Lächeln gegen die Demokratie: Mönche als Kriegstrommler
Mehr Umstrittenes Weltkulturerbe: Das Gelände des antiken hinduistischen Khmer-Tempels Preah Vihear im Grenzgebiet von Thailand und Kambodscha wird von beiden Ländern beansprucht. Die ASEAN-Staaten haben inzwischen eine Vermittlungsmission begonnen. Unterdessen heizen thailändische Nationalisten den Konflikt weiter auf. Vorne dabei sind die revanchistische Volksallianz für Demokratie (PAD) und ihr spiritueller Mentor, die buddhistische Sekte Santi Asoke. Deren Gründer Phra Photirak ist ein sanfter Mann und Scharfmacher zugleich
Von Michael Lenz
Fünfzehn Indonesier sitzen künftig in der ersten Reihe, sollten sich Thailand und Kambodscha in ihrem
Streit um den hinduistischen Tempel Preah Vihear aus dem 9. Jahrhundert wieder gegenseitig beschießen. Zuschauen, das ist die bisher konkreteste Aufgabenbeschreibung für die Beobachter, deren Entsendung die Außenminister der ASEAN-Staaten als ihren Beitrag zur Konfliktlösung Ende Februar in Jakarta beschlossen haben.
Wie die Truppe heißen wird, ist noch offen. Klar ist aber, dass "Frieden" nicht Bestandteil des Namens sein darf. So wie in dem Beschluss und laut thailändischen Medienberichten auch während der Debatte in Jakarta über den Konflikt auch nicht von einem "Waffenstillstand" die Rede war. Nicht als Forderung, Wunsch oder auch nur bloße Option. Solange nicht geschossen wird, ist doch alles gut, fasste Indonesiens Außenminister Marty M. Natalegawa, dessen Land derzeit den ASEAN-Vorsitz inne hat, den Standpunkt seiner Kollegen zusammen.
Die Nachbarn wollen sich nicht einmischen
Das ist eine typische ASEAN-Herangehensweise. Man mischt sich grundsätzlich nicht in die "inneren Angelegenheiten" eines Mitglieds ein, auch wenn sich zwei Länder wie die Kesselflicker streiten und so laut mit den Säbeln rasseln, dass ein späterer Krieg nicht ausgeschlossen ist. Da man aber auch nicht als zahnloser Tiger erscheinen mag, wird ein Kompromiss gefunden, der niemandem nutzt, aber die Gesichter aller Beteiligten wahrt.
Der Tempelstreit kann also weitergehen, angeheizt von der nationalistisch-revanchistischen Volksallianz für Demokratie (PAD) und ihrem spirituellen Mentor, dem buddhistischen Orden Santi Asoke. Über die Forderung der Freunde von der PAD, Thailands Armee solle drei grenznahe kambodschanische Provinzen besetzen, um die Regierung in Phnom Penh zu zwingen, Preah Vihear (Foto) an Thailand auszuhändigen, sagt der Santi-Asoke-Abt Phra Photirak leise lächelnd: "Wir als Buddhisten sind natürlich gegen einen Militäreinsatz."
Aber er sagt auch: "Wenn man ein Haus besitzt und plötzlich kommt jemand, der es einem wegnimmt, dann muss man was unternehmen." Die Grenzstreitigkeiten durch Dialog beizulegen, wie es ein Memorandum zwischen Thailand und Kambodscha aus dem Jahr 2000 vorsieht, gilt den Gelbhemden und Braunroben jedoch als Verrat. Was aber bleibt als Option außer Gewalt, wenn man Verhandlungen rundweg ablehnt und Kambodscha Preah Vihear nicht freiwillig an Thailand abtritt?
Vom TV-Star zum Klostergründer
Es ist nicht einfach, den 1975 gegründeten Orden einzuordnen. Beschreibungen wie "radikal" oder "fundamentalistisch" würden passen, wären sie nicht im Zusammenhang mit Religion zu negativ besetzt und mit Gewalt und Terror assoziiert. Das erklärte Ziel von Ordensgründer Phra Photirak ist die Wiederbelebung des "reinen Buddhismus" in Thailand. Dafür hat er 1975 seine Karriere als Sänger, Fernsehstar, Schriftsteller und Komponist aufgeben.
