"Michael?" brach Nele-Imke das Schweigen als Erste. "You know this man?" ergänzte sie zum Ausgang zeigend.
Sum zögerte. Zunächst hatte sie wohl geglaubt wir wären mit ihm befreundet und nun erkannt, dass dem wohl nicht so war. Zudem musste ihr diese Indiskretion an sich unangenehm sein. Immerhin hatte sie gerade ihren Kunden als Freier bloßgestellt, ohne eine Ahnung zu haben woher wir ihn kannten und ob wir für uns behalten würden, dass er es mit Trans-Huren trieb.
Diese Gedankengänge konnte man förmlich in ihrem Gesicht ablesen. Da war es auch wenig hilfreich, dass Nele-Imke mehr als ungeduldig auf eine Antwort drängte. Sum entschied sich für die sichere Option und erklärte, dass sie sich wohl geirrt und den Mann doch nicht erkannt hatte und er lediglich einem Freund ähnlich sähe.
Sum war eine schlechte Schauspielerin. Es war offensichtlich, dass sie log und Nele-Imke war kurz davor durchzudrehen und auf sie loszugehen, um sie zum Reden zu bringen.
Daher nahm ich Nele-Imke vorsichtshalber beiseite und bat sie Getränke zu holen. Ich wollte mit Pongs Hilfe in Ruhe mit Sum reden und ihr erklären, warum wir wissen wollten, was sie über diesen Michael, oder wie auch immer er nun wirklich heißen mochte, wusste. Nele-Imke würde dabei mehr stören als hilfreich sein.
Das sah Nele-Imke natürlich anders. "Die ... der lügt doch wie gedruckt. Merkst du das nicht?" regte sie sich auf. "Ich weiß, und genau deshalb will ich in Ruhe mit ihr reden." Nele-Imke stutzte einen Moment, schaute nochmal misstrauisch zu Sum rüber und gab schließlich nach. "Gut, versuch' dein Glück. Aber ich sag's dir, das ist wahrscheinlich sein Lover oder sowas. Der bummst den doch, oder er ihn ... sie, oder was auch immer. Jedenfalls deckt er das Schwein doch ... Ich bleib' beim Ausgang ... soll sich nicht einbilden, hier rauszukommen, ohne uns die Adresse gegeben zu haben ..." giftete Nele-Imke noch, während sie sich entfernte.
Sum war nun sichtlich entspannter, blieb aber zunächst bei ihrer Geschichte. Ich bat Pong ihr auf Thai kurz, aber genau zu erklären, was wir von diesem Michael wollten und wartete geduldig, bis das für mich unverständliche Geschnatter abebbte.
Als endlich wieder auf Englisch umgestellt wurde, bat ich Sum freundlich uns zu helfen und zu erzählen, wo dieser Michael wohnte oder wie wir ihn finden konnten. Leider war Sum wenig hilfreich. Zwar rückte sie davon ab, dass sie sich geirrt hatte und ihn nicht kannte, schwor aber, weder Adresse noch Telefonnummer zu kennen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Michael sein richtiger Name war. Er war halt ein Kunde, den sie hin und wieder traf und die Treffen vereinbarten sie über einen Messenger-Dienst namens LINE. Das sagte mir zwar nichts, aber Sum zeigte es mir kurz auf ihrem Smartphone, damit ich wusste, was sie meinte.
Das half uns alles nicht wirklich weiter. Wir hätten zwar nun eine Möglichkeit ihn zumindest direkt zu kontaktieren und ihm eine Nachricht zu schicken, aber war das klug? Wie hoch standen die Chancen, dass er antwortete und einem Treffen zustimmte? Und selbst wenn, würde er bereit sein das Visum für Pong auszustellen?
Nele-Imke hatte es vor Neugierde nicht mehr ausgehalten und war zwischenzeitig an unseren Tisch zurückgekehrt. Sie hatte aber wohl registriert, dass Sum bereits Auskunft gab, war daher darauf bedacht den Gesprächsfluss nicht zu stören und setzte sich betont vorsichtig und ruhig zu uns.
