Chris und Benny sahen nach wie vor aufmerksam zu.
"So, so, dieses Miststück will sich als das Geld von mir zurückholen. Die ist doch nicht mehr ganz dicht. Mir die Schuld dafür zu geben, dass sie Geld verloren hat. So ein Blödsinn!"
Chris und Benny sahen sich kurz an und brachen dann in schallendes Gelächter aus.
"Nein, Chris, natürlich sind wir nicht Schuld an deren Desaster. Wie kommt man denn nur auf einen solchen Unsinn?"
"Diese Schlampe wird noch ihr blaues Wunder erleben, wenn sie zurück in Deutschland ist. Wenn die wüsste, dass das hier in Pattaya nur die Präliminarien zum Showdown waren, würde sie sich gleich die Kugel geben!"
Christel kam aus dem Bad zurück und setzte sich wieder zu Wilma aufs Bett. Sie wirkte so, als hätte es die Auseinandersetzung zwischen ihnen überhaupt nicht stattgefunden. Wilma war etwas verwundert über dieses Auftreten, nahm es aber an. Sie hatte einfach keine Lust auf dumme Auseinandersetzungen mit Christel. Sie wollte einfach noch die letzten Tage Urlaub genießen.
"Was wollen wir heute Abend unternehmen? Hast du Lust, lecker essen zu gehen? Du solltest zusehen, dass du wieder was auf die Rippen bekommst. Du hast recht heftig abgenommen. Das steht dir allerdings nicht schlecht."
"Gute Idee, du hast bestimmt ein Restaurant ausgeguckt."
"Lass uns in dieses Nang Nual an der Walking Street gehen, lecker Seafood, Steaks, eigentlich alles, was dein Herz begehrt und das zu annehmbaren Preisen."
Christel nickte Wilmas Vorschlag wortlos ab und ging ins Bad um sich zu schminken. Wilma führte Christels merkwürdiges Verhalten auf ihre Erlebnisse im Gefängnis und auch auf ihre eigene, veränderte Einstellung zurück, hoffte, dass sich das schnell wieder legen würde. Irgendwie belastete sie das alles nicht mehr so stark. Wilma trank ihren Whisky aus und ging auf ihr Zimmer um sich ebenfalls fertig zu machen.
Benny trennte die Verbindung und fuhr die Laptops runter.
"Was stellen wir denn an? Ich fühle mich nicht so ganz wohl dabei, mit dem Wissen, dass die Beiden in Pattaya unterwegs sind, auszugehen. Ich habe keinerlei Lust, den Beiden über den Weg zu laufen. Vielleicht sollten wir uns mal woanders als in Pattaya umsehen, was hältst du davon?"
"Warten wir mal ab, bis unsere Mädchen zurück sind, mal sehen, was sie davon halten. Was schlägst du vor? Wie wäre es mit Bangkok. Hasso ist ja am Montag wahrscheinlich auch in Bangkok um die Visa für die Mädchen abzuholen. Und am Montag ist dieses Miststück ja wieder in Deutschland und wir können uns wieder frei bewegen. Jedenfalls wird Christel noch ihr blaues Wunder erleben sobald sie zurück ist."
Zusammen gingen Wilma und Christel die Treppe hinunter. In der Lobby des Hotels kamen ihnen Su und Martin entgegen.
"Hi Wilma, how are you?"
Su ging sofort nachdem sie Wilma erkannte hatte auf die Beiden zu. Sie umarmte Wilma und begrüßte sie mit einem Hom auf die Wange, dem thailändischen Äquivalent eines Begrüßungskusses.
"Hi Su! Hallo Martin! Su, may I introduce you my friend Christel!"
Wilma wandte ihren Kopf Christel zu und erschrak im ersten Moment über deren ernsten Gesichtsausdruck. Su wandte sich ebenfalls Christel zu, hob ihre Hände und begrüßte sie mit einem respektvollen Wai. Auch Su bemerkte sofort die negative Aura von Christel. Ihre Erziehung ließ sie allerdings erst einmal darüber hinwegsehen. Martin hatte Wilma ebenfalls mit einem Kuss auf die Wange begrüßt und reichte Christel seine Hand, die diese mit deutlichem Widerwillen annahm.
"So, what you gonna do tonight? We are just on the way for dinner."
Su hatte die Frage an Wilma gerichtet und ihr Blick huschte unstet zwischen Wilma und Christel hin und her.
