China China 19??

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        #31  

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Nicht nur Deine Hotelerlebnisse sind in der Tat schon "hammerhart". Ich habe Chinesen vor allem in Thailand und am APT HKG erleben müssen und mir mein Teil über ihre Manieren und Style gedacht; viele Thais übrigens dto...

Meinst Du, wenn Du heute diese Tour wiederholen würdest, würdest Du diese Umgangsformen immer noch finden?
 
        #32  

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Member hat gesagt:
Nicht nur Deine Hotelerlebnisse sind in der Tat schon "hammerhart". Ich habe Chinesen vor allem in Thailand und am APT HKG erleben müssen und mir mein Teil über ihre Manieren und Style gedacht; viele Thais übrigens dto...

Meinst Du, wenn Du heute diese Tour wiederholen würdest, würdest Du diese Umgangsformen immer noch finden?
Inzwischen überschwemmen sie ja die touristischen Highlights der Welt.
Wie sie dabei als Gäste auftreten, ist nicht immer korrekt und oft sehr unangenehm.
In China selbst soll sich inzwischen ja einiges zum Besseren gewandelt haben.

Wir werden uns an sie gewöhnen müssen. Als zukünftige Supermacht Nr.1 werden sie auch immer reicher werden. Selbst wenn es nur ein kleiner Prozentsatz von Menschen ist, die sich das Reisen leisten können, werden sie doch die meisten Touristen auf der Welt sein.

Ich bewundere sie, wie sie es mit ihrem Fleiß schaffen, sich auch außerhalb der VRC in kurzer Zeit hochzuarbeiten. Z.B. sind fast alle meine Ärzte Chinesen. Auch die Shops sind in meiner Gegend alle in ihrer Hand.

Es gibt in D und auch in der ganzen EU so gut wie keine Chinesen, die dem Staat etwa als mittellose Asylanten auf der Tasche liegen. Sind sie einmal im Land, egal wie sie auch eingewandert sind, bringen sie es überall rasch zu Reichtum und Wohlstand
 
        #33  

Member

Teil 6

In Peking war das ausgewählte 1*-Hotel dann ganz dicht am Stadtzentrum und lag nahe einer Haltestelle, wo uralte Oberleitungsbusse verkehrten. Außerdem gab es mehrere Shops, wo man Fahrräder mieten konnte.
Die Rezeption wirkte noch recht feudal, dann wurde es Etage für Etage immer mieser, aber auch billiger. In den unteren 2 Etagen wohnten meistens nur Chinesische Familien.
Ab der 3. Etage praktisch nur Backpacker. Wir waren also in bester Gesellschaft.

Ich erinnere mich noch an ein Café, wo man im Freien direkt am Bürgersteig sitzen konnte. Ob dieses zum Hotel gehörte, weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls war es hier sehr gemütlich. Manche wohnten schon mehrere Wochen hier. Jeden Abend saßen wir bei einem oder drei Bier zusammen und erfuhren so auch immer das Neuste.

Einer gab einmal von sich: “Habt ihr schon bemerkt, dass es in den Unterführungen keine Bettler mehr gibt? Die wurden letzte Woche alle eingesammelt und vermutlich zu Seife verarbeitet. Gerade ist nämlich eine Olympische Delegation in der Stadt, die dann später die nächsten Spiele vergibt. Da machen sich Bettler nicht so gut.

Am nächsten Tag mieteten wir 3 Fahrräder und fuhren zu einem Antiquitäten-Laden, wo wir unsere Tickets für den Zug nach Ulan Bator (Mongolei) abholen konnten. Diese wurden von unserem Reisebüro in D schon Monate vorher bestellt. Der Ladenbesitzer, dessen Geschäftspartner, hatte sie gekauft und für uns aufbewahrt.

Viele Touris hatten ebenfalls den Traum, mit dem Zug nach Europa zurückzufahren, wurden aber immer auf den schweinisch teuren Transsib verwiesen. Für einen ganz normalen Zug war die Buchung in Peking für Langnasen praktisch schon von der Zeit her unmöglich.

Ich will auch hier nicht groß auf die Sehenswürdigkeiten eingehen, da sie jeder kennt. Natürlich waren wir in der Verbotenen Stadt, dem Mittelpunkt der Erde, machten mit dem Bus einen Ausflug zu Großen Mauer usw. usw. Wir besuchten das Mao-Mausoleum, wo der Große Vorsitzende seine letzte (Un-) Ruhe gefunden hat. Es pilgerten ja täglich Tausende an seinem Glassarg vorbei. Meine Tochter fand ihn übermäßig geschminkt wie eine Nutte.

Bis auf die Mauer und den Sommerpalast konnten wir alles mit den Fahrrädern abwickeln. Diese waren sehr schwer, machten einen stabilen Eindruck, waren aber von lausiger Qualität. Wenn ich einmal kräftig in die Pedale trat, war sofort das Tretlager futsch. Praktisch gaben wir sie jeden Abend mit irgendeinem Schaden zurück.

Wenn wir zu Fuß in der Innenstadt waren und auf die Toilette mussten, brauchten wir nur mal mit der Nase in alle Richtungen zu schnuppern. Aus welcher es dann am widerlichsten stank, war auch die nächste öffentliche Toilette.
Zum Reinscheißen waren mehrere Löcher mit dem Durchmesser einer Waschschüssel. Trotzdem war drum herum der ganze Boden verschissen und eine braune Spur war bis zum Gehsteig zu sehen. Ging man mit heruntergelassener Hose in die Hocke, musste man aufpassen, dass nicht der Gürtel oder irgendwas in der Scheiße hing, oder dass man selber draufkackte. Während dem Scheißen musste man den Anblick ertragen, wie beim Vordermann die Kacke aus dem Arschloch quoll. Zudem wurde man noch angefurzt. Dann konnte man sich in einer Ecke, mit einem verschmierten Schlauch, die Furche kärchern. Es stank so dermaßen nach Ammoniak, dass bei mir die Tränen hervorquollen und es beim Atmen in der Lunge stach.

