Schweizer Flugpassagiere hegen schon lange den Verdacht, dass sie bei Lufthansa-Airlines einen Schweiz-Zuschlag bezahlen müssen. Nun scheint das Meilensammelprogramm Miles & More die Praxis zu bestätigen.
Moritz Kaufmann
07.06.2025, 21.45 Uhr 4 min
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Der Lufthansa-Konzern verdient Millionen mit Schweizer Kunden.
Imago
Der Preis eines Flugtickets setzt sich aus vielen verschiedenen Komponenten zusammen: Kerosin-Zuschlag, Flughafentaxen, Sicherheitszuschlag.
Aber kommt da auch noch ein Schweiz-Zuschlag obendrauf?
Der Verdacht, dass die hohe Kaufkraft der reisefreudigen Schweizer Bevölkerung von Fluggesellschaften abgeschöpft wird, ist alt. Flugpassagiere nerven sich, wenn eine Direktverbindung ab Zürich deutlich mehr kostet als ab München. Auch aus der Reisebürobranche ist dieser Vorwurf immer wieder zu hören, wenn auch hinter vorgehaltener Hand.
Denn die Mutmassung ist schwer zu beweisen. Flugpreise sind hochdynamisch und kaum direkt vergleichbar.
Doch nun gibt es einen neuen, starken Hinweis: Das Meilenprogramm Miles & More der Lufthansa, dem auch die Swiss angeschlossen ist, schröpft Passagiere, die von einem Schweizer Flughafen abheben wollen. Das lässt sich seit dieser Woche nachweisen. Am 3. Juni hat das beliebte Bonusprogramm sein System für sogenannte Meilenflüge umgestellt.
Bisher hatten Meilenflüge bei Miles & More einen fixen Preis. Zum Beispiel: Ein Flug nach Nordamerika in der Businessklasse kostete pro Richtung pauschal 56 000 Flugmeilen – unabhängig davon, ob man ab Zürich mit der Swiss oder ab Frankfurt mit der Lufthansa flog.
Doch seit dem 3. Juni funktioniert das Miles-&-More-Prämiensystem dynamisch – analog zum Ticketingsystem. Jetzt hängt es von Faktoren wie Destination, Zeit und Abflughafen ab, wie viele Meilen ein Sammler für einen Flug «zahlen» muss.
Auffällig: «Für fast alle Flüge mit Abflughafen in der Schweiz
zahlen Meilensammler für Miles-&-More-Flüge deutlich mehr als im deutschsprachigen Ausland oder ab Frankreich und Italien», sagt Moritz Lindner, der Gründer und CEO des auf Luxusreisen spezialisierten Onlineportals Reisetopia.
Dabei spielt es keine Rolle, ob man ab Basel, Genf oder Zürich fliegt. Oder ob man bei der Swiss einen Direkt- beziehungsweise bei der Lufthansa einen Umsteigeflug bucht.
Ein Beispiel: Ein Ticket in der Businessclass nach Hongkong kostet einen Sammler ab Zürich oder ab Basel 86 810 Meilen. Fliegt man dieselbe Destination ab Stuttgart oder Köln an, muss man aber nur 52 304 Meilen gesammelt haben.
Für Schweizer Meilensammler ist das nicht sehr erfreulich», sagt Moritz Lindner. Er kennt alle Tricks und Kniffs des Meilensammelns und teilt sein Wissen in Blogbeiträgen. Das neue System von Miles & More hat er penibel durchleuchtet.
Die Logik dahinter sei relativ einfach: «Dort, wo die Lufthansa-Gruppe hohe Verfügbarkeiten und entsprechend tiefe Preise für reguläre Flugtickets hat, sind auch die Meilenflüge günstig. Umgekehrt sind sie teuer. Aus der Schweiz heraus sind nun mal die meisten Flüge teurer als ab anderen Flughäfen», sagt Moritz Lindner.
Günstig Businessclass fliegen
Flugmeilen kann man auf ganz unterschiedliche Weise sammeln: Indem man viel mit Lufthansa-Airlines – darunter sind die Swiss, die Austrian Airlines oder die ITA – unterwegs ist. Indem man mit Kreditkarten zahlt, die sich dem Programm angeschlossen haben. Oder auch, indem man die Coop-Superpunkte – ebenfalls ein Bonusprogramm – in Flugmeilen umwandelt. Gemäss Coop ist dies «sehr beliebt».
