Thailand steuert auf Schicksalswahlen zu
Vom Ausgang der für 3. Juli angesetzten Parlamentswahlen in Thailand werden einschneidende Folgen für das weitere Schicksal der tief gespaltenen Nation erwartet. Zwar plädieren die beiden führenden Spitzenkandidaten, Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva (47), und Yingluck Shinawatra (43) - die jüngere Schwester des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra (62) - für eine Versöhnung der verfeindeten politischen Lager. Doch ein knapper Wahlausgang könnte neue gewalttätige Unruhen heraufbeschwören.
Nur wenn eine Seite einen überzeugenden Wahlsieg einfahren kann, bestehe die Chance, dass sich der Verlierer über kurz oder lang damit abfindet, meinen Analysten in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südostasiens. Wenn aber beide Lager - militant repräsentiert durch regierungsfreundliche "Gelbhemden" und oppositionelle "Rothemden" - etwa gleichstark aus dem Urnengang hervorgehen, seien Wahlanfechtungen, Proteste, Unruhen und womöglich ein Eingreifen des Militärs denkbar. Erst vor einem Jahr waren die gewaltsamen Proteste der Rothemden im Zentrum Bangkoks blutig niedergeschlagen worden.
Hauptkontrahenten im Wahlkampf sind zwei fotogene Gestalten, die sich aber nicht nur in politischer Hinsicht drastisch unterscheiden. Auf der einen Seite steht der smarte, intellektuelle, besonders im Großraum Bangkok geschätzte Regierungschef Abhisit. Er ist Spitzenkandidat der Demokratischen Partei (DP) und wird von Bürgertum, Militär und Königstreuen unterstützt. Die Gelbhemden-Bewegung PAD (Volksallianz für Demokratie) bereitete den Boden für seinen politischen Aufstieg.
Abhisits Herausforderin ist Yingluck Shinawatra. Sie gilt als chancenreich und kann sich auf die arme Landbevölkerung stützen. Yingluck ist attraktiv, erscheint sympathisch, hat aber so gut wie keine Politik-Erfahrung. Ihre Gegner werfen ihr vor, nur Platzhalterin für ihren im Exil lebenden Bruder zu sein und eine Amnestie für ihn anzustreben. Ihrer Puea-Thai-Partei steht die Rothemden-Bewegung UDD (Vereinigte Front für Demokratie und gegen Diktatur) nahe.
Eine weiterer Kandidat, der im Wahlkampf für Aufsehen sorgt, ist der umstrittene ehemalige Massagesalon-"König" Chuwit Kamolvisit, der um die Stimmen der Unzufriedenen wirbt.
Gründe zur Unzufriedenheit gibt es viele. Eines der Hauptprobleme ist die tiefe Spaltung der thailändischen Gesellschaft. Sie hat ihre Wurzeln im schroffen Gegensatz zwischen dem Großraum um die Hauptstadt Bangkok einerseits sowie dem Norden und Nordosten des Landes andererseits. In den an Laos und Kambodscha grenzenden Gebieten, die als "Isaan" bezeichnet werden, konnten die Menschen kaum vom Wirtschaftsboom profitieren, der Thailand im Vorjahr ein Wachstum von 7,8 Prozent bescherte.
Im ländlich geprägten Isaan und im Norden leben die meisten Anhänger des vor der Justiz ins Exil geflüchteten Ex-Premiers Thaksin. Der Milliardär hatte sich durch Sozialreformen und auch durch Stimmenkauf die Sympathien der Unterprivilegierten erworben.
Während seiner Amtszeit 2001 bis 2006 war der Tycoon, der die Bekämpfung der Korruption zu einem seiner Hauptziele erklärt hatte, selbst zunehmend massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Dazu war der hauptstädtischen Elite sein autoritärer Regierungsstil ein Dorn im Auge. 2006 wurde Thaksin durch das Militär gestürzt, seine "Thai-Rak-Thai"-Partei wurde verboten. Er selbst floh zwei Jahre später ins Ausland, um einer Haftstrafe wegen Korruption zu entgehen.
Von der Militärregierung angesetzte Neuwahlen brachten mit Thaksin verbündete Parteien an die Macht. Dagegen brachen deren Gegner, die Gelbhemden, eine massive Protestwelle vom Zaun, die 2008 in der Besetzung der Flughäfen von Bangkok gipfelte. Durch den Seitenwechsel eines Koalitionspartners kam schließlich die Regierung zum Sturz und der Oxford-Absolvent Abhisit ohne Wahlen in sein Amt.
Nun wiederum gingen die Thaksin-freundlichen Rothemden auf die Straße und forderten Neuwahlen. Höhepunkt der Proteste bildete im Frühjahr 2010 die Besetzung des Geschäftsviertels Ratchaprasong in Bangkok. Bei den Unruhen kamen über 90 Menschen ums Leben, rund 2.000 wurden verletzt. Die Anführer der Bewegung wurden festgenommen. Zudem wurden führende Oppositionelle und Intellektuelle wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, auf die drakonische Strafen stehen.
Die Fronten zwischen den politischen Lagern sind auch vor den nun endlich angesetzten Wahlen weiterhin verhärtet, eine Versöhnung scheint mehr als fraglich. Zu alledem ist der 83-jährige Langzeitkönig Bhumibol Adulyadei (Rama IX.), das Symbol für die Einheit des Landes, gesundheitlich angeschlagen. Zwar hat er sich nicht öffentlich zur politischen Dauerkrise geäußert, doch allein seine Präsenz gilt vielen als Garantie dafür, dass nicht alle Dämme brechen.
http://www.wirtschaftsblatt.at/home...ksalswahlen-zu-475422/index.do?_vl_pos=r.1.NT