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von Dr.G.M. Gad Labudda
Über Barmädchen und Verallgemeinerungen - 5 Seiten - (Ben Bremmse' in 'Schnipselbuch')
- - Vorurteile können durch falsche Informationen entstehen , aber es gibt auch Leute, die Vorurteile suchen, um besser zu sein und es gibt bewußte Falschmeldungen im Rahmen der 'Wahrheit' - -
Viele Mädchen und Frauen wissen selbst nicht so genau, warum sie an einer Bar arbeiten, aber dafür gibt es kluge Ausländer, meist Urlauber und Touristen, die können ihnen das sagen. Sie wissen nämlich ganz genau, daß dort nur geldgierige, geile Nymphomaninnen sind, die sich alle nur deshalb dort anbieten, weil sie unbedingt mit den stattlichen, umfangreichen Farang ins Bett gehen und sie ausnehmen wollen.
Ich weiß nicht, ob es an der hohen Temperatur lag oder an dem schnell dahinschwindenden Inhalt der Gläser, die meine Nachbarn an einer Bar vor sich stehen hatten. Ihr Gespräch kam mir jedenfalls nicht recht koscher vor und hätte auch in kein Kirchenforum gepaßt. Sie kannten sich in Thailand gut aus, waren schon zweimal hier gewesen und einer von ihnen war sogar schon einmal auf Phuket: „Die Kleine da mit dem schwarzen Hemdchen, die hatte ich am Donnerstag mitgenommen. Die war ja so was von geil, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Natürlich hab’ ich vorher alle Wertgegenstände weggeschlossen und mein Geld versteckt. Die klauen ja wie die Raben, die Thai.“
Das Thema gefiel seinem Kumpel und der wußte auch sofort etwas zu berichten: „Du kennst doch den Schorsch, der ist neulich zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Den mußten sie ins Krankenhaus bringen!“ Wunderte sich sein Freund: „Was, von so einem Mädchen?“ Der schüttelte den Kopf: „Nein, der hatte einen Kathoey mitgenommen und als er ihm gesagt hat, daß er ihm kein Geld gibt, weil er keine Frau ist, hat der ihm eine Flasche über den Kopf gehauen und ist mit fünfhundert Baht verschwunden. Der Schorsch mußte ins Krankenhaus, da haben sie die Wunde mit drei Stichen genäht. Die sind ja unheimlich brutal, die Thai.“ Wunderte sich der andere: „Ja, was hat der denn mit dem Transvestiten gemacht?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern und meinte: „Da mußt Du den Schorsch fragen, aber für Geld machen die ja alles, die Thai, für fünftausend Baht bringen die einen um, brauchst Du nur irgendjemand zu fragen. Das machen die alle.“
Die Ankunft eines weiteren Genossen, der sich zu ihnen gesellte, überzeugte mich von der Dringlichkeit meines Aufbruchs. So ist das also mit den Thai. Die klauen alle wie die Raben, sind unheimlich brutal, tun für Geld alles und werden für fünftausend Baht Mörder. Was haben wir für ein Glück, daß es intelligente Europäer gibt, die das an einigen Barmädchen, einem Transvestiten und zwei Zeitungen so klar erkennen, sonst könnte man sich ja gar nicht recht in acht nehmen.
Allerdings regen sich doch Zweifel, ob man ein ganzes Volk im Urlaub an einigen Bars kennenlernen kann, auch wenn man schon das zweite Mal da ist. Wäre es da nicht denkbar, daß diese quatschmäuligen Intelli-genzbestien schon mit der festen Absicht nach Thailand gekommen sind, endlich einmal große und wichtige Menschen zu sein, viel besser und klüger als die anderen, und sich für die Menschen des Landes überhaupt nicht interessieren? Schauen wir uns einige Fakten an:
Etwa ein Drittel aller im hiesigen Sexgewerbe tätigen Personen hat Kinder. Da die allerwenigsten hiervon im Rahmen einer Familie zusammenleben, darf davon ausgegangen werden, daß mindestens ein Drittel der an den Bars arbeitenden Frauen mit ihrer Tätigkeit versucht, ihre Kinder zu ernähren und aufzuziehen. Nicht bekannt ist freilich der Prozentsatz jener, die an einer Bar arbeiten, weil sie ihre Eltern oder Geschwister unterstützen, was hier als eine heilige Pflicht angesehen wird..
