Gegen 11 Uhr trafen sich Chris und Som mit Benny und Aeow zum Frühstück. Chris hatte zuvor gecheckt, ob ihre Ex-Frauen noch schliefen. Nach dem gestrigen Abend, dem Jet Lag und dem übermäßigen Alkoholgenuss rechnete er nicht damit, dass sie vor 13 Uhr aufwachen würden. Ihr weiteres Vorgehen würde sich ganz nach den geplanten Aktionen der Beiden richten.
Nach dem ausgiebigen Frühstück gingen sie zusammen auf das Zimmer von Chris. Er hatte die Laptops nicht runtergefahren sondern die Screens mit einem Bildschirmschoner gesichert um sie vor den neugierigen Blicken der Zimmermädchen sicher zu wissen. Es ging ja sonst niemanden etwas an, was sie hier so trieben. Chris aktivierte die Bildschirme. Sie kamen gerade rechtzeitig. Christel duschte bereits und Wilma wälzte sich gerade aus dem Bett und verschwand ebenfalls unter der Dusche. Es dauerte noch fast eine geschlagene Stunde, bis die Beiden sich zurecht gemacht hatten. Wilma verließ als erste ihr Zimmer, klopfte kurz bei Christel an. Christel verließ das Zimmer ebenfalls. Die beiden Frauen auf ihrem Zimmer zu überwachen, war der einfache Teil ihre Mission. Schwieriger wurde es, wenn sie unterwegs sein würden. Aber da konnten sie sich auf John und Neil verlassen. Die hatten zugesagt, sich dieses Parts anzunehmen. Sie waren recht begierig darauf, endlich tätig werden zu können, versprach es doch ein wenig mehr Abwechslung in ihrem Leben, als sie es gewohnt waren. Benny hatte sie bereits angerufen und sie informiert, dass sie das Hotel wohl gleich verlassen würden. Chris und Benny hatten ausgemacht, dass sie den beiden Frauen die ersten ein oder zwei Tage noch Freiraum geben würden, damit sie sich einen groben Überblick über Pattaya verschaffen konnten. Erst danach würden sie beginnen ihre Fäden zu spinnen und die Regie übernehmen. Khun Somsak rief Chris an und sagte, dass die beiden Frauen gerade ihr Frühstück zu sich genommen hätten und nun das Hotel verlassen würden. Sie hatten sich nach dem Weg zum Strand erkundigt.
Christel und Wilma hatten sich ein gutes Frühstück gegönnt, es hatte ihnen bis auf den Kaffee gut gemundet.
„Wie ist dein Plan, Christel? Was machen wir heute den ganzen Tag?“
„Heute werden wir erst einmal die Lage sondieren. Das machen wir während eines ausgedehnten Spaziergangs. Ich möchte auch gerne mal den Strand von diesem ‚Seebad’ sehen.“
Das Wort ‚Seebad’ betonte sie auf eigenartige Weise, womit sie hervorheben wollte, dass sie von einem Seebad eine komplett andere Vorstellung hatte. Und damit lag sie ja bezüglich Pattaya gar nicht mal so arg daneben.
„Ich frage mal an der Rezeption nach, wie wir am besten an den Strand kommen.“
Christel tat wie angekündigt und nachdem sie mit ihrem mageren Schulenglisch den Weg erfragt hatte, verließen sie das Hotel. Dem jungen Thai, der locker hinter ihnen her spazierte, schenkten sie keine Beachtung; falls er ihnen überhaupt aufgefallen war. Vom Hotel zum Strand war der Weg recht einfach, man musste ja nur einmal nach rechts und einmal nach links abbiegen. Nach einem Fußmarsch von knapp 15 Minuten standen Christel und Wilma am Strand. Sie waren ziemlich enttäuscht von dem schmalen Sandstreifen, der zudem noch bis fast an die Wasserlinie mit Liegestühlen zugepflastert war. Christel fühlte sich wieder einmal in ihrer vorgefassten Meinung zu diesem Seebad bestätigt.