Zum Glück musste ich nur 2 x zu so einem furchtbaren Ort. Meine Gretel, die in jedem Urlaub entweder Verstopfung oder die Scheißerei hatte, dagegen laufend. Kam einer von uns zurück, so checkten die anderen, ob nicht irgendwo ein brauner “Streifschuss“ zu sehen war, oder ob sich irgendwo etwas angeheftet hatte. Die Hände stanken noch nach Scheiße, die an dem Wasserschlauch hing und mussten dann mit nassen Erfrischungstüchern gereinigt werden.

Als mir einmal ein Chinese stolz rüberbringen wollte, dass seine Kultur schon überragend war, als die Europäer noch als Affen im Urwald saßen, musste ich ihm sagen, dass die Chinesen aber beim Scheißen auf der Stufe der Urmenschen zurückgeblieben sind.

Gerade war die aktuelle Damenmode Hotpants, wo 2 Strapse unten herausschauten, an denen dann bewusst viel zu kurze Strümpfe befestigt wurden. Auf den Werbefotos der Kleider-Shops sah das dann richtig sexy aus. Da die Durchschnitts-Chinesinnen aber durchweg fast alle krumme Rollschinken (oft noch viel zu fette) als Beine hatten (haben), sah das wirklich abstoßend aus. Oft hatten diese Strümpfe auch noch Gelbtöne, dass dann auch sexy Beine wie die faden Gelbwürste aussahen, die früher in den Metzgereien an den Wandhaken hingen.

Ich bin ja sowieso kein Freund von Damenstrümpfen, geschweige denn noch von Strumpfhosen, wo Man(n) beim Fingern von einem Zwickel ausgebremst wird. Bei mir muss der Schritt frei sein!

Unvergessen wird mir der Ausflug zum Sommerpalast bleiben, der etwas außerhalb liegt. Wir erreichten ihn mit einem uralten Oberleitungsbus.
Der Sommerpalast war sehr sehenswert. Ob er nun noch möbliert, oder völlig ausgebeint wie die meisten Gebäude hier war, weiß ich nicht mehr. Der Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt ist ja fast vollkommen leer. Die Truppen von Tschiang Kai-schek haben bei ihrer Flucht alles mit nach Taiwan genommen, wo ich es im Palastmuseum in Taipeh schon früher besichtigen konnte – schade, denn an seinem ehemaligen Platz hätte es besser gewirkt.

Wir sind dann durch den Garten auf einem überdachten Weg, der immer wieder von einem Tee-Pavillon unterbrochen wurde, zu einem See spaziert. An diesen Pavillons setzten sich die Chinesischen Besucher zur Lunchzeit nieder und verspeisten ihren mitgebrachten Proviant.
Meine Tochter sagte dann irgendwann: “Paps, bitte lass uns schnell weitergehen, sonst muss ich kotzen!“
Tatsächlich war das hier die ekeligste Fresserei, die ich je gesehen habe.
Es wurde geschmatzt, unter den Tisch gespuckt, gerülpst, der Schleim hochgezogen und damit gesabbert und gerotzelt. Die Alten nahmen dann ihr Gebiss aus dem Maul, reinigten es mit dem Taschentuch und spülten es mit Wasser aus der Flasche ab.

Der Leser wird sich nun fragen, warum tut sich der Glupperer so etwas an. Er sieht ja immer nur das Negative. Soll er doch zuhause bleiben!
Nein – so ist das nicht! Ich habe auf meinen Reisen überwiegend Schönes gesehen. Aber warum soll ich nur von irgendwelchen Höhepunkten berichten, die jeder in einem Kultur-Reiseführer selbst nachlesen kann.
Wichtig ist doch der Ablauf der Reise und auch da interessiert nicht nur, wie toll das Hotel war, wie gut das Essen, wie bequem der Bus, wie zuvorkommend die Leute usw. Das kann jeder in den Urlaubsprospekten der Reiseveranstalter nachlesen, wo natürlich nichts über Negatives steht, dass es im Urlaubsland eben auch gibt.
Wenn ich nun mal geballt über Negatives berichte, war das in diesem Land, nebst unheimlich viel Positivem, eben auch der Fall und ich will es nicht verschweigen. Ich bitte dafür um Verständnis!
Trotzdem will ich keine meiner Reisen missen, auch wenn ich schon mit der Knarre am Kopf beraubt wurde, 4 Monate auf Leben und Tod im KH lag, den gelben oder grünen Fluss in der Harnröhre hatte, bei Fliegeralarm im Keller saß, oder oder oder.

Jedenfalls gab es auch sehr freundliche und hilfsbereite Chinesen, jede Menge touristische Höhepunkte, beeindruckende monumentale Bauwerke, vorwiegend leckeres Essen und absolut glückliches Urlaubsfeeling.

Als unsere Zeit dann um war und wir auch alles Geplante besichtigt hatten, begleitete uns unsere Tochter zum Bahnhof, wo der Zug nach Ulan Bator auf uns wartete. Sie selbst flog dann einen Tag später mit SAS über Kopenhagen nach Stuttgart zurück.

Fortsetzung folgt!
 
        #34  

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Teil 7

Diese Zugfahrt von Peking nach Ulan Bator (ca. 1200 km) ist nun auch wieder ein Reiseabschnitt, den ich im Ablauf einfach nicht mehr auf die Reihe kriege. Jedenfalls war ich bis zur Abfahrt dieses Chinesischen Zuges der Meinung, dass dieser ein durchgehender ist. Tatsächlich musste dann aber in einem trostlosen Ort in der Wüste Gobi in einen Russischen umgestiegen werden, scheinbar wegen einer unterschiedlichen Spurbreite.
Einer der Züge war recht komfortabel, der andere weniger.

