Irgendwann musste ich auch an Ois Bar vorbei. Ich hatte mir vorgenommen nicht hinzusehen und so schnell wie nur irgendwie möglich vorbeizuhuschen, um mich in nix verstricken zu lassen. Ich wollte dieses Thema auf keinen Fall nochmal aufbrühen. Mit dem Blick nach vorne gerichtet, lief ich schnellen Schrittes an der Bar vorbei, doch da packte mich plötzlich jemand am Arm. Nicht dass das in den einschlägigen Sois etwas Ungewöhnliches wäre, aber es handelte sich um das Mädel meines Kumpels vom ersten Abend. Ich konnte nicht so recht zuordnen, ob sie wütend war, aber zumindest machte sie einen recht aufgewühlten Eindruck. Ich wollte gleich weiter, doch sie packte mich erneut am Arm, wollte mit mir reden. "Die Oi saß die ganze Nacht gestern hier allein an der Bar und hat gewartet. Wo warst Du?"
"Überall" antwortete ich, um mich der Frage zu entziehen. Was spielte das denn auch überhaupt für eine Rolle? Oi wäre heute auf Barfine. Sie hätte nicht gehen wollen, aber es hätte Ärger gegeben, ließ sie mich wissen. Danach streichelte sie mir über die Schulter, als wollte sie mich trösten. "Willst Du sie anrufen?" wurde ich gefragt und ich verneinte ganz entschieden. Ich sagte ihr, dass das völlig in Ordnung für mich wäre und dass ich nur ein normaler Customer sei. Ich sagte auch dass ich keine ernsteren Absichten hatte. Ich würde gerne behaupten, dass mir tatsächlich alles gleichgültig war, aber das wäre glatt gelogen.
Wenn es in dieser verrückten Glitzerwelt überhaupt sowas wie Normalität gibt, dann besteht die darin, dass Bargirls Sex verkaufen und mit Customern mitgehen. Das ist so eine einfache, aber oft unliebsame Wahrheit, dass viele Leute sie gerne verdrängen würden und das kann ich, auf gewisse Weise, sogar nachvollziehen. Das Bar-Business ist nur bedingt eine Wohlfühlveranstaltung. Wenn man nicht aufpasst, dann packt es einem bei den Eiern und zieht einem, mit der Visage voran, einmal quer über den Asphalt und das ganze nochmal retour. Das Problem ist wirklich, dass hier allzu leicht die Grenzen zwischen Job und Privatem verschwimmen und viele von uns spielen dieses Spiel gerne mit. Nicht selten mag es sogar die Hauptmotivation sein, um nach Südostasien zu fliegen. Diese Kreuzkontamination von käuflichem Sex und Zwischenmenschlichem, die führt eben zu allerlei Schwierigkeiten und zwar nicht nur für uns, sondern auch (unter Umständen) für die Girls. Letzten Endes kann sich aber niemand der Tatsache entziehen, dass wir es hier mit Rotlichtmilieu zu tun haben - wir nicht und die Mädels auch nicht. Die Mädels müssen damit klar kommen, dass man von ihnen verlangt täglich mit Kunden mitzugehen, ansonsten wäre ein Job im 7Eleven oder in einem Hotel sicherlich die bessere Wahl. Wir wiederum müssen uns damit abfinden, dass die Mädels diesen Job ausüben (schließlich haben wir sie dort auch kennengelernt) oder uns eben von diesem Business abwenden. Die Augen zu verschließen und Wünschdirwas zu spielen, das hat noch keinem geholfen. Da kann man auch gleich mit blutigen Steaks bewaffnet in ein Haifischbecken springen.