„Alles nur Lug und Trug, was sich hier abspielt.“
Wilma ließ dies unkommentiert stehen. Sie war eins mit Christels Meinung. Sie waren über die Pattaya Klang an den Beach gelangt und wandten sich nach links.
„Also wie ein Zentrum für Sex-Touristen sieht es hier wirklich nicht aus.“
Das Statement kam von Christel, aber wahrscheinlich nur deshalb, weil eine Kolonne von vier großen Reisbussen ihnen bei der Passage der Soi 7 und Soi 8 den Blick auf die Bars versperrte. Dass sie dabei wohl auf gänzlich andere Art mit wahrscheinlich begehrlichen Hintergedanken von den Japanern, die in den Bussen eingepfercht waren, angegafft wurden, fiel ihnen nicht auf. Ebenso wenig, wie der unscheinbare Thai, der die beiden aus sicherer Entfernung mit einem TeGesperrter-Doppelaccountbjektiv fotografierte.
Sie spazierten die Beach Road entlang in Richtung Walking Street. Wäre ihnen auch nur ansatzweise bewusst, dass sie sich über den auch als Coconut Bar bekanten größten Straßenstrich der Welt bewegten, hätten sie sich wahrscheinlich augenblicklich in Luft auflösen wollen um diesem Ort zu entkommen. Sie erreichten den Abschnitt gegenüber dem Royal Garden und hier war das Treiben an der Beach Road etwas geschäftiger. Viele Paare, meist Europäer vielleicht Mitte 40 bis Anfang 50 mit thailändischen Frauen im mittleren Alter kreuzten ihren Weg.
„Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so viele Europäer gibt, die eine thailändische Frau haben.“
Christel beobachtete, während sie dieses Statement brachte, gerade ein solches Paar, das in der Tat miteinander an ihnen vorbei spazierte, wie sie es nur von verheirateten Paaren in Deutschland kannte. Beide erschraken, als sie von zwei leger gekleideten Männern etwa um die Mitte 40 angesprochen wurden.
„Hi, you seem to be new here in Pattaya. Where are you from?“
Christel war so überrascht durch diese unverhoffte, direkte Ansprache, dass sie instinktiv antwortete und ihre Worte vom Verstand ungefiltert über ihre Lippen kamen.
„We are from Germany.“
Christel hätte sich am liebsten vor Wut auf die Zunge gebissen. Sie ließ sich ungern derart überrumpeln.
„Dann können wir uns ja auf Deutsch unterhalten. Wir sind ebenfalls aus Deutschland und managen ein Show-Etablissement. Hättet ihr nicht Lust, es einmal zu besuchen?“
In Christel brach ob der vertraulichen Anrede sofort die Emanze durch.
„Wir haben Ihnen noch nicht das Du angeboten. Wahren Sie bitte den nötigen persönlichen Abstand!“
„Entschuldigen Sie bitte, aber hier in Pattaya ist eine solche Anrede einfach Gang und Gäbe.“
Weder Christel noch Wilma fielen auf, dass eine wie sonst übliche, emotionale Reaktion auf eine solche Abfuhr bei den Beiden ausblieb und die Antwort recht prompt kam. Aus irgendeinem Grund scheint die Kritikfähigkeit ausgeschaltet zu sein, wenn Deutsche im fernen Ausland auf Deutsche treffen. Und genau das hat viele Urlauber schon viel Geld gekostet.
Christel quittierte die Entschuldigung mit einem grimmigen Gesichtsausdruck, nickte leicht mit dem Kopf.
„Warum haben sie uns angesprochen? Ich hoffe, Sie haben einen triftigen Grund dafür!“
„Wie schon gesagt, wir managen ein Etablissement, in dem Shows aufgeführt werden. Und unser Ansinnen ist es, offensichtlichen Neuankömmlingen in Pattaya ein spezielles Angebot zu machen.“
Christel hatte die Wortführung übernommen und Wilma verhielt sich passiv.