Am Grenzübergang von der Chinesischen Innerer Mongolei zur selbstständigen Äußeren Mongolei, früher ein Satelliten-Staat der SU, war die Zollkontrolle nur minimal. Im Zug saßen Russen, die auf den Märkten Pekings wie die Wahnsinnigen eingekauft hatten. Einige davon wollten damit bis Moskau. Klar war, dass diese Waren, vorwiegend Textilien, nicht zum Eigenbedarf bestimmt waren. Doch die Mongos ließen sie fast ohne Gepäckkontrolle einreisen und wie wir später mitgekriegt haben, auch nach Russland wieder fast ohne Zollkontrolle ausreisen. Doch davon später.

Eigentlich waren wir die Einzigen, die nicht nur ein Transitvisum für die Mongolei hatten, sondern ein richtiges Touristenvisum. Wir wollten ja 3 Tage einen Stopp Over dort machen.
So wurde mal kurz in unsere Rucksäcke geschaut, unsere Visa abgestempelt und die Hotelreservierung kontrolliert, ohne die es damals kein Visum gab.

Die Russen, Männlein wie Weiblein, waren bis Ulan Bator, wo wir dann ausgestiegen sind, ständig besoffen. Der Zug ging bis Irkutsk und war derselbe im Fahrplan, mit dem wir 3 Tage später weitergefahren sind.

Wir kamen dann irgendwann nachmittags in Ulan Bator an. Was uns sofort aufgefallen ist, hier war es schon scheißkalt. Während wir auf dem Bahnsteig unsere dünnen Windjacken aus den Rucksäcken packten, entdeckte uns auch schon unser gebuchter, noch überraschend junger Guide, auf den wir, wie es sich herausstellte, hier dringend angewiesen waren. Der sprach sehr gut Deutsch und hatte, wie er uns sagte, in der inzwischen untergegangenen DDR studiert. Mein Reisebüro-Betreiber versicherte mir, dass wir uns auf diesen absolut verlassen könnten. Wir wurden auch nicht von ihm enttäuscht!

Sein von mir gebuchter Auftrag war, uns vom Bahnhof abzuholen und dort 3 Tage später wieder abzuliefern. Irgendwelche Ausflüge sollten wir mit ihm persönlich aushandeln und extra bezahlen, weil zum Zeitpunkt meiner Buchung die Preisentwicklung und politische Situation dafür nicht absehbar war. Von ihm erhielten wir dann auch unsere lange vorgebuchten und längst bezahlten Tickets für die Weiterfahrt nach Irkutsk.

Gerade war eine Hungersnot und irgendwo ein Restaurant zu finden, war sehr schwierig. Unser Hotel, das wir mit Halbpension (Breakfast + Dinner) gebucht hatten, konnte nebst dem täglichen dürftigen Not-Frühstück nur einmal auch ein Not-Dinner für uns alleine realisieren. Die Staff war sehr nett und entschuldigte sich laufend für die Unannehmlichkeiten. Die Essensvorräte in den staatlichen Magazinen hätten die Russen gestohlen und mitgenommen wurde behauptet.
Ich zeigte für alles Verständnis.

So fuhr uns unser Guide 2 x abends in ein Restaurant, in dem es gegen Devisen ein kärgliches Essen gab, zu dem wir ihn natürlich eingeladen haben. Teuer war es hier ja nirgends, sofern es überhaupt was zu kaufen gab.

Als Auto fuhr er einen LADA, der noch das Nationalitäten-Kennzeichen DDR trug, das er uns stolz zeigte. Wie er uns sagte, haben ihm Freunde in der DDR in seinem Auftrag 2 Ladas gekauft, als nach der Wende derartige Fahrzeuge billig zu haben waren. Diese ließ er mit der Bahn von Berlin bis nach Ulan Bator schicken. Einen davon hat er dann verkauft. Vom Verkaufserlös konnte er dann seinen, nebst allen Transportkosten bezahlen.

Allerdings war das Autofahren gerade kaum noch möglich. Die wenigen Tankstellen waren geschlossen. Auf den Straßen fehlten fast sämtliche Schachtdeckel. Diese hätten die Russen gestohlen und mitgenommen, wurde behauptet.

Überhaupt war die ganze Infrastruktur zusammengebrochen. Da sich der kleine Mongolische Bruder nach dem Zusammenbruch der SU, nicht mehr von seiner ehemaligen Schutzmacht, die jetzt wieder Russland hieß, weiterbeschützen lassen wollte, wurden alle Russischen Beschützer abgezogen. So funktionierten nach kurzer Zeit kaum noch Kraftwerke, Raffinerien, Fernheizungen usw. Die Ersatzteile hätten die Russen gestohlen und mitgenommen.

Die Plattenbauten, die mich an Halle-Neustadt in Sachsen Anhalt erinnerten, und sicher auch von der damaligen DDR errichtet wurden, konnten somit nicht mehr mit Fernwärme versorgt werden. Dafür ragte jetzt aus jeder Wohnung ein Ofenrohr aus dem Balkonfenster, wo es herausqualmte. Das sah lustig aus, war es aber sicher nicht, weil auch der Nachschub an Brennmaterial zu Ende ging, obwohl der richtige Winter noch gar nicht angefangen hatte.
Bagger und Maschinen für den Kohleabbau hätten die Russen gestohlen und mitgenommen.

In unserem Hotel in dem wir die einzigen Gäste waren, war es saukalt. Die Heizung war abgeschaltet und warmes Wasser gab es auch nicht. Das Duschen wurde zur Folter. So gingen wir immer sofort, wenn wir uns im Hotel aufhielten, ins Bett und mummelten uns in unsere Decken ein. Täglich gab es unangekündigte Stromabschaltungen von mehreren Stunden. Obwohl wir in der 3. Etage wohnten, haben wir es uns deshalb nicht getraut, den Aufzug zu benützen.

