"Das mit dem Bahtbus war kein Unfall. Das war die Mafia. Ich habe herausgefunden wo Off ist." erklärte ich.
Nele-Imke war sprachlos und starrte mich mit offenem Mund an. Sie brauchte eine Weile, bis sie die ersten Laute von sich gab. Richtig verständlich war ihr Gestammel trotzdem nicht. Ich konnte ihr förmlich ansehen, wie tausende von Fragen in ihrem Kopf darum rangen zuerst gestellt zu werden. Offenbar konnte aber keine der Sinnvolleren das Rennen für sich entscheiden und Nele-Imke brachte nur ein "Was?" heraus.
Oha, das schien gesessen zu haben. Ich konnte mich nicht erinnern sie jemals so lange so sprachlos gesehen zu haben.
Nachdem Nele-Imkes Schnappatmung sich wieder etwas normalisiert hatte, lauschte sie mit stummer Faszination meinen Schilderungen.
Ich erzählte ihr, wie ich nach der 'sexuellen Entgleisung‘ ziellos durch die Straßen gelaufen war, um mich wieder zu beruhigen. Dabei war ich auch an Pongs Bar vorbeigekommen und hatte gesehen, wie Noi sich sehr angeregt und freundschaftlich mit Pongs Mamasan und zwei zwielichtigen Typen unterhielt. Das schien mir natürlich sehr merkwürdig und ich beschloss das Geschehen unauffällig zu beobachten. Als die Typen kurz darauf aufbrachen, schnappte ich mir ebenfalls ein Motorrad-Taxi und folgte ihnen zu einem abgelegen Grundstück etwas außerhalb von Pattaya.
Das Grundstück war von einem hohen Bretterzaun umgeben, aber ich konnte dennoch durch einen kleinen Spalt spähen und sah einen ganzen Haufen Kinder. Die Typen palaverten kurz mit drei älteren Frauen, welche die Kinder zu beaufsichtigen schienen und fuhren dann weiter. Mir war sofort klar, dass es sich dabei um den Ort handeln musste, wo die Kinder der Mädchen festgehalten wurden. Ich beobachtete noch eine Weile das Geschehen auf dem Grundstück, bevor ich nach Pattaya zurück fuhr, um mich mit Nele-Imke und Pong zu treffen und sie über meine Entdeckung zu informieren.
"Ich werd' verrückt ..." stammelte Nele-Imke, während sie versuchte das Gehörte zu begreifen. "Dann ... dann steckt Noi da mit drin?" schlussfolgerte sie schließlich. "Sieht ganz so aus." bestätigte ich.
"Mir kam das gleich spanisch vor. Diese übertriebene Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft. Als wenn sich hier überhaupt je einer um jemand anders als sich selbst kümmern würde. Ich hatte bei dem Miststück schon die ganze Zeit so ein komisches Gefühl. Wie die immer um uns rumschawenzelt ist und diese übertriebene Freundlichkeit. Ich hab' gleich geahnt, dass die was im Schilde führt." machte Nele-Imke ihrem Ärger Luft. "Und der Unfall?" forderte Nele-Imke mich zur Fortsetzung auf.
"Wie gesagt, das war kein Unfall." fuhr ich fort und erzählte, dass ich Noi am Eingang der Walking Street traf, wo mich das Mottorad-Taxi abgesetzt hatte. Mir war zu dem Zeitpunkt nicht klar warum, aber sie schien dort auf mich gewartet zu haben. Ich hatte aber auch keine Zeit zum Nachdenken, konnte mich nicht beherrschen und platzte ohne groß darüber nachzudenken damit heraus, dass ich wüsste was für ein schäbiges Spiel trieb.
Sie schien nicht überrascht; ganz im Gegenteil. Sie war darauf vorbereitet gewesen, denn sie hatte mich wohl gesehen, als ich vor der Bar das Motorrad-Taxi genommen hatte und bereits vermutet, dass sie aufgeflogen war. Ich erzählte Nele-Imke, dass Noi ohne Umschweife zur Sache kam und 100.000 Baht Auslöse für Pong forderte. Für weitere 100.000 würden sie auch Off herausgeben und wir könnten die beiden mitnehmen.
Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich längst wusste, wo sie Off versteckten. Also berichtete ich Nele-Imke weiter, wie ich wütend ablehnte und Noi drohte zur Polizei zu gehen, was sie jedoch nicht beeindruckte. Sie hätte nur gesagt, dass ich sehr vorsichtig sein sollte und sich abgewandt. Wenige Augenblicke später bekam ich einen Stoß und landete auf der Straße vor dem Bahtbus.
"Die Schlampe hat versucht dich umzubringen?" Nele-Imke war entsetzt: "Was, wenn die das nochmal versuchen? Wir müssen sofort zur Polizei!"
Darauf war ich vorbereitet und es bedurfte nicht mehr als eines kurzes Hinweises auf unsere bisherigen Erfahrungen mit der Polizei, damit Nele-Imke einsah, dass wir auf die Ordnungshüter nicht zählen konnten und die alle korrupt waren. Schließlich waren wir in Thailand, wo nicht die gleichen Regeln wie zu Hause galten und man einfach zur Polizei gehen und sich auf Recht und Gesetz verlassen konnte.
“Ich glaube auch nicht, dass die mich wirklich umbringen wollten. Das sollte ein Botschaft sein.“ wollte ich Nele-Imke ein wenig beruhigen. Das funktionierte nur bedingt, aber ausreichend. "Aber was sollen wir dann tun? Wenn wir uns darauf einlassen und bezahlen, fordern die nachher wahrscheinlich noch mehr. Das kann endlos so weitergehen. Das machen Erpresser doch immer so. Denen kann man doch nicht trauen.“ erwiderte Nele-Imke aufgeregt.
In Gedanken sprach ich kurz ein Dankgebet für die vielen Crime-Serien, mit denen Hollywood die Vorgehensweise bei Erpressungen in die Hirne der Fernsehzuschauer implementiert hatte und bot ihr meinen Alternativplan an: "Nein, natürlich nicht. Ich hab‘ eine bessere Idee, aber dabei kommt es auch und vor allem auf dich an.“
Nele-Imke horchte interessiert auf: "Auf mich?"