Wilma bemerkte Hasso zuerst. Gegenüber den Vortagen kam er heute recht spät. Nun gut, heute war Sonntag und dem trug sie Rechnung.
"Guten Morgen die Damen! Wie geht es Ihnen heute trotz der widrigen Umstände?"
Hasso fiel auf, dass Christel scheinbar nachdenklich an der Wand saß und den Kopf gesenkt hatte. Wilma schien durchweg lebendiger und kam sofort zu ihm um ihn ebenfalls zu begrüßen.
"Was ist mit ihrer Freundin? Sie sieht ziemlich fertig aus."
"Nun, wie soll ich es sagen? Gestern hatten wir Besuch in der Nachbarzelle, ein Deutscher, der wohl durch ein paar widrige Umstände eine Nacht hier verbringen durfte. Irgendwie hat es zwischen uns gefunkt und wir, lassen sie es mich so sagen, hatten ein wenig Kurzweil. Christel hat das wohl kurz bevor wir fertig waren mitbekommen und einen Aufstand gemacht. Deshalb sind wir etwas aneinander geraten. Lassen sie es dabei, ich denke mal, dass ich das im Griff habe."
Hasso musste sich bei dem Gedanken, dass Wilma in dieser Umgebung mit einem Mithäftling gebumst hatte, schmunzeln. Andrerseits war es auch ein Indiz dafür, dass Wilma wohl wesentlich flexibler und auch stärker als Christel schien, in einer solchen Umgebung und unter solchen Umständen an Sex zu denken.
Hasso hatte wieder ein paar Kleinigkeiten eingekauft und reichte Wilma die Plastiktüte, die sie dankbar annahm.
"Herr Botschafter, ich habe mir ein paar Gedanken zu unserer Situation gemacht. Glauben sie, dass es möglich wäre, uns hier, sagen wir mal gegen eine kleine Aufmerksamkeit, herauszuholen? Wir sind doch in Thailand und mir ist zu Ohren gekommen, dass hier wohl einige Leute, auch Offizielle, durchaus nicht abgeneigt sind, einen solchen Obolus anzunehmen."
Hasso war im ersten Moment überrascht, dass Wilma genau das Thema zur Sprache brachte, das er heute anschneiden wollte. Wilmas Vorschlag machte die Sache wesentlich einfacher für ihn, ersparte es ihm doch die ganzen Ausführungen zu diesem Thema. Es lief alles besser als er gedacht hatte.
Christel hatte sich nun ebenfalls aufgerafft und kam zu ihm herüber und begrüßte ihn.
"Nun, das wäre natürlich eine Möglichkeit. Sie haben Recht, wir sind in Thailand. Aber Korruption ist etwas, mit dem man sehr vorsichtig umgehen muss. Zwar ist sie nach wie vor Alltag in Thailand, aber gerade in den letzten Jahren auch mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerutscht. Und da muss sehr vorsichtig agiert werden und es wird mit Sicherheit auch seinen Preis haben."
"Bitte, Herr Botschafter, ich will hier raus, ich will die Sonne sehen und frische Luft atmen. Ich bin unschuldig!"
Hasso spürte die Verzweiflung in Christels Worten und am Klang ihrer Stimme. Es würde wohl einfach sein, Wilma hier rauszuholen. Die Polizei hatte durchaus mehr Befugnisse und Möglichkeiten als in Deutschland. Was in Deutschland eigentlich ein Fall für die Judikative ist, konnte in Thailand noch im Bereich der Exekutive erledigt werden. Offiziell würde ein Bußgeld verhängt und der Verstoß wäre auf diese Art und Weise geahndet. Unter dem Tisch würden ein paar Braune den Besitzer wechseln, sozusagen als Anreiz und Anerkennung dafür, dass der Wunsch des Gebers darin bestand, die Sache auf dem kleinen Dienstweg zu erledigen. Für Christel sah die Sache wegen des Drogenfundes allerdings ganz anders aus. Sie würde definitiv vor Gericht gestellt werden, zwar glimpflich davonkommen, aber das wusste Christel nicht und sollte sie auch nicht wissen.
