Dort herrschte reges Treiben, ein stetes Kommen und Gehen. Den Meisten glaubten wir ansehen zu können, ob sie dort arbeiteten, Touristen mit einem Problem oder Einheimische mit einem Visumantrag waren. Hinzu kamen diverse Fahrzeuge. Taxis, Limousinen und vereinzelt Lieferwagen. Einige wurden eingelassen, die meisten entluden ihre menschliche Fracht aber an der Straße und fuhren davon.
Nele-Imke hatte uns Herrn Bergdorf beschrieben. Ein Mittfünfziger, schlank, sprtlich, mit recht vollem, grauem Haar, weder Bart noch Brille.
Ich fand ja, dass das eine viel zu allgemeine Beschreibung war, die auf hunderte Männer zutreffen musste, aber Nele-Imke konnte keine weiteren Details nennen. Schließlich hatte sie ihn nur kurz durch einen Türspalt gesehen.
Zu meiner Überraschung stellten wir nach einiger Zeit fest, dass es sogar erstaunlich wenige Männer gab, auf die diese Beschreibung passte. Bis 10 Uhr waren es genau zwei, aber Nele-Imke verneinte beide Male, dass es sich um den Gesuchten handelte.
Obwohl wir natürlich versuchten auch die Insassen der Fahrzeuge zu erspähen, gelang uns das nicht immer.
Ich fragte mich, wie viele wohl, von uns ungesehen, hineingelangt waren. Vermutlich zwei oder drei Dutzend. Gegen 10 Uhr gaben wir vorerst auf. Bereits seit über einer Stunde waren fast ausschließlich Leute aufgetaucht, bei denen es sich ziemlich eindeutig nicht um Angestellte, sondern um Menschen mit einem Anliegen an die Botschaft handelte.
Die Angestellten waren ganz offensichtlich nahezu ausnahmslos vor 9 Uhr erschienen.
Die Besitzerin des Restaurants schien sich auch bereits zu fragen, was sie uns noch anbieten sollte. Es war wohl eher nicht üblich, dass man dort 3 Stunden bei Tee und Nescafe saß.
Noch verwundeter war sie sicherlich, als wir 2 Stunden später erneut erschienen, um dort wieder 3 Stunden Tee zu trinken.
Wir hatten uns vorgenommenen,
unserer Beute dort täglich von 7:00 bis 9:30 Uhr, sowie von 11:30 bis 14:00 Uhr und 16:00 bis 18:00 Uhr aufzulauern, um ihn bei Arbeitsbeginn, einer Mittagspause oder wenn er in den Feierabend ging, abzufangen und zogen das auch eisern durch. Zumindest Nele-Imke und ich. Für Off war das natürlich bereits nach wenigen Stunden zu langweilig. Sie verstand ja nicht worum es ging und es wäre eine Quälerei gewesen, sie dort stundenlang mit uns rumsitzen zu lassen. Daher vergnügten sich die beiden auf eigene Faust in der Stadt, während Nele-Imke und ich Posten bezogen.
Am zweiten Tag hatte sich auch die Restaurantbesitzerin nicht mehr wirklich über die seltsamen Ausländer gewundert, die stundenlang die Botschaft beobachteten. Als wir morgens dort ankamen, hatte sie uns mit ihrem strahlenden Lächeln freundlich begrüßt und uns den Tisch etwas zurechtgerückt, damit wir eine noch bessere Sicht auf die Botschaft hatten. Zwei Tees waren bereits fertig und warteten auf uns.
Am dritten Tag war der Tisch ganz verschwunden. Stattdessen warteten dort zwei bequeme Liegesessel auf uns, die sie, soweit ich das richtig verstanden habe, von einem benachbarten Massagesalon ausgeliehen hatte, weil Nele-Imke die Tage zuvor sichtbar auf den doch eher unbequemen Plastikstühlen gelitten hatte.
So vergingen zwei Wochen ereignis-und ergebnislos. Abgesehen von einem einzigen Mal am siebten oder achten Tag, als Nele-Imke plötzlich aufgesprungen und losgerannt war, weil sie Herrn Bergdorf erkannt zu haben glaubte. Aber noch bevor sie ihn erreichte, hatte sie erkannt, dass sie sich geirrt hatte und war frustriert zu ihrem Liegesessel zurückgekehrt.
Die Warterei war mehr als frustrierend und wurde zunehmend langweiliger, weil wir viele der Angestellten mittlerweile schon von weitem erkannten. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, zumal wir noch ein anderes Eisen im Feuer hatten.