Hiervon kommen viele nach Angaben der UNICEF, die hierüber eine ausführliche Studie durchgeführt hat, aus Dörfern, in denen es zur Tradition gehört, die Töchter zum Gelderwerb ins horizontale Gewerbe zu schicken. Ferner ist es nicht nur vom Geburtsort, sondern von der Mentalität oder dem Charakter der Eltern abhängig, was ihre Tochter zu tun hat. Eines der obersten Gesetze in der staatlichen als auch der familiären Erziehung lautet, die Eltern zu ehren, ihnen untertan zu sein und zu gehorchen, ihnen zu dienen und sie zu versorgen. Dies gilt für die Zeit ihres Lebens und nicht nur bis zum Tag der Volljährigkeit der Kinder.
Sexualität gilt in Thailand als normal und ist nicht mit Begriffen wie Todsünde oder Fegefeuer verbunden. Berufliche Sexualität gilt nur als ‘niedere Arbeit’ und genießt ein ebenso geringes Ansehen, wie etwa Putzarbeiten, was aber durch die Vorführung eines guten Einkommens mit kostbarem Schmuck ausgeglichen werden kann. Wer bei einer niederen Arbeit gut verdient, gilt als ein geschickter Geschäftsmann und wird ebenso respektiert, wie jeder andere in Thailand, der Geld und damit Macht hat.
Da es in Thailand sehr viele Arme, eine sehr geringe Schulbildung und wenig Arbeit gibt, ist es verständlich, daß viele Frauen gar nichts anderes tun können, als Wäsche zu waschen, auf dem Feld oder in einer Bar zu arbeiten. Arbeit auf dem Land findet sich kaum und ernährt genausowenig wie Wäsche waschen. Bleibt nur die Bar übrig.
Manche Frauen könnten vielleicht etwas anderes tun. Aber es fehlen die Informationen. Eingeengt in einem kleinen Dorf haben viele Frauen keine Vorstellungen von den Arbeitsmöglichkeiten und den Fortbildungsmöglichkeiten in einer Stadt. Sie wissen nur, sie können in einer Bar arbeiten. Selbstverständlich arbeiten alle Frauen in einer Bar, weil sie Geld verdienen wollen. Als Nymphomaninnen könnten die Mädchen schönere und bessere Männer finden, als ausgerechnet Ausländer, die an einer Bar hängen. Schauen Sie sich die doch einmal selbst an. Die meisten sind schon etwas älter und haben den Status des ‘Vollschlanken’ bereits seit längerer Zeit überschritten. Das heißt dann nicht mehr ‘schön’ und ist mit Sicherheit keine Figur, nach der sich eine Nymphomanin sehnt.
Frauen arbeiten nicht an den Bars, weil dort Ausländer sind, sondern weil dort gut bezahlt wird. Viele Thai können es sich nicht leisten, an eine Bar zu gehen und eine Frau mitzunehmen, und die, die es sich leisten können, bevorzugen Restaurants, weil sie die im Freundeskreis besuchen und für gemütlicher halten, als eine Theke.
Außerdem kommt es auch darauf an, wieviel Geld eine Frau sucht. Viele sind zufrieden, wenn sie genug für ihren Lebensunterhalt, zum Unterhalt der Familie oder der Kinder haben. So, wie andere Arbeiter auch, die mit einem guten Lohn zufrieden sind.
Selbstverständlich gibt es auch Frauen und Männer, die nach Pattaya kommen, um Leute auszunehmen und zu betrügen, so, wie das in jedem Urlaubsressort und jeder Touristenhochburg auch ist. Aber niemand ist verpflichtet, sich betrügen zu lassen. Dazu ist es sinnvoll, in der Realität zu bleiben und nicht in Fantasien einzutauchen. Unter den Frauen an Pattayas Bars läßt sich bestimmt eine nette Freundin finden, mit der man eine schöne Zeit verbringen kann. Man muß nicht von vornherein glauben, sie sei eine Verbrecherin oder eine Fee. Doch diese Hinweise waren sachlich, deshalb geht dieser Artikel im Grunde genommen bisher an dem eigentlichen Problem vorbei, denn das ist gar nicht sachlich.