"Okay, ich werde etwas versuchen, kann Ihnen aber keine Erfolgsgarantie geben und ich muss behutsam vorgehen. Wissen Sie eigentlich, in welche Lage Sie mich jetzt gebracht haben? Ich habe Ansehen und das stelle ich im Moment aufs Spiel!"
Hasso wusste natürlich, dass er im Moment dummes Zeug redete. Aber es war mit Sicherheit nicht verkehrt, den Beiden unter die Nase zu reiben, dass er ein nicht unerhebliches Risiko einging. Es würde sich aus seiner Sich positiv auf den Preis auswirken.
"Ich verspreche Ihnen, dass ich es heute versuchen werde. Ich kann aber nicht garantieren, Sie beide hier rauszuholen. Für Sie, Christel, sieht die Sachlage wegen der Drogen auch wenn Sie unschuldig sind, wesentlich prekärer aus. Das Einzige, was ich für Sie tun kann, ist, zu versuchen, ein Urteil für Sie positiv zu beeinflussen. Für Sie, Wilma, dürfte es wesentlich einfacher werden. Ich hoffe, dass ich bereits heute am Nachmittag Ergebnisse erzielt haben werde. Ich werde auf jeden Fall noch einmal vorbeikommen."
Hasso verabschiedete sich von den beiden Frauen und verließ den Zellentrakt. Mit dem Diensthabenden hatte er schon öfters zu tun gehabt, man kannte sich und wusste auch, was man voneinander zu halten und zu erwarten hatte. Zwar konnte es man nicht unbedingt Freundschaft nennen, es war eher ein Bindung zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen. Nach dem Austausch einiger Förmlichkeiten kam Hasso zum Thema. Er wusste um die Schwäche seines Gegenübers für einen guten Whisky und Hasso hatte noch einige Flaschen Jack Daniels in seinem Bestand. Er wusste aber auch, dass er behutsam vorgehen musste, das Gespräch so steuern, dass es seinem Gegenüber nahezu eine Verpflichtung sein musste, sich für das großzügige Geschenk erkenntlich zeigen zu dürfen. Jedes andere Vorgehen, auch wenn sie sich locker kannten, hatte die Gefahr einer Ablehnung beinhaltet. Aber Hasso hatte ein gutes Gefühl für solcherart Umgänge entwickelt und nach knapp 20 Minuten freute sich der Diensthabende über eine große Flasche Jack Daniels und einem kleinen Geldgeschenk in Form eines braunen Scheines vorab, sozusagen als Gewährleistung für die Lieferung der Flasche, die er unmöglich hier in der Station überreichen konnte.
Hasso hatte ausgemacht, gegen 16 Uhr wieder vor Ort zu sein. Christel würde sich dann in der unangenehmen Lage befinden, die nächsten Nächte alleine überstehen zu müssen. Für den Fall, dass Wilma ablehnen würde, hatte er schon ein paar schlagende Argumente, derer sie sich nicht würde entziehen können.
Es lief besser als er gedacht hatte. Es war kurz vor Zwölf und Hasso würde die Beiden etwa 3 Stunden schmoren lassen bevor er sie trennen würde. Er machte sich auf den Weg zu Chris und Benny und erstattete ihnen Bericht.
"Hasso, das hast du genial gemacht. Wir können uns glücklich schätzen, dass du über so gute Beziehungen verfügst."
Chris überreichte Hasso einen großen Briefumschlag.
"Hasso, unsere Mädchen waren fleißig, sie haben ihre Unterlagen für ihre Visa-Anträge zusammengestellt. Sei bitte so nett und schaue mal drüber. Wir denken und hoffen, dass es mit den Anträgen keine Probleme geben wird. Die Buchungen und Krankenversicherungen kannst du ja übernehmen."
"Nett, dass ihr an mich denkt und mich mit Arbeit eindeckt!"
Benny guckte Hasso etwas schief an, begriff aber dann sehr schnell, dass er ins Boxhorn gejagt worden ist. Alle drei lachten, hatten allen Grund dazu, denn ihr Plan lief wie am Schnürchen.