Da wir am nächsten Tag alleine die Stadt besichtigen wollten, baten wir unseren Guide, uns ein wenig Geld zu tauschen, damit wir die Fahrt in den Stadtbussen bezahlen konnten. Die Busse hatten die Russen zum Glück nicht gestohlen und mitgenommen. Für einen US$ gab es dann ein ganzes Bündel Scheine, die wir immer dem Schaffner zusteckten, der sich davon dann abgriff, was das Ticket kostete. Abends hatten wir dann noch 2 Drittel der Scheine übrig.

Das Geld glich exakt den alten Sowjetischen Rubel und war in kyrillischen Buchstaben beschriftet. Bald schon sollte es eine Währungsreform geben, wo dann das neue Geld mit den alten Mongolischen Buchstaben beschriftet werden sollte. Obwohl diese nach der langen Sowjetischen Beschützerzeit gar niemand mehr lesen konnte, wollte man sie überall wieder einführen.

Wir fuhren dann zu mehreren Museen, die aber durchweg alle geschlossen waren. Egal – schon die Busfahrten waren ein Erlebnis, wie der Bus dann um die offenen Kanalisationsschächte Slalom fuhr.

Im Zentrum war dann so etwas Ähnliches wie ein “Roter Platz“, natürlich nicht so groß wie der originale in Moskau. Das Mausoleum war eine exakte Copy vom Lenin Mausoleum in Moskau. Es wurde für irgendeinen kommunistischen Staatschef erbaut. Als wir es innen besichtigen wollten, sagte man uns, dass es noch gar nie für die Öffentlichkeit zugänglich war. Unser Guide meinte später grinsend, dass es auch keine Leiche mehr gibt, da diese bei den vielen Stromausfällen angefault war und begraben werden musste.

Am 2. Tag machten wir dann einen Ausflug, für den er einen satten Preis forderte und auch sofort kassierte. Ich weiß heute nicht mehr wie viel, fand es aber etwas überzogen. Warum es so teuer war, wurde mir dann schnell klar. Als er uns nach dem Frühstück abholte, fuhren wir mehrere Privatwohnungen in den Plattenbauten an, wo uns die Leute dann Benzin in Flaschen verkauften. Wie er uns sagte, hätten die alle Zugang zu den Benzin-Vorräten bei ihren Arbeitsstellen, füllten heimlich das Benzin in Flaschen ab und schmuggelten es aus der Fabrik. Dass dieses Benzin dann teuer war, konnte ich nachvollziehen.

Der Ausflug war dann wirklich ein Erlebnis. Wir besuchten ein Jurten Dorf in einer trostlosen Einöde. Das waren noch echte Nomaden, die von der Pferdezucht lebten. Ein paar Kilometer abseits lebte seine “Show-Family“, der er öfters mal Touristen zuführte.
In so einer Jurte, einem grauen Zelt, das von innen besehen riesengroß war, lebte eine komplette Familie: Opa und Oma, 2 Söhne mit ihren Frauen und mindestens 10 Kinder. Die noch gar nicht so alten Frauen waren so dermaßen hässlich, dass ich gar nicht verstehen konnte, wie ein Mann denen auch noch Kinder machen kann.
Das Zelt war oben offen, so dass der Rauch von einem offenen Feuer in der Mitte des Innenraums abziehen konnte. Um dieses herum spielte sich dann auch das komplette Leben ab. Die etwa 100 Pferde, von denen die meisten Stuten waren, die täglich gemolken wurden, waren die Lebensgrundlage dieser Menschen. Aus der Milch wurde haltbare Sauermilch und Käse hergestellt, was von Händlern dann mit LKWs abgeholt und in der Stadt verkauft wurde. Ein alkoholisches Getränk aus der Stutenmilch wurde selber getrunken. Man bot es auch uns zum Kosten an, aber es schmeckte so furchtbar, dass ich es nicht runterschlucken konnte und draußen heimlich ausspucken musste. Anstandshalber kaufte ich einen 5-Liter Plastikkanister davon, vergaß aber dann vorsätzlich, ihn mitzunehmen.

Als man uns dann fragte, ob wir Reiten wollten, lehnten wir ab. Ohne Sattel, nur mit dem Zaumzeug, galoppierte unser Guide dann auf so einem Gaul ein paar Runden um das Lager. “Reiten kann hier jeder“, meinte er, “das haben wir Mongolen im Blut!“

Als ich mir dann vorgestellt habe, unter diesen Umständen in so einer Einöde, in der es im Winter bis zu -50° geben kann, ohne Radio und TV und auch noch ohne “Außendienst“ mit so einer hässlichen Frau leben zu müssen, hat es mich geschaudert.

Zurück in der Stadt zeigte uns unser Guide noch das Jurtendorf, in dem früher fast alle Bewohner der Stadt lebten. Es war immer noch dicht bevölkert.

Da am 3. Tag, an dem auch am späten Nachmittag schon wieder die Abfahrt war, noch etwas Benzin im Tank war, fuhr uns unser Guide zu einem Abstellgleis, wo wir alte abgestellte Dampfloks besichtigen konnten. Ein altes Militärmuseum wurde extra für uns geöffnet. Ein Sowjetischer Panzer vom 2. WK war auch zu sehen, der scheinbar von Mongolischen Soldaten bemannt, bis Berlin an Kampfhandlungen und an verschiedenen Schlachten teilgenommen hatte.