In Europa leben viele Menschen, die unzufrieden sind, weil sie nicht genug Beachtung finden, sie leben als Subalterne, als untergeordnete Befehlsempfänger und Duckmäuse. Um ihren Lebensunterhalt nicht zu gefährden, müssen sie den Mund halten und wenn sie die Faust in der Tasche ballen, dann müssen sie aufpassen, daß es niemand sieht. Diesen Druck und die aufgestauten Aggressionen müssen sie irgendwann einmal loswerden. Deutsche Frauen sind dazu nur in den seltensten Fällen geeignet, sie geben sogar Widerworte, greifen gerne zu dem amerikanischen Mittel der ‘Prohibition’, was hier Verhinderung heißt und sich nicht nur auf Alkohol bezieht, und beherrschen in krassen Fällen auch den Zaubertrick des spurlosen Verschwindens. So bleibt nur das Fußballspiel am Wochenende, um sich abzureagieren. Aber das aufgestaute Adrenalin baut sich noch nicht einmal ab, wenn man seinen Sportsgeist in der frisch gebügelten Vereinstracht vor dem Glotzophon zeigt und Bier trinkt.
Etwas größeres, als ein Sonntag muß her. Ein Urlaub. Möglichst in ein südliches, warmes Land, wo man größer und reicher, also wichtig ist, wo es Eisbein mit Sauerkraut gibt, sowie internationale Hotels mit Klimaanlage und möglichst hübsche Mädchen, die auf einen stattlichen Farang warten. Hier kann man sich dann so richtig von der Arbeit, dem Streß und der Unterdrückung erholen. Und die Sau ‘rauslassen. Da man ja als berühmter Weißer mit Zivilisation und Kultur dorthin fährt, um endlich einmal größer, bedeutender und besser zu sein, wird man sofort alle Informationen sammeln, die besagen, daß die ‘Eingeborenen’ schlechter sind, dümmer, ungeschickter, krimineller, denn damit ist man ja selbst automatisch viel besser, und das Bedürfnis, endlich einmal besser zu sein, als andere, hat sich seit vielen Monaten, ja vielleicht das ganze Leben lang angesammelt, und schießt nun mit hohem Druck an die Oberfläche.
Die geeigneten Mittel, besser zu sein, sind Verallgemeinerungen und eine biegsame Wahrheit. Besonders beliebt ist die Verallgemeinerung, eine bei einer Person einmal gesehene oder von einer einzelnen Person berichtete Handlung auf 62 Millionen Menschen hochzurechnen. Der Vorgang ist einfach: Ein Gast bestellt: „Beer Leo“. Nun sagt man aber für „Beer, reo“ (schnell ein Bier) in der allgemein üblichen inkorrekten Umgangssprache auch „Beer Gesperrter-Doppelaccount“ und an der Bar gibt’s kein Leo Bier. Das Mädchen bringt also schnell ein Singha Bier, das meistgetrunkene. Das erlaubt dem geschätzten Gast außerordentlich tiefe Einblicke in das Wesen der Thai und das Erlebnis, unendlich besser zu sein: „Die sind alle doof, die Thai. Ich hab’ ihr doch gesagt, ich will ein Leo Bier und da bringt die mir Singha. Die sind doch alle doof.“
Sein Kumpel beschwichtigt ihn: „Die können doch nicht lesen. Die kommen doch hier alle aus der Provinz“, weiß er und vermutet: „Da ha’m sie keine Schulen.“ Der Freund nimmt das als Fakt und ist beruhigt: „Ja, dann können die auch gar nicht lesen, wenn es hier keine Schulen gibt.“ Er ist nicht stolz darauf, wie er es kunstvoll geschafft hat, aus einem falsch gebrachten Bier den Beweis für eine Nation voller Analphabeten hervorzuzaubern. Das merkt er gar nicht. Er ist stolz, ein großer Mensch, ein Weiser zu sein, aus der herrschenden Rasse der viel bewunderten Weißen, ein großer Schriftgelehrter in einem Volk voller unzivilisierter Analphabeten. Genau dieses Gefühl hatte er nötig. Und der Transsexuelle, der einem zahlungsunwilligen Kunden eine Flasche über den Schädel schlägt, ist ein gerngehörter Beweis dafür, daß 62 Millionen Thailänder unheimlich brutal sind. Man wird bestimmt weitere Beweise finden. Hierbei hilft die internationale Presse.
