"Siehst du? Hab‘ ich‘s dir nicht immer gesagt? Von wegen, mein Vater ein Perverser. Schäm dich!" sagte Nele-Imke erleichtert und triumphierend, als hätte ich das so behauptet. Ich hatte ja lediglich die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen, aber sei es drum. Ich beließ es dabei, denn ich war ja selbst erleichtert, dass wir Pong gefunden hatten und es sich auch so verhielt, wie wir gehofft hatten. Da musste ich jetzt keine Diskussion anfangen und irgendwie war es mir auch tatsächlich etwas unangenehm Wolfgang das auch nur zugetraut zu haben.
Wir wollten uns beim Essen etwas beschnuppern und gegenseitig kennenlernen. Es gab ja viel zu erzählen. Wir brannten natürlich darauf alles über Pong zu erfahren, mussten ihr noch beibringen, dass Wolfgang von uns gegangen war und sicherlich brannte auch Pong darauf alles über ihre neue Familie zu erfahren.
Wir nahmen einen Bahtbus zu Antons, denn Nele-Imke und ich wollten ja auch etwas essen und nun wusste ich ja, wo man gut Essen konnte. Noi und Pong schnatterten die ganze Fahrt über aufgeregt und so nach und nach entspannte Pong sich sichtlich. Den ersten Schock hatte sie wohl überwunden und als wir im Restaurant ankamen, lächelte sie bereits hin und wieder. War ja auch nur zu verständlich, dass sie das Ganze erst einmal etwas sacken lassen musste. Man erfährt schließlich nicht jeden Tag, dass man eine Schwester hat. Nun freute sie sich ganz offensichtlich mindestens ebenso sehr darüber wie Nele-Imke und natürlich auch ich.
Ich war froh, dass Pong, Noi und Nele-Imke mit Reden beschäftigt und so etwas abgelenkt waren. Sonst hätten sie vermutlich bemerkt, dass ich es kaum lassen konnte Pong anzustarren. Schon auf den vielen Bildern war es kaum zu übersehen gewesen, dass Poing ein sehr hübsches Mädchen ist, aber die Bilder wurden ihr nicht gerecht. Bei weitem nicht. Das waren allerdings auch nur Schnappschüsse - seelenlose, digitale Abbildungen des Äußeren eines sehr hübschen, aber mir damals noch unbekannten Mädchens.
In natura ist sie sehr viel schöner. Geradezu spektakulär schön.
Das liegt nicht nur an ihrem völlig makellosem Körper oder ihrem bildhübschen Gesicht. Es ist auch - und vielleicht vor allem - die Art, wie sie sich bewegt, lächelt und ganz allgemein gibt. Pong ist im Gesamtpaket eine Erscheinung, die man nur mit dem Wort ‚perfekt‘ ansatzweise beschreiben kann. Dabei scheint sich Pong dessen noch nicht einmal bewusst zu sein. Die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der sie einfach nur da sitzt und außergewähnlich schön ist, verstärkt die Wirkung umso mehr.
Es hatte auch nichts mit irgendwelchen erotischen oder sexuellen Gedanken zu tun, dass ich es kaum lassen konnte Pong anzustarren. Es war eher pures Erstaunen. Ich vermute, dass das in ihrer Nähe wohl jedem so geht. Wenigstens allen Männern.
Dem ist ganz offensichtlich so, denn ein Kerl am Nebentisch gab mir mehr oder weniger unauffällig anerkennede Zeichen, weil er wohl dachte, dass ich die drei Frauen ebenso gekauft hatte, wie er seine Begleiterinnen. Besonders Pong schien er für eine gute Wahl zu halten.
Nele-Imke ist innerlich schön und würde für ihr Alter in Deutschland wohl auch bei vielen als attraktiv durchgehen. Noi ist schöner als Nele-Imke. Das ist einfach so und ist letztlich auch nicht wirklich überraschend. Schließlich ist sie 20 Jahre jünger als Nele-Imke.
Außerdem sind Thais im Durchschnitt ohnehin zierlicher und dadurch auch attraktiver als deutsche Frauen. Auch im Vergleich mit anderen Frauen, die ich in Thailand gesehen hatte, war Noi durchaus schön. Im Vergleich zu meinen Kolleginnen aus der Kindertagesstätte sowieso. Aber es gab in Thailand doch die ein oder andere, die sich hinter Noi nicht verstecken musste, ja ihr sogar in gewisser Weise ähnelte.
Sum zum Beispiel, auch wenn die vielleicht etwas außer Konkurrenz läuft.
Pong hingegen spielt in einer eigenen Liga. Sie erinnert einen unwillkürlich an die Models, die in Pattaya von riesigen Werbeplakaten herablächelten. Pong hätte dafür jedenfalls kein Photoshop nötig.
Wäre ihr Leben etwas anders verlaufen, hätte sie nur ein Fünkchen Glück gehabt und wäre einem Modellscout über den Weg gelaufen, sie hätte weltweit die Titelseiten der Modemagazine belegt. Obwohl sie damit letztlich auch nur ein Objekt der sexistischen Konsumgesellschaft wäre, reduziert auf ihr Äußeres, eine Dienerin der Sex-Sells-Werbemafia, im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Situation, konnte man das dennoch als Glück bezeichnen.
Von Wolfgang hatte sie so gar nichts mitbekommen, außer vielleicht, dass sie etwas größer und kurviger als die meisten anderen Thai-Mädchen war. Ihre Körper- und Körbchengröße schienen eher europäischen Genen geschuldet, ansonsten kam sie wohl eher nach der Mutter. Wenn diese nur halb so schön wie Pong gewesen war, konnte ich Wolfgang nur beneiden. Und natürlich, wenn sie mindestens ebenso nett und lieb wie Pong gewesen war, aber das war sie sicher, sonst hätte Wolfgang sich nicht in sie verliebt.
Pongs Schönheit wurde durch ihre sympathische Ausstrahlung, ihr etwas schüchternes, aber stets freundliches Lächeln, nur noch gesteigert. Stolz und Hochmut schienen ihr ebenso fremd zu sein wie Hinterlist und Argwohn. Vermutlich war sie gerade wegen des Fehlens Letzterer in diese missliche Lage gekommen. In ihrem Blick lag Freundlichkeit, eine gewisse Naivität und Unschuld.