Ich hatte das Gefühl, dass uns unser Guide verzweifelt irgendwelche Sehenswürdigkeiten präsentieren wollte, die es einfach (noch) nicht gab. Inzwischen gibt es eine sehr gute touristische Infrastruktur mit perfekt erschaffenen oder restaurierten Sehenswürdigkeiten, wie mir ein Bekannter, der dieses Land 2020 besucht hat, erzählte. Die Schachtdeckel und all das andere, welches diese bösen bösen Buben angeblich gestohlen und nach Russland mitgenommen haben, sind auch wieder da.
Allerdings ist dieser Bekannte mit dem Flugzeug ein- und ausgereist, was ich einfach nicht als stilgerecht empfinde.

Was mich echt schier umgehauen hat:
Ausgerechnet, als uns unser Guide dann zum Bahnhof fahren wollte, hat meine Gretel das Zimmer vor mir verlassen und ist mit dem Aufzug nach unten gefahren, weil sie ihr Gepäck nicht 3 Etagen nach unten tragen wollte. Als ich das dann mitgekriegt habe, gab es eine schwere Ehetragödie. Hätten wir wegen einem Stromausfall den Zug verpasst, wären wir nur mit dem Flugzeug weitergekommen und dafür musste man die Tickets auch schon lange vorbestellen.
Da gab es dann wieder Böses wie: Man merkt bei dir einfach, dass du kein Abitur hast. Aber du hast doch auch keines! Ja, aber bei mir merkt man es halt nicht so.

Fortsetzung folgt
 
        #35  

Member

Member hat gesagt:
Der Leser wird sich nun fragen, warum tut sich der Glupperer so etwas an. Er sieht ja immer nur das Negative. Soll er doch zuhause bleiben!

Und gerade deine Schilderungen des Negativen machen Deine Berichte so lesenswert und spannend. Ich hoffe, du hast noch viele Storys, die Du mit uns teilen kannst. Vielen Dank!

Member hat gesagt:
Hätten wir wegen einem Stromausfall den Zug verpasst, wären wir nur mit dem Flugzeug weitergekommen und dafür musste man die Tickets auch schon lange vorbestellen.

Vielleicht hatte sie ja darauf spekuliert 😃
 
        #36  

Member

Deine Story vom Sommerpalast erinnert mich an meine Radtour dorthin. Auf der gesamten Fahrt wurde ich von Gruppen von Chinesen verfolgt. Jeder wollte mit mir ein Rennen fahren oder hat an meinen Armhaaren gezupft, ob die echt sind. Als ich dann mal einer Dame an der Brust gezupft habe, brach schallendes Gelächter der Männer aus - aber ich hatte dann meine Ruhe.

Tolle geschilderte Eindrücke. Ja, so war China und es ist noch nicht so lange her.
 
        #37  

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Member hat gesagt:
Ja, so war China und es ist noch nicht so lange her.
Ich kenne heute noch Ecken und dabei meine ich nicht das Landvolk, sondern Millionenmetropole, wo es noch immer so ist.
Du wirst dort angestarrt, Kinder zeigen mit den Fingern nach dir, als wärst du vom Mars gekommen.
Essentechnisch sind Sie schon etwas kultivierter geworden, aber auch nur so lange, wie du als Ausländer am Tisch mit sitzt. Und die Toiletten (Löcher im Boden) sehen tatsächlich noch immer so aus. Kann bis heute dort nur in Hotels normal auf Toilette gehen.

Und doch liebe ich es, weil wie Glupperer schon schrieb:
Member hat gesagt:
Der Leser wird sich nun fragen, warum tut sich der Glupperer so etwas an. Er sieht ja immer nur das Negative. Soll er doch zuhause bleiben!
Nein – so ist das nicht! Ich habe auf meinen Reisen überwiegend Schönes gesehen. Aber warum soll ich nur von irgendwelchen Höhepunkten berichten, die jeder in einem Kultur-Reiseführer selbst nachlesen kann.
Wichtig ist doch der Ablauf der Reise und auch da interessiert nicht nur, wie toll das Hotel war, wie gut das Essen, wie bequem der Bus, wie zuvorkommend die Leute usw. Das kann jeder in den Urlaubsprospekten der Reiseveranstalter nachlesen, wo natürlich nichts über Negatives steht, dass es im Urlaubsland eben auch gibt.
Wenn ich nun mal geballt über Negatives berichte, war das in diesem Land, nebst unheimlich viel Positivem, eben auch der Fall und ich will es nicht verschweigen. Ich bitte dafür um Verständnis!
Trotzdem will ich keine meiner Reisen missen, auch wenn ich schon mit der Knarre am Kopf beraubt wurde, 4 Monate auf Leben und Tod im KH lag, den gelben oder grünen Fluss in der Harnröhre hatte, bei Fliegeralarm im Keller saß, oder oder oder.

Jedenfalls gab es auch sehr freundliche und hilfsbereite Chinesen, jede Menge touristische Höhepunkte, beeindruckende monumentale Bauwerke, vorwiegend leckeres Essen und absolut glückliches Urlaubsfeeling.
 
        #38  

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Teil 8

Zum Abschied gab es für unseren Guide noch einen angemessenen Tip. Wir versprachen, ihn bei unserem Reisebüro lobend zu erwähnen.
Auch nur ein wenig Proviant zu organisieren hatte er nicht geschafft, denn es gab im Zug keinen Speisewagen und bis Irkutsk waren es immerhin fast 900 km. Diese hätten wir zwar in diesem 4-Bett-Abteil auch ohne Proviant absitzen oder liegen können. Was wir jedoch nicht ahnten war, dass der Zug an der Russischen Grenze über 7 Stunden festsaß. So sind wir in Irkutsk dann statt, wie gedacht am Vormittag, erst am frühen Abend angekommen.