"We are on the way to eat something too. We want to go for Nang Nual. Do you wanna join us?"
Su wechselte einen kurzen Blick mit Martin, holte auf diese stumme Art und Weise sein Einverständnis.
"Okay, that's a good idea."
Christel hatte bis jetzt noch kein Wort verloren. Wilma sah sie an und war ob Christels verstockt störrischer Art etwas angekratzt. Sie beschlich das Gefühl, dass es keine gute Idee war, sich den Su und Martin anzuschließen. Sie überlegte kurz, sich noch anders zu entscheiden, sah aber davon ab. Sie mochte Su und Martin und sie spürte, dass ihr deren Gesellschaft wesentlich mehr lag als die von Christel.
Su kümmerte sich um den Transport und wenig später saßen sie in einem Bahtbus, der sie zum Marine Plaza brachte. Von dort war es nur noch ein kurzer Weg ins Nang Nual. Su sprach kurz mit einem Mädchen vom Service, die sie dann zu einem freien Tisch direkt am Wasser geleitete.
Su und Martin hatten sich schnell entschieden, oder besser gesagt, sie hatten ja schon vorher ihre Wahl getroffen, Pepper Steak. Wilma entschied sich für Sashimi und nur Christel schien unschlüssig. Martin hatte schon öfter im Nang Nual gespeist und wollte Christel behilflich sein.
"Christel, würdest du lieber Fisch oder Fleisch essen?"
Christels hob ihren Kopf und Martin erschrak etwas über das angriffslustige Flackern in Christels Augen.
"Wer hat Ihnen erlaubt, mich zu duzen!"
Martin war etwas über die brüske Art, wie Christel auf sein Hilfsangebot reagierte, erschrocken. Bevor er noch etwas sagen konnte, griff Wilma ein.
"Christel, dass sind meine Freunde, wir haben uns in den letzten Tagen näher kennengelernt und ich erwarte von dir, dass du das etwas respektierst und nicht wegen jeder Kleinigkeit wie zum Beispiel mit 'Du' angesprochen zu werden, ausrastest. Das ist hier so üblich un dich erwarte von dir, dass du das respektierst."
Martin folgte dem kurzen Monolog von Wilma schweigend. Er hatte es hier mittlerweile als Selbstverständlichkeit angesehen, dass man sich duzt. und der Umgangston längst nicht so steif wie in Deutschland war. Su war ebenfalls hellhörig geworden. Zwar hatte sie nicht verstanden, was Christel von sich gegeben hat, sehr wohl aber hatte sie die Aggressivität in ihrer Stimme wahrgenommen. Martin erinnerte sich an Christels Auftritt im Gefängnis. Der hatte ihn nicht gerade positiv auf sie eingestimmt und ihm lag schon eine harsche Antwort auf der Zunge. Martin sprang in diesem Moment über seinen Schatten.
"Entschuldigen Sie Christel, darf ich Ihnen ein Menu empfehlen. Wenn sie gerne Fisch essen wollen, kann ich Ihnen Pla Nüng Mana-u empfehlen, gedünsteter Fisch in einer würzigen Lemon-Sauce, wenn..."
Christel schnitt ihm harsch das Wort ab.
"Danke, ich brauche Ihre Hilfe nicht. Ich kann selbst für mich entscheiden."
Hilfesuchend sah Martin erst zu Wilma und dann zu Su. Su legte ihm beruhigend die Hand auf seinen Oberschenkel. Martin bekam mit, wie es in Wilma brodelte.
Su winkte eine Bedienung heran und sie gab ihre Bestellung auf. Wilma tat es ihr gleich. Die Bedienung wandte sich an Christel, die immer noch etwas unschlüssig im Menu blätterte.
"Mam, did you make your choice or do you need more time?"
Wortlos drehte Christel ihr das Menu zu und sie zeigte auf ein Bild. Das Mädchen nahm die Speisekarte in die Hand, legte sie auf den Tisch um sich die Wahl Christels zu notieren. Noch einmal zeigte sie auf das Bild, auf das Christel gedeutet hatte und nachdem Christel bestätigend abnickte, notierte sie die Nummer von Christels Wahl.
Wilma war durch Christels Verhalten mindestens genauso irritiert wie Martin. Sie vermochte Christel nicht mehr einzuordnen, befürchtete aber, dass dieser Abend alles andere als harmonisch enden würde.