Wer genug Meilen beisammenhat, kann diese gegen alles Mögliche eintauschen. Etwa Sprüngli-Truffes, Parfums oder Flughafenlounges.
Besonders beliebt sind aber Flüge in der Businessklasse. Denn: Meilensammeln macht dieses sonst teure Erlebnis erschwinglich. In der Schweiz sammeln laut Miles & More 2,2 Millionen Menschen Flugmeilen. Die Swiss teilt mit, dass rund ein Drittel ihrer Passagiere aktive Meilensammler seien.
Die Miles & More GmbH ist eine hochprofitable Geschäftseinheit des Lufthansa-Konzerns. Vergangenes Jahr machte sie einen Gewinn von 185 Millionen Euro. Die Umstellung des Preissystems vom vergangenen Dienstag war in der Meilensammler-Community mit Spannung erwartet worden.
Die Begründung für die hohen «Meilenpreise» ab der Schweiz bei Miles & More lässt aufhorchen. Auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» heisst es: «Die Kaufkraft und somit das Preisniveau sind in den jeweiligen Märkten sehr unterschiedlich. Da der Markt Schweiz im Vergleich zu Deutschland hochpreisiger ist, spiegelt sich dies auch in den Ticketpreisen der Airline wider.»
Miles & More bestätigt, dass sie keine eigenen Preise setzt, sondern sich an den echten Ticketpreisen orientiert: «Niedrige Meilenwerte spiegeln günstige Ticketpreise der Airlines wider.»
Mit anderen Worten: Nicht nur Schweizer Meilensammler werden stärker zur Kasse gebeten, sondern auch alle anderen Passagiere, die eine Reise mit einer Lufthansa-Airline ab einem Schweizer Flughafen buchen.
Aber ist das nun ein Eingeständnis, dass es den Schweiz-Zuschlag gibt?
Die Swiss jedenfalls will nichts Verwerfliches erkennen, sondern verweist auf die dynamischen Prozesse hinter der Preisgestaltung. «Die Preisniveaus in den verschiedenen Märkten bestanden schon vor der Umstellung von Miles & More. Sie spiegeln Faktoren wie Kaufkraft, Nachfrage oder auch regulatorische Rahmenbedingungen wider.»
Swiss ist hochprofitabel
Ein Sprecher der Airline streitet ab, dass für Schweizer Passagiere ein höherer Basispreis gelte, und sagt, dass sich die Preise auch wieder ändern könnten. Zudem verweist die Airline auf die höheren Produktionskosten in der Schweiz.
Fakt ist aber auch, dass die Lufthansa mit keiner anderen Kundengruppe so gut verdient wie mit Swiss-Passagieren. Der Gewinn von 684 Millionen Franken war vergangenes Jahr zweieinhalbmal so hoch wie der von allen anderen Lufthansa-Fluggesellschaften kombiniert – und dies trotz hohen Kosten hierzulande.
Die Crux: Das sogenannte «Revenue Management», mit dem die Airlines die Preise festlegen, findet hinter verschlossenen Türen statt. Selbst Branchenkenner durchschauen die komplizierten Prozesse nicht immer. Immerhin räumt die Lufthansa nun aber ein, dass die hohe Schweizer Kaufkraft einen Einfluss auf die Preisgestaltung hat.
Verboten ist das freilich nicht. Unternehmen versuchen ständig, ihre Preise genau so hoch anzusetzen, dass die Kunden gerade noch bereit sind, sie zu zahlen. Aus Konsumentensicht ist es dennoch ärgerlich, wenn man ständig das Gefühl hat, für die gleiche Leistung mehr bezahlen zu müssen.
Der Meilen-Experte Moritz Lindner von Reisetopia weiss jedoch, wie man das umgehen kann: «Schweizer Meilensammlern empfehlen wir, Angebote im grenznahen Ausland anzuschauen. Ab Stuttgart oder Mailand kann man zum Beispiel die gleichen Destinationen für deutlich weniger Meilen anfliegen.»
Und was für Meilensammler gilt, funktioniert für normale Passagiere natürlich auch.