Zwar behaupte ich gerne, daß viele Reporter nicht recht gescheit seien, aber sie sind auch nicht unbedingt dumm, sie schreiben, was der Leser ohnehin weiß und am liebsten hört, und für Sensationen wird besonders gut bezahlt. Die schafft man schnell, wenn man eine ohnehin flexible Wahrheit etwas biegt. Ich möchte das hier an einem frei erfundenen Muster für erfolgreiche Berichterstattung belegen:
„Lebensgefahr für ausländische Touristen in Bangkok. Während der vergangenen Nacht wurde die Hälfte aller Urlauber eines europäischen Inselstaates getötet, die andere Hälfte wurde in einer Nacht- und Nebelaktion in die Verließe der Polizei gesperrt!“ So könnte eine anschauliche Sensationsmeldung aussehen, die der vollen Wahrheit entspricht, die dabei nur leicht gebogen wurde. Man kann sich das Geschehen bildhaft vorstellen: Mannschaftswagen rasen mit Heerscharen von Soldaten mit Sturmanzügen und schwarzen Masken durch Bangkok. Die Männer treiben alle Engländer aus Bars und Restaurants zusammen und erschießen sie noch auf der Straße. Polizeikommandos holen Engländer aus Hotels, Apartments, Guesthouses und ihren Wohnungen. Sie werden sofort auf Lastwagen gepfercht, wer sich widersetzt oder zu fliehen versucht, wird erschossen. Ein erschütternd grausame Sensation, die sich sofort herumspricht. Englische Freunde und Bekannte werden angerufen und gewarnt, sie sind nicht erreichbar. Nun ruft man deutsche Freunde und die Botschaft an, um zu erfahren, ob Thailand auch gegen deutsche Touristen vorgehen wird und vielleicht alle Ausländer umbringen will, wie es ja ähnlich in der Geschichte Thailands schon einmal passiert ist.
Wenn der Artikel auf der Titelseite steht, wird die Zeitung innerhalb weniger Stunden trotz erhöhter Auflage vergriffen sein. Falls dann aller-dings vielleicht auf Seite dreizehn die Schilderung des Tathergangs stehen sollte, macht sich bei verschiedenen Lesern sicher eine gelinde Enttäuschung breit. Da könnte dann stehen:
Nachdem Inga Th. (46) und Thor P. (52) ihren Abend mit ausgiebigen Barbesuchen beenden wollten, bemerkte Thor, daß er schwankte und nicht mehr gehen konnte. Er bat seinen Freund, den Mietwagen zu holen und wollte auf der Straße auf ihn warten. Als Inga mit dem Wagen kam und seinen Freund sah, wollte er ihn erschrecken und trat aufs Gaspedal, doch dann verfehlte er die Bremse. Thor war auf der Stelle tot. Inga wurde verhaftet und zur Polizeistation gebracht.
Es entspricht also alles der Wahrheit. Da Inga und Thor gerade die einzigen Touristen aus Grönland waren, wurden also 50 Prozent der Touristen dieses Inselstaates getötet und die anderen 50 Prozent kamen ins Gefängnis. Das ist nicht gelogen, nur die Wahrheit wurde leicht gebogen und der Inhalt etwas aufgebauscht..
Thailand ist das Land der Freien. Jedem Menschen, der sich in diesem Königreich aufhält, ob Staatsangehöriger, Einwohner oder Tourist, ist es völlig freigestellt, sich alle Informationen, Fernsehsendungen, Zeitungsartikel, Augenzeugenberichte und sogar vertrauliche Mitteilungen von Freunden an einer Bar, selbst zu überlegen.
Nur, daß alle thailändischen Frauen darauf scharf sind, mit einem Ausländer ins Bett zu gehen und noch nicht einmal Geld dafür haben wollen, das stimmt, das kann ich selbst bezeugen, denn das habe ich selbst einmal erlebt. Jetzt versuche ich nur noch zu verstehen, warum mir das in den letzten 19 Jahren nicht mehr passiert ist, wo es doch hier so viele Frauen gibt. Ich finde das nämlich sehr schade.
Leider habe ich Gad (Dr. Günter Manfred Gad Labudda) nie persönlich kennengelernt, wir waren vor seinem Tod
in einem regen E-mail Austausch und hatten uns schon auf ein Treffen gefreut. Ich kam eine Woche zu spät nach Pattaya.
Aber er lebt weiter in seinen vielen Geschichten, die viel mehr als Geschichten sind ...
