegen noch nicht im Amt, weil die Wahlkommission noch die Wahl von 142 von 500 Abgeordneten bestätigen muss, gegen die Beschwerden wegen angeblichen Wahlbetrugs eingegangen sind. Das Parlament kann erst dann zum ersten Mal zusammentreten, wenn 95Prozent der Abgeordneten bestätigt sind. Ein Anwalt der „Democrat Party“, die bei der Wahl vor knapp zwei Wochen verloren hat, hat sogar die Auflösung von Puea Thai beantragt.
Diese hat beste Beziehungen nach Kambodscha. Thaksin war ab Ende 2009 sogar für kurze Zeit „Wirtschaftsberater“ des kambodschanischen Premiers Hun Sen. Sollte die neue Regierung einen Kompromiss aushandeln, der aus Sicht der Generäle die „Souveränität“ des Landes gefährdet, könnte die Armee das als Vorwand für eine Machtübernahme nutzen.
(Quelle:"Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2011)
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