Ich ging mit Noi in ein kleines Restaurant an der Strandstraße. Es dauerte eine Weile, bis Noi ihr Zögern aufgab und mir erzählte, was am Vortag in sie gefahren war. Erst war sie sehr schüchtern und sprach nur zaghaft, aber nach und nach wurde sie freimütiger.
Offenbar hatte ich gleich am ersten Tag einen guten und bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen.
Noi erzählte mir, wie sehr sie die Sache mit Pong und mein Engagement beeindruckt hatten. So hilfsbereit konnten ihrer Meinung nach nur wirklich gute Menschen sein. Das fand sie auch darin bestätigt, dass ich ihr gegenüber stets freundlich, höflich und respektvoll war. Ich hätte ihr in die Augen geschaut, während ich mit ihr sprach, statt ihr auf die Brüste oder Po zu starren oder diese gar anzutatschen, wie es andere Männer taten. Egal ob Thai-Männer, oder Ausländer, sie waren letztlich alle gleich, wollten nur das eine von einer Frau und interessierten sich ansonsten rein gar nicht für sie. Bei mir hingegen hatte sie sofort gespürt, dass ich anders war.
Sie erzählte, dass sie immer von einem Mann geträumt hatte, der nicht nur ihren Körper, sondern auch ihren Charakter und Verstand begehrte. Einem Mann, der sie gut und respektvoll behandelte. Sie träumte von einem Mann, der sie um ihretwillen liebte, wie sie ihn lieben würde. Ihm wollte sie beste Freundin, Mutter, Ehefrau und Hure zugleich sein.
Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie jedes Wort genau so meinte und ertappte mich dabei darüber nachzudenken, wie es wohl wäre Noi‘s Traum mit ihr zu leben.
Sie fuhr damit fort, dass sie mit ihren 28 Jahren ja bereits alt war und die Hoffnung schon aufgegeben hatte, je einen solchen Mann zu finden. Und dann war ich plötzlich aufgetaucht. Sie konnte es kaum glauben, so unglaublich erschien ich ihr.
Sie vermutete, dass sie sich wohl auch deshalb aufgeführt hatte wie ein verliebter Teenager und versucht hatte, mich mit Sex für sich zu gewinnen. Sie hatte einfach nicht nachgedacht und wusste auch nicht, was sie da geritten hatte. Als ich dann weglief, war ihr sofort klar, wie dumm und albern sie sich verhalten hatte.
Im Nachhinein war ihr das natürlich peinlich und sie hoffte, dass ich nicht allzu schlecht von ihr dachte und sie wenigstens in guter Erinnerung behalten würde.
Sie schämte sich auch dafür, dass sie versucht hatte, in meine Beziehung zu Nele-Imke einzudringen.
Sie kannte sie zwar nicht, war sich aber ganz sicher, dass es sich bei Nele-Imke nur um eine wunderschöne, junge und großherzige Frau handeln konnte, mit der sie, Noi, sicherlich nicht mithalten konnte.
"Naja, ganz so würde ich Nele-Imke nicht beschreiben“ dachte ich bei mir, während Noi ihren Lobgesang fortsetzte.
Ein Mann wie ich könnte ja nur eine solche Frau haben, denn mit weniger würde er sich nicht zufrieden geben und Nele-Imke dankte Buddha bestimmt jeden Tag, dass sie so einen tollen Mann an ihrer Seite hatte.
„Naja, Buddha sowieso nicht, aber auch sonst würde ich eher bezweifeln, dass Nele-Imke so in den Tag startete.“ dachte ich, während Noi gerade mit Selbstvorwürfen beschäftigt war, wie dumm und eingebildet sie doch war, dass sie wirklich geglaubt hatte, ich würde mich mit einer einfachen Massage-Lady abgeben. Wer war sie denn schon?
Sie entschuldigte sich mehrfach und bedankte sich dafür, dass ich selbst jetzt noch so nett zu ihr war und sie nicht auslachte oder verspottete.
Ich lauschte Noi‘s Ausführungen staunend und peinlich berührt zugleich. Das ging zwar einerseits runter wie Öl, war aber doch so weit über dem, wie ich mich selbst sah, dass ich mich zwischendurch immer mal wieder daran erinnern musste, dass diese zauberhafte Schönheit tatsächlich über mich sprach. Nicht nur mit mir, was unter normalen Umständen schon ungewöhnlich gewesen wäre, sondern wirklich über mich.
Diese schöne, freundliche, herzliche, und was weiß ich noch alles Frau hatte sich in mich verknallt. In mich! In Malte!
Ich war derart verdutzt, dass ich kaum etwas sagte. Erst als Noi meinte, dass sie der Arbeit schon zu lange ferngeblieben war und nun zurück musste, kam ich etwas zu mir.
Zum Abschied bedankte sie sich nochmal für mein Verständnis und bat mich um einen Gefallen.
"Is it OK to kiss you one time? I want to keep your taste in my heart“ fragte sie. Ich nickte nur und sie drückte zärtlich ihre Lippen auf die meinen. Ich spürte, wie ihre Zungenspitze kurz über meine Lippen wanderte, wie ein sanftes Klopfen, dass um Einlass bat. Aber ich war darauf nicht vorbereitet und zu langsam. Als ich endlich verstand und meine Lippen öffnete, war der Moment vorbei und unsere Lippen hatten sich bereits wieder getrennt. In ihrem Blick flackerte für einen winzigen Moment Enttäuschung auf.
"I‘ll miss you. Good luck always“ hauchte sie und ging.
Ich blickte ihr traurig nach.