Über Barmädchen und Verallgemeinerungen - 5 Seiten - (Ben Bremmse' in 'Schnipselbuch')
- - Vorurteile können durch falsche Informationen entstehen , aber es gibt auch Leute, die Vorurteile suchen, um besser zu sein und es gibt bewußte Falschmeldungen im Rahmen der 'Wahrheit' - -
Viele Mädchen und Frauen wissen selbst nicht so genau, warum sie an einer Bar arbeiten, aber dafür gibt es kluge Ausländer, meist Urlauber und Touristen, die können ihnen das sagen. Sie wissen nämlich ganz genau, daß dort nur geldgierige, geile Nymphomaninnen sind, die sich alle nur deshalb dort anbieten, weil sie unbedingt mit den stattlichen, umfangreichen Farang ins Bett gehen und sie ausnehmen wollen.
Ich weiß nicht, ob es an der hohen Temperatur lag oder an dem schnell dahinschwindenden Inhalt der Gläser, die meine Nachbarn an einer Bar vor sich stehen hatten. Ihr Gespräch kam mir jedenfalls nicht recht koscher vor und hätte auch in kein Kirchenforum gepaßt. Sie kannten sich in Thailand gut aus, waren schon zweimal hier gewesen und einer von ihnen war sogar schon einmal auf Phuket: „Die Kleine da mit dem schwarzen Hemdchen, die hatte ich am Donnerstag mitgenommen. Die war ja so was von geil, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Natürlich hab’ ich vorher alle Wertgegenstände weggeschlossen und mein Geld versteckt. Die klauen ja wie die Raben, die Thai.“
Das Thema gefiel seinem Kumpel und der wußte auch sofort etwas zu berichten: „Du kennst doch den Schorsch, der ist neulich zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Den mußten sie ins Krankenhaus bringen!“ Wunderte sich sein Freund: „Was, von so einem Mädchen?“ Der schüttelte den Kopf: „Nein, der hatte einen Kathoey mitgenommen und als er ihm gesagt hat, daß er ihm kein Geld gibt, weil er keine Frau ist, hat der ihm eine Flasche über den Kopf gehauen und ist mit fünfhundert Baht verschwunden. Der Schorsch mußte ins Krankenhaus, da haben sie die Wunde mit drei Stichen genäht. Die sind ja unheimlich brutal, die Thai.“ Wunderte sich der andere: „Ja, was hat der denn mit dem Transvestiten gemacht?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern und meinte: „Da mußt Du den Schorsch fragen, aber für Geld machen die ja alles, die Thai, für fünftausend Baht bringen die einen um, brauchst Du nur irgendjemand zu fragen. Das machen die alle.“
Die Ankunft eines weiteren Genossen, der sich zu ihnen gesellte, überzeugte mich von der Dringlichkeit meines Aufbruchs. So ist das also mit den Thai. Die klauen alle wie die Raben, sind unheimlich brutal, tun für Geld alles und werden für fünftausend Baht Mörder. Was haben wir für ein Glück, daß es intelligente Europäer gibt, die das an einigen Barmädchen, einem Transvestiten und zwei Zeitungen so klar erkennen, sonst könnte man sich ja gar nicht recht in acht nehmen.
Allerdings regen sich doch Zweifel, ob man ein ganzes Volk im Urlaub an einigen Bars kennenlernen kann, auch wenn man schon das zweite Mal da ist. Wäre es da nicht denkbar, daß diese quatschmäuligen Intelli-genzbestien schon mit der festen Absicht nach Thailand gekommen sind, endlich einmal große und wichtige Menschen zu sein, viel besser und klüger als die anderen, und sich für die Menschen des Landes überhaupt nicht interessieren? Schauen wir uns einige Fakten an:
Etwa ein Drittel aller im hiesigen Sexgewerbe tätigen Personen hat Kinder. Da die allerwenigsten hiervon im Rahmen einer Familie zusammenleben, darf davon ausgegangen werden, daß mindestens ein Drittel der an den Bars arbeitenden Frauen mit ihrer Tätigkeit versucht, ihre Kinder zu ernähren und aufzuziehen. Nicht bekannt ist freilich der Prozentsatz jener, die an einer Bar arbeiten, weil sie ihre Eltern oder Geschwister unterstützen, was hier als eine heilige Pflicht angesehen wird..
