Nachdem ich mich geduscht und frisch gemacht hatte, fühlte ich mich besser. Der Gedanke, Joy nach Bangkok kommen zu lassen, hatte sich mittlerweile manifestiert. Ich würde heute Mittag zusehen, mich aus dem Staub zu machen um mit Joy alles zu besprechen. Eine SMS hatte ich ihr schon geschickt, aber noch keine Antwort bekommen. Ich war mir sicher, dass sie, sobald sie Zeit hatte, mir eine SMS schicken würde. Ich ging mit Mem wieder ins Parrot zum Frühstück. Naja, es war zwar nicht mehr früh, aber es hatte sich entsprechend als solches etabliert wenn wir in Bangkok waren.
Wir frühstückten schweigsam. Mem schien etwas von sich selbst enttäuscht oder gar verärgert zu sein, dass ihr Versuch im Hotel gescheitert war. Ich fragte mich mittlerweile, welcher Art ihre Gefühle für mich waren, die sie so extrem auf Joy reagieren ließen. War es tatsächlich die Besorgnis, dass ich meine Frau und damit auch die Familie wegen einer anderen Frau aufgeben würde. Was sah sie in der Beziehung zwischen mir und Joy. Zugegeben, ich hatte mich ja etwas in Joy verguckt, aber deshalb meine Familie aufzugeben, kam mir einfach nicht in den Sinn. Joy war letztendlich ein kleiner Ausbruch aus der Monotonie des ehelichen Alltags und ich nahm gerne an, was sie mir gab und revanchierte mich damit, dass ich ihr meine ehrlichen Empfindungen zurückgab. Aber vielleicht sah Mem als Frau die Gefühle zwischen mir und Joy etwas deutlicher oder möglicherweise auch nur aus weiblicher Sicht, empfand als Frau und urteilte als solche. Oder waren ihre eigenen Gefühle zu mir tiefer gehend, versetzt mit einer Prise Eifersucht, weshalb ihre Emotionen in Verbindung mit Joy so heftig ausfielen. Ich wusste es nicht. Mir persönlich war klar, dass Joy sich wahrscheinlich sehr schnell umorientieren würde. Dass ihre Empfindungen ehrlicher Natur waren, daran zweifelte ich nicht. Gut, der Eine oder Andere würde es vielleicht einfach als Geheuchel einer Professionellen abtun, die es geschickt verstand, ihre Kunden um den Finger zu wickeln. Aber ich behaupte von mir, ein gutes Verständnis zu den Menschen zu haben und Joy wusste über meine Beziehung zu meiner Familie und auch, dass ich meine Familie nicht aufgeben würde.
So habe ich es auch Mem erklärt, aber entweder glaubte sie mir nicht, oder ihre Beweggründe für ihr Verhalten lagen auf einer anderen emotionalen Ebene.
„You hear from Joy already? When will she come?“
Als würde eine Kommunikation auf einer anderen Ebene, in einer anderen Dimension stattfinden, meldete sich gerade in diesem Moment mein Handy mit dem für den Eingang einer SMS typischen Ton. Die SMS war von Joy, sie kündigte ihre Ankunft für etwa 20 Uhr an. Ich musste innerlich über dieses nahezu perfekte Timing schmunzeln.
„Joy just send an SMS for me. She will arrive at about 8 pm at Ekamei.“
Mem nahm diese Information scheinbar gelassen auf, mir entging aber nicht, dass es in ihr arbeitete.
„Where will she sleep tonight?“
Auf diese Frage hatte ich gewartet.
„Oh, no problem, the bed in our room is big enough for 3 people.“
Ihr Mund öffnete sich und es schien, als würde sie einen Moment um Fassung ringen. Ich genoss für einen kurzen Moment den sichtbaren Erfolg meines Seitenhiebs.
„No, don´t worry, I will rent another room for tonight.“
Mem entspannte sich genauso schnell, wie der Schrecken ob meiner Ankündigung sich in ihrem Gesicht manifestiert hatte.
„Do you wanna join us going out tonight?“
Eigentlich war diese Frage überflüssig.
„No, I leave you alone, enjoy your last night with Joy.“
Mem war gekränkt. Und eigentlich war da Verhalten von mir auch nicht so nett. Es wäre nicht gut, diese negative Spannung, die im Moment zwischen uns anlag, unausgeglichen zu lassen. Nun gut, ich würde noch ein paar Stunden Zeit haben, die Sache zu bereinigen. Ich zahlte die Rechnung und wir verließen das Parrot. Ich fragte Mem, was sie unternehmen wolle.
„Up to you.“
Oh, wie hasste ich dieses Statement, das so typisch Thai war.
„What do you think about MBK?“
Ich wusste, dass die Aussicht auf einen kleinen Bummel durch das MBK eine Stimmungswendung herbeiführen würde. Das MBK war ein beliebter Treffpunk der Jugend Bangkoks und natürlich auch Ziel der vielen Touristen auf der Jagd nach vermeintlich günstigen Souvenirs und Schnäppchen. Es wurde fast die komplette Palette dessen abgedeckt, von Telekommunikation über Unterhaltungselektronik bis hin zu Sachen des täglichen Bedarfs war hier fast alles zu bekommen. Zahlreiche Restaurants und Spas sorgten für das leibliche Wohl. Mem war einverstanden. Wir liefen bis zur Sukhumvit Road und von dort noch die paar hundert Meter zur Sky Train Station Asoke. Von der Station bis zum MBK waren es nur ein paar Stationen bis Siam, dort würden wir dann noch einmal wechseln um bis zum National Stadium zu fahren. Dieser Kreuzungspunk der beiden Sky Train Linien war mittlerweile gut ausgebaut. Mann konnte von Siam direkt über den Sky Walk hoch über der belebten Kreuzung hinweg bis ins Tokyo Center laufen. Oder man führ noch die eine Station bis zum National Stadium. Wir entschlossen uns für die zweite Variante. Es war Samstag und der Sky Train war gut gefüllt, allerdings nicht so extrem wie zur Rush Hour an einem normalen Wochentag.