Verhungert oder gar auch noch verdurstet, sind wir trotzdem nicht. Etwa 2 Stunden nach der Abfahrt kam ein Russe am Abteil vorbei und fragte mich: Voy dosche Russky? Da wir keine Russen waren, outete ich mich als Nemetsky. Da fing er aus vollem Hals an zu singen: Wolga Wolga, Deutsche Flusse. Tatsächlich sprach er auch ein paar Brocken Deutsch.
Er lud uns ins nächste 2 x 2 Stockbetten-Abteil ein, wo man tagsüber zu zweit auf der unteren Pritsche sitzt, wenn man nicht schlafen will, oder nicht sturzbesoffen ist. Jedenfalls lagen in den 2 oberen Pritschen zwei, die aus vollem Halse schnarchten. Auch am Boden lag ein völlig Betrunkener. Auf den unteren Pritschen saßen insgesamt 6, die bester Laune waren und mir sofort eine Flasche mit Mongolischen Wodka reichten. Meine Gretel war nicht mitgekommen, da sie Angst vor diesen Typen hatte. Ich machte ihnen dann klar, dass ich keinen Schnaps auf halbleerem Magen vertrage. Als sie realisierten, dass wir keinen Proviant dabei hatten, waren sie zutiefst ergriffen. Jeder öffnete seinen Proviantbeutel und wollte mich mit Brot, Speck, Schinken, Käse, Salami, Hühnerschenkel, panierte Schnitzel, harten Eiern usw. abfüttern. Einer kam dann auf den Gedanken, auch meine Gretel zu holen, die sich schließlich überreden ließ und bei einem derartig deftigen Vesper gerne zupackte. Wo die Jungs diese Köstlichkeiten in der Mongolei auftreiben konnten, war mir ein Rätsel.

Alle waren Monteure, die von ihrem Arbeitseinsatz in der Mongolei nach Russland zurückberufen worden waren und sich auf ihre Familien freuten. Ja wie es denn da mit Sex ausgesehen hätte, fragte meine Gretel.
Da kam plötzlich Schwung auf. Jeder wollte irgendeine seiner unzähligen Sex-Stories zum Besten geben. Um es dann genau zu erklären, wurde es mit Leck-, Blas- und Fick-Stellungen untermalt und dazu Orgasmus-Gestöhne imitiert. Kurzum – wir hatten es mit einem Haufen von wahren Sexmonstern zu tun und die Mongolischen Weiber waren die geilsten auf der ganzen Welt.
Als meine Gretel dann fragte, wie viele Babies denn jeder in der Mongolei hinterlassen hat, wurde ein Kondom ausgepackt und auf diesen verwiesen. Schließlich riss einer die Verpackung auf und rollte ihn ab. So einen Pneu hatte ich allerdings noch nie gesehen. Er hatte die Dicke von Gummihandschuhen und sah aus wie der Orthopädischer Stütz-Strumpf eines Thrombose-Kranken.

Als dann die meisten schnarchend übereinanderlagen, schlichen wir in unser Abteil zurück und schliefen ein paar Stunden. Dann kam im Nachbar-Abteil plötzlich wieder Unruhe auf. Es wurden Russische Lieder gesungen bzw. gegrölt.
Als dann einer kam und mich auch dazu bitten wollte, lehnte ich ab. Da kamen 4 Mann und haben mich in ihr Abteil getragen. Es wurde dann mir zu Ehren ein Lied auf Deutsch gesungen. Der Text war so verstümmelt, dass ich kein Wort davon verstand. An der Melodie konnte ich allerdings erkennen, dass es das “Horst Wessel Lied“ war (Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert mit ruhigem festen Tritt).

Dann kam die Grenze. Der Zug hielt an und die Mongolischen Grenzer schauten kurz mal in die Pässe. Darauf ging es ein paar Kilometer weiter und wir waren in Russland. Die Jungs waren plötzlich total ergriffen und haben fast geweint.

Ich habe schon oft erlebt, dass Russen sehr heimatverbunden sind. Als der Flieger einmal aus Asien kommend, kurz vor der Landung in Moskau ein Gebiet mit lauter Datschen überflog, fing mein Nebensitzer zu weinen an. Sagte dann: “Russland gudd, Russland so gudd“. Da habe ich ihn beneidet, weil ich dies von meinem Land nie wieder sagen konnte.

Zuerst kam die Passkontrolle. Damals gab es für uns noch das GUS-Visum (Gemeinschaft unabhängiger Staaten), das für Russland und alle ehemaligen Staaten der SU galt, die diesem Bündnis beigetreten waren. Damit war die Grenzkontrolle für uns mal erledigt.

Russen und Mongolen wurden aufgefordert, sich mit ihrem Gepäck auf den Bahnsteig zu begeben. Da begann dann eine insgesamt 7-stündige Prozedur, bei der jeder seinen gesamten Gepäckinhalt auspacken und auf einen Haufen schichten musste.

Einfuhrzoll in Form von Geld wurde nicht erhoben, da die Mongolen sowieso kein brauchbares Geld dabei hatten und die Russen stets abstritten, welches zu haben. Die Ware wurde begutachtet und geschätzt. Dabei gab es heiße Diskussionen mit den Zöllnern. Schließlich wurde man sich einig, ein Teil der Ware entnommen und als Abgabe für den Russischen Staat sichergestellt.
So ein Zollverfahren habe ich einmal an der Chinesisch (Tibet) /Nepalesischen Grenze erlebt, wo die Nepalesischen Grenzer ebenso verfuhren. Natürlich dauert das und so gingen hier 7 quälende Stunden dahin.

Unsere Jungs waren inzwischen abgefertigt und stürmten einen Kiosk, wo Wodka verkauft wurde. Na endlich wieder Russischen. Tatsächlich wurden 2 Flaschen, noch ehe sie geöffnet waren, als Fakes erkannt. Die Etiketten waren schlechte Copies. Die Flaschen, deren Inhalt nach Aussagen der Jungs nicht ungefährlich war, wurden am Kiosk anstandslos zurückgenommen und gegen echte umgetauscht. Nun ja – man kann’s ja mal probieren. Ich brachte dann zum Spaß rüber, dass man in Deutschland für 5 solcher gefälschten Etiketten, kostenlos einen Blindenhund kriegt.