Hiervon kommen viele nach Angaben der UNICEF, die hierüber eine ausführliche Studie durchgeführt hat, aus Dörfern, in denen es zur Tradition gehört, die Töchter zum Gelderwerb ins horizontale Gewerbe zu schicken. Ferner ist es nicht nur vom Geburtsort, sondern von der Mentalität oder dem Charakter der Eltern abhängig, was ihre Tochter zu tun hat. Eines der obersten Gesetze in der staatlichen als auch der familiären Erziehung lautet, die Eltern zu ehren, ihnen untertan zu sein und zu gehorchen, ihnen zu dienen und sie zu versorgen. Dies gilt für die Zeit ihres Lebens und nicht nur bis zum Tag der Volljährigkeit der Kinder.
Sexualität gilt in Thailand als normal und ist nicht mit Begriffen wie Todsünde oder Fegefeuer verbunden. Berufliche Sexualität gilt nur als ‘niedere Arbeit’ und genießt ein ebenso geringes Ansehen, wie etwa Putzarbeiten, was aber durch die Vorführung eines guten Einkommens mit kostbarem Schmuck ausgeglichen werden kann. Wer bei einer niederen Arbeit gut verdient, gilt als ein geschickter Geschäftsmann und wird ebenso respektiert, wie jeder andere in Thailand, der Geld und damit Macht hat.
Da es in Thailand sehr viele Arme, eine sehr geringe Schulbildung und wenig Arbeit gibt, ist es verständlich, daß viele Frauen gar nichts anderes tun können, als Wäsche zu waschen, auf dem Feld oder in einer Bar zu arbeiten. Arbeit auf dem Land findet sich kaum und ernährt genausowenig wie Wäsche waschen. Bleibt nur die Bar übrig.
Manche Frauen könnten vielleicht etwas anderes tun. Aber es fehlen die Informationen. Eingeengt in einem kleinen Dorf haben viele Frauen keine Vorstellungen von den Arbeitsmöglichkeiten und den Fortbildungsmöglichkeiten in einer Stadt. Sie wissen nur, sie können in einer Bar arbeiten. Selbstverständlich arbeiten alle Frauen in einer Bar, weil sie Geld verdienen wollen. Als Nymphomaninnen könnten die Mädchen schönere und bessere Männer finden, als ausgerechnet Ausländer, die an einer Bar hängen. Schauen Sie sich die doch einmal selbst an. Die meisten sind schon etwas älter und haben den Status des ‘Vollschlanken’ bereits seit längerer Zeit überschritten. Das heißt dann nicht mehr ‘schön’ und ist mit Sicherheit keine Figur, nach der sich eine Nymphomanin sehnt.
Frauen arbeiten nicht an den Bars, weil dort Ausländer sind, sondern weil dort gut bezahlt wird. Viele Thai können es sich nicht leisten, an eine Bar zu gehen und eine Frau mitzunehmen, und die, die es sich leisten können, bevorzugen Restaurants, weil sie die im Freundeskreis besuchen und für gemütlicher halten, als eine Theke.
Außerdem kommt es auch darauf an, wieviel Geld eine Frau sucht. Viele sind zufrieden, wenn sie genug für ihren Lebensunterhalt, zum Unterhalt der Familie oder der Kinder haben. So, wie andere Arbeiter auch, die mit einem guten Lohn zufrieden sind.
Selbstverständlich gibt es auch Frauen und Männer, die nach Pattaya kommen, um Leute auszunehmen und zu betrügen, so, wie das in jedem Urlaubsressort und jeder Touristenhochburg auch ist. Aber niemand ist verpflichtet, sich betrügen zu lassen. Dazu ist es sinnvoll, in der Realität zu bleiben und nicht in Fantasien einzutauchen. Unter den Frauen an Pattayas Bars läßt sich bestimmt eine nette Freundin finden, mit der man eine schöne Zeit verbringen kann. Man muß nicht von vornherein glauben, sie sei eine Verbrecherin oder eine Fee. Doch diese Hinweise waren sachlich, deshalb geht dieser Artikel im Grunde genommen bisher an dem eigentlichen Problem vorbei, denn das ist gar nicht sachlich.
