@gogolores
diese Meldung ist vom Mai 2010 im Spiegel
kein Problem will nicht den Klugscheisser spielen
Blutige Unruhen in Thailand: Bangkok droht der BürgerkriegAus Bangkok berichtet Thilo Thielke
Das Militär schießt auf unbewaffnete Zivilisten. Nicht einmal Sanitäter sind sicher. Kriegsartige Zustände in Bangkok: Bei Zusammenstößen zwischen der thailändischen Armee und den oppositionellen Rothemden sind mindestens 22 Menschen getötet worden - und die Lage spitzt sich zu.Anhang anzeigen 20.jpg
Thilo Thielke
In ihrem Hauptquartier im sechsten Stock haben Anhänger des geschassten thailändischen Ex-Premiers Thaksin Shinawatra ein Krisenzentrum eingerichtet. Parlamentarier haben sich in dem Bürogebäude versammelt. An den Wänden hängen Karten Bangkoks, auf denen die Positionen der Demonstranten sowie der Regierungstruppen markiert sind - ein Versuch, einen Überblick über die chaotische Lage zu gewinnen. "Das ist ein Bürgerkrieg", sagt Plodprasop Suraswadi, stellvertretender Parteiführer der Thaksin-Nachfolgepartei Puea Thai. "Wir haben schon über 40 Tote."
Plodprasop zeigt Fotos von sechs Leichen, nach seinen Angaben allesamt Mitglieder der sogenannten Rothemden, der außerparlamentarischen Opposition, welche die Absetzung des ehemaligen Premiers Thaksin Shinawatra nicht anerkennt. "Wir bitten um Gnade für die Menschen", sagte Plodrasop. "Es kann nicht sein, das Zivilisten einfach erschossen werden."Es sind blutige Stunden in Bangkok. Die Lage in der Stadt spitzt sich zu. Die thailändischen Streitkräfte haben ein Gebiet im Zentrum zur Sperrzone erklärt, in der ab sofort scharf geschossen werden darf. Ein Armeesprecher sagte, man ziehe weitere Truppen in der Hauptstadt zusammen. Damit will die Regierung die Demonstranten in die Knie zwingen, die seit Monaten das Geschäftsviertel besetzt halten - 10.000 bis 20.000 Rothemden sollen dort kampieren, auch viele Frauen und Kinder.
Immer wieder war in der Innenstadt Gewehrfeuer zu hören. In der Nacht auf Samstag hatten Mitglieder der Rothemden neue Kontrollposten an der Kreuzung der Rachaparop-Straße und dem Sam-Liem-Din-Daeng-Platz errichtet, ein Armeelaster ging in Flammen auf - daraufhin gingen die Streitkräfte massiv gegen die Demonstranten vor.
Bangkok:Schüsse, Tränengas, brennende Barrikaden
Dabei schießt die Armee auch auf unbewaffnete Zivilisten. Mehrere Menschen kauerten am Samstagvormittag im Sperrgebiet hinter einer Barrikade - nur einer von ihnen war bewaffnet, mit einer Schleuder. Immer wieder wurden die Deckungen, hinter denen die Menschen kauerten, von der Armee unter Feuer genommen, mehrere Menschen wurden teils schwer verletzt.
Nicht einmal Sanitäter sind ihres Lebens sicher. Am Samstagmorgen wurde ein Ambulanzhelfer erschossen, der Verwundete versorgen wollte. Es ist kaum noch möglich, in das umkämpfte Gebiet zu gelangen oder es zu verlassen. "Es ist eine Schande; die Leichen liegen auf der Straße herum und dürfen von unseren Leuten nicht weggebracht werden", sagt Plodrasop.
Regierung lehnt weitere Verhandlungen ab
Die jüngsten Straßenschlachten zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften haben nach Regierungsangaben bislang 22 Menschen das Leben gekostet, etwa 160 weitere wurden seit Donnerstag verletzt. Die Gesamtzahl der Toten seit Beginn der Proteste in im März stieg damit auf 43.
Die thailändische Regierung machte am Wochenende klar, dass es keinen weiteren Dialog mit den Rothemden geben soll. Weil Verhandlungen über einen Abzug der Protestler aus der Innenstadt geplatzt sind, will Premier Abhisit Vejjajiva die Demonstranten durch einen Militärkordon nun offenbar aushungern. Er sagte am Samstag, die Regierung versuche, "die Normalität mit minimalen Verlusten" wiederherzustellen.Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon dagegen rief am Freitag beide Seiten auf, weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Demonstranten und Sicherheitskräfte müssten "alles in ihrer Macht stehende tun, um weitere Gewalt und den Verlust weiterer Menschenleben" abzuwenden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigt sich "sehr beunruhigt". Die US-Botschaft in Bangkok bot den Angehörigen ihrer Mitarbeiter am Samstag an, sie aus der Stadt zu bringen.
Die Thaksin-Nachfolgepartei Puea Thai hat nach eigenen Angaben versucht, eine Delegation hochrangiger Vertreter zu Premierminister Abhisit zu entsenden. Sie sei jedoch abgewiesen worden. "Wenn das Parlament in der kommenden Woche wieder zusammentritt, werden wir deshalb nicht mehr mit der Regierung sprechen", sagte Vizechef Plodprasop. Er befürchtet, die bisher größtenteils auf Bangkok beschränkten Proteste könnten sich ausweiten: "Es kann überall im Land losgehen."