Ich brachte sie kurz auf Stand und wir beratschlagten gemeinsam, ob wir ihm eine Nachricht schicken und falls ja, was wir ihm dann schreiben sollten. Allen war bewusst, dass es vermutlich nur diese eine und letzte Chance geben würde und wir diese nicht vermasseln durften.
Wir spielten diverse Varianten durch und hatten recht bald einige Möglichkeiten und Vorwände zur Hand, bei denen wir alle einig waren, dass er daraufhin zumindest ziemlich sicher zu einem Treffen erscheinen würde.
Aber was dann? Würden wir ihn unter einem Vorwand zu einem Treffen locken, war die Wahrscheinlichkeit umso größer, dass er auf der Stelle kehrt machte, sobald er den Schwindel durchschaute.
Sagten wir ihm aber die Wahrheit, würde er vermutlich gar nicht erst auftauchen. Einem Visum für Pong wären wir so oder so nicht wirklich nahe gekommen.
Pong und Sum waren sich einig, dass man ihm sicher nur genug Geld für das Visum anbieten musste und verstanden nicht wirklich, warum Nele-Imke und ich bezweifelten, dass das funktionieren würde. Selbst wenn er bestechlich wäre, würde ein deutscher Beamter sicherlich eine Summe fordern, die unsere Mittel weit überstieg. Die beiden konnten das nicht nachvollziehen und waren der festen Überzeugung, dass er den Preis unseren Möglichkeiten anpassen würde. Das wäre in Thailand bei Ämtern so üblich. Schließlich würden wir ja nichts Ungewöhnliches von ihm wollen, sondern er sollte für uns nur das tun, was er ohnehin den ganzen Tag tat und da wäre es doch besser wenig als gar nichts zu bekommen.
Nele-Imke und ich versuchten zwar es ihnen zu erklären, aber das war vergebens. Um über das Thema Bestechung nicht endlos weiter diskutieren zu müssen, schlugen wir vor das als eine Möglichkeit im Hinterkopf zu behalten, aber erstmal nach besseren Alternativen zu suchen.
Pong war etwas eingeschnappt und schmollte: "Tip is good motivation."
"Motivation ..." wiederholte Nele-Imke nachdenklich. "Und wenn wir ihn auf dem Zimmer mit Sum überraschen? Vielleicht ein paar Fotos von den Schweinereien schießen? Ob ihn das motivieren würde?" warf sie schließlich in den Raum. "Du willst ihn erpressen?" entgegnete ich, war aber zu meiner eigenen Überraschung weit weniger schockiert, als ich es eigentlich hätte sein sollen.
"Motivieren!" korrigierte Nele-Imke mit dem Anflug eines diabolischen Lächelns. Pong und Sum richteten sich interessiert auf. Sie hatten nichts verstanden, aber mitbekommen, dass offenbar eine neue Idee auf dem Tisch lag. Nachdem wir die beiden informiert hatten, spielten wir den Gedanken zu viert durch, kamen aber nicht wirklich zu einem befriedigenden Schluss.
Sum war ganz und gar nicht begeistert, was ich auch verstehen konnte. Sie fürchtete nicht zu unrecht, dass das in jedem Falle auf sie zurückfallen und sie bestenfalls einen guten Kunden verlieren würde. Es würde ihm aber auch nicht schwer fallen sie anschließend ausfindig zu machen und ihr eventuell gehörigen Ärger zu bereiten. Das war nicht von der Hand zu weisen. Wie sollte sie erklären, woher wir wussten, in welchem Zimmer sie es trieben? Jeder Idiot würde zu dem Schluss kommen, dass Sum ihn in eine Falle gelockt hatte.
Hinzu kam, dass wir nur einen Versuch hatten, um in das Zimmer zu platzen und ein oder zwei Fotos zu machen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn auf den Fotos klar erkennen konnte und er dann auch noch in einer ausreichend kompromitierenden Situation war?