In Europa leben viele Menschen, die unzufrieden sind, weil sie nicht genug Beachtung finden, sie leben als Subalterne, als untergeordnete Befehlsempfänger und Duckmäuse. Um ihren Lebensunterhalt nicht zu gefährden, müssen sie den Mund halten und wenn sie die Faust in der Tasche ballen, dann müssen sie aufpassen, daß es niemand sieht. Diesen Druck und die aufgestauten Aggressionen müssen sie irgendwann einmal loswerden. Deutsche Frauen sind dazu nur in den seltensten Fällen geeignet, sie geben sogar Widerworte, greifen gerne zu dem amerikanischen Mittel der ‘Prohibition’, was hier Verhinderung heißt und sich nicht nur auf Alkohol bezieht, und beherrschen in krassen Fällen auch den Zaubertrick des spurlosen Verschwindens. So bleibt nur das Fußballspiel am Wochenende, um sich abzureagieren. Aber das aufgestaute Adrenalin baut sich noch nicht einmal ab, wenn man seinen Sportsgeist in der frisch gebügelten Vereinstracht vor dem Glotzophon zeigt und Bier trinkt.
Etwas größeres, als ein Sonntag muß her. Ein Urlaub. Möglichst in ein südliches, warmes Land, wo man größer und reicher, also wichtig ist, wo es Eisbein mit Sauerkraut gibt, sowie internationale Hotels mit Klimaanlage und möglichst hübsche Mädchen, die auf einen stattlichen Farang warten. Hier kann man sich dann so richtig von der Arbeit, dem Streß und der Unterdrückung erholen. Und die Sau ‘rauslassen. Da man ja als berühmter Weißer mit Zivilisation und Kultur dorthin fährt, um endlich einmal größer, bedeutender und besser zu sein, wird man sofort alle Informationen sammeln, die besagen, daß die ‘Eingeborenen’ schlechter sind, dümmer, ungeschickter, krimineller, denn damit ist man ja selbst automatisch viel besser, und das Bedürfnis, endlich einmal besser zu sein, als andere, hat sich seit vielen Monaten, ja vielleicht das ganze Leben lang angesammelt, und schießt nun mit hohem Druck an die Oberfläche.
Die geeigneten Mittel, besser zu sein, sind Verallgemeinerungen und eine biegsame Wahrheit. Besonders beliebt ist die Verallgemeinerung, eine bei einer Person einmal gesehene oder von einer einzelnen Person berichtete Handlung auf 62 Millionen Menschen hochzurechnen. Der Vorgang ist einfach: Ein Gast bestellt: „Beer Leo“. Nun sagt man aber für „Beer, reo“ (schnell ein Bier) in der allgemein üblichen inkorrekten Umgangssprache auch „Beer Gesperrter-Doppelaccount“ und an der Bar gibt’s kein Leo Bier. Das Mädchen bringt also schnell ein Singha Bier, das meistgetrunkene. Das erlaubt dem geschätzten Gast außerordentlich tiefe Einblicke in das Wesen der Thai und das Erlebnis, unendlich besser zu sein: „Die sind alle doof, die Thai. Ich hab’ ihr doch gesagt, ich will ein Leo Bier und da bringt die mir Singha. Die sind doch alle doof.“
Sein Kumpel beschwichtigt ihn: „Die können doch nicht lesen. Die kommen doch hier alle aus der Provinz“, weiß er und vermutet: „Da ha’m sie keine Schulen.“ Der Freund nimmt das als Fakt und ist beruhigt: „Ja, dann können die auch gar nicht lesen, wenn es hier keine Schulen gibt.“ Er ist nicht stolz darauf, wie er es kunstvoll geschafft hat, aus einem falsch gebrachten Bier den Beweis für eine Nation voller Analphabeten hervorzuzaubern. Das merkt er gar nicht. Er ist stolz, ein großer Mensch, ein Weiser zu sein, aus der herrschenden Rasse der viel bewunderten Weißen, ein großer Schriftgelehrter in einem Volk voller unzivilisierter Analphabeten. Genau dieses Gefühl hatte er nötig. Und der Transsexuelle, der einem zahlungsunwilligen Kunden eine Flasche über den Schädel schlägt, ist ein gerngehörter Beweis dafür, daß 62 Millionen Thailänder unheimlich brutal sind. Man wird bestimmt weitere Beweise finden. Hierbei hilft die internationale Presse.