„Wie kommen Sie eigentlich zu der Annahme, dass wir gerade erst angekommen sind?“
„Das ist nun wirklich einfach zu erkennen. Erst einmal laufen Sie hier noch ziemlich zugeknöpft rum, und zweitens…“
„Was fällt ihnen eigentlich ein, uns hier als zugeknöpft zu bezeichnen? Meinen sie etwa, dass wir hier so rumlaufen werden wie diese halb ausgezogenen Mädchen, die sich Hinz und Kunz anbieten? Was glauben Sie eigentlich wer wir sind? Wir sind zwei gestandene, emanzipierte Frauen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen!“
Christel hatte sich in Rage geredet und wenn dem so war, dann war es auch schier unmöglich, sie zu bremsen. Ihren Spitznamen ‚Kampf-Emanze’ trug sie in ihren Kreisen nicht zu Unrecht. So aufgewühlt wie Christel war, entging ihr das verdächtige Zucken in den Mundwinkeln ihrer Gegenüber.
Christel atmete heftig durch und spürte Wilmas Hand auf ihrer Schulter.
„Christel, jetzt lass sie doch erst einmal sagen, was sie überhaupt wollen!“
Wilma besaß nicht diese Aggressivität, die Christel zueigen war. Sie stand zwar voll hinter Christels Einstellung, war aber in ihrem Verhalten eher zurückhaltend und gemäßigt. Und manchmal, war es notwendig, dass sie beschwichtigend auf sie einwirkte, so wie jetzt.
„Was ist denn mit dem ‚und zweitens’?“
Die beiden Männer schienen sich wieder im Griff zu haben, ihr Wortführer nahm den gereichten Strohalm auf.
„Nun, und zweitens sehen Sie beide noch so blass aus, dass entweder die Vermutung zutrifft, dass sie sich nur im Nachtleben Pattayas herumtreiben oder halt gerade erst angekommen sind.“
Christel war so sehr verhaftet in ihrer Rolle als streitbare Emanze, dass sie überhaupt nicht merkte, dass dies eine reine Provokation war. Wieder legte Wilma beruhigend die Hand auf Christels Schulter und reagierte, bevor Christel etwas sagen konnte.
„Wir sind in der Tat erst gestern angekommen, und so nebenbei bemerkt: Wir treiben uns nicht rum! Was also ist ihr Ansinnen?“
„Wir möchten Ihnen ein paar Coupons anbieten. Wenn sie diese Coupons bei der Getränkebestellung abgeben, bekommen Sie pro Getränk 20% Discount. Wir wären sogar bereit, Ihnen für unsere formalen Entgleisungen 6 Coupons zu geben. Normalerweise geben wir pro Person nur 2 Coupons ab. Ist das ein Angebot?“
Christel fühlte sich, wie hätte es anders sein können, in ihrer Ehre gekränkt, dachte bei sich, diesen Möchtegern-Machos würde sie es schon zeigen. Wenn, dann sollten sie nicht so billig davonkommen. Sie hob beide Hände mit gespreizten Fingern.
„Wenn Sie uns schon eine Entschuldigung in dieser Art anbieten, dann sollten es mindestens 10 Coupons sein!“
Die beiden Männer machten fast synchron einen recht zerknirschten Eindruck.
„Sie sind wirklich zäh. Aber nun gut, Sie sind Landsleute von uns, und aus diesem Grund werde ich in den sauren Apfel beißen.“
Wieder entging beiden dieses verräterische Zucken in den Mundwinkeln der Männer. Sein Co griff in die Hosentasche und er hatte ein Bündel Scheine in der Hand. Er zählte jeweils 5 Coupons ab und überreichte sie den beiden Frauen mit einer großzügigen Geste.