Corona in Tansania
Corona hat fast allen von uns den Urlaub versaut. Ein Lustkiller, aber nicht unbedingt die “Deadly-Disease” zu der sie in Ländern wie Kenia gemacht wird. Die Übertreibungen mögen dazu dienen, die Vorsicht bei den Menschen zu erhöhen. In Afrika ist die Bevölkerung sehr jung. Nur 2-3% sind über 65 Jahre alt. Bei unter 50- bzw. 60jährigen Personen ist ein Infektionsverlauf mit Covid-19 meist moderat, oft sogar asymptomatisch und sehr selten tödlich. Prozentual werden in Afrika weniger infizierte Menschen sterben, als bisher in Europa oder den USA. Darauf deuten auch aktuelle Zahlen zur Mortalität hin.
Wegen des recht hohen Ansteckungsrisikos könnten bei einer unkontrollierten Verbreitung in Afrika trotzdem über 100.000 Menschen zu Tode kommen. (Angabe der WHO.) Südafrika (mit 60 Mill. Einwohnern so groß wie Tansania) hat aktuell 11.000 gemeldete Neuinfektionen täglich und etwa 220 Todesfälle. In Kenia sind es täglich inzwischen 620 Infektionen und 8 Todesfälle, bei deutlich steigender Tendenz. (Zahlen jeweils gemittelte 7-Tages-Werte.) Zu beachten ist noch eine schwer bezifferbare Dunkelziffer, da nicht alle Fälle erfasst werden. In beiden Ländern gibt es - anders als in Tansania - noch eine Reihe von Einschränkungen im täglichen Leben. (Z.B. Ausgangssperren.) Quelle
->Südafrika Quelle
->Kenia.
Kein vernünftiger Mensch glaubt, dass Tansania frei von Corona wäre, nur weil es der Präsident verkündet hat. Eine Zeit lang wird es wohl gelingen, im Land das Thema klein zu halten. Ohne ausreichende Schutzmaßnahmen wird sich Corona aber weiter ausbreiten und dann kommt der Punkt, wo es nicht mehr zu verbergen ist. Das könnte der Fall sein, wenn die Krankenhäuser voll sind und sich die Leichen stapeln. (Viele von uns haben die Bergamo-Bilder noch im Kopf.)
Versuch einer Prognose
Beruflich hatte ich mich kürzlich mit einigen Risikoszenarien im Zusammenhang mit SARS-Cov-2 beschäftigen müssen. Deshalb versuche ich mich mal an Tansania, weil ich ja selbst gerade über meinen nächsten Afrika-Trip nachdenke. Ein wichtiger Aspekt bei einer Projektion ist, dass in Afrika weit weniger infizierte Menschen eine Behandlung im Krankenhaus benötigen und dass die Mortalität (Sterberate) verhältnismäßig gering ist. (In Deutschland liegt der Alters-Mittelwert/Median bei über 80 Jahren.) In vielen Fälle haben Patienten mit einem schweren Covid-19 Verlauf noch andere Erkrankungen, so dass manchmal unklar ist, woran sie tatsächlich verstorben sind. Ohne Tests könnte ein Arzt in Tansania z.B. Lungenentzündung oder Nierenversagen angeben.
Alles gar nicht so schlimm?
Tanzania hospitals overwhelmed by coronavirus - US
Bereits Mitte Mai mutmaßten die US-Botschaft und BBC bezüglich eines Corona-Schreckensszenario mit überfüllten Krankenhäusern in Tansania. Das gab es aber offensichtlich nicht. Vermutlich hatten sie zu sehr den dramatischen Verlauf in ihren eigenen Ländern im Auge. Infektionen sind dagegen in Afrika etwas Vertrautes. Krankheiten wie Malaria, AIDS und andere fordern da hunderttausende Menschenleben. Zudem weisen afrikanische Länder bei Corona auch kein exponentielles Wachstum auf, wie es bei uns im März zu beobachten war. Trotzdem steigen in Afrika kontinuierlich die Infektionen. In der Summe haben sich allein im letzten Monat auf 900.000 verdoppelt.
Verglichen mit Kenia hat Tansania bereits im Juni seinen nicht ganz so strengen Lockdown zurückgefahren. Es herrscht fast wieder Normalität. Viele Menschen hatten auch weniger Angst, weil der eigene Präsident die Krankheit schon länger verharmlost hat. Es wurde und wird weniger Infektionsschutz betrieben. Deshalb ist es nicht abwegig anzunehmen, dass die tatsächlichen Fallzahlen heute bereits um den Faktor 5 oder 6 höher als in Kenia liegen. Bedeutet aktuell: 3.400 tägliche Neuinfektionen und ca. 40 Todesfälle. Damit läge Tansania noch unter der Grenze von 50-Neuinfektionen je Woche und 100.000 Einwohner, die in Deutschland für neue Corona-Beschränkungen in den Kreisen gilt. Also bei diesen Annahmen wäre es trotzdem noch nicht sehr dramatisch.
Es wird nicht besser ...
Ohne Eingriffe können sich diese Zahlen in den nächsten 4 Wochen durchaus vervierfachen. Dann werden es auch die Krankenhäuser merken. Wenn von den projizierten 160 Toten im Land täglich etwa 25% auf die Metropole Daressalam entfallen, dann sind das bei ca. 20 Hospitälern je 2 Tote pro Tag. Dazu kommen ein Dutzend Aufnahmen mit schwereren Symptomen. Das ist immer noch keine extrem dramatische Situation wie in Teilen Europas zum Höhepunkt der Epidemie. Im September wäre es aber vorbei mit dem Wegsehen oder Vertuschen der Probleme. Da könnte sich eine Situation einstellen, wie wir sie aktuell in Südafrika beobachten können - und das dann noch kurz vor den Wahlen in Tansania.
Persönlich glaube ich, dass es den wenigsten Staaten in Afrika gelingt, mit Lockdowns Corona wirklich im Schach zu halten. Die Folgeschäden sind immens und steigen weiter. Statt die Menschen weiter in Panik zu versetzen und zu beschränken, sollten sie besser den Umgang mit dieser neuen Infektion lernen. Ganz so falsch liegt Tansania mit seinem Kurs vielleicht nicht. Aber die Verleugnung der Probleme ist für die Menschen die schwer erkranken keine Lösung. Ohne ehrliche Kommunikation, gelingt es nicht, Personen mit höheren Risiken vor Corona zu schützen.
Jetzt einen Urlaub nach Tansania? Im August ginge es vielleicht noch, aber der September und Oktober wird vermutlich riskant. Ich habe im März selbst erlebt, wie mit wenigen Tagen Vorlauf der Flugverkehr in Kenia eingestellt wurde. Festsitzen in Tansania bei einer sich ausbreitenden Pandemie möchte ich nicht.
Liebe Mods: Sorry für den langen und nicht gerade optimistischen Text. Wenn er hier nicht passt, könnt ihr ihn gegebenenfalls verschieben.