Putschgerüchte sorgen für Unruhe
Zwei Tage lang haben sich thailändische und kambodschanische Truppen blutige Gefechte geliefert. Die Bilanz ist grausig: Zahlreiche Verwundete, zerstörte Häuser, zerschossene Panzer und mindestens vier Tote. Thailändische Zeitungen berichten sogar von 64 toten Kambodschanern. 3000 Menschen wurden von den thailändischen Militärs vorsichtshalber aus dem Grenzgebiet gebracht.
Nun schweigen die Waffen - vorerst. Aber der Krieg der Worte geht unvermindert weiter. Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Militäreinsatz verantwortlich. Thailands Regierungschef Abhisit Vejjajiva gibt sich martialisch: "Wir Thailänder lieben den Frieden. Aber wir sind auch bereit zum Kampf." Und das Außenministerium veröffentlichte ein empörtes Statement: "Kambodschanische Truppen haben das Feuer eröffnet." Thailand habe sich verteidigen müssen.
Kambodschas Außenminister Hor Namhong sieht das ganz anders: Etwa 300 Soldaten seien am Freitagnachmittag und erneut am Samstagmorgen aus dem Nachbarland nach Kambodscha eingedrungen und hätten auf breiter Front angegriffen, schreibt er in einer Beschwerde an den Uno-Sicherheitsrat. Noch 20 Kilometer hinter der Grenze seien thailändische Granaten eingeschlagen. Selbst der Preah-Vihear-Tempel sei schwer beschädigt worden.
Das hinduistische Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert zählt neben Angkor Wat zu den schönsten Tempelanlagen ganz Südostasiens. Die Unesco hat die heilige Stätte zum Weltkulturerbe erklärt. Doch seit Jahren streiten sich Thailand und Kambodscha erbittert um den Zugang.
Der Tempel selbst gehört zu Kambodscha, ist aber von kambodschanischer Seite kaum zu erreichen. Thailand beansprucht einen Streifen von 4,6 Quadratkilometern rund um den Bau - und blockiert damit die Erschließung der Anlage für die Öffentlichkeit. Das Auswärtige Amt in Berlin rät wegen der immer wieder aufflammenden Grenzstreitigkeiten seit langem von Reisen in das umkämpfte Gebiet ab. Denn immer wieder wird auch scharf geschossen.
Am 29. Dezember vergangenen Jahres eskalierte die Situation erneut: Die Kambodschaner verhafteten sieben Aktivisten des "Thai Patriot's Network" (PAD), die mit einer provokativen Aktion auf dem umstrittenen Gebiet Thailands Besitzansprüche dokumentieren wollten.
Fünf von ihnen wurden nach zähen Verhandlungen und einem Schauprozess vier Wochen später aus Kambodscha abgeschoben. Doch die beiden prominentesten Mitglieder der den "Gelbhemden" verbundenen Patrioten-Truppe verurteilte ein Gericht wegen unerlaubten Grenzübertritts, Eindringens in militärisches Sperrgebiet und Spionage zu acht beziehungsweise sechs Jahre Haft.
Seither gleicht die seit dem Mai-Massaker des vergangenen Jahres ohnehin unruhige innenpolitische Szenerie Thailands wieder einem brodelnden Hexenkessel: Nicht nur die erstarkten "Rothemden" verlangen den Rücktritt von Ministerpräsident Abhisit und seiner Regierung. Auch die "Gelbhemden" haben ihren einstigen Verbündeten fallen gelassen und machen massiv Druck, um ihn aus dem Amt zu jagen.
Die Gefechte an der Grenze haben auch den Putschgerüchten Auftrieb gegeben, die seit fast zwei Wochen Thailands politische Szene in Unruhe versetzen. "Der Countdown für einen neuen Umsturz läuft bereits", erklärte Admiral Bannavit Kengrian schon vor den Schüssen an der Grenze.
Er weiß, wovon er spricht: Er war an vorderster Front dabei, als Thailands Generäle 2006 den damaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra aus dem Amt jagten. Jetzt, so prophezeit der den "Gelbhemden" nahestehende Haudegen, sei es wieder so weit. Nicht erst in einigen Monaten oder gar erst in einem Jahr, sondern schon in wenigen Wochen werde das Militär erneut die Macht in Thailand übernehmen.
Den Stein hat der Parlamentsabgeordnete Jatuporn Prompan ins Rollen gebracht. Der Oppositionspolitiker behauptete Ende Januar, er habe gesicherte Informationen darüber, dass Armee-Chef Prayuth Chan-ocha bei einem Geheimtreffen mit Verteidigungsminister Prawit Wongsuwon und Stabschef Daopong Rattanasuwan sowie anderen hohen Militärs das Drehbuch für einen Staatsstreich bereits geschrieben habe.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743348,00.html