John griff Wilmas Einwand auf.
„Es wäre wirklich besser für Sie, Pattaya etwas weniger ernsthaft zu sehen. Was ich von Ihnen im Moment mitbekomme und erfahren habe, auch zwischen den Zeilen, ist, dass Ihr Aufenthalt in Pattaya wohl weniger dem Vergnügen dient. Sie waren beide verheiratet!“
John formulierte es so, dass es für Christel und Wilma als Feststellung ankam, er wusste ja, dass dem so war. Christel war verblüfft, ein solches Statement hatte sie nicht erwartet. Von dem Wissensvorsprung Johns und Neils hatte sie ja keinerlei Kenntnis.
„Wie kommen Sie darauf?
„Nun, jeder, der etwas genauer hinschaut, wird dies sehr schnell erkennen. Ihre Freundin Wilma trägt beispielsweise eine Kette mit einem Ehering um den Hals.“
John bekam mit, wie Wilma in einem Reflex versuchte, ihre Kette mit der Hand zu verbergen.
„Und Sie haben den Ring vom Finger genommen und an den Ringfinger der anderen Hand gelegt. Eigentlich würde das ja bedeuten, dass Sie verlobt sind. Aber warum sollte eine Verlobte ohne Mann nach Pattaya kommen. Noch riskanter wäre es, mit dem Verlobten hierhin zu kommen.“
Auch Christel fühlte sich ertappt und versuchte ebenfalls in einem Reflex den Ring zu verbergen.
„Wieso meinen Sie, dass es für ein verlobtes Paar riskant wäre, nach Pattaya zu kommen?“
„Schauen Sie sich um, schauen Sie sich die Mädchen hier an und werfen sie dann, ich will Ihnen jetzt nicht zu nahe treten, einen objektiven Blick in den Spiegel. Das dürfte Ihnen, wenn sie nicht gänzlich von sich selbst eingenommen sind, die Augen öffnen und Ihre Frage beantworten. Wir haben selbst hier schon viele Ehen zerbrechen sehen und auch viele Paare kennengelernt, bei denen es nach dem Urlaub nicht mehr zu einer Bindung gekommen ist.“
Eigentlich wollte Christel auf Johns Anspielung auf ihr Erscheinungsbild eine harsche Erwiderung abgeben. Aber seine Anspielung auf zerbrochene Ehen löste eine unangenehme Resonanz in ihr aus und sie zog es vor, zu schweigen.
„Sie sind hier, weil Sie beide ihre Männer an Mädchen aus Thailand verloren haben. Das haben Sie bis heute nicht verkraftet. Was also wollen Sie hier?“
In John war wieder der Offizier durchgekommen. Seine letzte Äußerung war scharf formuliert und die Frage schnitt wie ein Katana durch die Luft. Wilma atmete tief durch, aber in Christel rumorte es. Es kam selten vor, dass jemand in ihr las wie in einem offenen Buch und ihr das noch so unverblümt sagte. Sie war kurz vor dem Überkochen. Sowohl Neil als auch John hatten recht schnell erkannt, wo sie ansetzen mussten und welche der beiden Frauen besonders empfindlich auf gewisse Reizthemen reagierte. In diesem Fall war es Christel und in gewisser Weise hatte Wilma ihnen ob ihres beherzten Verhaltens eine gewisse Achtung abgenötigt. Wilma schien sich im Gegensatz zu Christel im Griff zu haben und Christels Reaktion war für John und Neil absehbar.
„Wir wollen, dass sich die Mädchen hier einmal klar darüber werden, was sie tun und wofür sie sich hergeben müssen!“
Neil hatte zwar mit einer Antwort in diese Richtung gerechnet, war aber doch überrascht, mit welcher Ernsthaftigkeit und Überzeugung Christel ihr Statement abgab. Aber es spiegelte auch gleichzeitig diese von den Medien in Deutschland und wahrscheinlich nicht nur dort verbreitete Sichtweise wieder, die so überhaupt nichts mit der Realität zu tun hatte. Diese extrem verzerrte Wahrnehmung Thailands war aber nicht nur typisch für diese beiden Schicksen, die ihnen gegenübersaßen, sondern auch weitverbreitet unter den zumeist dümmlichen Primaten aus aller Herren Länder, die hier den Larry raushängen ließen, durch teilweise maßlose Überheblichkeit zu glänzen versuchten und in ihrer Heimat zumeist zu dämlich waren, ein Loch in den Schnee zu pissen. Bei manchen Gesellen wunderte sich Neil, wie die es überhaupt geschafft hatten, einen Flug zu buchen. Und dann schlugen sie hier in Pattaya auf und fühlten sich den in ihren Augen dummen und ungebildeten Mädchen haushoch überlegen. In der Tat war es bei einem großen Teil der Mädchen nicht weit her mit der Bildung, aber dumm waren sie nicht.
Die mangelnde Bildung fällt zumeist zurück auf die Eltern, die es nicht für notwendig erachteten, ihre Sprösslinge mehr als nur die 6 Jahre Dorfschule besuchen zu lassen. Häufig lag es ganz einfach aber auch an den mangelnden, finanziellen Möglichkeiten, die den Jugendlichen die Chance auf Weiterbildung verbauten. Und dumm waren diese Mädchen mit Sicherheit nicht. In Jahrhunderten hatte das Patriarchat in Thailand ihr Verhalten geformt, die Art, sich gegenüber ihren männlichen Mitmenschen zu verhalten, es hatte sich in das Volksgedächtnis eingeprägt. Und so empfingen die Meisten, die nach Thailand kamen und sich auf ein hiesiges Mädchen einließen etwas, was sie in dieser Form nicht kannten und in ihrem Land noch nie bekommen hatten. Die Selbstverständlichkeit, mit der ihnen dies von einem Mädchen, das sie ja letztendlich auch dafür bezahlten, gegeben wurde, reichte in der Regel aus, logisches Denken, die Differenzierung, sprich, den gesunden Menschenverstand, auszuschalten. Und schon waren sie einem Mädchen verfallen. Und zumeist verstand es das Mädchen dann auch, diesen Vorteil für sich zu nutzen. Um das ganze dann noch zu krönen, folgte in der Regel die obligatorische Einladung zu einem Familienbesuch. Zwar wussten die meisten Mädchen nichts über die Lebensumstände in Europa, aber sie waren sich der Wirkung auf ihre Opfer bewusst, wenn die erst einmal die Umstände gesehen hatten, unter denen ihr Mädchen aufgewachsen war und deren Eltern und Geschwister immer noch lebten. Spätestens nach diesem Besuch fühlte sich der arme Trottel in die Rolle des edlen Ritters befördert, dessen einziges Ansinnen es war, seine Mädchen aus der Rolle des Aschenputtels zu retten und zur Prinzessin zu krönen. Aber es gab natürlich auch noch die anderen Fälle, die viele Mädchen in ein persönliches Glück zu führen schien, die es geschafft hatten, dass sie einen Farang ehelichten. Dem Großteil aller Touristen, die nach Pattaya kamen, blieben diese Hintergründe allerdings verschlossen. Und diese beiden Teutoninnen gehörten mit Sicherheit auch dazu.