Irgendwann ging es dann weiter und es war Party bis Irkutsk. Dort verabschiedeten wir uns dann von unseren Jungs, die dort noch mehrere Stunden auf einen Anschlusszug nach Omsk warten mussten.

Hier trafen wir auch unseren neuen Guide, diesmal eine Natascha, die schon seit längerer Zeit am Bahnsteig auf uns wartete.

Fortsetzung folgt


 
        #39  

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Teil 9

Natascha war von Beruf Lehrerin und sprach fast perfekt Deutsch, abgesehen davon, dass sie dabei halt etwas russelte. Sie war geschieden, betrieb aber nebenberuflich mit ihrem Ex-Mann ein kleines Reisebüro. Diesen rief sie dann auch von einem Münztelefon an, worauf er sie mit uns zusammen mit dem Auto abholte und zu ihrer 2-Zimmer-Wohnung brachte.
Dort wohnte sie zusammen mit ihrem etwa 15-jährigen Sohn in einer sogenannten “Chruschtschow-Wohnung“. Diese waren damals sehr beliebt, weil sie qualitativ wesentlich besser waren, als die späteren aus Fertigteilen gebauten.

Wir schliefen hier auf einer Klappcouch im Wohnzimmer, was eigentlich der Schlafplatz ihres Sohnes war, der vorübergehend im Ehebett schlafen musste.

Sie züchtete auch noch Siam-Katzen, von denen es gerade 4 wunderschöne kleine + die Mutterkatze gab. In Ermangelung von Katzenstreu, das man hier gar nicht kannte, war das Katzenklo mit kleingeschnippeltem Papier gefüllt.

Bei ihr hatten wir die Unterkunft mit Breakfast gebucht, dazu noch eine Baikalsee-Exkursion. Sie war auch die Adress-Geberin, weil man damals in Russland nur mit einer Einladung einreisen durfte. Ebenfalls hatte sie schon lange vorher die Tickets für den Zug nach Moskau für uns gekauft.

Auf die Frage nach einem Restaurant nannte sie uns eines um die Ecke, worauf wir sie und ihren Sohn natürlich auch zum Dinner eingeladen haben. Dieses war mir etwas zu üppig und zu fett. Meine Gretel, die aus Ungarn stammte, wo das Essen auch deftig ist, hat es genossen.
Es war gerade die Zeit, wo sie anfing “aus dem Leim zu gehen“ und als ehemals schöne Frau, einen tierischen Arsch nebst säbelkrumme Beine zu kriegen. Aber wir werden ja alle nicht schöner!

Am nächsten Tag besichtigten wir die Stadt auf eigene Faust. Man konnte von der Wohnung bis zum Zentrum alles zu Fuß gehen. Eigentlich ist ja nur der alte Stadtkern mit seinen Holzhäusern interessant.

Ich war bis jetzt immer der Meinung, dass Menschen, die nach Sibirien verbannt wurden, sich irgendwo im ewigen Eis zu Tode arbeiten mussten. Das war aber nicht immer so. Während der Zarenzeit konnten Verbannte ein noch relativ würdiges Leben führen.
Wir besuchten das Dekabristen-Museum wo die Geschichte dieser Verbannten erklärt wurde. Dabei konnten speziell diese meist adeligen Offiziere, sogar ihren Hausrat und falls vorhanden, auch ihre Familie mit in die Verbannung nehmen und auch dort in eigenen Häusern wohnen.
Unter den Kommunisten war das dann natürlich ganz anders.

Auch klimatisch war es hier nicht so hart, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Es gibt hier durchaus auch warme Sommer wo man sogar ins Freibad kann, wie man mir sagte
Als wir hier aufschlugen, war der kurze Sommer allerdings schon vorbei und wir mussten warme Jacken kaufen um nicht dauernd erbärmlich zu frieren. Da hatte ich bei der Planung der Reise als “bester Reisführer der Welt“ kläglich versagt.

Auf dem Heimweg besuchten wir noch eine Markthalle. Innerhalb dieser konnten wir in einer Metzgerei noch schnell ein paar Scheiben Salami ergattern, als diese gerade in die Auslage gelegt wurden. Sofort bildete sich eine Schlange und alles war binnen Minuten auch schon vergriffen.

Eigentlich sah der Metzgerladen mit seiner trostlosen Leere wie ein Fliesenfachgeschäft aus. Ich kannte solche Läden noch aus der inzwischen untergegangenen DDR, wo wir öfters Freunde besuchten. Diese konnten bei unseren Besuchen eigentlich alles für ein leckeres Essen besorgen, wenn wir ihnen “Westgeld“ gaben. Der 10 DM Schein hieß damals “Entscheidungshilfe“ und der Hunderter war ein “Berechtigungsschein“.

Warum das hier in Russland aber mit der Versorgungslage, nach Abschaffung der Planwirtschaft immer noch so war, konnte ich nicht verstehen. Natascha meinte, dass sich das hier in Sibirien auch noch einpendeln würde und die Situation im fernen Moskau schon sehr viel besser wäre.

An einem anderen Stand ergatterten wir ein Stück Käse, von dem wir gerne ein größeres mitgenommen hätten, uns aber, obwohl sichtlich ausreichend vorhanden, nur dieses kleine Stück zugeteilt wurde.
Erinnerte mich auch wieder an einen Shop im Leipziger Hbf, wo vor mir einer 5 Päckchen “F6“ Zigaretten kaufen wollte und man ihm nur eine zugestand. Begründung: “Na ai verbibscht, die Anneren wollen doch ooch noch was!“

Als wir dann noch ein Glas mit Essiggurken im Einkaufsbeutel hatten, dachten wir, jetzt nur noch Brot, dann gibt das ein bäriges Vesper zum Abendessen. Bier stand ja für uns immer im Kühlschrank bereit und war auch überall zu haben.