Und wie würde er in einer solchen Situation reagieren? Vielleicht würde er uns angreifen und jemanden verletzen. Vielleicht würde er den Sicherheitsdienst des Hotels oder die Polizei rufen. Wer wusste schon, wie sowas ausgehen würde?
Je mehr wir darüber nachdachten, desto mehr Schwachstellen taten sich auf und so lief es schließlich darauf hinaus, dass wir die Idee komplett verwarfen.
Wir sackten gerade alle resignierend in die Sitze, als Sum einen Gedanken murmelte: "... maybe ... if he not know we take photo ..." Sie dachte angestrengt nach und spielte die Idee im Kopf durch. Wir anderen horchten gespannt auf, während sie ihre Gedanken mit uns teilte: "Me alone with him is problem. It's dangerous if he find out ... hotel room is problem ... I know better location, but why he go to other location? ... always meet in hotel ... hhmmm why he go other location? Need good reason ask him meet in other location, but he very OK meet me in hotel ... so why?" Sums Gedanken stockten und ihre Miene verfinsterte sich vor Anspannung. "Someone else choose location ..." stieß sie plötzlich hervor "you choose location. You join us and all problem solved. You choose location, I know perfect location ... We can make photo and he not see ... and me not alone with him. ... you choose location, he cannot blame me. Can say you cheat me too ..." Sum strahlte und blickte stolz in die Runde, als würde sie Beifall erwarten. Aber wir hatten nicht so schnell folgen können und mussten erstmal sortieren, was sie da gerade gesagt hatte.
"Wer ist 'you'? ... Wer geht mit ihr wohin?" fragte Nele-Imke verwirrt. Ich war mir nicht ganz sicher, antwortete aber, dass wohl sie und ich gemeint waren. "Wie jetzt? Wir sollen da mit hin und am besten noch mit denen vögeln? Spinnt der?" Nele-Imkes Stimme bebte vor Entsetzen.
Auch ich war, freundlich formuliert, irritiert und fragte Sum, ob das wirklich ihr Ernst war. Sum grinste und versuchte unsere Bedenken auszuräumen: "Yes, you and Nelläh-Imkeh join us, but no worry you not need fuck him or me ... me and him, you and Nelläh-Imkeh ... no worry, I show you. You watch me and him playing and can do same same ... it's playing role ... like in theatre, you understand? ... he not touch you if you not want. If you want, you can tell us what you want, but if you not want, no problem ... understand?"
"Wir sollen den beiden Perversen beim Vögeln zugucken? Jetzt dreht er richtig durch. Und am besten noch nachmachen, damit die uns zugucken können? Ich glaube es geht los." unkte Nele-Imke und winkte ab.
Sum schien enttäuscht, dass ihre Idee so wenig Begeisterung erfuhr. Ich dachte darüber nach und Pong wartete gespannt, wie es weitergehen würde.
"Aber es könnte funktionieren. Hast du eine bessere Idee?" tastete ich mich, an Nele-Imke gewandt, vorsichtig an das Thema heran.
Es dauerte fast zwei Stunden, bis Nele-Imke mangels Alternativen einknickte. "Also gut, für Pong. Aber ich fasse da nichts an und die Typen schon gar nicht. Und wehe die fassen mich an. Und ich ziehe mich nicht ganz aus. Höchstens oben ohne, wenn es sich nicht vermeiden lässt, damit das Schwein was zu gucken hat. Und sobald wir ein paar gute Fotos haben, brechen wir unter einem Vorwand ab. Vielleicht legen die ja auch schon vorher los und wir können Bilder machen, ohne es selbst zu tun." formulierte sie hastig ihre Bedingungen. "Ja Schatz, genau so machen wir es." beschwichtigte ich und gab Sum das Zeichen Michael die Nachricht zu schicken, dass sie ein Kundenpärchen hatte, dass gerne zusah und sich zu viert vergnügen wollte. Verbunden mit der Frage, ob er Interesse daran hätte.
"He will come." versicherte Sum grinsend.