Die Mönche des asketischen Ordens tragen schlichten, lehmbraune Roben, laufen barfuß, leben umweltbewusst und sind vehemente Kritiker der materialistischen Gesellschaft. Viele Feinde hat sich der Abt durch seine harsche Kritik an dem in Ritualen erstarrten Buddhismus Thailands gemacht: Dessen orange gewandete Äbte und Mönche würden sich goldene Nasen mit dem Verkauf von wundertätigen Amuletten und Astrologie verdienen, anstatt die heiligen Schriften zu studieren. Der so gescholtene, streng feudalistisch verfasste offizielle thailändische Buddhismus hat Santi Asoke und ihre schätzungsweise 200.000 Anhänger Ende der 1980er Jahre zu Häretikern erklärt.
Die Mönche von Santi Asoke bringen ihr moralisches Gewicht aktiv in die gesellschaftspolitischen Debatten Thailands ein. Die große politische Bühne Thailands betrat Santi Asoke im Sommer 2006. Sie schloss sich als "Dhamma Armee" den Massenprotesten gegen den damaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra an. Die Unterstützung Santi Asokes verlieh den Protesten ein moralisch-spirituelles Gewicht, das es der Armee leichter machte, im September 2006 Thaksin durch einen Putsch zu stürzen.
Hilfe beim Sturz von Thaksin
Seitdem sind Santi Asoke und PAD Säulen des konservativen Establishments und ein dominierender Faktor im innenpolitischen Machtkampf Thailands. Das war 2008 live zu bewundern, als die PAD mit dem Segen von Santi Asoke durch die Besetzung des Amtssitzes des Ministerpräsidenten und die Blockade des Flughafens von Bangkok die erste frei gewählte Regierung seit dem Putsch gegen Thaksin in die Knie zwang. Warum? Weil das Volk die Partei des gestürzten und seit seiner Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe wegen Korruption flüchtigen Thaksin wiedergewählt hatte.
Phra Photirak ist ein sanfter Mann, der gerne viel lacht und dabei seine blendend weißen Zähne zeigt. Das macht es schwer, dahinter den Mann zu sehen, der zu jenen gehört, die den Nationalismus der Thais anheizen. Gelassen erläuterte der 76-jährige Mönch in der braunen Robe jüngst in Bangkok bei einem seiner seltenen Presseauftritte, warum ein Diktator demokratischer sein kann als eine gewählte Regierung. Wahlen, findet der Abt, seien nur ein nebensächliches Merkmal von Demokratie. Diese sei dann gegeben, wenn Parteien und Regierungen selbstlos den Interessen des Volkes dienten. Dieses Kriterium erfülle aber keine Partei in Thailand, auch nicht die gegenwärtige Regierung von Abhisit Vejjajiva. Deshalb wäre ein Diktator wünschenswerter, so lange er eben ein "demokratischer Diktator" sei, der dem Volk dient.
Seit dem Putsch ist Thailands Gesellschaft tief gespalten in Gelbhemden und die Rothemden der Thaksin-Anhänger (Foto: Blockade eines Stadtteils von Bangkok im Frühjahr vergangenen Jahres). Die Spaltung zieht sich auch durch den thailändischen Buddhismus. Viele der führenden Klöster und Äbte Thailands gelten als Unterstützer der Rothemden, die im Volk verwurzelt sind, während der Fanclub von Santi Asoke und der PAD vornehmlich in der herrschenden Elite aus Bürokratie und Armee zu finden ist. Vielleicht, so spekulieren politische Beobachter, hoffen Gelbhemden und Braunroben durch das Spielen der nationalistischen Karte die Kluft zu überbrücken um so den Boden für einen "starken Mann" zu bereiten, der durchgreift und aufräumt.
Das Rühren der Kriegstrommeln von PAD und Santi Asoke stößt allmählich bei der Regierung auf Resonanz. Es stehen Wahlen an, sie finden voraussichtlich im Juni oder Juli statt. Da kann es sich Abhisit nicht leisten, gegenüber dem ungeliebten Nachbarn Kambodscha als schwach und nachgiebig wahrgenommen zu werden. Thailand sei jederzeit bereit "zurückzuschlagen, wenn Kambodscha uns angreift", zitierte die englischsprachige Thaizeitung "
Bangkok Post" den Regierungschef nur zwei Tage nach dem ASEAN-Treffen und veröffentlichte dazu ein Foto, das Soldaten beim Bau einer Pontonbrücke für Panzer über einen Fluss in der Provinz Si Sa Ket an der Grenze zu Kambodscha zeigt.
Die Fünfzehn Indonesier könnten bei ihrem namenlosen Einsatz einiges zu sehen bekommen.
http://www.evangelisch.de/themen/re...ie-demokratie-moenche-als-kriegstrommler35415