An einem Bäckereistand wurde soeben Brot angeliefert und sofort bildete sich eine Schlange. Als ich mich anstellte und die Brote zählte, hätte es eigentlich auch noch für uns eines gereicht. Jedem vor mir wurde ja nur eines zugeteilt. Als ich dann aber dran war, waren die letzten zwei, die eben noch dalagen, wie von Geisterhand verschwunden. Meine Gretel hatte gesehen, wie zwei Frauen hinter mir der Verkäuferin ein Zeichen gaben. Als ich dann nur einen Augenblick wegschaute, ließ sie diese zwei Brote blitzschnell unter dem Ladentisch verschwinden. Kurz darauf, jetzt etwas abseits stehend, sahen wir dann, wie die Brote in den Einkaufstaschen der Damen verschwanden. Als diese bemerkten, dass sie von uns beobachtet wurden, streckten sie uns die Zunge raus. Ich sah dies aber vom Sportlichen und akzeptierte mit einem freundlichen Lächeln, dass ich diesmal verloren hatte.

Insgesamt ist so etwas aber doch ein Armutszeugnis. Ein Staat, der seine Bürger nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs versorgen kann, gehört einfach weg von der Landkarte, wie es auch der DDR widerfahren ist. Dabei waren deren Bürger, nach meiner Ansicht, nicht einmal sooo gebeutelt und nahmen vieles sogar mit Humor. Als in Halle-Neustadt ein riesiges Kauf-Center eröffnet wurde, nannten es unsere Freunde die “Sigmund Jähn Gedächtnishalle“ nach dem ersten Deutschen im leeren Raum.

Schon wieder etwas abgeschweift, aber wenn ich für diesen Bericht in der Vergangenheit bohre, fällt mir halt auch wieder so etwas ein.

Nun mag der eine oder andere denken, Derartiges gehört doch nicht in einen Reisebericht! Ich aber bin der Meinung, dass gerade solche Kleinigkeiten auch Wichtig sind, da sie den Zustand eines Landes widerspiegeln, in dem sich dieses zum Augenblick der Reise gerade befunden hat.

Auf dem Heimweg roch es dann plötzlich nach frischem Brot. Als ich dem Geruch in einen Hinterhof folgte, war da tatsächlich eine kleine Bäckerei, wo gerade fertig gebackene Brote aus dem Ofen genommen wurden. Mit Hilfe der Zeichensprache äußerte ich den Wunsch, eines kaufen zu wollen. Zuerst hieß es “njet“, dann hat man mir ein etwas unförmiges sogar geschenkt.

Als wir zuhause alles auspackten, war Natascha sehr beeindruckt, das wir dies alleine organisieren konnten.
Wir genossen dann mal wieder seit längerer Zeit ein deftiges Vesper.

Am nächsten Tag wurden wir nach unserem inklusiven Breakfast, das aus je 2 Scheiben Brot, Butter und selbst eingekochter Waldbeeren-Marmelade + einer Kanne Tee bestand, von Nataschas Ex-Mann zu dieser gebuchten Baikal-Exkursion abgeholt. Er erzählte uns unterwegs im Auto einiges über diesen riesigen See, was ich allerdings schon wusste, weil ich mich vor dem Urlaub darüber eingelesen hatte.

Mit einem Tragflügelboot fuhren wir dann, zusammen mit noch ein paar anderen Passagieren, etwa 2 Stunden verschiedene Aussichtspunkte an. Der Kapitän sagte mir, dass genau auf diesem Platz, auf dem ich sitze, vor ein paar Wochen mein BK, nämlich Helmut Kohl gesessen habe. “Ach“, dachte ich, “wäre er doch in Sibirien geblieben!“

Immer wieder wurde hervorgehoben, dass das Wasser in diesem See Trinkwasserqualität habe. Als das Boot dann wieder an seinem Liegeplatz angedockt wurde, sah ich einen riesigen Ölfilm auf der Wasseroberfläche treiben.

Eigentlich hat mich diese ganze Tour nicht beeindruckt. War irgendwie langweilig.
Dies sagte ich abends auch Natascha, die mir dann den Vorschlag machte, mit ihrem Sohn, der auch sehr gut Deutsch sprach, zusammen eine weitere Baikal-Exkursion zu machen. Morgen hätte er Schulfrei und bis jetzt wäre seine Baikal-Tour immer gut angekommen. Ich solle ihm dann nur das dafür bezahlen, was es uns wert gewesen sei.
Wir sagten zu.

Fortsetzung folgt!
 
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        #40  

Member

Member hat gesagt:
Habe mich dann in die Badewanne gesetzt und mit einer Flasche gut eine Stunde immer wieder gegen das Blech gehämmert.


Mein Kopfkino läuft . Alleine sich diese Aktion bildlich vorzustellen :efant:

Member hat gesagt:
Während dem Scheißen musste man den Anblick ertragen, wie beim Vordermann die Kacke aus dem Arschloch quoll.

No comment :baaee::kaffee:

So genial krass wie du schreibst , in der Öffentlichkeit kann man diese Storys garnicht lesen. Da würde ich ständig gegen einen Baum laufen oder mich vor Lachen auf dem Boden wälzen. Was würden dann die Leute von mir denken ? 🤣

Schreib bloss weiter so. Ich hoffe deine Reise dauert noch eine Weile und du kommst noch zu einem Aussendienst.
Da fällt mir ein , wie konntest du mit deiner Gretel auf dieser Reise einen wegstecken ? Ihr wart ja immer ziemlich unter Beobachtung.
 
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