Zwar behaupte ich gerne, daß viele Reporter nicht recht gescheit seien, aber sie sind auch nicht unbedingt dumm, sie schreiben, was der Leser ohnehin weiß und am liebsten hört, und für Sensationen wird besonders gut bezahlt. Die schafft man schnell, wenn man eine ohnehin flexible Wahrheit etwas biegt. Ich möchte das hier an einem frei erfundenen Muster für erfolgreiche Berichterstattung belegen:
„Lebensgefahr für ausländische Touristen in Bangkok. Während der vergangenen Nacht wurde die Hälfte aller Urlauber eines europäischen Inselstaates getötet, die andere Hälfte wurde in einer Nacht- und Nebelaktion in die Verließe der Polizei gesperrt!“ So könnte eine anschauliche Sensationsmeldung aussehen, die der vollen Wahrheit entspricht, die dabei nur leicht gebogen wurde. Man kann sich das Geschehen bildhaft vorstellen: Mannschaftswagen rasen mit Heerscharen von Soldaten mit Sturmanzügen und schwarzen Masken durch Bangkok. Die Männer treiben alle Engländer aus Bars und Restaurants zusammen und erschießen sie noch auf der Straße. Polizeikommandos holen Engländer aus Hotels, Apartments, Guesthouses und ihren Wohnungen. Sie werden sofort auf Lastwagen gepfercht, wer sich widersetzt oder zu fliehen versucht, wird erschossen. Ein erschütternd grausame Sensation, die sich sofort herumspricht. Englische Freunde und Bekannte werden angerufen und gewarnt, sie sind nicht erreichbar. Nun ruft man deutsche Freunde und die Botschaft an, um zu erfahren, ob Thailand auch gegen deutsche Touristen vorgehen wird und vielleicht alle Ausländer umbringen will, wie es ja ähnlich in der Geschichte Thailands schon einmal passiert ist.
Wenn der Artikel auf der Titelseite steht, wird die Zeitung innerhalb weniger Stunden trotz erhöhter Auflage vergriffen sein. Falls dann aller-dings vielleicht auf Seite dreizehn die Schilderung des Tathergangs stehen sollte, macht sich bei verschiedenen Lesern sicher eine gelinde Enttäuschung breit. Da könnte dann stehen:
Nachdem Inga Th. (46) und Thor P. (52) ihren Abend mit ausgiebigen Barbesuchen beenden wollten, bemerkte Thor, daß er schwankte und nicht mehr gehen konnte. Er bat seinen Freund, den Mietwagen zu holen und wollte auf der Straße auf ihn warten. Als Inga mit dem Wagen kam und seinen Freund sah, wollte er ihn erschrecken und trat aufs Gaspedal, doch dann verfehlte er die Bremse. Thor war auf der Stelle tot. Inga wurde verhaftet und zur Polizeistation gebracht.
Es entspricht also alles der Wahrheit. Da Inga und Thor gerade die einzigen Touristen aus Grönland waren, wurden also 50 Prozent der Touristen dieses Inselstaates getötet und die anderen 50 Prozent kamen ins Gefängnis. Das ist nicht gelogen, nur die Wahrheit wurde leicht gebogen und der Inhalt etwas aufgebauscht..
Thailand ist das Land der Freien. Jedem Menschen, der sich in diesem Königreich aufhält, ob Staatsangehöriger, Einwohner oder Tourist, ist es völlig freigestellt, sich alle Informationen, Fernsehsendungen, Zeitungsartikel, Augenzeugenberichte und sogar vertrauliche Mitteilungen von Freunden an einer Bar, selbst zu überlegen.
Nur, daß alle thailändischen Frauen darauf scharf sind, mit einem Ausländer ins Bett zu gehen und noch nicht einmal Geld dafür haben wollen, das stimmt, das kann ich selbst bezeugen, denn das habe ich selbst einmal erlebt. Jetzt versuche ich nur noch zu verstehen, warum mir das in den letzten 19 Jahren nicht mehr passiert ist, wo es doch hier so viele Frauen gibt. Ich finde das nämlich sehr schade.
Leider habe ich Gad (Dr. Günter Manfred Gad Labudda) nie persönlich kennengelernt, wir waren vor seinem Tod
in einem regen E-mail Austausch und hatten uns schon auf ein Treffen gefreut. Ich kam eine Woche zu spät nach Pattaya.
Aber er lebt weiter in seinen vielen Geschichten, die viel mehr als Geschichten sind ...