Gai und Malee hatten über lange Zeit ihr Geld in Pattaya verdient. Sie hatten es sich angewöhnt, zu zweit zu arbeiten, hielten entsprechend nach Farang Ausschau, die ihren Urlaub ebenfalls zusammen verbrachten. Es klappte zwar nicht immer aber sie entwickelten ein Gespür dafür, wenn sie auf solche Duos stießen. Irgendwann hatten sie einmal Glück als sie zwei Männer aus Deutschland kennengelernt hatten, die ebenso aneinander gebunden waren wie sie selbst auch. Es entwickelte sich ein intensivere Beziehung unter ihnen und so kam es, dass sie mit gerade mal Mitte Zwanzig in den Genuss kamen, ihr Land einmal zu verlassen und Deutschland zu besuchen. Die Beziehungen intensivierten sich und ihr dritter Besuch in Deutschland erfolgte dann gleich für ein Jahr. Die beiden Deutschen sponserten ihnen einen Bildungsurlaub und bekamen so ein spezielles Jahresvisum. Zwar mussten sie dann in Deutschland die Schulbank drücken und es war ihnen vergönnt, andere Länder in Europa zu bereisen da ihr Visum ein nationales war. Sowohl Gai als auch Malee erwiesen sich als gute Schüler mit einer besonderen Auffassungsgabe was das Erlernen einer fremden Sprache anging. Das Jahr war allerdings schnell vorbei und sie flogen zusammen mit ihren Freunden zurück nach Thailand und verbrachten dort den gemeinsamen Urlaub. Ihre Beziehungen hatten sich intensiviert und es stand im Raum, für immer zusammenzubleiben.
Die entsprechenden Papiere sollten im Januar 2005 zusammengestellt sein. Gai und Malee befanden sich in Kong Chiam, ihe Freunde waren Mitte Dezember über Phuket nach Thailand gekommen, wollten sich den Süden noch etwas ansehen um sich dann noch vor Neujahr in Bangkok zu treffen. Die Schreckensmeldung von dem verheerenden Unglück in Thailands Süden erreichte sie mit den Nachrichten. Sie wussten über den Urlaub ihrer Verlobten auf Phuket Bescheid. Es vergingen ein paar Wochen der Ungewissheit aber dann bekamen sie die schreckliche Meldung der Eltern ihrer Verlobten aus Deutschland, dass beide bei dem Tsunami ihr Leben verloren hatte. Beide, Gai und Malee benötigten einige Monate, den Verlust zweier geliebter Menschen mit denen sie die Zukunft verbringen wollten, zu überwinden. Am ersten Todestag fanden sie sich auf Phuket ein, gingen in einen Tempel um Tam Boon, eine gute Tat, zu vollbringen.
Beide hatten danach wieder zu ihrer alten Stärke zurückgefunden, aber vergessen würden sie nie. Sie hatten kurzfristig mit dem Gedanken gespielt, auf Phuket zu verweilen und dort zu arbeiten, aber die Nähe zu dem Ort, an dem sie ihre Geliebten verloren hatten, machte es ihnen unmöglich. Sie reisten nach Pattaya zurück, mieteten sich ein kleines Zimmer an und beschlossen in der Hoffnung, dass Buddha ihnen wohlgesonnen sei, einen neuen Anfang zu machen. Es folgte eine lange und beschwerliche Zeit und es schien ihnen so, als würden die Farang, die Pattaya bevölkerten, mit jedem Jahr dümmer und primitiver. Sie teilten die Betten mit netten Jungens und alten Herren, gaben ihnen, was sie zu geben in der Lage waren, verhielten sich zumeist korrekt und ihre Art zahlte sich auf Dauer aus.
Vor ein paar Jahren führte sie der Zufall mit John und Neil zusammen. Sie waren auf der Walking Street unterwegs, als ein paar betrunkenen, in Schlabbershirts und Shorts gekleidete Dumpfbacken glaubten, sie seien Freiwild und man könnte ihnen einfach so im Vorbeigehen an Brust und Po greifen. Gai, die die Betroffene war, fackelte und überlegte auch nicht lange und reagierte fast schon in einem Reflex und es knallte schallend, als sie dem Rüpel die flache Hand heftig auf die Wange schlug. Der Betrunkene schaute erstaunt und ihm kam in den Sinn, seinen Freunden jetzt beweisen zu müssen, dass keine Frau ihn so einfach schlagen durfte. Er hob seine Faust zum Schlag, als er urplötzlich einknickte, als jemand von hinten gegen sein Standbein in die Kniekehle trat. Zwei in weißen Baumwollanzügen gekleidete Herren erschienen in Gais Blickfeld. Mit ihren ebenfalls weißen Hüten und Spazierstöcken wirkten sie im ersten Moment etwas anachronistisch.
„My friend, I would appreciate if you just leave now!“
Der Betrunkene ignorierte die Worte, wollte diese Schmach einfach nicht auf sich sitzen lassen, sprang unsicher auf und wollte sich auf sein Gegenüber stürzen. Seine Freunde näherten sich ebenfalls in bedrohlicher Manier und sie ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, was ihre Absicht war. Die beiden Weißgekleideten beobachteten alles scheinbar mit einer Ruhe und Gelassenheit, als warteten sie auf einen soeben bestellten Tee. Instinktiv spürte Gai, dass mit diesen Beiden nicht zu spaßen war.
Der Typ, der Gai angefasst hatte, holte zum Schlag aus. Gai vermochte den Bewegungen des Mannes, der den Betrunkenen das Standbein weggetreten hatte, kaum zu folgen. In einer kreisenden Bewegung sauste der Stock durch die Luft und traf die zum Schlag bereite Hand des Betrunkenen direkt auf den Knöchel. Der schrie vor Schmerz laut auf, war nicht mehr in der Lage, seine Attacke fortzuführen. Seine beiden Kumpels, die ebenfalls hatten mitmischen wollen, wurden von dem anderen Herrn auf ähnlich schmerzvolle Art gestoppt. Die Spitze seines Stocks traf den Einen heftig in den Solar Plexus. Seine freie Hand stieß blitzschnell auf den zweiten sich nähernden Gegner zu und die Fingerspitzen trafen ihn genau auf die empfindliche Stelle zwischen Nase und Oberlippe. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert und drei wimmernde Gestalten wälzten sich auf dem Boden
„Ladies, we are very sorry for any inconvenience. Would you be so nice to join us?“
Gai und Malee brauchten nicht lange zu überlegen und sie verließen eingehakt bei den beiden ‚Gentlemen’ den Ort des Geschehens. So hatte seinerzeit ihre Beziehung zu John und Neil ihren Anfang genommen.